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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 427/06
Rechtsgebiete: InsO, KSchG, BetrVG


Vorschriften:

InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 3
KSchG § 17 Abs. 2
KSchG § 17 Abs. 3
KSchG § 18 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 02.02.2006 - 1 (3) Ca 1378/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von dem Beklagten aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 15.07.2005 zum 30.09.2005.

Der am 01.12.13xx geborene, verheiratete Kläger, der zwei Kinder hat, war seit dem 26.08.1997 bei der in B2x L1xxxxxxxxx a1xxxxxxxx S3xxxxxxxxxx GmbH, einem Möbelwerk, im Versand gegen eine monatliche Vergütung von durchschnittlich 2.150,00 € tätig.

Über das Vermögen der S3xxxxxxxxxx GmbH wurde am 01.07.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 08.07.2005 eine umfängliche Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich, der sich über ein Sanierungskonzept zur Fortführung der Kernbereiche des Schuldnerunternehmens verhält und den Abbau von 151 Arbeitsplätzen vorsieht. In den Bereichen Endmontage und Versand entfielen nach der Darstellung im Interessenausgleich von den 192 beschäftigten Mitarbeitern infolge Anpassung an die tatsächlich benötigten Kapazitäten, Optimierung des Produktionsflusses und Vereinheitlichung in der Produktstruktur insgesamt 88 Arbeitsplätze weg. Bei der Kommissionierung von Schlafzimmerteilen entfallen 14 der bisher bestandenen 39 Arbeitsplätze. Die 14 zu entlassenden Arbeitnehmer werden auf Seite 16 und 17 des Interessenausgleichs unter Angabe ihrer sozialen Daten namentlich genannt. Bestandteil des Interessenausgleichs ist ferner eine Zusammenstellung aller zu entlassenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Angabe ihres Alters, ihrer Betriebszugehörigkeit, ihres Familienstandes, der Anzahl der zu unterhaltenden Kinder und einer etwaigen Schwerbehinderung. Inhalt des Interessenausgleichs ist ferner eine komplette Liste derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weiterbeschäftigt werden sollten.

Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs ist die Anhörung des Betriebsrats verbunden worden. In Kapitel III des Interessenausgleichs bestätigt der Betriebsrat, dass er im betriebsverfassungsrechtlichen Anhörungsverfahren, welches mit der Übergabe des Anhörungsschreibens vom 20.06.2005 am 21.06.2005 eingeleitet worden sei, hinsichtlich der auszusprechenden Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer samt aller erforderlichen Sozialdaten sei dem Anhörungsschreiben vom 20.06.2005 beigefügt gewesen. Diese Liste sei unter dem Kapitel X Bestandteil dieses Interessenausgleichs. Der Betriebsrat habe am 21.06.2005 über die Kündigungen beraten. Die Sozialauswahl sei unter Berücksichtigung der Altersstruktur, der besonderen Qualifikationen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG, des Alters, der Betriebszugehörigkeit und der Unterhaltspflichten vorgenommen worden. Der Betriebsrat stimme den beabsichtigten Kündigungen nach überprüfter Sozialauswahl zu und sei gleichzeitig gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG informiert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Interessenausgleichs Bezug genommen.

Nach Eingang der Massenentlassungsanzeige am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 15.07.2005 fristgemäß zum 30.09.2005.

Der Kläger hält die Kündigung für sozialwidrig. Er bestreite die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates und dessen den Anforderungen des § 17 Abs. 2 und 3 KSchG genügende Konsultation. Der Kläger hält die getroffene soziale Auswahl für grob fehlerhaft, weil folgende Arbeitnehmer, die ebenso wie er in die Lohngruppe 3 eingruppiert gewesen seien, weiterbeschäftigt würden, obwohl sie deutlich weniger sozial schutzwürdig seien:

A3xxxxxxx K3x, 31 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, ein Kind; tätig als Maschinenbediener;

D5xxxx O1xxxxx, 39 Jahre alt, 4 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, keine Kinder;

C2xxxxxxx E2xxx, 29 Jahre alt, 7 Jahre Betriebszugehörigkeit, ledig; tätig in der Modellabteilung;

J1xx E1xxx, 41 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, keine Kinder;

S4xxxx K4xxxxxxx, 36 Jahre alt, 4 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, zwei Kinder;

V1xxxx W1xxxxxxx, 38 Jahre alt, 8 Jahre Betriebszugehörigkeit, verheiratet, ein Kind.

