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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 11.03.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 1429/08
Rechtsgebiete: KSchG, InsO, BGB
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 4 | |
KSchG § 17 Abs. 3 Satz 4 | |
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
InsO § 125 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1 |
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.08.2008 - 2 Ca 712/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger will mit seiner am 27.11.2007 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingegangenen und an das Arbeitsgericht Dortmund verwiesenen Klage feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis durch die auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz ausgesprochene Kündigung des Beklagten vom 12.11.2007 nicht zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist.
Der am 04.01.1960 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war bei der in D2 ansässigen D1-H1 GmbH, einer Bergbau-Spezialgesellschaft, seit dem 01.10.1987 als Kolonnenführer, Maschinenführer und Hauer unter Tage gegen einen monatlichen Verdienst von zuletzt 3.200,00 Euro brutto tätig. Der Kläger ist Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins und Mitglied des bei der Insolvenzschuldnerin gebildeten Betriebsrats.
Am 01.06.2007 wurde über das Vermögen der D1-H1 GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem zuvor das Personal der Insolvenzschuldnerin durch vorangegangene Betriebsänderungen erheblich reduziert worden war, schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat am 26.09.2007 einen Interessenausgleich über die Stilllegung des Untertagebetriebes und Einstellung des operativen Geschäftes der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2007. Dem Interessenausgleich ist eine Namensliste beigefügt, auf der sich auch der Name des Klägers befindet. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, nach der zunächst geplanten Fortführung des personell reduzierten Betriebes habe sich auch aufgrund der tatsächlichen Auftragsentwicklung eine wirtschaftliche Fortführung des Betriebes als unmöglich erwiesen. Er habe sich daher Anfang September 2007 entschlossen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2007 einzustellen. Die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter seien gekündigt worden. Die Kündigungen seien mit Schreiben vom 27.09.2007 ausgesprochen worden. Soweit behördliche Zustimmungen erforderlich gewesen seien, seien die Kündigungen umgehend nach Erteilung der Zustimmung ausgesprochen worden. Nach der Betriebseinstellung werde das Betriebsvermögen der Insolvenzschuldnerin verwertet. Die Mietverträge seine bereits gekündigt worden, soweit nicht noch Räumlichkeiten für Abwicklungsarbeiten benötigt würden.
Nachdem das Versorgungsamt Gelsenkirchen der Kündigung des Klägers am 07.11.2007 zugestimmt hatte, sprach der Beklagte am 12.11.2007 die fristgemäße Kündigung zum 29.02.2008 aus. Gegen den Zustimmungsbescheid des Versorgungsamtes hat der Kläger Widerspruch eingelegt.
Der Kläger meint, in Folge seines Widerspruchs sei der angefochtene Verwaltungsakt, die Zustimmung des Versorgungsamtes Gelsenkirchen, nicht vollziehbar. Wegen des Fortbestehens der aufschiebenden Wirkung sei die Kündigung schon deshalb unwirksam. Im Übrigen rügt der Kläger die nicht ordnungsgemäße soziale Auswahl und macht geltend, die Kündigung sei auch wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam. Der Kläger bestreitet die Stilllegung des Betriebes. Er hat vorgetragen, der Beklagte habe zwischenzeitlich eine neue Bergbau-Spezialgesellschaft unter der Firmenbezeichnung "Firma R1-L1 GmbH" gegründet und sich an dieser beteiligt. Diese Bergbau-Spezialgesellschaft, die exakt die gleichen Tätigkeiten verrichte, die früher auch die Insolvenzschuldnerin ausgeübt habe, habe ihren Betrieb mit Wirkung zum 01.10.2007 aufgenommen, so dass die Kündigung gegen § 613 a Abs. 4 BGB verstoße.
Die Bundesagentur für Arbeit hatte dem Beklagten am 26.09.2007 mitgeteilt, dass die Anzeige der Entlassungen gemäß § 17 KSchG am 26.09.2007 bei der Agentur eingegangen sei und die in § 18 Abs. 1 KSchG festgesetzte Sperrfrist von einem Monat mit dem 26.10.2007 ende. Die Kündigungen könnten unmittelbar nach Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit ausgesprochen werden.
