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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 1120/08
Rechtsgebiete: InsO, KSchG, BGB


Vorschriften:

InsO § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 1 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 4
KSchG § 17 Abs. 3 Satz 4
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.06.2008 - 5 Ca 842/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.355,87 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger will mit seiner am 19.11.2007 zunächst beim Arbeitsgericht Wesel eingegangenen und an das Arbeitsgericht Gelsenkirchen verwiesenen Klage feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis durch die auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz ausgesprochene Kündigung des Beklagten vom 12.11.2007 nicht zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist.

Der am 13.07.1952 geborene Kläger war bei der D1-H1 GmbH seit dem 02.11.1987 als Hauer unter Tage gegen einen monatlichen Verdienst von zuletzt 2.785,29 Euro brutto tätig. Er ist gemäß Gleichstellungbescheid des Arbeitsamtes D3 vom 06.07.2000 einem Schwerbehinderten gleichgestellt und Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins.

Am 01.06.2007 wurde über das Vermögen der D1-H1 GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem zuvor das Personal der Insolvenzschuldnerin durch vorangegangene Betriebsänderungen erheblich reduziert worden war, schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat am 26.09.2007 einen Interessenausgleich über die Stilllegung des Untertagebetriebes und Einstellung des operativen Geschäftes der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2007. Dem Interessenausgleich war eine Namensliste beigefügt, auf der sich auch der Name des Klägers befindet.

In den Vorbemerkungen des Interessenausgleichs heißt es:

...

Die Betriebsparteien sehen die Gefahr, dass der Geschäftsbetrieb nicht, wie vorgesehen, bis zum 31.12.2007 aufrechterhalten werden kann, sondern zu einem früheren Zeitpunkt mit der Folge der Freistellung der Mitarbeiter von der Arbeit eingestellt werden muss. Um zu verhindern, dass diese Mitarbeiter ins "Bergfreie" fallen, sind dringend politische Lösungen erforderlich, um ihnen den Eintritt in eine Transfergesellschaft bzw. die Weiterbeschäftigung bei einem anderen Bergbauunternehmen zu ermöglichen, noch bevor es zu einer Freistellung kommt. Insbesondere für die Mitarbeiter, die kurz- und mittelfristig die Voraussetzungen für den Bezug von Anpassungsgeld erfüllen würden, wären die negativen Auswirkungen besonders deutlich spürbar. Im Jahr 2008 werden 139 Mitarbeiter die Voraussetzungen für die Anpassung erfüllen.

...

Im Übrigen wird auf den Inhalt des Interessenausgleichs und des Sozialplans (Bl. 18 - 36 d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte behauptet, unmittelbar nach Abschluss des Interessenausgleichs seien die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter am 27.09.2007 gekündigt worden, soweit keine behördlichen Zustimmungen erforderlich gewesen seien. Im Übrigen seien die Kündigungen unmittelbar nach Vorliegen der Zustimmung des Integrationsamtes und der Zustimmung der Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein ausgesprochen worden. Der Kläger hat gegen den Zustimmungsbescheid des Versorgungsamtes G1 vom 06.11.2007 Widerspruch eingelegt. Er meint, sein Widerspruch habe gemäß § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig, rügt die nicht ordnungsgemäße Anhörung es Betriebsrats und die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige. Er trägt vor, die Behauptung des Beklagten, er habe das operative Geschäft mit Wirkung zum 31.12.2007 eingestellt, sei unrichtig. Tatsächlich beschäftige der Beklagte insgesamt mindestens 257 Arbeitnehmer unter Tage ohne Änderung der Kolonnenzusammensetzung auf den jeweiligen Zechen unverändert weiter. Nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs, dessen formale Wirksamkeit der Kläger rügt, habe sich die Sachlage wesentlich geändert, denn der Beklagte habe nach dem 26.09.2007 mit der Gewerkschaft IGBCE, der T3-S5 GmbH, dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin sowie den NRW-Ministerien für Wirtschaft und Arbeit Verhandlungen geführt, um eine Weiterbeschäftigung eines Großteils der Arbeitnehmer über den 31.12.2007 hinaus zu ermöglichen. Gegenstand dieser Verhandlungen sei das Ziel gewesen, mindestens 257 Arbeitnehmer einer neu gegründeten Gesellschaft, der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH, zu überlassen. Die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH habe bis Ende Dezember 2007 ihren Sitz in den Geschäftsräumen der Insolvenzschuldnerin in D2 gehabt und sei über die Telefon- und Telefaxnummer der Insolvenzschuldnerin erreichbar gewesen. Es sei geplant gewesen, die der R1-L2 überlassenen 257 Arbeitnehmer unverändert weiterhin in denjenigen Bergwerken einzusetzen, in denen die Insolvenzschuldnerin gearbeitet habe. Wegen der unveränderten Kolonnenzusammensetzung sei der größte Teil der betrieblichen Organisation der Insolvenzschuldnerin von der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH übernommen worden. Wenn aber noch bis Ende November 2007 über die Weiterbeschäftigung des größten Teils der unter Tage beschäftigten Arbeitnehmer verhandelt worden sei, habe die Absicht des Beklagten, den Betrieb einzustellen, bei Zugang der Kündigung nicht mehr bestanden.

Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, mit der Einstellung des operativen Geschäftsbetriebes zum 31.12.2007 habe eine Einsatzmöglichkeit des Klägers als Bergmann nicht mehr bestanden, da Arbeiten unter Tage nicht mehr verrichtet würden. Bereits mit Schreiben vom 28.06.2007 sei der Kläger von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt worden. Er habe sämtliche Mietverträge über Räumlichkeiten, die nicht mehr für Abwicklungsarbeiten benötigt worden seien, beendet und mit der Verwertung des beweglichen Anlagevermögens begonnen. Er selbst beschäftige keine Arbeitnehmer mehr unter Tage und wickle auch keine Aufträge mehr ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13.06.2008 antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 12.11.2007 zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst worden, weil der Beklagte es versäumt habe, der Agentur für Arbeit die Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß anzuzeigen. Der Beklagte habe nur die am 27.09.2007 ausgesprochenen Kündigungen, aber nicht die späteren Kündigungen der Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz angezeigt. Wegen des individuellen Schutzes der von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer sei es den Arbeitsgerichten nicht verwehrt, die Ordnungsgemäßheit der Massenentlassungsanzeige nachzuprüfen, obwohl die Agentur für Arbeit dem Beklagten mit ihren Bescheiden vom 26.09. und 04.10.2007 mitgeteilt habe, die Kündigungen könnten unmittelbar nach Eingang der Anzeigen ausgesprochen werden. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch stehe dem Kläger allerdings nicht zu, weil dies dem Beklagten nur unter äußerst erschwerten Umständen mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen sei die Kündigung nicht wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam. Die Entlassungsanzeige vom 26.09.2007 verhalte sich über alle 463 Mitarbeiter und gelte auch für die Kündigung des Klägers, dessen Name auf der der Anzeige beigefügten Personalliste enthalten sei. Aus dem Inhalt der Anzeige und der beigefügten Personalliste ergebe sich die Information, dass vor Ausspruch der Kündigung noch die Zustimmung einer Behörde erforderlich sei. Diese Vorgehensweise sei für eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige ausreichend.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 13.06.2008 - 5 Ca 842/08 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen. Er trägt ergänzend vor, die Sachlage habe sich nach dem behaupteten Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO wesentlich geändert, weil der Beklagte bei Ausspruch der Kündigung entschieden habe, tatsächlich nicht 463 Arbeitnehmer zu entlassen, sondern den wesentlichen Teil der Belegschaft, nämlich mindestens 257 Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebsübergangs der Tochtergesellschaft der D1-H1 GmbH, der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH, zu übertragen. Anfang Oktober 2007 habe der Beklagte mit dieser Gesellschaft, der Gewerkschaft IGBCE, der T3-S5 GmbH, dem Betriebsrat und dem NRW-Ministerium für Wirtschaft und Arbeit darüber verhandelt, abweichend vom Inhalt des Interessenausgleichs die Weiterbeschäftigung eines wesentlichen Teils der Belegschaft der D1-H1 GmbH über den 31.12.2007 hinaus durch einen Betriebsübergang gemäß § 613 a Abs. 1 BGB zu ermöglichen. Im Rahmen dieser Verhandlungen habe sich dann ergeben, dass es nicht notwendig gewesen sei, 257 Arbeitnehmer zu entlassen. Der Beklagte habe im Hinblick auf das Insolvenzverfahren und die damit verbundenen finanziellen Belastungen den Untertage-Betrieb nicht selbst fortsetzen wollen. Deshalb sei nach anderen Möglichkeiten gesucht worden, den wesentlichen Teil der Untertage-Belegschaft der Insolvenzschuldnerin weiterzubeschäftigen. Diese Möglichkeit habe sich realisiert durch die Tochtergesellschaft der Insolvenzschuldnerin. Die Verhandlungen seien Ende Oktober 2007 mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, diejenigen Tätigkeiten, die noch bis zum 31.12.2007 von der Insolvenzschuldnerin hätten durchgeführt werden sollen, der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH zu übertragen. Bezüglich der zu übernehmenden Bergleute seien zwischen der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH und dem Beklagten abgestimmte Listen erstellt worden, um 257 Arbeitnehmer ab 01.01.2008 unverändert weiterzubeschäftigen. Dies sei auch tatsächlich so umgesetzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden der Insolvenzschuldnerin, den Zeugen P2 H4. Auf die darüber gefertigte Vernehmungsniederschrift in dem Parallelverfahren 2 Sa 699/08 vom 14.01.2009, mit deren Verwertung sich die Parteien einverstanden erklärt haben, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis richtig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 12.11.2007 nicht zum 29.02.2008 beendet worden ist. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert allerdings nicht an der Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige, sondern die Kündigung ist unwirksam, weil die Berufungskammer bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 12.11.2007 von einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht des Beklagten nicht überzeugt ist.

