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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 773/05
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, InsO, KSchG


Vorschriften:

BetrVG § 111 Satz 3 Nr. 1
BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 1
BGB § 125
BGB § 126
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 1
KSchG § 1 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägern gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 09.03.2005 - 2 Ca 1270/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung.

Die am 04.04.1950 geborene Klägerin war seit dem 01.04.1969 bei der in L2xxx ansässigen Firma K1xxxxx-L3xxxxxxxxxx GmbH und Co. KG als kaufmännische Angestellte tätig. Seit 1980 fungierte sie als Abteilungsleiterin des Bereich Sicherheitsleuchten und war zuletzt in die Gehaltsgruppe K 5 eingruppiert.

Über das Vermögen der genannten Firma wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 01.12.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser stellte die Klägerin ab 01.12.2003 von der Arbeitsleistung frei. Zu diese Zeitpunkt beschäftigte die Insolvenzschuldnerin noch 115 Arbeitnehmer.

Nach Darlegung des Beklagten bestand angesichts der wirtschaftlichen Situation der Insolvenzmasse und im Interesse der Überlebensfähigkeit des Restbetriebes die Notwendigkeit, 45 Arbeitsplätze abzubauen. Nach längeren Verhandlungen mit dem Betriebsrat schloss der Beklagte am 19.07.2004 einen Interessenausgleich, dem eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beigefügt war, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2004 fristgemäß zum 31.10.2004 mit der Begründung, er habe die Entscheidung treffen müssen, den Personalbestand dem deutlich verringerten Auftragsbestand anzupassen. Hiervon seien insgesamt 45 Arbeitsplätze betroffen.

Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs ist das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG verbunden worden. Der Betriebsrat hat dazu im Interessenausgleich erklärt, dass ihm eine Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit den relevanten Sozialdaten vorgelegen habe und er insoweit gemäß § 102 BetrVG zu den mit der Betriebsstilllegung verbundenen einzelnen Kündigungen ordnungsgemäß angehört worden sei. Er habe dazu keine weitergehende Stellungnahme abgegeben, so dass das Verfahren nach § 102 BetrVG mit Unterzeichnung des Interessenausgleichs abgeschlossen sei.

Die Klägerin hat die soziale Auswahl gerügt und vorgetragen, im Vergleich zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern H3xxxxxxx (75 Punkte), M2xxxxxxxx (70 Punkte), H5xxxxxxx (76 Punkte), G2xxxx (69 Punkte), H6xx (49 Punkte), F2xxx (45 Punkte) und B2xxxxxxxx (46 Punkte) habe sie mit 87 Sozialpunkten den größten sozialen Bestandsschutz aufzuweisen.

Der Beklagte hat dazu auf das von den Betriebsparteien erarbeitete Auswahlkonzept verwiesen. Darin heißt es:

"Im Angestelltenbereich ist die Sozialauswahl innerhalb der Gehaltsgruppen KT/2 und KT/3 vorgenommen worden. Dabei sind die Parteien davon ausgegangen, dass grundsätzlich innerhalb der Gehaltsgruppen KT/2 und KT/3 regelmäßig Austauschbarkeit besteht. Oberhalb dieser Gehaltsgruppen wird wegen der Spezialisierung der Aufgabenbereiche generell nicht mehr von Austauschbarkeit ausgegangen. Es wird ferner davon ausgegangen, dass in diesen Gehaltsgruppen auch eine längere als dreimonatige Einarbeitungszeit erforderlich ist."

Die Klägerin ist in die Gehaltsgruppe K 5 eingruppiert. Ihr Arbeitsbereich war nach dem Auswahlkonzept die Leitung des Vertriebs Innendienst. In die Gehaltsgruppe K 5 sind neben der Klägerin ferner die Mitarbeiter M2xxxxxxxx mit dem Arbeitsbereich "Verkaufsinnendienst" und F2xxx als Leiter des Personalwesens eingruppiert. Der zuletzt genannte Arbeitsplatz fällt weg, weil das Personalwesen an eine externe Firma vergeben worden ist. In dem Auswahlkonzept heißt es ferner:

"Der Arbeitsbereich Leitung Vertrieb Innendienst wird zukünftig vom Geschäftsführer miterledigt. Betroffen ist die Arbeitnehmerin K1xxxxx."