Der Kläger war zuletzt auf der Schachtanlage P2-H1 in B4 tätig und hat dort bis Ende Dezember 2007 gearbeitet. Danach war er bis zum 30.09.2008 befristet für die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH tätig.
Dazu hat der Kläger vorgetragen, zu einer Einstellung des operativen Geschäftes der Insolvenzschuldnerin sei es nicht gekommen. 257 Arbeitnehmer würden weiterhin in denjenigen Zechen, in denen sie auch für die Insolvenzschuldnerin tätig gewesen seien, ohne Änderung der Kolonnenzusammensetzung weiterhin eingesetzt. Auch die Steiger würden weiterhin beschäftigt. Nach dem 26.09.2007 sei es daher zu einer wesentlichen Änderung der Sachlage gekommen, so dass sich der Beklagte auf die Vermutungswirkung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht berufen könne.
Der Beklagte hat vorgetragen, es sei zu einer endgültigen Auflösung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin gekommen. Die unter Tage eingesetzten Bergbaumaschinen und Bergbaugeräte seien von der Firma I1-C1 C2 GmbH & Co. verwertet worden. Er bestreite, dass die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH die vormals bestandene Arbeitsorganisation unverändert übernommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Bezug genommen wird insbesondere auf die im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 22.04.2008 abgegebenen Erklärungen der Parteien.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 22.08.2008 antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 12.11.2007 zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist. Es hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt, mit Ausnahme derjenigen Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Arbeitsgerichts Gelsenkirchen entstanden sind, die der Kläger zu tragen hat.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagte diese Kündigung nicht gemäß § 17 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt habe. Der Beklagte habe in seiner Massenentlassungsanzeige nur die am 27.09.2007 ausgesprochenen Kündigungen angezeigt. Der Entlassungszeitraum für diejenigen Arbeitnehmer, die wie der Kläger Sonderkündigungsschutz genössen, seien nicht angegeben worden. Damit beziehe sich die Massenentlassungsanzeige allein auf die Entlassung von Arbeitnehmern ohne Sonderkündigungsschutz. Die im November 2007 nach Vorliegen der behördlichen Zustimmungen ausgesprochenen Kündigungen seien als weitere, anzeigepflichtige Massenentlassungen zu behandeln. Trotz der Bescheide der Bundesagentur für Arbeit sei es dem Arbeitsgericht nicht verwehrt, die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige vom 26.09.2007 nachzuprüfen. Die gegenteilige Rechtsprechung des BAG habe aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 27.01.2007 (Rechtssache Junk) keinen Bestand mehr, weil die ordnungsgemäße Erfüllung der Anzeigepflichten auch einen individuellen Schutz gewähre. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Mit seiner Berufung will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen sei die Kündigung nicht wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam. Die Anzeige vom 26.09.2007 habe sich auf alle 463 Mitarbeiter bezogen, deren Namen und Sozialdaten sich im Einzelnen aus einer der Anzeige beigefügten Tabelle ergeben hätten. Nach den Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt könne eine Anzeige auch vorsorglich erstattet werden. Außerdem lägen wirksame Bescheide der Agentur für Arbeit über die Massenentlassungsanzeige vom 26.09.2007 vor, so dass die Arbeitsgerichtsbarkeit an einer Nachprüfung der Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige gehindert sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.08.2008 - 2 Ca 712/08 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen. Er trägt ergänzend vor, die Betriebsbedingtheit der Kündigung sei nicht zu vermuten. Von einer Betriebsstilllegung könne keine Rede sein. Tatsächlich seien nicht alle 463 Arbeitnehmer entlassen worden. Ein wesentlicher Teil der Belegschaft, nämlich mindestens 257 Arbeitnehmer, seien im Wege eines Betriebsübergangs von der Tochtergesellschaft der D1-H1 GmbH, der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH, übernommen worden. Anfang Oktober 2007 habe der Beklagte Verhandlungen mit der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH, der Gewerkschaft