I.

Es kann offenbleiben, ob der Beklagte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG die Anzeige der Massenentlassung nicht mit den gesetzlich notwendigen Angaben versehen hat, ob insbesondere bezogen auf den Kläger der Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, nicht angegeben worden ist und ob aus einer fehlerhaft erstatteten Massenentlassungsanzeige die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung folgt. Es spricht vieles dafür, dass die gesetzlich vorgesehenen Pflichtangaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß mitgeteilt worden sind, denn der Entlassungszeitraum ist bestimmbar in der Weise benannt worden, dass die Kündigung nach Vorliegen der erforderlichen behördlichen Zustimmungen ausgesprochen werden sollte. Die Betriebsparteien haben nämlich in dem Interessenausgleich vom 26.09.2007, welcher der Massenentlassungsanzeige beigefügt war, unter 4. geregelt, dass bei erforderlichen behördlichen Zustimmungen keine erneute Anhörung des Betriebsrats erforderlich ist. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des BAG, wonach der Arbeitgeber nicht bis zum Vorliegen der behördlichen Zustimmung zu warten braucht, sondern dem Betriebsrat auch mit der Maßgabe angehört werden kann, dass die Kündigung alsbald nach der Erteilung der Zustimmung zum nächstmöglichen Kündigungstermin ausgesprochen wird (BAG vom 18.03.1994 - 2 AZR 626/93 -, BB 1994, 1857). Die Parallele zum Anhörungsverfahren kann auch im Falle der Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG gezogen werden, so dass es möglich ist, die Agentur für Arbeit mit der Maßgabe zu informieren, dass die Kündigungen bei Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz ausgesprochen werden, sobald die behördlichen Zustimmungen vorliegen. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es vorliegend jedoch nicht, weil sich die Kündigung aus anderen Gründen als unwirksam erweist.

II.

Zu Gunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass dieser zum Zeitpunkt der ersten Kündigungswelle am 27.09.2007 ernsthaft und endgültig entschlossen war, den operativen Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin bis zum 31.12.2007 einzustellen. Bei Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung am 12.11.2007 hatte sich die Sachlage allerdings wesentlich geändert, so dass gemäß § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht mehr zum Tragen kommt. Deshalb muss der Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG in vollem Umfang diejenigen Tatsachen beweisen, die die Kündigung bedingen. Dies ist ihm nicht gelungen, denn die Kammer ist von einer noch zu diesem Zeitpunkt bestehenden endgültigen Stilllegungsabsicht nicht überzeugt.