Der ebenso wie die Klägerin die Gehaltsgruppe K 5 eingruppierte Herr M2xxxxxxxx ist am 18.09.1957 geboren, war seit dem 01.04.1991 bei der Insolvenzschuldnerin tätig und hat keine Kinder.

Die Klägerin meint, sie sei mit den übrigen Mitarbeitern im Verkaufsinnendienst vergleichbar und austauschbar, denn sie sei zuletzt nur noch normale Vertriebsangestellte gewesen und damit auch den übrigen Mitarbeitern im Vertrieb gleichzustellen. Dies ergebe sich aus dem Zeugnis von Januar 2004. In diesem Zeugnis heißt es:

"Seit 1980 ist Frau K1xxxxx in verantwortlicher Funktion als Vertriebsangestellte im Produktbereich "Sicherheitsbeleuchtung" mit Weisungsbefugnis für fünf Mitarbeiter tätig.

Im Zuge umfangreicher Umstrukturierungsmaßnahmen übernahm Frau K1xxxxx zusätzlich vom 01.02.2003 bis 15.07.2003 die Leitung des Bereichs "Verkauf/Innendienst" mit zehn Mitarbeitern."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 09.03.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei aufgrund der Vermutungswirkung des § 125 InsO gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Die von dem Beklagten getroffene soziale Auswahl sei gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht als grob fehlerhaft anzusehen. Bei der Bildung der auswahlrelevanten Gruppen könne nicht allein auf die tarifliche Eingruppierung abgestellt werden, sondern die Qualifikation sei ein zulässiges Unterscheidungsmerkmal. Die Klägerin sei in der Gehaltsgruppe K 5 in verantwortlicher Funktion als Vertriebsangestellte im Produktbereich Sicherheitsbeleuchtung mit Weisungsbefugnis gegenüber fünf Mitarbeiterin tätig gewesen. Das unternehmerische Konzept des Beklagten, nämlich die Leitungsposition der Klägerin im Bereich Vertrieb Notleuchten zukünftig vom Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin mit erledigen zu lassen, stehe einer konventionellen sozialen Auswahl entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung will die Klägerin eine Abänderung der Entscheidung zugunsten ihres erstinstanzlich verfolgten Feststellungsantrags erreichen. Dazu trägt sie vor, es bestünden schon Zweifel, ob ein wirksamer Interessenausgleich vorläge. Es fehle an einer als solche zu identifizierenden Unterschrift des Beklagten. Sie meint, der ausgehandelte Interessenausgleich sei unwirksam, weil die Frist zur Erstellung des Sozialplans abgelaufen sei. Tatsächlich seien nur etwa 30 Kündigungen ausgesprochen worden. Die Namensliste sei zum Teil erst nach Zugang der Kündigungen erstellt worden. Weisungsbefugnis gegenüber fünf Mitarbeitern habe sie nur bis zum 31.12.2002 gehabt. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung sei sie nicht mehr Leiterin des Arbeitsbereich "Vertrieb Innendienst" gewesen. Eine ordnungsgemäße soziale Auswahl sei ihrer Meinung nach nicht getroffen worden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 19.07.2004 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Er trägt ergänzend vor, der zwischen den Betriebsparteien am 19.07.2004 geschlossene Interessenausgleich mit Namensliste sei formal rechtswirksam zustande gekommen. Die Namensliste sei Bestandteil des Interessenausgleichs. Beides sei mit einer Öse fest und dauerhaft zu einer einheitlichen Urkunde verbunden worden. Der Interessenausgleich sei von dem dazu bevollmächtigten Rechtsanwalt Landwehr unterschrieben worden. Entgegen der Darstellung der Klägerin seien nicht nur 30, sondern alle im Interessenausgleich aufgeführten 45 Arbeitsverhältnisse gekündigt worden. Der Personalbestand der Insolvenzschuldnerin sei um 45 Arbeitnehmer reduziert worden, so dass zweifelsfrei eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vorläge. Bei der Klägerin handele es sich um die Ehefrau des ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafters der Insolvenzschuldnerin. Sie habe im Betrieb der Insolvenzschuldnerin tatsächlich eine leitende Position mit Vorgesetztenfunktion wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Der Interessenausgleich mit Namensliste vom 19.07.2004 hat im Original vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung des Beklagten ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Die getroffene soziale Auswahl ist nicht grob fehlerhaft im Sinne von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO.

