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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 1333/07
Rechtsgebiete: BGB, InsO, MTV Bekleidungsindustrie
Vorschriften:
BGB § 812 | |
InsO § 38 | |
MTV Bekleidungsindustrie § 25 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.06.2007 - 2 Ca 1696/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer seiner Meinung nach irrtümlich als Masseforderung ausgezahlten Sozialplanabfindung.
Die Beklagte war Arbeitnehmerin der in L2 ansässigen Firma F1 B1 GmbH & Co. KG, über deren Vermögen am 01.11.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Das am 01.10.1973 begonnene Arbeitsverhältnis endete am 30.06.2000.
Noch vor der Insolvenzantragstellung vereinbarten der Betriebsrat und die Insolvenzschuldnerin am 31.05.2000 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Die Auszahlung der Abfindung sollte in zwei Raten erfolgen. Im September 2000 erhielt die Beklagte im Rahmen der ersten Rate einen Teilbetrag von 2.667,12 DM. Nach Auffassung des Klägers handelt es sich dabei um eine Abschlagszahlung auf die Abfindung.
Die Höhe und die Auszahlung der zweiten Rate hing nach Darstellung des Klägers von dem aus der Abwicklung und dem Verkauf des Unternehmens erzielten Erlös ab. Da der Verkauf des Unternehmens scheiterte, konnte die zweite Rate nicht wie geplant zeitnah ausgezahlt werden, weil die dafür notwendige Insolvenzmasse nicht zur Verfügung stand.
Im August 2005 zahlte der Kläger an die Beklagte einen weitere Teilbetrag auf die Sozialplanabfindung in Höhe von 1.455,85 € aus. Er teilte ihr mit Schreiben vom 26.10.2005 mit, dass sich die Berechnung der einzelnen Abfindungsbeträge aus den vorliegenden Unterlagen der IG Metall ergäbe. Danach stünde der Beklagten eine Restzahlung in Höhe von 3.049,50 € zu. Aufgrund eines Programmfehlers seien an einzelne Arbeitnehmer teilweise falsche Beträge ausgezahlt worden. Diejenigen Arbeitnehmer, die zu viel erhalten hätten, seien aufgefordert worden, die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurückzuzahlen, damit die Differenzen ausgeglichen werden könnten.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben vom 26.10.2005:
"Laut den hier vorliegenden Berechnungen stand Ihnen ein Betrag in Höhe von 3.049,50 € als Restzahlung (s.o.) auf den abgeschlossenen Sozialplan zu.
Richtige Restzahlung: 3.049,50 €
Getätigter Überweisungsbetrag: 1.455,85 €
Differenz 1.593,65 €"
Da der Kläger den angekündigten Restbetrag trotz mehrfacher Aufforderungen an die Beklagte nicht auszahlte, erhob die jetzige Beklagte im Ursprungsprozess am 16.03.2006 Klage auf Auszahlung der 1.593,65 €. Im Rahmen dieses Prozesses hat der jetzige Kläger mit seiner Widerklage vom 14.12.2006 die jetzige Beklagte auf Rückzahlung der im August 2005 geleisteten 1.455,85 € in Anspruch mit der Begründung, dass es sich bei den Sozialplanansprüchen nur um Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO handele, so dass die Auszahlung ohne rechtlichen Grund erfolgt sei.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Bekleidungsindustrie streitlos Anwendung. Gemäß § 25 Nr. 1 des genannten MTV müssen Ansprüche bei bestehendem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Gemäß § 25 Nr. 2 MTV erlöschen die beiderseitigen Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht binnen eines Monats nach Zugang der Endabrechnung schriftlich geltend gemacht worden sind.
Die Beklagte beruft sich auf diese Ausschlussfristen und macht außerdem Entreicherung geltend.
Hingegen ist der Kläger der Auffassung, die tariflichen Ausschlussfristen fänden keine Anwendung, da es vorliegend um eine einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO gehe. Wenn die Sozialplanabfindung irrtümlich als Masseverbindlichkeit behandelt und ausgezahlt worden sei, beruhe die Auszahlung auf einer vermeintlich angenommenen Verpflichtung aus der Insolvenzordnung, nicht aber aus dem Arbeitsverhältnis.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.06.2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Rückforderungsanspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB bestehe nicht, denn dieser habe nicht darlegen können, dass die Beklagte die an sie gezahlte Abfindung ohne rechtlichen Grund erhalten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den Rückzahlungsanspruch in unveränderter Höhe weiter. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen habe die Beklagte die an sie gezahlte Abfindung ohne rechtlichen Grund erlangt, denn Abfindungsansprüche aus einem vor Insolvenzeröffnung geschlossenen Sozialplan seien als Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO zu berichtigen. Als Insolvenzverwalter könne er nicht contra legem eine Masseforderung begründen. Die tariflichen Ausschlussfristen kämen nicht zur Anwendung, weil das Arbeitsverhältnis bei Fälligkeit des Anspruchs nicht mehr bestanden habe. Außerdem fänden auf Insolvenzforderungen tarifliche Ausschlussfristen keine Anwendung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.06.2007 - 2 Ca 1696/06 - abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I
Es kann offenbleiben, ob dem Kläger überhaupt ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 BGB zusteht. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob der Insolvenzverwalter bei irrtümlicher Auszahlung einer nur quotenmäßig zu berücksichtigenden Insolvenzforderung nach § 38 InsO als Masseverbindlichkeit das Geleistete gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen kann (bejahend LG Düsseldorf vom 30.10.2001 - 24 S 364/01, ZinsO 2001, 1168 m.Anm. Malitz; OLG Brandenburg, 06.12.2001 - 12 U 59/01, NZI 2002, 107; a.A. LG Ravensburg, 02.07.2004 - 4 O 45/04). Ein zugunsten des Klägers anzunehmender Bereicherungsanspruch ist gemäß § 25 MTV Bekleidungsindustrie verfallen.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers finden die tariflichen Ausschlussfristen Anwendung. Es geht um die Rückforderung einer an die Beklagte vermeintlich zu Unrecht gezahlten Sozialplanabfindung. Sozialplanansprüche unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung des BAG den tariflichen Verfallfristen, weil es sich dabei um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis handelt (BAG, 27.03.1996 - 10 AZR 668/95, DB 1997, 234; BAG, 30.11.1994 - 10 AZR 79/94, DB 1995, 781).