IGBCE, der T3-S5 GmbH, dem Betriebsrat und dem NRW-Ministerium für Wirtschaft und Arbeit aufgenommen, um in Abweichung vom Inhalt des Interessenausgleichs die Weiterbeschäftigung eines wesentlichen Teils der Belegschaft der D1-H1 GmbH über den 31.12.2007 hinaus durch einen Betriebsübergang nach § 613 a Abs. 1 BGB zu ermöglichen. Der Grund für die Verhandlungen habe darin gelegen, dass die Untertage-Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin ausschließlich in Bergwerken der R2 bzw. der D5 eingesetzt worden seien. Im Rahmen dieser Verhandlungen habe sich ergeben, dass es nicht notwendig sei, 257 Arbeitnehmer zu entlassen. Allerdings habe der Beklagte den Betrieb nicht selbst fortsetzen wollen. Deshalb sei zusammen mit den genannten Verhandlungspartnern und der T3-S5 GmbH nach einem Weg gesucht worden, den Wesentlichen Teil der Untertage-Belegschaft weiterzubeschäftigen. Diese Möglichkeit habe sich mit Hilfe der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH ergeben. Ende Oktober 2007 seien die Verhandlungen mit diesem Ergebnis abgeschlossen gewesen. Im Laufe der Verhandlungen sei von dem Beklagten und der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH einvernehmlich eine Liste der weiterzubeschäftigenden Arbeitnehmer erstellt worden. Er selbst sei ab 01.01.2008 übernommen und weiterbeschäftigt worden.
Der Beklagte erwidert darauf, auf Wunsch der Arbeitnehmervertreter habe es tatsächlich im Oktober 2007 Verhandlungen mit den vom Kläger genannten Teilnehmern gegeben. Insbesondere die Arbeitnehmervertreter hätten den Wunsch gehabt, für möglichst viele Beschäftigte den Fall ins "Bergfreie" zu vermeiden. Er selbst habe bei den Verhandlungen lediglich eine passive Rolle gespielt. Er habe keinesfalls Aufträge an die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH übertragen, sondern lediglich beschlossen, Aufträge die über den 31.12.2007 hinaus gelaufen wären, an die D5 zurückzugeben und nicht mehr auszuführen. Auf die Neuvergabe dieser Aufträge habe er keinerlei Einfluss gehabt. An seiner Entscheidung, den Untertage-Betrieb der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2007 einzustellen, habe sich nichts geändert. Die Verhandlungen seien nicht bereits Ende Oktober 2007 abgeschlossen gewesen. Die endgültige Übernahme der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH durch die T3-S5 GmbH habe erst im Dezember 2007 stattgefunden. Erst im Dezember 2007 habe die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH den Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin Angebote auf Abschluss befristeter Arbeitsverträge unterbreitet. Die vom Kläger genannten Listen seien vom Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin erstellt worden. Zwischenzeitlich habe er erfahren, dass die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH lediglich aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis Dritten Arbeitskräfte überlasse. Insgesamt seien zum 01.01.2008 169 ehemalige Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin eingestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat sich zu Beweiszwecken auf die Aussage des Zeugen H6 in dem Parallelverfahren 2 Sa 699/08 berufen. Das Protokoll der dort durchgeführten Beweisaufnahme lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis richtig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 12.11.2007 nicht zum 29.02.2008 beendet worden ist. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert allerdings nicht an der Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige, sondern sie ist unwirksam, weil die Berufungskammer bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 12.11.2007 von einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht des Beklagten nicht überzeugt ist.
I.
Es kann offenbleiben, ob der Beklagte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG die Anzeige der Massenentlassung nicht mit den gesetzlich notwendigen Angaben versehen hat, ob insbesondere der Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten bezogen auf den Kläger nicht angegeben worden ist und ob aus einer fehlerhaft erstatteten Massenentlassungsanzeige die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung folgt. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es nicht, weil sich die Kündigung aus anderen Gründen als unwirksam erweist.