Der Beklagte hat zur Anhörung des Betriebsrats vorgetragen, diesem sei am 21.06.2005 das Anhörungsschreiben nebst Entwurf des Interessenausgleichs und des Sozialplans sowie eine Gesamtliste aller Mitarbeiter und eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übergeben worden. Aus dieser Liste habe sich die Einteilung er Mitarbeiter nach Qualifikationsstufen ergeben. Am 05.07.2005 habe der Betriebsrat eine geänderte Liste gewünscht. Diese geänderte Liste sei dem Betriebsrat noch am selben Tag übergeben worden. Aufgrund dieser mit dem Betriebsrat abgestimmten Liste seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Vergleichsgruppenbildung wie folgt aufgeteilt worden:

- MB FA = Maschinenbediener und Facharbeiter

- MB ang. = angelernter Maschinenbediener

- FA = Facharbeiter

- Helfer einfache Tätigkeit

- Helfer qualifizierte Tätigkeit

Die Sozialdaten seien nach einem mit dem Betriebsrat abgestimmten Punkteschema wie folgt berücksichtigt worden:

- Unterhaltspflicht für Ehegatten: 8 Punkte

- Unterhaltspflicht für Kinder: 4 Punkte pro Kind gemäß Lohnsteuerkarte

- Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt pro Jahr bis zu 10 Jahren,

2 Punkte pro Jahr ab dem 11. Jahr

- Lebensalter: 1 Punkt pro Jahr, max. 55 Punkte

- Schwerbehinderung ab GdB 50: 4 Punkte

Der Kläger sei in Abstimmung mit dem Betriebsrat der Gruppe "Helfer - einfache Tätigkeiten" zugeordnet worden. Alle anderen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer seien ebenfalls entlassen worden. Mit A3xxxxxxx K3x, der als Facharbeiter in der Abteilung Betten/Bettenüberbau tätig sei, sei der Kläger nicht zu vergleichen, denn Herr K3x sei ausgebildeter Tischler. Außerdem seien die Tätigkeiten in der Abteilung "Versand" und in der Abteilung "Betten/Bettenüberbau" in keiner Weise vergleichbar. Herr O1xxxxx sei ebenfalls ausgebildeter Tischler und Mitarbeiter des Kundendienstes. Diese Tätigkeit könne der Kläger nicht übernehmen. Herr J1xx E1xxx habe ebenso wie der Kläger in Abstimmung mit dem Betriebsrat 57 Sozialpunkte erhalten. Als Vorarbeiter im Bereich der Einpacker sei er horizontal mit dem Kläger nicht vergleichbar. Ebenso wenig sei Kläger mit dem Messetischler C2xxxxxxx E2xxx vergleichbar. Herr S4xxxx K4xxxxxxx sei in Abstimmung mit dem Betriebsrat zur Gruppe "Helfer - qualifizierte Tätigkeiten" gezählt worden. Außerdem bestehe zwischen K4xxxxxxx und dem Kläger aufgrund der maßgeblichen sozialen Kriterien nur ein geringer Abstand, denn Herr K4xxxxxxx habe 56 Sozialpunkte aufzuweisen. Der Mitarbeiter W1xxxxxxx erreiche 58 Sozialpunkte und sei daher sozial schutzwürdiger als der Kläger.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.02.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung des Beklagten aus betriebsbedingten Gründen wirksam zum 30.09.2005 beendet worden. Aufgrund des Interessenausgleichs mit Namensliste sei die Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermuten. Der Interessenausgleich sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, denn durch Vorlage des Originals in mehreren Parallelverfahren habe sich das Gericht von der ordnungsgemäßen Unterzeichnung überzeugen können. Die soziale Auswahl sei nicht grob fehlerhaft. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden, denn das Anhörungsverfahren sei in zulässiger Weise mit den Interessenausgleichsverhandlungen verbunden worden. Aus dem Interessenausgleich ergebe sich ferner, dass der Betriebsrat auch gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ordnungsgemäß informiert worden sei. Die Massenentlassungsanzeige sei wie erforderlich vor Ausspruch der Kündigung am 12.07.2005 bei der Agentur für Arbeit eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung gerichteten Klageantrag weiter. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt er vor, die gesetzliche Vermutung der Betriebsbedingtheit der Kündigung sei widerlegt, weil die im Versand verbliebenen Arbeitnehmer durchschnittlich wöchentlich mindestens zwei Überstunden leisteten. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen sei die getroffene soziale Auswahl grob fehlerhaft. Er sei mit Herrn K3x vergleichbar. Dieser sei zwar anders als er als Maschinenbediener tätig. Diese Tätigkeit erfordere jedoch keine besondere Qualifikation und sei innerhalb von allenfalls drei Wochen erlernbar. Er sei ferner deutlich schutzwürdiger als C2xxxxxxx E2xxx. Für dessen Tätigkeit in der Modellabteilung sei keine besondere Qualifikation erforderlich. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit von ein bis zwei Wochen wäre er ebenso wie E2xxx in der Lage, die Modelle aufzubauen.

Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Er habe sich im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 02.02.2006 zwar davon überzeugen können, dass dem Anhörungsschreiben die Personalliste beigefügt gewesen sei, nicht aber der Entwurf eines Interessenausgleichs und auch nicht der Entwurf des Sozialplans. Zumindest seien diese Anlagen nicht fest mit dem Anhörungsschreiben verbunden gewesen. Über die Auswahlgründe sei der Betriebsrat nicht informiert worden. Außerdem sei der Betriebsrat nicht schriftlich über alle in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG genannten Punkte unterrichtet worden, so dass der Beklagte seien Konsultationspflicht nicht erfüllt habe. Schließlich habe es der Beklagte entgegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG unterlassen, dem Betriebsrat noch vor Ausspruch der Kündigung eine Abschrift der Massenentlassungsanzeige zuzuleiten. Die ausgesprochene Kündigung könne das Arbeitsverhältnis frühestens zum 31.10.2005 auflösen, da anzeigepflichtige Entlassungen gemäß § 18 Abs. 1 KSchG nicht vor Ablauf eines Monats vor Eingang der Anzeige bei der Bundesagentur für Arbeit wirksam würden.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des am 02.02.2006 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Paderborn - 1 (3) Ca 1378/05 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 15.07.2005 beendet worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen. Er trägt ergänzend vor, anders als vom Kläger dargestellt seien keine Überstunden verfahren worden, sondern aufgrund einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung sei die wöchentliche Arbeitszeit vorübergehend auf neun Stunden täglich festgelegt worden. Außerdem sei an zwei Samstagen jeweils sechs Stunden gearbeitet worden. Mit den Mitarbeitern K3x und E2xxx sei der Kläger nicht vergleichbar. Herr K3x sei als Maschinenführer an einer frei im Raum stehenden Großbohrmaschine tätig und verfüge über eine Ausbildung als Tischler. Die von Herrn K3x als Maschinenführer ausgeübten Tätigkeiten könne der Kläger nicht unter einer Anlernzeit von zwei Jahren erlernen. Mit dem ausgebildeten Messetischler E2xxx könne der Kläger ebenfalls nicht ernsthaft verglichen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I

Die Kündigung des Klägers ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt. Aufgrund des geschlossenen Interessenausgleichs mit Namensliste, auf der sich auch der Name des Klägers befindet, ist die Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermuten. Das hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung hat der Kläger nicht widerlegt.

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungswirkung sind erfüllt, denn es ist wegen einer Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu einem Interessenausgleich gekommen, dessen Bestandteil eine Liste der zu entlassenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist.

2. Greift die gesetzliche Vermutungswirkung ein, muss nunmehr der Kläger darlegen und beweisen, dass seine Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen ist (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, NZA 1998, 933; BAG vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 10). Es tritt eine Umkehr der Beweislast ein. Nunmehr muss der Arbeitnehmer die zu vermutende Betriebsbedingtheit der Kündigung schlüssig und begründet widerlegen.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Schon seine Behauptung, die verbliebenen Mitarbeiter hätten Überstunden verfahren, steht der Annahme, seine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit sei weggefallen, nicht zwingend entgegen. Jedenfalls hat der Beklagte dazu auf die mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitflexibilisierung verwiesen und damit eine in sich schlüssige und plausible Erklärung für das geänderte Arbeitszeitverhalten geliefert, die die betrieblichen Erfordernisse für den Ausspruch der Kündigung nicht in Frage stellt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass der Vortrag des Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen ist.

