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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 29.03.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 1571/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, SGB III


Vorschriften:

InsO § 38
InsO § 179 Abs. 1
BGB § 626 Abs. 2
BGB § 628 Abs. 2
SGB III § 183 Abs. 1 Satz Nr. 1
1. Gerät der Arbeitgeber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in erheblichem Umfang (hier drei Monate) mit der Zahlung der fälligen Löhne in Rückstand, kann darin ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes gemäß § 628 Abs. 2 BGB liegen. Eine vorherige Abmahnung ist entbehrlich, wenn sie wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Insolvenzgeld gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III entlastet den Arbeitgeber nicht.

2. Der gemäß § 628 Abs. 2 BGB zu ersetzende Schaden ist der Verdienstausfall bis zum fiktiven Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, alsbaldiger Insolvenzeröffnung und Stilllegung des Betriebes beinhaltet der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nicht kumulativ eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG.


Tenor:

Die Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 15.07.2005 - 1 Ca 2012/04 - werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 7/11 und der Beklagte 4/11 zu tragen.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 4.656,25 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darum, ob und in welchem Umfang dem Kläger Schadensersatzansprüche als Insolvenzforderung aus dem Gesichtspunkt des Auflösungsverschuldens zustehen.

Der am 24.03.1959 geborene Kläger, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, war seit dem 16.03.1981 bei der in L1xxx ansässigen Firma W1xxxxx S2xxxxxx GmbH & Co. KG als Lackierer tätig. Er verdiente durchschnittlich 2.738,97 €.

Ab Juli 2002 wurde die Arbeitsvergütung des Klägers nur noch schleppend ausgezahlt. Für Dezember 2002 erhielt er nur einen Teil der Vergütung; für Januar und Februar 2003 wurde keine Arbeitsvergütung ausgezahlt. Deswegen kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis am 07.03.2003 fristlos. Die Geschäftsleitung der Insolvenzschuldnerin hatte den Mitarbeiterin auf einer Betriebsversammlung desselben Tages vorbereitete Eigenkündigungsformulare vorgelegt. Alle 36 Arbeitnehmer sprachen Eigenkündigungen aus. Am selben Tag beantragte die Firma S2xxxxxx die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 10.03.2003 bestellte das Insolvenzgericht den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 18.03.2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt. Der Betrieb der Insolvenzschuldnerin wurde alsbald stillgelegt.

Mit der vorliegenden am 23.09.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe von sechs Monatsverdiensten sowie eine angemessene Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes. Er hat eine Schadensersatzforderung in Höhe von 46.562,49 € am 07.04.2003 zur Insolvenztabelle angemeldet, die der Beklagte in voller Höhe bestritten hat.

Im Vorfeld der Insolvenz fand am 11.02.2003 bei der Insolvenzschuldnerin eine Belegschaftsversammlung statt, auf der nach Darstellung des Betriebsrats der Bevollmächtigte der Insolvenzschuldnerin, Rechtsanwalt H3xxxxxx, die Nichtzahlung der Arbeitsvergütungen mit der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens begründete. Deswegen wandte sich der Betriebsrat durch seine Bevollmächtigten am 24.02.2003 an die Geschäftsführung der W1xxxxx S2xxxxxx GmbH & Co. KG und wies darauf hin, dass die Löhne und Gehälter nur bis etwa zum 06.12.2002 bezahlt worden seien. Trotz der eingestandenen Zahlungsunfähigkeit habe es die Geschäftsführung unterlassen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Betriebsrat wünsche Auskunft darüber, seit wann ein Insolvenztatbestand vorliege. Falls die Absicht bestehe, die Arbeitnehmer in die Eigenkündigung zu treiben, führe dies zur Schadensersatzpflicht gemäß § 628 Abs. 2 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Betriebsrats vom 24.02.2003 (/Bl. 47 und 48 d.A.) Bezug genommen.

