Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.10.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 82/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2 Satz 1
Die Kostenbelastung durch hohe Entgeltfortzahlungskosten können die betrieblichen Interessen auch dann beeinträchtigen, wenn die Entgeltfortzahlungskosten zu einem großen Teil aus dem Tronc finanziert werden.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.11.2003 - 7 Ca 2777/03 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 Jahrbezahlte Krankheitstage Krankengeld-Zuschüsse
1995142.101,74 DM
199653,5-,-- DM
1997772.881,89 DM
1998898.881,90 DM
1999011.098,74 DM
2000421.390,25 DM
20011031.239,55 DM
2002611.223,93 €

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung.

Der am 27.06.1955 geborene ledige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.07.1985 als Croupier im C2xxxx D3xxxxxx-H1xxxxxxxxx tätig. Vorher arbeitete er in derselben Funktion ab 01.06.1980 im Spielcasino B4xxxx.

Der Kläger gehört zu den punktbesoldeten Mitarbeitern. Er erreichte einen Punktewert von 25,33 Punkten. Die gezahlte Mindestvergütung lag bei 3.000,00 € brutto monatlich.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 11.04.2003 zum 31.12.2003 fristgemäß aus personenbedingten Gründen. Vorher hatte sie dem Betriebsrat mit Schreiben vom 28.03.2003 ihre Kündigungsabsicht mitgeteilt und die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers wie folgt aufgeschlüsselt:

"1995:

01.01.1995 - 07.01.1995 = 7 Tage

07.03.1995 - 15.03.1995 = 9 Tage

30.04.1995 - 02.05.1995 = 3 Tage

29.05.1995 - 30.09.1995 = 125 Tage

> Insgesamt 144 Arbeitstage.

1996:

07.06.1996 - 02.07.1996 = 25,5 Tage

15.07.1996 - 20.07.1996 = 6 Tage

15.08.1996 - 18.08.1996 = 4 Tage

01.10.1996 - 18.10.1996 = 18 Tage

15.11.1996 1 Tag

18.11.1996 - 24.11.1996 = 7 Tage

06.12.1996 - 15.12.1996 = 10 Tage

> Insgesamt 71,5 Arbeitstage.

1997:

02.01.1997 - 15.01.1997 = 14 Tage

11.02.1997 - 07.03.1997 = 25 Tage

18.03.1997 - 18.04.1997 = 32 Tage

25.06.1997 - 04.09.1997 = 72 Tage

05.10.1997 - 18.10.1997 = 14 Tage

06.11.1997 - 17.11.1997 = 12 Tage

> Insgesamt 169 Arbeitstage.

1998:

19.02.1998 - 21.02.1998 = 3 Tage

03.04.1998 - 04.04.1998 = 2 Tage

14.05.1998 - 16.10.1998 = 156 Tage

20.10.1998 - 31.12.1998 = 73 Tage

> Insgesamt 234 Arbeitstage.

1999:

01.01.1999 - 31.12.1999 = 365 Tage

> Insgesamt 365 Arbeitstage.

2000:

01.01.2000 - 05.05.2000 = 126 Tage

05.09.2000 - 07.09.2000 = 3 Tage

19.09.2000 - 21.11.2000 = 64 Tage

> Ingesamt 193 Arbeitstage.

2001:

02.01.2001 - 19.02.2001 = 49 Tage

14.04.2001 - 02.05.2001 = 19 Tage

01.07.2001 - 31.12.2001 = 184 Tage

> Ingesamt 252 Arbeitstage.

2002:

01.01.2002 - 04.03.2002 = 63 Tage

26.04.2002 - 27.04.2002 = 2 Tage

03.05.2002 - 04.05.2002 = 2 Tage

21.05.2002 - 31.05.2002 = 11 Tage

19.07.2002 - 31.12.2002 = 166 Tage

Insgesamt 244 Arbeitstage

2003:

01.01.2003 - dato = 74 Tage."

In dem Anhörungsschreiben heißt es weiter:

"Aufgrund der krankheitsbedingten Fehlzeiten von Herrn D2xxxxxxx mußten wir in ganz erheblichem Umfang Entgeltfortzahlungen und Zuschüsse zum Krankengeld erbringen.

Hier ergibt sich folgendes Bild, wie Sie der beigefügten Tabelle (Anlage 1) entnehmen können.

Wir gehen davon aus, dass sich an der vorbeschriebenen Situation nichts ändern wird.

Wir möchten aufgrund der im Einzelnen aufgeführten krankheitsbedingten Fehlzeiten und der damit verbundenen erheblichen Belastungen für den Tronc, die uns auf unserer Sicht eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall mit Herrn D2xxxxxxx unzumutbar machen, den Arbeitsvertrag fristgerecht kündigen."