II

Eine grob fehlerhafte Sozialauswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO kann nicht festgestellt werden. Auch insoweit ist dem Arbeitsgericht zu folgen. Dem Kläger ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, eine grob fehlerhafte Sozialauswahl gemäß den §§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG, 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nachzuweisen.

1. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit bezieht sich auf den gesamten Vorgang der sozialen Auswahl und nicht nur auf die Gewichtung der sozialen Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Sanierung insolventer Unternehmen durch Kündigungserleichterungen gefördert werden. Deshalb ist der individuelle Kündigungsschutz zugunsten einer kollektiv-rechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt worden (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, NZA 1998, 933 und vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; MünchKommInsO - Löwisch/Caspers, § 125 Rdnr. 85; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 42). Ist die Überprüfbarkeit der sozialen Auswahl umfassend eingeschränkt, kann auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit kontrolliert werden (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774; BAG vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271).

2. Grob fehlerhaft gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine soziale Auswahl nur dann, wenn ein evidenter, ins Auge springender schwerer Fehler vorliegt und der Interessenausgleich jede Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05 - DB 2006, 844 = ZIP 2006, 774 und vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02, ZIP 2004, 1271). Sind die sozialen Daten Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten im Wesentlichen berücksichtigt worden, kann von einer groben Fehlerhaftigkeit nur in krassen Ausnahmefällen die Rede sein (vgl. dazu BAG vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, DB 2000, 1338).

a) In Anwendung dieser Grundsätze bestehen bereits Bedenken, ob der vom Kläger in der Berufungsinstanz noch genannte Kollege K3x bei unterstellter Vergleichbarkeit in deutlich geringerem Maße als der Kläger sozial schutzwürdig ist. Herr K3x ist wie der Kläger verheiratet und hat ebenfalls eine siebenjährige Betriebszugehörigkeit aufzuweisen. Der Altersabstand ist nur geringfügig und hat keine entscheidende Bedeutung. Allerdings hat der Kläger zwei Kinder zu versorgen. Bei nur geringen Abständen bezüglich Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten wie hier kann von einer gravierenden und ins Auge springenden Vernachlässigung der sozialen Gesichtspunkte nicht gesprochen werden. Bereits ohne Anwendung des Maßstabes der groben Fehlerhaftigkeit steht dem Arbeitgeber nach der gesetzlichen Konzeption ein Wertungsspielraum zu. Es geht nicht darum, ob der Arbeitgeber nach den Vorstellungen des Gerichts die bestmögliche Sozialauswahl vorgenommen hat. Weil der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die sozialen Gesichtspunkte nur "ausreichend" berücksichtigen muss, kann er bei der Gewichtung der sozialen Kriterien einen Wertungsspielraum in Anspruch nehmen. Die von ihm getroffene Auswahlentscheidung muss nur vertretbar sein. Dies schließt andere, ebenfalls mögliche Auswahlentscheidungen nicht aus. Nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer können die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl mit Erfolg rügen (BAG vom 05.12.2002 - 2 AZR 549/01, NZA 2003, 791).

Ist die gerichtliche Überprüfung der sozialen Auswahl wie vorliegend noch weiter eingeschränkt, sind die hier vorliegenden geringen Unterschiede nicht geeignet, die soziale Auswahl als grob fehlerhaft zu qualifizieren.

b) Deutliche Unterschiede bei den sozialen Kriterien ergeben sich allerdings im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter E2xxx, weil dieser keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat. Ob dies bereits die Annahme einer grob fehlerhaften Sozialauswahl rechtfertigt, kann offen bleiben, denn der Kläger ist mit Herrn E2xxx nicht vergleichbar. Der Kläger hat gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG nicht nachgewiesen, dass er die gleiche Tätigkeit ausgeübt hat und den Kollegen E2xxx ohne Einarbeitungszeit jederzeit ersetzen kann.