In dem Antwortschreiben vom 26.02.2003 brachte Rechtsanwalt H3xxxxxx als Bevollmächtigter der Insolvenzschuldnerin zum Ausdruck, dass weder er noch der Geschäftsführer H4xxxxx von einer Zahlungsunfähigkeit gesprochen hätten. Die Mitarbeiter seien lediglich darüber informiert worden, dass das Unternehmen derzeit eine Liquiditätsstockung habe, an deren Beseitigung intensiv gearbeitet werde. Die Mitarbeiter seien gebeten worden, zunächst bis Ende Februar/Anfang März weiter im und für das Unternehmen tätig zu sein, da auch für die negativsten Fälle Insolvenzgeldabsicherung bis Ende Februar einschließlich erster Märzwoche bestehe. Die Sparkasse werde bis spätestens Anfang März über die ausreichende Kreditlinie entscheiden. Falls diese Entscheidung negativ ausfalle, werde der Geschäftsführer H4xxxxx unverzüglich seinen Insolvenzantragspflichten nachkommen. Derzeit bestehe jedoch keine Insolvenzantragspflicht, da weder ein Überschuldungstatbestand noch Zahlungsunfähigkeit vorliege. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anwaltsschreiben vom 26.02.2003 (Bl. 49 und 50 d.A.) Bezug genommen.

Am 07.03.2003 fand eine weitere Belegschaftsversammlung statt, auf der der Geschäftsführer H4xxxxx der Insolvenzschuldnerin erklärte, dass er nicht in der Lage sei, die ausstehenden Vergütungen zu bezahlen. Die vorbereiteten Eigenkündigungsformulare wurden vom Geschäftsführer H4xxxxx und von Rechtsanwalt H3xxxxxx eingesammelt.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, ihm stünde als Schadensersatz die fiktive Vergütung für den Zeitraum der von der Arbeitgeberin einzuhaltenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zu. Weil er durch vertragswidriges Verhalten der Insolvenzschuldnerin daran gehindert worden sei, seinen Bestandsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung geltend zu machen, habe er ferner Anspruch auf eine nach den §§ 9, 10 KSchG zu bemessende Abfindung in Höhe von 30.128,67 € zu.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass ihm in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W1xxxxx S2xxxxxx GmbH & Co. KG eine Insolvenzforderung in Höhe von 46.562,49 € zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, der Kläger sei zur fristlosen Kündigung mangels vorheriger Abmahnung nicht berechtigt gewesen. Die außerordentliche Kündigung sei nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt worden und der Kläger sei wegen der aufgelaufenen Vergütungsrückstände auf das Insolvenzgeld zu verweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15.07.2005 festgestellt, dass dem Kläger eine Insolvenzforderung in Höhe von 16.433,82 € zusteht. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu 65 % und dem Beklagten zu 35 % auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die gemäß § 179 InsO zulässige Feststellungsklage sei nur teilweise begründet. Wegen der erheblichen Lohnrückstände sei der Kläger zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Der aufgrund der späteren Insolvenzantragstellung entstandene Anspruch auf Insolvenzgeld stelle nicht die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitgebers dar. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil sie zur Erfüllung der aufgelaufenen Zahlungsrückstände nicht beigetragen hätte. Der Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 628 Abs. 2 BGB belaufe sich auf sechs Monate. Ein zusätzlicher Schadensersatzanspruch wegen einer entgangenen Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG stehe dem Kläger nicht zu. Auch im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung hätte der Kläger nicht mit einer Abfindung rechnen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Der Kläger begründet sein Rechtsmittel wie folgt:

Anders als vom Arbeitsgericht angenommen stehe ihm im Rahmen des Schadensersatzanspruches gemäß § 628 Abs. 2 BGB auch eine Entschädigung wegen des Verlustes seines Arbeitsplatzes zu, die in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG zu bemessen sei. Ein derartiger zusätzlicher Anspruch neben dem Ersatz des Vergütungsausfalls könne nicht deshalb verneint werden, weil sich der Arbeitgeber wie vorliegend in einer Insolvenzsituation befunden habe. Dies führe weder zu einer nicht gebotenen Belastung der Masse noch zu einer Begünstigung derjenigen Arbeitnehmer, die eine Eigenkündigung ausgesprochen hätten. Er habe die Eigenkündigung aussprechen müssen, um den Insolvenzgeldzeitraum von drei Monaten zu wahren. Deshalb stünde ihm als weiterer Schadensersatz eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 30.128,67 € zu.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 15.07.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgericht Herford - 1 Ca 2012/04 - wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W1xxxxx S2xxxxxx & Co. KG eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 30.128,67 € zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Kläger zurückzuweisen, das Urteil des Arbeitsgerichts Herford abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte begründet sein Rechtsmittel wie folgt:

Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB stehe dem Kläger nicht zu, weil er zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes nicht berechtigt gewesen sei. Die aufgelaufenen Lohnrückstände seien im vorliegenden Fall kein Grund für eine fristlose Kündigung, weil sie durch das zu beanspruchende Insolvenzgeld abgedeckt seien. Mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens sei der Kündigungsgrund durch die Gewährung des Insolvenzgeldes entfallen. Der Kläger habe mit der unmittelbar bevorstehenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechnen müssen, denn bereits am 27.02.2003 hätten vier Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und am 07.03.2003 hätten 36 Arbeitnehmer im Anschluss an die Betriebsversammlung fristlose Eigenkündigungen ausgesprochen. In jedem Fall wäre eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Selbst wenn man eine Schadensersatzverpflichtung zugunsten des Klägers unterstelle, könne der Kläger als Schaden lediglich die Erfüllung der Lohnansprüche bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangen. Da der Kläger noch im März 2003 unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist hätte gekündigt werden können, sei der Schaden auf die Vergütungsansprüche für die Monate April bis Juni 2003 unter Einschluss der anteiligen Vergütungsansprüche für den Monat März 2003 begrenzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufungen bleiben erfolglos.

I

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet, denn dem Kläger steht als Insolvenzforderung ein Schadensersatzanspruch von sechs Monatsverdiensten in Höhe von 16.433,82 € zu.

1. Die vom Kläger gewählte Feststellungsklage ist zulässig und die gemäß § 179 Abs. 1 InsO gebotene Klageart zur Geltendmachung einer bestrittenen Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO. Die erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, denn die Forderung ist zuvor ordnungsgemäß angemeldet, geprüft und bestritten worden (vgl. BAG vom 21.09.1999 - 9 AZR 912/98 - DB 2000, 1230 und BGH vom 21.02.2000 - II ZR 231/98 - ZIP 2000, 705).

2. Der Kläger ist durch vertragswidriges Verhalten der Insolvenzschuldnerin gemäß § 628 Abs. 2 BGB zum Ausspruch der Eigenkündigung veranlasst worden. Das Auflösungsverschulden hat das Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB. Die Insolvenzschuldnerin war mit der Lohnzahlung gegenüber dem Kläger über einen erheblichen Zeitraum von drei Monaten in Verzug geraten. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht, weil diese nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Auch im Falle einer vorherigen Abmahnung wäre die Insolvenzschuldnerin nicht bereit und in der Lage gewesen, die rückständigen Vergütungsansprüche auszugleichen. Zwar hatte sie noch auf der Betriebsversammlung am 11.02.2003 eine Zahlungsunfähigkeit in Abrede gestellt und die Mitarbeiter über eine lediglich bestehende Liquiditätsstockung informiert, an deren Beseitigung intensiv gearbeitet werde. Die für Anfang März 2003 angekündigte Entscheidung über eine ausreichende Kreditgewährung durch die Sparkasse war aber negativ ausgefallen, denn der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hat auf der Belegschaftsversammlung am 07.03.2003 erklärt, dass er nicht imstande sei, die ausstehenden Vergütungen zu bezahlen. Außerdem hat er den anwesenden Arbeitnehmern vorbereitete Eigenkündigungsformulare zum Ausfüllen vorgelegt, die dann von ihm und seinem Berater, Rechtsanwalt H3xxxxxx, eingesammelt worden sind. Wenn die Insolvenzschuldnerin damit von sich aus den betroffenen Mitarbeitern die Eigenkündigung nahe legt, ist es ihr schon gemäß § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens versagt, eine vorherige Abmahnung zu verlangen.