1. Die Wirkungen des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 InsO entfallen, wenn sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dafür als Beispiel genannt, dass ein Interessenausgleich im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung vereinbart worden ist, dann aber doch noch ein Betriebserwerber gefunden werden konnte (FK-InsO/Eisenbeis, 5. Aufl. § 125 Rn. 24). Eine derartig wesentliche Änderung der Sachlage ist hier eingetreten, denn die Betriebsparteien hätten bei Kenntnis der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten der unter Tage Beschäftigten durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH einen Interessenausgleich gleichen Inhalts nicht vereinbart (vgl. dazu Bader, NZA 1996, 1125, 1133; Löwisch, NZA 1996, 1009, 1012; Arbeitsgericht Freiburg, 14.01.2003 AuR 2003, 122). Die Sachlage muss sich nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs so wesentlich geändert haben, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist (BAG vom 21.02.2001 - 2 AZR 39/00, ZIP 2001, 1875; LAG Köln vom 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, NZA-RR 1998; Gottwald-Bertram Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. § 107 Rn. 104; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl. § 125 Rn. 80).

a. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn aufgrund der Aussage des Zeugen H4 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Oktober 2007 unter Teilnahme des Beklagten Verhandlungen darüber stattgefunden haben, auf welche Weise verhindert werden könne, dass die entlassenen Bergleute nicht ins Bergfreie fallen, sondern sozialverträgliche Lösungen gefunden würden. An den Gesprächen haben der Betriebsrat, der Beklagte, die IGBCE, T3-Schachtbau, Vertreter der Deutschen Steinkohle und Vertreter des Arbeitsministeriums NRW teilgenommen. In diesem Zusammenhang ist eine Liste mit 257 unter Tage beschäftigten Bergleuten erstellt worden. Zunächst war beabsichtigt, die Weiterbeschäftigung unter der Regie der Insolvenzverwaltung mit dem Namen "R1-L2" zu ermöglichen. Es hat sich dann nach den Bekundungen des Zeugen H4 aber ein anderer Weg ergeben, weil T3-Schachtbau bereit gewesen sei, die Bergleute und die Aufträge zu übernehmen. Nach Darstellung des Zeugen H4 sei dann besprochen und niedergelegt worden, dass die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH allen betroffenen 257 Bergleuten ein befristetes Weiterbeschäftigungsangebot bis zum 30.09.2008 unterbreitet. Der Beklagte sei damit einverstanden gewesen, dass auch die Aufträge von R1-L2 bzw. T3-Schachtbau übernommen und die Arbeiten fortgesetzt würden.

b. Hätte diese Situation bereits Ende September 2007 bestanden, hätten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich über die Stilllegung des Bergbaubetriebes der Insolvenzschuldnerin mit der Entlassung aller Arbeitnehmer in der Form wie es am 26.09.2007 geschehen ist nicht geschlossen. Bezeichnenderweise haben die Betriebsparteien nämlich in dem Interessenausgleich vom 26.09.2007 auf frühere Bemühungen einer Weiterbeschäftigung von 440 Arbeitnehmern Bezug genommen. Der Betriebsrat war vom Beklagten eindringlich daraufhin gewiesen worden, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bis zum 31.12.2007 nur bei Gewährleistung der Produktivität und Funktionsfähigkeit des Betriebes möglich sei. Andernfalls werde er gezwungen sein, die Mitarbeiter bereits vor dem 31.12.2007 von der Arbeit freizustellen und den Geschäftsbetrieb einzustellen. Darüber hinaus haben die Betriebsparteien in dem Interessenausgleich Regelungen über die durchzuführenden Abwicklungsarbeiten, den Eintritt in eine Transfergesellschaft und allgemein die Weiterbeschäftigung bei einem anderen Bergbauunternehmen angesprochen. Die tatsächliche Realisierung von Weiterbeschäftigungen durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH hätte daher zu einem deutlich geänderten Inhalt des Interessenausgleichs geführt, so dass mit dem Eintritt der von dem Zeugen H4 geschilderten Ereignisse von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden muss.