Die im Rahmen der sozialen Auswahl anzustellende Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und daher nach der bisher ausgeübten Tätigkeit. Daneben können Qualifikation und Eingruppierung von Bedeutung sein. In Anwendung dieser Grundsätze ist nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien die Vergleichbarkeit zwischen dem Kläger und Herrn E2xxx verneint haben. Letzterer hat eine andere Tätigkeit als der Kläger ausgeübt und ist ausgebildeter Messetischler. Die Qualifikation als Messetischler ist aus betrieblicher Sicht bei der Anfertigung von Messeteilen von erheblichem Nutzen. Aufgrund dieser Unterschiede ist der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer nicht in grob fehlerhafter Weise bestimmt worden. Nur wenn die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt worden ist und es an sachbezogenen Differenzierungsgründen mangelt, kann die Bildung der Vergleichsgruppen als grob fehlerhaft bezeichnet werden (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05, unter 2 c bb) der Gründe, DB 2006, 844; vgl. auch LAG Hamm vom 12.11.2003 - 2 Sa 1232/03). Eine unzulässige oder gar willkürliche Vergleichsgruppenbildung kann hier nicht festgestellt werden.

c) Der Kläger ist schließlich nicht vergleichbar mit dem Mitarbeiter K3x, so dass die soziale Auswahl unter allen in Betracht kommenden Umständen nicht als grob fehlerhaft zu bewerten ist. Herr K3x hat eine ganz andere Tätigkeit als der Kläger ausgeübt und verfügt außerdem über die Qualifikation eines ausgebildeten Tischlers. Der Kläger räumt selbst ein, dass er eine Einarbeitungszeit von drei Wochen benötigen würde, um die Tätigkeit des Kollegen K3x übernehmen zu können, ohne dass der Kläger eine schlüssige Begründung für diese Einschätzung geliefert hat. Fehlt es an einer sofortigen Substituierbarkeit, ist die Bildung der Vergleichsgruppen nicht grob fehlerhaft (BAG vom 17.11.2005 - 6 AZR 107/05, DB 2006, 844).

d) Der Kläger ist ebenso wenig vergleichbar mit Herr D5xxxx O1xxxxx, denn dieser ist Mitarbeiter des Kundendienstes und verfügt über eine Tischlerausbildung. Der Kläger ist gegenüber Herrn E1xxx nicht deutlich sozial schutzwürdiger. Herr E1xxx ist darüber hinaus als Vorarbeiter horizontal nicht vergleichbar und übt als Einpacker eine andere Tätigkeit aus. Im Verhältnis zu Herrn K4xxxxxxx sind bei unterstellter Vergleichbarkeit die sozialen Kriterien nicht grob missachtet worden.

III

Der Betriebsrat ist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht betont, dass die Interessenausgleichsverhandlungen in zulässiger Weise mit der Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG verbunden worden sind (vgl. BAG vom 20.05.1999 - 2 AZR 532/98, NZA 1999, 1101, 1102; Berscheid, Juris Praxisreport Arbeitsrecht 13/04 vom 31.03.2004 Anm. 3). Dies ergibt sich aus III des Interessenausgleichs. Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs hat der Betriebsrat gleichzeitig den beabsichtigten Kündigungen zugestimmt und damit seine abschließende Stellungnahme abgegeben. Darüber hinaus hat der Beklagte das Anhörungsverfahren mit Schreiben vom 20.06.2005 eingeleitet. Wie sich aus der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden ergibt hat der Betriebsrat dieses Anhörungsschreiben auch erhalten. Zwar ist nicht ausdrücklich vermerkt, ob dies wie der Beklagte behauptet am 21.06.2005 geschehen ist. Der Betriebsrat hat das Anhörungsschreiben aber vor seiner abschließenden Stellungnahme am 08.07.2005 erhalten. Dies ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts ohne begründbare Zweifel aus dem Kapitel III des Interessenausgleichs. Durch Unterschrift ist ferner dokumentiert, dass der Betriebsrat eine vollständige Personalliste sämtlicher Arbeitnehmer und eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer erhalten hat. Dem ist der Kläger nicht wie erforderlich qualifiziert entgegengetreten. Angesichts der detaillierten Ausführungen zur Betriebsratsanhörung ist es ihm verwehrt, die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen zu bestreiten (BAG vom 23.06.2005 - 2 AZR 193/04, NZA 2005, 1233; BAG vom 16.03.2000 - 2 AZR 75/99, NZA 2000, 1332).