a) Der Anspruch auf Insolvenzgeld gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III schließt einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber gemäß § 628 Abs. 2 BGB nicht aus. Die Nichtzahlung der Löhne für den erheblichen Zeitraum von drei Monaten bleibt eine von der Insolvenzschuldnerin zu vertretende Störung des Arbeitsverhältnisses, weil der Arbeitgeber seiner wesentlichen Hauptleistungspflicht, für die erbrachten Arbeitsleistungen das vereinbarte Arbeitsentgelt zu zahlen, nicht nachgekommen ist. Das Insolvenzgeld sichert nicht die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen durch den Arbeitgeber, sondern ist eine steuerfreie Sozialleistung der Agentur für Arbeit zum Schutz von Arbeitnehmereinkünften, auf deren Gewährung die Arbeitnehmer existentiell angewiesen sind. Das Insolvenzgeld hat aber keine Stellvertreterfunktion, um dem Arbeitgeber trotz Nichtzahlung der Löhne die Fortführung des Betriebes zu ermöglichen (vgl. Niesel/Roeder, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 183 Rdnr. 4; Uhlenbruch/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 22 Rdnr. 47; Peters-Lange, Sozialrecht in der Insolvenz, Rdnrn. 79 und 80). Daher ändert der Anspruch auf Insolvenzgeld nichts am Tatbestand eines vertragswidrigen Verhaltens der Insolvenzschuldnerin.

b) Das vertragswidrige Verhalten der Insolvenzschuldnerin hatte vorliegend das Gewicht eines wichtigen Grundes. Neben Umfang und Höhe der rückständigen Arbeitsentgeltforderungen ist zu berücksichtigen, dass für die Kläger die alsbaldige Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erkennbar war. Am 07.03.2003 hatte die Insolvenzschuldnerin den Mitarbeiterin lediglich ihre Zahlungsunfähigkeit offenbart und den Eröffnungsantrag gemäß § 13 Abs. 1 InsO angekündigt. Für die Wirksamkeit der Eigenkündigung ist abzustellen auf den Zeitpunkt ihres Ausspruchs. Zu diesem Zeitpunkt war lediglich angekündigt worden, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wann dies geschehen würde, stand noch nicht fest, weil das Insolvenzgericht im Allgemeinen gemäß § 16 InsO zunächst das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes prüfen muss und bis dahin Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO anordnen kann. Der Anspruch auf Insolvenzgeld besteht erst ab Bekanntgabe des Eröffnungsbeschlusses gemäß § 27 InsO oder bei einem der Insolvenz gleichstehenden Ereignis. Der Kläger konnte daher bei Fortsetzung seiner Tätigkeit über den 06.03.2003 hinaus mit der uneingeschränkten Absicherung seiner Nettoentgeltansprüche durch Insolvenzgeld nicht rechnen. Jedenfalls hat der Beklagte nicht begründet, dass der Kläger hinreichend sicher mit der zeitlich unmittelbar folgenden Insolvenzeröffnung habe rechnen müssen.

c) Die Zweiwochenfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Die Ende des Monats fällige Februarvergütung war nicht gezahlt worden. Außerdem hatte der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin am 07.03.2003 in der Belegschaftsversammlung auf die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin hingewiesen.