Die bezahlten Krankheitstage und die Krankengeldzuschüsse listete die Beklagte wie folgt auf:

Wegen der behandelnden Ärzte des Klägers ab 1998 wird auf die Anlage 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 06.08.2003 (Bl. 23 d.A.) und wegen der Krankheitsursachen auf die dem Schriftsatz des Klägers vom 19.08.2003 beigefügten Anlagen (Bl. 31 - 34 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 20.10.1998 einen Wegeunfall erlitten und sei infolge dieses Unfalls ununterbrochen bis einschließlich 05.05.2000 arbeitsunfähig krank gewesen. Am 19.07.2002 habe er einen privaten Verkehrsunfall erlitten und sei deswegen ununterbrochen bis einschließlich 03.06.2003 krank gewesen. Diese beiden Krankheitsperioden müssten bei einer Prognose außer Betracht bleiben. Die Befürchtung weiterer krankheitsbedingter Fehlzeiten ergebe sich dann nicht.

Der Betriebsrat hat der Kündigung am 04.04.2003 widersprochen, weil die seit 1998 aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers durch mehrere unverschuldete Auffahrunfälle auf dem Weg zur Arbeit hervorgerufen worden seien. Deshalb müssten auch die Auslagen des Tronc (Krankengeldzuschüsse) von den jeweiligen Unfallgegnern eingeklagt werden, so dass der Betriebsrat davon ausgehe, dass dem Tronc die gezahlten Beiträge erstattet würden und damit "erhebliche Belastungen für den Tronc" nicht mehr als Kündigungsgrund herangezogen werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchs wird auf das Widerspruchsschreiben (Bl. 49, 50 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hält die Kündigung wegen langanhaltender Erkrankung, zumindest jedoch wegen häufiger Kurzerkrankungen für sozial gerechtfertigt. Für sie sei bei Ausspruch der Kündigung am 11.04.2003 eine Wiederherstellung des Klägers nicht absehbar gewesen. Der Kläger leide regelmäßig an Erkrankungen des Magen- und Darmtraktes, der Atemwege und der Wirbelsäule. Der immer gleichbleibende Charakter seiner Erkrankungen lasse darauf schließen, dass es auch in Zukunft zu weiteren Erkrankungen dieser Art kommen werde. Für eine positive Entwicklung gäbe es keine Anzeichen. Die unfallbedingten Krankheitszeiten räume die Wiederholungsgefahr nicht aus. Schon vor seinen Unfällen habe der Kläger signifikant an Wirbelsäulenerkrankungen gelitten. Im Jahre 2000 sei der Kläger unfallbedingt nur bis zum 05.05. arbeitsunfähig krank gewesen. Weitere 67 Krankheitstage im Jahr 2000 seien nicht unfallbedingt. Auch im Jahre 2002 sei der Kläger bis zum Umfallereignis schon 74 Tage arbeitsunfähig gewesen. Die für sie nicht mehr hinnehmbaren erheblichen betrieblichen Belastungen ergäben sich aus den umfangreichen Entgeltfortzahlungskosten. Ihre Versuche, Schadensersatzforderungen bei den jeweiligen Unfallgegnern des Klägers geltend zu machen, seien erfolglos geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 25.11.2003 antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.04.2003 nicht beendet worden ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 11.04.2003 eine negative Gesundheitsprognose wegen langanhaltender Erkrankung gerechtfertigt gewesen sei. Es fehle nämlich an den weiterhin erforderlichen wirtschaftlichen Belastungen, weil keine Entgeltfortzahlungsansprüche mehr zu erwarten seien und die Beklagte zum Umfang der künftigen Krankengeldzuschüsse nicht ausreichend vorgetragen habe.

Die Kündigung sei auch nicht wegen häufiger Kurzerkrankungen des Klägers gerechtfertigt. Allerdings seien die Kurzerkrankungen des Klägers in der Vergangenheit erheblich gewesen und indizierten eine negative Prognose auch dann, wenn die Krankheitszeiten vom 20.10.1998 bis 05.05.2000 sowie ab 19.07.2002 außer Betracht blieben. Auch bei einer negativen Prognose entstünden aber keine wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten, denn diese habe sämtliche für die Entgeltfortzahlung und die Krankengeldzuschüsse aufzubringenden finanziellen Mittel bis Mitte 2002 dem Tronc entnommen. Finanzielle Nachteile habe die Beklagte dadurch nicht erlitten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte will mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage erreichen. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie vor:

Es sei nicht damit zu rechnen, dass in näherer Zukunft die Troncmittel ausreichten, um die Garantiegehälter der Mitarbeiter zu finanzieren. Deshalb müsse sie weiterhin Zuschüsse zum Tronc leisten, um die tarifvertraglich geschuldeten Mindestgehälter zu zahlen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die seit 1995 umfangreich auftretenden Fehlzeiten des Klägers erheblich belastet. Sie bestreite, dass es sich bei den immer wieder auftretenden Wirbelsäulenleiden des Klägers um Unfallfolgen handele. Bereits vom 25.06.1997 bis 04.09.1997 sei der Kläger wegen eines Bandscheibenschadens erkrankt gewesen. Im Zeitraum 29.09.2000 bis 31.12.2001 seien erhebliche Erkrankungen im gesamten Bereich der Wirbelsäule hinzugekommen, die nicht auf ein einzelnes Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Anders als vom Arbeitsgericht angenommen, müsse sowohl hinsichtlich der langanhaltenden Erkrankung des Klägers als auch unter dem Aspekt häufiger Kurzerkrankungen von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen werden. Damit verbunden sei eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen, denn sie sei auf unbestimmte Zeit daran gehindert, ihr Direktionsrecht auszuüben. Die vom Kläger angeführten Regressmöglichkeiten seien allenfalls geeignet, die bestehenden wirtschaftlichen Belastungen abzumildern. Das Argument des Arbeitsgerichts, die Entgeltfortzahlungskosten könnten nicht als Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen anerkannt werden, weil die für die Entgeltfortzahlungskosten des Klägers aufgewendeten Troncmittel anderenfalls an andere Mitarbeiter ausgeschüttet würden, sei nicht stichhaltig. Abzustellen sei nicht auf ihren Gewinn, sondern davon losgelöst auf die im einzelnen Arbeitsverhältnis entstehenden Kosten. Anderenfalls hätte der Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses keine Bedeutung mehr.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25.11.2003 - 7 Ca 2777/03 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Er trägt ergänzend vor, in der Zeit seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung ab 01.01.2004 sei es nicht mehr zu nennenswerten Fehlzeiten gekommen. Bei dem Verkehrsunfall am 20.10.1998 habe er ein HWS-Schleudertrauma mit teilweiser Wirbelblockade erlitten und sich eine Beckenverschiebung zugezogen. Auch der private Unfall am 19.07.2002 habe ein HWS-Schleudertrauma mit Blockaden im Nackenwirbelbereich verursacht. Nach diversen Rehabilitationsmaßnahmen habe im März 2003 mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit im Mai oder Juni 2003 gerechnet werden können.

Das Berufungsgericht hat ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob bei Ausspruch der Kündigung am 11.04.2003 mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in dem Umfang wie in den Jahren zuvor habe gerechnet werden müssen. Auf das erstellte arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten vom 17.04.2005 des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. W5xxxxxxxxx wird Bezug genommen. Der Gutachter ist nach Untersuchung des Klägers und Besichtigung seines Arbeitsplatzes zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Ausspruch der Kündigung mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten signifikanten Ausmaßes zu rechnen gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist abzuweisen. Die Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, denn in Zukunft ist mit weiteren beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers zu rechnen. Die mit den prognostizierten Ausfallzeiten verbundenen Entgeltfortzahlungskosten stellen eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten dar. Die schließlich vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Klägers aus.

1. Aufgrund des zweitinstanzlich eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass bei Ausspruch der Kündigung die objektiv begründete Besorgnis weiterer erheblicher Fehlzeiten des Klägers im Umfang von deutlich mehr als 30 Arbeitstagen pro Jahr bestand. Der Gesundheitszustand des Klägers ist aufgrund degenerativer Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule erheblich und auf Dauer beeinträchtigt. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass die in der Vergangenheit aufgetretenen Krankheitsursachen Bronchitis und die Erkrankungen im Bereich des Magen- und Darmtraktes keine Wiederholungsgefahr indizieren. Eine Wiederholungsgefahr begründen aber die Beschwerden des Klägers im Bereich der Halswirbelsäule. Hier handelt es sich um chronische Prozesse, die nicht ausgeheilt sind und mit deren Abklingen auch in Zukunft nicht gerechnet werden konnte.