I

1. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung ist gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermuten.

a) Der Interessenausgleich mit Namensliste vom 19.07.2004 ist formwirksam zustande gekommen. Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ein Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und vom Unternehmen und vom Betriebsrat zu unterschreiben. Es gilt das gesetzliche Schriftformerfordernis gemäß den §§ 125, 126 BGB. Dem gesetzlichen Schriftformerfordernis ist Genüge getan, wenn Interessenausgleich und Namensliste derart miteinander verbunden sind, dass sie eine Urkunde bilden (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 55/98 - NZA 1998, 1110 sowie vom 21.02.2002 - 2 AZR 581/00 - NZA 2002, 1360). Der Beklagte hat die Originalurkunde vorgelegt, aus der sich ergibt, dass Interessenausgleich und Namensliste eine Einheit bilden und diese Gesamturkunde von den Betriebsparteien ordnungsgemäß unterschrieben worden ist. In dem Interessenausgleich wird unter Nr. 2 ausdrücklich auf die beigefügte Namensliste Bezug genommen, die ebenfalls sowohl von dem Bevollmächtigten des Beklagten als auch von dem Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben worden ist. Die von dem Bevollmächtigten des Beklagten geleistete Unterschrift genügt den Anforderungen eines die Identität des Ausstellers hinreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzuges (vgl. dazu BGH NJW 1997, 3380).

b) Die Wirksamkeit des Interessenausgleichs hängt vom Abschluss eines Sozialplans nicht ab, weil es sich dabei um unterschiedliche Vertragswerke mit jeweils eigenständiger Bedeutung handelt.

Es bestehen keine durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung bereits vor Abschluss des Interessenausgleichs mit Namensliste ausgesprochen worden ist. Sie ist der Klägerin nach ihrem Vortrag in der Klageschrift in der Betriebsversammlung am 19.07.2004 ausgehändigt worden. Es hat keine nachträgliche Änderungen der Namensliste gegeben, denn Interessenausgleich und Namensliste bilden eine einheitliche Urkunde und sind zusammen am 19.07.2004 unterzeichnet worden. Handschriftliche Änderungen sind auf dem vorgelegten Original der Namensliste nicht zu erkennen.

c) Liegt ein formell wirksam zustande gekommener Interessenausgleich mit Namenliste über eine geplante Betriebsänderung des Insolvenzverwalters vor, ist die Betriebsbedingtheit der Kündigung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu vermuten. Diese Vermutungswirkung greift vorliegend ein, weil der Name der Klägerin auf der dem Interessenausgleich beigefügten Namensliste steht und sich der Interessenausgleich über eine von dem Beklagten geplante Betriebsänderung gemäß § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG verhält. Ob der Beklagte wie die Klägerin behauptet eine Personalreduzierung im Umfang von nur 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt hat oder ob 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen worden sind, ändert am Tatbestand der Einschränkung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG nichts. Ob ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist, richtet nach der Anzahl der von der Maßnahme erfassten Arbeitnehmer. Maßgeblich sind die Zahlenangaben des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG (BAG vom 07.08.1990, NZA 1991, 113). Danach kommt es bezogen auf eine Betriebsgröße von 115 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern darauf an, ob mehr als 25 Arbeitnehmer von der geplanten Betriebsänderung betroffen sind. Diese Zahl wird auch nach dem Vortrag der Klägerin überschritten.

Schließlich ist die Klägerin von der geplanten Betriebsänderung betroffen, weil ihr Arbeitsbereich zukünftig vom Geschäftsführer mit erledigt wird.

2. Die Rüge der Klägerin, die soziale Auswahl sei fehlerhaft getroffen worden, greift nicht durch.

a) Ist die Kündigung eines Arbeitnehmers an sich aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt, kann sie trotzdem gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG sozialwidrig sein, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl der Arbeitnehmer die sozialen Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Liegt wie vorliegend ein Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO vor, kann die soziale Auswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO einschränkend nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Diese eingeschränkte Überprüfung bezieht sich auf den gesamten Vorgang der sozialen Auswahl und daher nicht nur auf die Gewichtung der sozialen Daten, sondern auch auf die Bildung der Vergleichsgruppen (BAG vom 28.08.2003 - 2 AZR 368/02 - ZIP 2004, 1271). Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen gebieten ein umfassendes Verständnis der sozialen Auswahl. Um die Sanierung insolventer Unternehmen durch Kündigungserleichterung zu fördern, ist der individuelle Kündigungsschutz bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste zugunsten einer kollektiv-rechtlichen Regelungsbefugnis der Betriebsparteien eingeschränkt worden (BAG vom 07.05.1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933 und vom 21.01.1999 - 2 AZR 624/98 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste).

b) Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gehaltsgruppe K 5 nicht für austauschbar mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gehaltsgruppe K 4 angesehen haben. Auch außerhalb der Insolvenz erfolgt die im Rahmen der sozialen Auswahl anzustellende Vergleichbarkeit in erster Linie nach objektiven, arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und daher nach der bisher ausgeübten Tätigkeit. Dabei können Qualifikation und Eingruppierung mit herangezogen werden (BAG vom 17.09.1998 - 2 AZR 725/97 - NZA 1998, 1332 sowie vom 15.06.1989 - 2 AZR 580/88 - NZA 1990, 226). Mit diesen Abgrenzungskriterien können immer nur Arbeitnehmer derselben hierarchischen Ebene miteinander verglichen werden (st. Rspr. des BAG vgl. BAG vom 17.09.1998 - 2 AZR 725/97 - NZA 1998, 1332; ErfK-Ascheid, 5. Aufl., § 1 KSchG Rdnr. 481).

Die Klägerin trifft gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die grobe Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl (Uhlenbruck-Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 125 Rdnr. 44). Die dazu von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen die Annahme, der Beklagte habe die austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer willkürlich bestimmt oder nach unsachlichen Gesichtspunkten eingegrenzt, nicht (vgl. dazu LAG Hamm vom 12.11.2003 - 2 Sa 1232/03).

Es ist unter Berücksichtigung des eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien nur bezüglich der Mitarbeiter der Gehaltsgruppen KT/2 und KT/3 von einer regelmäßigen Austauschbarkeit ausgegangen sind, dies aber wegen der Spezialisierung der Aufgabenbereiche nicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gehaltsgruppen K 4 und K 5 angenommen haben. Die Betriebsparteien haben sich dabei erkennbar nach der ausgeübten Tätigkeit und der Eingruppierung gerichtet. Es handelt sich dabei um sachliche Unterscheidungsmerkmale, die den allgemeinen Regeln der Vergleichbarkeit entsprechen.

c) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei nur bis zum 31.12.2002 Leiterin des Bereichs "Vertrieb Innendienst" gewesen, habe danach nur die Tätigkeit einer normalen Vertriebsangestellten ausgeübt und müsse daher mit allen Vertriebsangestellten verglichen werden. Der Vortrag der Klägerin ist widersprüchlich. Sie hat zunächst in der Klageschrift angegeben, als Abteilungsleiterin für den Bereich Sicherheitsbeleuchtung zuständig gewesen zu sein. Mit Schriftsatz vom 02.03.2005 hat sie sodann vorgetragen, sie sei normale Vertriebsangestellte gewesen und den anderen Mitarbeitern im Vertrieb gleichzustellen. Aus dem dazu überreichten Zeugnis aus Januar 2004 ergibt sich dies nicht. In dem Zeugnis heißt es vielmehr, dass die Klägerin in verantwortlicher Funktion als Vertriebsangestellte im Produktbereich "Sicherheitsbeleuchtung" mit Weisungsbefugnis für fünf Mitarbeiter seit 1980 tätig gewesen sei. Zusätzlich habe sie vom 01.02.2003 bis 15.07.2003 die Leitung des Bereichs "Verkauf/Innendienst" mit zehn Mitarbeitern übernommen. Selbst wenn die Klägerin nach dem 15.07.2003 bis zu ihrer Freistellung ab 01.12.2003 im Vertrieb ohne Wahrnehmung von Leitungs- und Vorgesetztenfunktionen tätig gewesen ist, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer grob fehlerhaften Bildung der Vergleichsgruppen. Die arbeitsvertraglich begründete Vorgesetzten- und Leitungsfunktion der Klägerin ist nämlich ebenso unverändert geblieben wie ihre Eingruppierung in die Gehaltsgruppe 5. Es ist keineswegs willkürlich oder unsachlich, wenn die Betriebsparteien nicht ausschließlich auf die zuletzt vorübergehend ausgeübte Tätigkeit der Klägerin, sondern auf ihren arbeitsvertraglichen Status und die insgesamt seit 1980 wahrgenommenen Leitungsfunktionen abgestellt haben.

d) Es ist daher nicht grob fehlerhaft, dass die Klägerin nur mit den Mitarbeitern der Gehaltsgruppe K 5 verglichen worden ist. Innerhalb dieser Gruppe sind von der Klägerin als weniger schutzwürdig die Mitarbeiter H3xxxxxxx, M2xxxxxxxx und F2xxx genannt worden. Herr F2xxx ist als Leiter des Personalwesens ebenfalls entlassen worden, denn sein Name befindet sich auf der Namensliste. Sein Arbeitsplatz fällt weg, weil das Personalwesen an eine externe Firma vergeben worden ist.

Dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit, Qualifikation und hierarchischen Stellung den Arbeitsbereich "Verkaufsinnendienst" des Herrn H3xxxxxxx übernehmen kann, hat sie nicht näher begründet. Selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin bejaht, kann im Vergleich mit Herrn H3xxxxxxx nicht davon die Rede sein, die Gewichtung der Kriterien Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten lasse jede Ausgewogenheit vermissen (vgl. dazu BAG vom 02.12.1999 - 2 AZR 757/98 - DB 2000, 1338). Herr H3xxxxxxx hat zwar eine um acht Jahre kürzere Betriebszugehörigkeit als die Klägerin aufzuweisen und ist auch vier Jahre jünger als sie. Diese Unterschiede sind aber nicht derart gravierend, dass von einer völligen Vernachlässigung der sozialen Gesichtspunkte ausgegangen werden kann. Auch wenn kein Interessenausgleich mit Namenliste vorliegt hat der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG die sozialen Gesichtspunkte nur "ausreichend" zu berücksichtigen. Er kann daher bei der Gewichtung der sozialen Kriterien einen Wertungsspielraum in Anspruch nehmen. Es kommt nur darauf an, ob die von ihm getroffene Auswahlentscheidung vertretbar ist. Dies schließt andere, ebenfalls mögliche Auswahlentscheidungen nicht aus. Nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer können die Fehlerhaftigkeit der sozialen Auswahl mit Erfolg rügen (BAG vom 05.12.2000 - 2 AZR 549/01 - NZA 2003, 791). Ist die soziale Auswahl wie vorliegend noch weiter eingeschränkt, kann von einer grob fehlerhaften sozialen Auswahl nur die Rede sein, wenn sie jede Ausgewogenheit vermissen lässt. Der nur geringe Altersunterschied und der Abstand der in beiden Fällen langen Betriebszugehörigkeit rechtfertigt eine derartige Annahme nicht.

e) Deutlich schutzwürdiger als die Klägerin ist aber der Mitarbeiter M2xxxxxxxx. Indes hat die Klägerin nicht überzeugend begründet, warum sie aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit, ihrer arbeitsvertraglichen Stellung und ihrer Qualifikation ohne weiteres den Arbeitsbereich "Verkaufsinnendienst" übernehmen kann. Aufgrund der ausgeübten Tätigkeit ergeben sich Unterschiede, denn der Arbeitsbereich Verkaufsinnendienst ist nicht identisch mit dem von der Klägerin wahrgenommenen Bereich "Leitung Vertrieb Innendienst". Herr M2xxxxxxxx hat offenbar auch keine besonderen Leitungsfunktionen wahrgenommen, denn innerhalb der Gehaltsgruppe K 5 sind Leitungsfunktionen in dem Sozialauswahlkonzept der Betriebsparteien nur für die Klägerin und den Mitarbeiter F2xxx ausgewiesen worden. In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin dazu erklärt, Herr M2xxxxxxxx verstehe nichts von dem bisher von der Klägerin wahrgenommenen Bereich Sicherheits- und Notleuchten, so dass eine gegenseitige Austauschbarkeit nicht ohne weiteres gegeben ist. In der Berufungsbegründung hat sich die Klägerin mit diesem Punkt der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Ob die soziale Auswahl gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz InsO unter dem Aspekt der Erhaltung oder der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur gerechtfertigt ist, kann offen bleiben. Aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeiten kann das Berufungsgericht nicht feststellen, dass die Betriebsparteien willkürlich oder ohne sachlichen Grund die Vergleichbarkeit der Klägerin mit dem Mitarbeiter M2xxxxxxxx verneint haben. Die Entscheidung der Betriebsparteien ist zu respektieren, solange gegenteilige Gesichtspunkte, für die die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig ist, fehlen.

II

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu klären waren. Die Entscheidung folgt der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten höchstrichterlichen Rechsprechung.

Ende der Entscheidung

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