Es besteht auch kein Zweifel, dass der Betriebsrat über die Gründe der sozialen Auswahl unterrichtet worden ist, denn auch dies hat er mit dem Abschluss des Interessenausgleichs bestätigt. Die Unterrichtung ergibt sich im Übrigen auch aus dem von dem Beklagten vorgelegten Protokoll der Betriebsratssitzung vom 27.06.2005 (Bl. 23 d.A.), denn es ist dort von einer Überprüfung der Kündigungsliste hinsichtlich bekannter Härtefälle die Rede.

IV

Die Kündigung ist nicht wegen Verletzung der Anzeige- und Unterrichtungspflichten gemäß §§ 17, 18 KSchG unwirksam.

1. Der Betriebsrat ist über die geplante Massenentlassung gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ordnungsgemäß unterrichtet worden. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Interessenausgleich, denn dort heißt es unter III auf Seite 3 ausdrücklich, dass gleichzeitig mit der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe die Information gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG verbunden worden ist. Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Betriebsrat wie von ihm bestätigt eine vollständige Personalliste der Belegschaft mit allen erforderlichen sozialen Daten, Beschreibung des konkreten Arbeitsplatzes, Eingruppierung und Angabe des voraussichtlichen Kündigungstermin erhalten hat. Den Erhalt einer derartigen Liste hat der Betriebsratsvorsitzende durch seine Unterschrift ausdrücklich bestätigt. Damit ist der Beklagte seiner Auskunftserteilungspflicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG ausreichend nachgekommen (vgl. dazu ErfK-Kiel, 7. Aufl., § 17 KSchG Rdnr. 20; KR-Weigand, 8. Aufl., § 17 KSchG Rdnr. 62 c).

Allerdings ergibt sich aus dem Interessenausgleich nicht, dass der Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG eine Abschrift der Massenentlassungsanzeige erhalten hat. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, denn der Betriebsrat soll gemäß § 17 Abs. 3 Satz 6 bis 8 KSchG in das Anzeigeverfahren eingebunden werden, um ggfls. gegenüber dem Arbeitsamt weitere Stellungnahmen abzugeben. Der maßgebliche Inhalt der Konsultationspflicht ist in § 17 Abs. 2 KSchG geregelt. Nur die Verletzung der Konsultations- oder der Anzeigepflicht kann die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben (vgl. ErfK-Kiel, 7. Aufl., § 17 KSchG Rdnr. 24; vgl. ferner BAG vom 23.03.2006 - 2 AZR 343/05 und BAG vom 13.07.2006 - 6 AZR 198/06). Seiner Konsultationspflicht ist der Beklagte durch die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs nachgekommen. Ein Verstoß gegen die in Abs. 3 Satz 6 bis 8 vorgesehenen Verpflichtungen führt nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige (ErfK-Kiel, 7. Aufl., § 17 KSchG Rdnr. 25; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl., § 17 Rdnr. 62 f).

2. Entgegen der Auffassung des Klägers greift die in § 18 Abs. 1 KSchG geregelte Sperrfrist nicht ein. Es ist unzutreffend, dass der Arbeitgeber nach Anzeige der Massenentlassung mit dem Ausspruch der Kündigung einen Monat warten muss. Gemeint ist vielmehr, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige endet. § 18 Abs. 1 KSchG ist so zu verstehen, dass anzeigepflichtige Kündigungen vor Ablauf eines Monats nach Eingang der Anzeige nur mit Zustimmung der Agentur für Arbeit wirksam werden. Bis zum Ablauf dieser Frist entfaltet die vom Arbeitgeber erklärte Kündigung keine Wirkung, d.h. der Entlassungszeitpunkt ist hinausgeschoben. Dies betrifft nur Kündigungen, deren Kündigungsfrist kürzer als einen Monat bemessen ist (KR-Weigand, 8. Aufl. § 18 KSchG Rdnr. 5). Bei richtlinienkonformer Auslegung können die Kündigungen unmittelbar nach Erstattung der Anzeige ausgesprochen werden (vgl. ErfK-Kiel, 7. Aufl., § 18 KSchG Rdnr. 4; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl., § 18 Rdnr. 1589). Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Vorliegend hat der Beklagte eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen, deren Kündigungsfrist zum 30.09.2005 abgelaufen ist und damit zu einem Zeitpunkt nach Ablauf der Monatsfrist des § 18 Abs. 1 KSchG.

V

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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