Eine wesentliche Änderung der Sachlage ist auch deshalb eingetreten, weil sich mit der Weiterbeschäftigung eines Großteils der unter Tage eingesetzten Bergleute die Anzahl der notwendig werdenden Beendigungskündigungen im erheblichen Umfang vermindert hätte (vgl. dazu MK-InsO/Löwisch/Caspers, 2. Aufl. § 125 Rn. 101).

2. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht von einer noch am 12.11.2007 bzw. bei Zugang dieser Kündigung bestehenden endgültigen Stilllegungsabsicht des Beklagten nicht überzeugt.

Eine Betriebsstilllegung setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Insolvenzverwalters voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern aufzuheben und die betriebliche Organisation aufzulösen. Der Insolvenzverwalter ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Betriebsstilllegung auszusprechen, sondern er kann die Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung bereits dann erklären, wenn mit hinreichender Sicherheit ein Beschäftigungsbedarf bei Ablauf der Kündigungsfristen nicht mehr besteht und eine vernünftige, wirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfristen die Stilllegung durchgeführt sein wird (BAG, 19.06.1991 - 2 AZR 127/91, AP KSchG 1969, § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53; BAG, 29.09.2005 - 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720). Hingegen fehlt es an einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht oder wie vorliegend die unveränderte Weiterbeschäftigung eines Großteils der Arbeitnehmer erörtert wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte nach wie vor entschlossen war, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin in welcher Form auch immer nicht in eigener Regie fortzuführen. Von einer Auflösung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Insolvenzverwalten Dritten Personal, Aufträge und möglicherweise auch Betriebsmittel überlässt, um den Untertage-Betrieb der Insolvenzschuldnerin fortzuführen (BAG, 25.10.2007 - 8 AZR 917/06, DB 2008, 989). Ob die Abarbeitung der Aufträge der DSK durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH bzw. die d4 T3-S5 GmbH mit Hilfe der vorher von D1-H1 eingesetzten Bergleute den Tatbestand eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt, kann offenbleiben. Allerdings kann die Übernahme eines wesentlichen Teil des Personals insbesondere dann auf einen Betriebsübergang gemäß § 613 a hindeuten, wenn die Weiterbeschäftigung in unveränderter Kolonnenzusammensetzung erfolgte und die Bergleute tatsächlich zu unveränderten arbeitsorganisatorischen Bedingungen weiterbeschäftigt worden sind (vgl. BAG vom 26.07.2007 - 8 AZR 769/06, SAE 2007, 237; BAG vom 11.12.1997 - 8 AZR 729/06, NZA 1998, 34). Führt die neue Auftragnehmerin, die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH nicht nur die Untertage-Tätigkeit der D1-H1 GmbH weiter, sondern hat sie auch einen nach Zahl- und Sachkenntnis wesentlichen Teil des Personals übernommen, welches die Insolvenzschuldnerin gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hat, können allein diese Umstände in einem betriebsmittelarmen Betrieb einen Betriebsübergang bewirken (vgl. BAG vom 25.09.2008 - 8 AZR 607/07, BB 2008, 2233). Betriebsstilllegung und Betriebsübernahme schließen sich aus. Deshalb kann objektiv von einer Auflösung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin und dem Ausschluss von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt Anfang bzw. Mitte November 2007 nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden. Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte selbst den Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht weiterführen wollte, sondern es mehr oder weniger "zuließ", dass ein Dritter, die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L2 mbH, die Abarbeitung der Aufträge mit Hilfe eines großen Teils des Personals der Insolvenzschuldnerin bewerkstelligte. Die verbleibenden Zweifel an einer hinreichend gesicherten Stillegungsprognose gehen gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG zu Lasten des Beklagten.

III.

Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Für die Zulassung der Revision hat die Kammer keine Veranlassung gesehen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt.

V.

Der Streitwert hat sich in der Berufungsinstanz geändert ist daher neu auf drei Monatsverdienste festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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