II.
Zu Gunsten des Beklagten kann unterstellt werden, dass dieser zum Zeitpunkt der ersten Kündigungswelle am 27.09.2007 ernsthaft und endgültig entschlossen war, den operativen Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin bis zum 31.12.2007 einzustellen und danach nur noch Abwicklungsarbeiten durchzuführen. Bei Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung am 12.11.2007 hatte sich die Sachlage allerdings wesentlich geändert, so dass gemäß § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO die Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO nicht mehr zum Tragen kommt. Deshalb muss der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG in vollem Umfang diejenigen Tatsachen beweisen, die die Kündigung bedingen. Dies ist ihm nicht gelungen, denn die Kammer ist von einer noch zu diesem Zeitpunkt bestehenden endgültigen Stilllegungsabsicht nicht überzeugt.
1. Die gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermutenden Betriebsbedingtheit der Kündigung entfällt, wenn sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dafür als Beispiel genannt, dass ein Interessenausgleich im Hinblick auf eine Betriebsstilllegung vereinbart worden ist, dann aber doch noch ein Betriebserwerber gefunden werden konnte (FK-InsO/Eisenbeis, 5. Aufl. § 125 Rn. 24). Eine i. d. S. wesentliche Änderung der Sachlage ist hier eingetreten, denn die Betriebsparteien hätten bei Kenntnis der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten der unter Tage Beschäftigten durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH einen Interessenausgleich gleichen Inhalts nicht vereinbart (vgl. dazu Bader, NZA 1996, 1125, 1133; Löwisch, NZA 1996, 1009, 1012). Die Sachlage muss sich nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs so wesentlich geändert haben, dass von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugehen ist (BAG vom 21.02.2001 - 2 AZR 39/00, ZIP 2001, 1875; LAG Köln vom 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, NZA-RR 1998; Gottwald-Bertram Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. § 107 Rn. 104; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl. § 125 Rn. 80 und 81).
a. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn aufgrund der Aussage des Zeugen H6 am 14.01.2009 in dem Parallelverfahren 2 Sa 699/08 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass im Oktober 2007 unter Teilnahme des Beklagten Verhandlungen darüber stattgefunden haben, auf welche Weise durch Weiterbeschäftigung eines Großteils der Bergleute sozialverträgliche Lösungen gefunden werden können.
Der Verwertung der Aussage des Zeugen H6 stehen verfahrensrechtliche Bedenken nicht entgegen. Der Kläger hat sich auf dessen Aussage ausdrücklich berufen. Sie ist den Parteien bekannt und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Es ist zulässig, dass Vernehmungsprotokolle durch Bezugnahme als Urkundsbeweis in das Verfahren eingeführt werden können (Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl. § 373 Rn. 9; BGH vom 19.04.1983, VI ZR 253/81 Versicherungsrecht 1983, 667, 668). Die Verwertung einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundsbeweises bedarf nicht der Zustimmung des Gegners (vgl. BGH vom 19.12.1969, VI ZR 127/68 Versicherungsrecht 1970, 322, 323). Im Übrigen hat der Beklagte einer Verwertung der Zeugenaussage nicht widersprochen, sondern im Gegenteil den wesentlichen Sachverhalt, den der Zeuge H6 geschildert hat, als zutreffend eingeräumt.
Die Beweisaufnahme vom 14.01.2009 in 2 Sa 699/08 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, so dass sie als Grundlage für die Entscheidungsfindung mit herangezogen werden durfte (vgl. BGH vom 12.11.2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1325).