3. Der somit tatbestandlich gegebene Schadensersatzanspruch des Klägers umfasst gemäß § 628 Abs. 2 BGB den Vergütungsausfall bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist (BAG vom 26.07.2001 - 8 AZR 739/00 - AP Nr. 13 zu § 628 BGB). Der Ersatz des Auflösungsschadens umfasst die Verpflichtung, den Anspruchsberechtigten so zu stellen, wie er bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses stehen würde (ErfK-Müller/Glöge, 6. Aufl., § 628 BGB Rdnr. 64). Abzustellen ist auf die Vergütungsansprüche bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist. Maßgebend sind die Verhältnisse bei Ausspruch der Kündigung. Gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB hätte der Kläger eine Kündigungsfrist von sechs Monaten gehabt. Entgegen der Auffassung des Beklagten können nachfolgende Entwicklungen, die zu einer verkürzten Kündigungsmöglichkeit geführt hätten, nicht berücksichtigt werden. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter hätte nicht mit den verkürzten Kündigungsfristen gemäß § 113 Satz 2 InsO kündigen können (BAG vom 20.01.2005 - 2 AZR 134/04 - ZIP 2005, 1289). Im Falle einer möglichen Nachkündigung durch den endgültigen Insolvenzverwalter besteht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 InsO Anspruch auf Ersatz des Verfrühungsschadens, so dass der Schadensersatzanspruch des Klägers schon deshalb nicht auf drei Monate gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO begrenzt werden kann. Das Arbeitsgericht hat daher dem Kläger richtigerweise einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Verdienstausfalls für sechs Monate zugebilligt.

II

Die Berufung des Klägers ist ebenfalls nicht begründet. Die Zuerkennung eines Abfindungsanspruchs als weiterer Schaden im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB scheidet vorliegend aus. Allerdings hat das BAG den Arbeitnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers zur Eigenkündigung veranlasst worden ist, im Hinblick auf die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes einen weitergehenden Schadensersatzanspruch für den Verlust des Arbeitsplatzes zugebilligt (BAG vom 26.07.2001 - 8 AZR 739/00 - NZA 2002, 325 = NJW 2002, 1593). Der Kläger soll so gestellt werden, wie er bei ordentlicher Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gestanden hätte. Der dem Kündigungsschutzgesetz unterliegende Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen löst, ist mit dem Arbeitnehmer zu vergleichen, der nach Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess einen Auflösungsantrag gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 3, 9 KSchG stellt. Daher sei es mit dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB, dem Arbeitnehmer für den Verlust dieser Rechtsposition als Entschädigung eine angemessene Abfindung zu gewähren, vereinbar (vgl. dazu auch ErfK-Müller/Glöge, 6. Aufl., § 628 BGB Rdnrn. 72 bis 75).

Eine derart schützenswerte Rechtsposition besteht im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers nicht. Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses ist in der Insolvenz reduziert (§§ 113, 125, 128 InsO). Im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Insolvenzschuldnerin oder durch den später eingesetzten Insolvenzverwalter hätten im Rahmen der Kündigungsfrist nur die nach Insolvenzeröffnung entstehenden Vergütungsansprüche den Rang von Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO gehabt. Maßgeblich ist das Erfüllungsinteresse bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Mit einer weitergehenden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes konnte der Kläger nicht rechnen, weil die Insolvenzschuldnerin zahlungsunfähig war und der Betrieb alsbald komplett stillgelegt worden ist. § 628 Abs. 2 BGB hat anders als § 113 Abs. 3 BetrVG keinen Sanktionscharakter, um den Arbeitgeber zu vertragstreuem Verhalten anzuhalten (vgl. zur Höhe des Nachteilsausgleichsanspruchs BAG vom 22.07.2003 - 1 AZR 541/02 - NZA 2004, 93 = ZIP 2003, 2216). Nach dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB soll der Arbeitnehmer für die Aufgabe seines Arbeitsplatzes entschädigt werden. Hätte der Kläger nicht selbst gekündigt, wäre das Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aufgelöst worden, ohne dass ein Anspruch auf eine Abfindung bestanden hätte. In der hier gegebenen Situation erschöpft sich der Anspruch darin, den Verdienstausfall im Rahmen der fiktiven Kündigungsfrist auszugleichen.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da das Rechtsmittel beider Parteien erfolglos geblieben ist, waren die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Verhältnis der beiden Rechtsmittelstreitwerte quotenmäßig aufzuteilen (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 97 Rdnr. 5).

Der Streitwert des Rechtsstreits war gemäß § 182 InsO zu korrigieren, weil die strittigen Insolvenzforderungen allenfalls mit einer Quote von 10 % zu bedienen sind.

IV

Die Berufungskammer hat die Revision für beide Parteien gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil es um entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geht.

Ende der Entscheidung

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