a) Tarifliche Ausschlussfristen finden in der Insolvenz grundsätzlich einschränkungslos Anwendung (BAG, 18.12.1984 - 1 AZR 588/82; BAG, 23.08.1988 - 1 AZR 276/87). Der Insolvenzverwalter tritt gemäß § 80 InsO in die Arbeitgeberstellung ein und bleibt an die für die Insolvenzschuldnerin geltenden Tarifverträge gebunden (BAG, 20.11.1997 - 2 AZR 52/97, NZA 1998, 334). Nur die aufgrund eines Urteils ausgezahlten Beträge unterliegen bezüglich der Erstattung nicht den tariflichen Verfallfristen (BAG, 19.03.2003 - 10 AZR 597/01, ZTR 2003, 567). Um diesen Sonderfall handelt es sich hier nicht. Es bleibt daher vorliegend bei dem Grundsatz, dass die Tarifbindung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin durch die Insolvenzeröffnung ebenso wenig entfällt wie die Geltung der Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Vereinbarung. § 123 InsO enthält keine gegenteilige Aussage. Die Verbindlichkeiten aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Sozialplan sind gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseverbindlichkeiten. Masseforderungen unterliegen den tariflichen Verfallfristen (BAG, 15.02.2005 - 9 AZR 78/04, NZA 2005, 1124). Nur bei Insolvenzforderungen können neben den tariflichen Ausschlussfristen die gesetzlichen Vorschriften über die Anmeldung dieser Forderungen gemäß den §§ 174 ff InsO zu beachten sein (im Einzelnen BAG, 18.12.1984 - 1 AZR 588/82, NZA 1985, 396). Die insolvenzrechtlichen Vorschriften über die Anmeldung von Insolvenzforderungen werden durch tarifliche Ausschlussfristen, die dem Insolvenzgläubiger weitere Rechtshandlungen vorschreiben, nicht außer Kraft gesetzt.
b) Vorliegend geht es aber um die Rückforderung einer zu Unrecht aus der Masse geleisteten Sozialplanabfindung. Schon deshalb ist der Hinweis des Klägers, der geltend gemachte Rückforderungsanspruch unterliege nicht den tariflichen Verfallfristen, weil es sich bei dem Sozialplananspruch der Beklagten um eine Insolvenzforderung handele, unzutreffend. Richtig ist vielmehr, dass der Kläger irrtümlich die Auszahlung aus der Masse veranlasst hat und nunmehr Rückerstattung zur Masse verlangt. § 38 InsO hat in diesem Zusammenhang nur die Bedeutung, dass für die Vermögensverschiebung objektiv ein rechtfertigender Grund fehlt. Deshalb kann das Rückabwicklungsverhältnis nicht den vermeintlich für Insolvenzforderungen geltenden Regeln unterworfen werden.
2. Der Rückforderungsanspruch des Klägers ist gemäß § 25 Nr. 2 MTV Bekleidungsindustrie verfallen, weil er nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der mit Schreiben vom 26.10.2005 erteilten Endabrechnung schriftlich geltend gemacht worden ist. Der Kläger hat der Beklagten nach Kenntnis aller maßgeblichen Umstände mit Schreiben vom 26.10.2005 die endgültige Höhe des ihr zustehenden Sozialplanabfindungsanspruchs bekannt gegeben. Es handelt sich dabei um eine Endabrechnung i.S.v. § 25 Nr. 2 MTV Bekleidungsindustrie. Eine Abrechnung im Sinne der tariflichen Vorschriften verhält sich nicht nur über die laufenden Vergütungsansprüche in einem Arbeitsverhältnis, sondern kann sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf noch offene sonstige Ansprüche beziehen und daher auch die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Sozialplanabfindungsansprüche erfassen. Darauf nimmt § 25 Nr. 2 MTV Bekleidungsindustrie Bezug, denn dort ist von der Erteilung einer Endabrechnung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Rede. Eine solche Endabrechnung hat der Kläger mit Schreiben vom 26.10.2005 erteilt, denn er teilt der Beklagten darin abschließend mit, welche genau ausgerechnete restliche Abfindungszahlung ihr zusteht. Deshalb hätte er den Rückforderungsanspruch innerhalb eines Monats nach Erteilung dieser Endabrechnung schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Da dies unstreitig nicht geschehen ist, ist der Anspruch verfallen.
II
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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