b. Der Beklagte räumt nunmehr ein, dass es die vom Kläger geschilderten Verhandlungen im Oktober 2007 unter Beteiligung des Arbeitsministeriums NRW tatsächlich gegeben hat. Er hat auch eingeräumt, dass tatsächlich 169 Bergleute ab 01.01.2008 wenn auch in Form der Arbeitnehmerüberlassung von der Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH befristet weiterbeschäftigt worden seien. Er macht allerdings geltend, dass sich dadurch an seiner Absicht, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen, nichts geändert habe. Er habe lediglich einer sozialverträglichen Lösung nicht im Wege stehen wollen. Einen von der Aussage des Zeugen H6 abweichenden Verlauf der Verhandlungen im Oktober 2007 hat er indessen nicht dargestellt, so dass nach wie vor von der Richtigkeit der Schilderung des Zeugen H6 ausgegangen werden kann. Danach war beabsichtigt, einen Weg zu finden, die 257 unter Tage eingesetzten Bergleute weiterzubeschäftigen und insoweit sozialverträgliche Lösungen zu finden, die bereits im Interessenausgleich vom 26.09.2007 als Ziel genannt worden waren. Nach der Aussage des Zeugen H6 war zunächst ins Auge gefasst, die Weiterbeschäftigung unter der Regie der Insolvenzverwaltung über den Namen "R1-L1" zu ermöglichen. Es habe sich dann aber ein anderer Weg ergeben, weil T3-Schachtbau bereit gewesen sei, die Bergleute und die Aufträge zu übernehmen. Nach Darstellung des Zeugen H6 ist dann besprochen und niederlegt worden, dass die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH allen betroffenen 257 Bergleuten ein befristetes Weiterbeschäftigungsangebot bis zum 30.09.2008 unterbreitet. Die T3-Schachtbau sei bereit gewesen, die Leute und auch die Aufträge zu übernehmen und die Weiterbeschäftigung und die Abarbeitung der Aufträge über die R1-L1 laufen zu lassen. Der Beklagte sei damit einverstanden gewesen, dass die Aufträge von R1-L1 bzw. T3-Schachtbau übernommen und die Arbeiten fortgesetzt würden.
c) Hätte diese Situation bereits Ende September 2007 bestanden, hätten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich über die Stilllegung des gesamten Bergbaubetriebes der Insolvenzschuldnerin mit der Entlassung aller Arbeitnehmer in der Form wie es am 26.09.2007 geschehen ist nicht geschlossen. Bezeichnenderweise haben die Betriebsparteien nämlich in dem Interessenausgleich vom 26.09.2007 auf frühere Bemühungen einer Weiterbeschäftigung von 440 Arbeitnehmern Bezug genommen. Der Betriebsrat war vom Beklagten eindringlich daraufhin gewiesen worden, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes bis zum 31.12.2007 nur bei Gewährleistung der Produktivität und Funktionsfähigkeit des Betriebes möglich sei. Andersfalls werde er gezwungen sein, die Mitarbeiter bereits vor dem 31.12.2007 von der Arbeit freizustellen und den Geschäftsbetrieb einzustellen. Darüber hinaus haben die Betriebsparteien in dem Interessenausgleich Regelungen über die durchzuführenden Abwicklungsarbeiten, den Eintritt in eine Transfer-Gesellschaft und allgemein die Weiterbeschäftigung bei einem anderen Bergbauunternehmen angesprochen. Die tatsächliche Realisierung von Weiterbeschäftigungen durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH hätte daher zu einem deutlich geänderten Inhalt des Interessenausgleichs geführt, so dass mit dem Eintritt der von dem Zeugen H6 geschilderten Ereignisse von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden muss. Hätte die Möglichkeit bestanden, einen Großteil der unter Tage eingesetzten Bergleute der Insolvenzschuldnerin weiterzubeschäftigen, hätte sich die Anzahl der notwendig werdenden Beendigungskündigungen in einem erheblichen Umfang verringert. Da sich diese Möglichkeit aufgrund der im Oktober 2007 geführten Verhandlungen bei Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung am 12.11.2007 ernsthaft abzeichnete, hatte sich die Sachlage nach dem Zustandekommen des Interessenausgleichs vom 26.09.2007 gemäß § 125 Satz 2 InsO wesentlich geändert (MK-InsO/Löwisch/Caspers, 2. Aufl. § 125 Rn. 101).
2. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des ergänzten Vorbringens des Beklagten ist das Gericht von einer noch am 12.11.2007 bzw. bei Zugang dieser Kündigung bestehenden endgültigen Stilllegungsabsicht des Beklagten nicht überzeugt.
a) Eine Betriebsstilllegung setzt den ernsthaften und endgültigen Entschluss des Insolvenzverwalters voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben und die betriebliche Organisation aufzulösen. Der Insolvenzverwalter ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Betriebsstilllegung auszusprechen, sondern er kann die Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung bereits dann erklären, wenn mit hinreichender Sicherheit ein Beschäftigungsbedarf bei Ablauf der Kündigungsfristen nicht mehr besteht und eine vernünftige, wirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass die Stilllegung bis zum Ablauf der Kündigungsfristen durchgeführt sein wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, 29.09.2005 - 8 AZR 647/04, NZA 2006, 720; BAG vom 19.06.1991 - 2 AZR 127/91, NZA 1991, 891). Hingegen fehlt es an einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht oder sich wie vorliegend die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eines Großteils der Arbeitnehmer abzeichnete. Es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte unverändert entschlossen war, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin in welcher Form auch immer nicht in eigener Regie fortzuführen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Arbeitsorganisation des Betriebes endgültig aufgelöst wird und ein betriebliches Weiterbeschäftigungsbedürfnis nicht mehr besteht. Von einer Auflösung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Insolvenzverwalter Dritten Personal, Aufträge und möglicherweise auch Betriebsmittel überlasse, um den Untertage-Betrieb der Insolvenzschuldnerin über eine andere Gesellschaft fortzuführen (BAG vom 25.10.2007 - 8 AZR 917/06, DB 2008, 989).
b) Ob die Abarbeitung der Aufträge der D5 durch die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH bzw. die dahinterstehende T3-S5 GmbH mit Hilfe der vormals von D1-H1 eingesetzten Bergleute den Tatbestand eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt, kann offenbleiben. Allerdings kann die Übernahme eines wesentlichen Teil des Personals insbesondere dann auf einen Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB hindeuten, wenn die Weiterbeschäftigung in unveränderter Kolonnenzusammensetzung erfolgte und die Bergleute tatsächlich zu unveränderten arbeitsorganisatorischen Bedingungen weiterbeschäftigt worden sind (vgl. BAG vom 26.07.2007 - 8 AZR 769/06, SAE 2007, 237; BAG vom 11.12.1997 - 8 AZR 729/06, NZA 1998, 34). Führt die neue Auftragnehmerin, die Bergbau-Spezialgesellschaft R1-L1 mbH, nicht nur die Untertage-Tätigkeit der D1-H1 GmbH weiter, sondern hat sie auch einen nach Zahl- und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernommen, welches die Insolvenzschuldnerin gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hat, können allein diese Umstände in einem betriebsmittelarmen Betrieb einen Betriebsübergang bewirken (vgl. BAG vom 25.09.2008 - 8 AZR 607/07, BB 2008, 2233). Betriebsstilllegung und Betriebsübernahme schließen sich aus. Deshalb kann objektiv von einer Auflösung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin und dem Ausschluss von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt Anfang bzw. Mitte November 2007 nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden. Kündigungsschutzrechtlich steht einer beabsichtigten Auflösung und Stilllegung des Betriebs der Umstand entgegen, dass 257 Bergleuten ein befristetes Weiterbeschäftigungsangebot unterbreitet werden sollte und dass - wie der Beklagte einräumt - 169 Bergleute tatsächlich ab 01.01.2008 weiterbeschäftigt worden sind. Es liefe den Wertungen des Kündigungsschutzgesetzes zuwider, bei dieser Sachlage eine Kündigung wegen prognostizierter Stilllegungsentscheidung zuzulassen, weil von einem endgültigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses gerade nicht ausgegangen werden kann.
III.
Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Für die Zulassung der Revision hat die Kammer keine Veranlassung gesehen, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Entscheidung nicht von der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.
Ende der Entscheidung
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