a) Dieser Befund des Gutachters stützt sich auf die durchgeführten Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule in zwei Ebenen und die Untersuchung des Klägers durch den Gutachter am 16.11.2004. Bezeichnenderweise hat der Gutachter eine skoliotische Fehlhaltung im Bereich der unteren Brustwirbelsäule festgestellt. Der Röntgenbefund hat eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule ergeben sowie eine mäßige bis stärkergradige Arthrose im Bereich der Segmente C2 bis C6. Die zurückliegenden Krankheitszeiten stützen die Einschätzung des Gutachters. Bereits vom 25.06.1997 bis 04.09.1997 ist von Dr. G3xxxx ein Bandscheibenschaden behandelt worden. Ab dem Jahr 2000 werden von den behandelnden Ärzten des Klägers als Krankheitsursache wiederholt BWS-, LWS- und HWS-Syndrome angegeben. Darauf nimmt auch der Gutachter Bezug, der zu der Krankheitszeit vom 25.06. bis 04.09.1997 ausführt, der Bandscheibenschaden sei später offenbar konkretisiert und als sogenanntes Halswirbelsyndrom bezeichnet worden. Anders als vom Kläger angenommen sind die langen Krankheitszeiten nach den beiden Unfällen am 20.10.1998 und 19.07.2002 nicht allein auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Dabei kann offen bleiben, ob es im Zusammenhang mit dem Unfall am 20.10.1998 zu einem medizinisch gesicherten HWS-Schleudertrauma gekommen ist. Der Gutachter bekundet überzeugend, dass die Krankheitszeit vom 20.10.1998 bis zum 07.09.2000 nicht allein mit einer Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule erklärt werden kann. Nach der Darstellung des Gutachters ist zur Begründung der Fehlzeiten vom 19.09.2000 bis 03.06.2003 schwerpunktmäßig ein Halswirbelsäulensyndrom zur Begründung der überlangen Fehlzeiten genannt worden. Im Gutachten heißt es dazu weiter wörtlich:

"Unter objektivierbaren Verhältnissen lässt sich im Bereich der Halswirbelsäule ein Geschehen feststellen, welches im Hinblick des Alters des Probanden signifikant über das Altersmaß hinausgeht. Das heißt, es liegen signifikant das Altersmaß überschreitende degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vor."

Der Gutachter führt weiter aus, dass diese degenerativen Veränderungen mit den einhergehenden mechanischen Einwirkungen auf die nervalen Strukturen eine ausreichende Erklärung für die immer wieder auftretenden und im Bereich der Halswirbelsäule manifestierten Beschwerden lieferten.

Es lässt sich nicht feststellen, dass diese Beschwerden in Zukunft durch therapeutische Maßnahmen abklingen und zu verminderten Fehlzeiten führen. Ob die vom Gutachter vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen überhaupt eine deutliche Reduzierung der Fehlzeiten bewirken können, kann offen bleiben, denn der Kläger hält das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis für unzutreffend.

Die Angriffe des Klägers sind nicht geeignet, das fundiert begründete Gutachten in Frage zu stellen. Es kommt nicht darauf an, ob im Zusammenhang mit dem Umfall am 20.10.1998 ein gesichertes Schleudertrauma diagnostiziert worden ist. Es bedarf aber einer Erklärung, warum die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sich über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinzog. Es ist nachvollziehbar, dass dabei die degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule von Bedeutung sein können.

Zu Recht ist der Gutachter der Frage nachgegangen, warum nach dem privaten Unfall des Klägers am 19.07.2002 erneut so lange Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten sind. Wie der Kläger selbst vorträgt, hat auch der behandelnde Arzt Dr. K4xxxx-D5xxx einen vollständigen Unfallzusammenhang bezweifelt.

b) Das Ausmaß der in Zukunft zu befürchtenden Fehlzeiten ist erheblich. Der Gutachter spricht in diesem Zusammenhang von immer wieder auftretenden Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule. Er zieht die Schlussfolgerung, dass bei Ausspruch der Kündigung mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten signifikanten Ausmaßes in dem Umfang wie in der Vergangenheit gerechnet werden konnte. In der Vergangenheit sind Fehlzeiten in erheblichem Umfang aufgetreten, die den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum um mehr als das Doppelte überschritten haben. Allein die erste länger andauernde Wirbelsäulenerkrankung des Klägers im Jahre 1997 dauerte 72 Tage. Lässt man die angeblich unfallbedingten Fehlzeiten außer Betracht, ergeben sich für 1998 bis zum Unfallereignis 161 Tage. Im Jahre 2000 war der Kläger nach dem 05.05.2000 noch an 67 Tagen arbeitsunfähig krank. Im Jahre 2001 fehlte der Kläger ohne Berücksichtigung der sogenannten C-Tage über einen Zeitraum von mehr als acht Monaten. Im Jahre 2002 war er bis zum Unfall am 19.07.2002 an insgesamt 78 Tagen arbeitsunfähig krank. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass allein die orthopädisch behandelten Erkrankungen des Klägers zu immer neuen Fehlzeiten in ähnlichem Umfang wie in den Jahren zuvor führen.

2. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Betriebsablaufstörungen können vernachlässigt werden, weil die Beklagte nach ihrem Vortrag eine Personalreserve vorhält. Die betrieblichen Interessen der Beklagten werden durch die außergewöhnlich hohen finanziellen Leistungen, die die Beklagte im Falle der Erkrankung des Klägers erbringen muss, deutlich beeinträchtigt (vgl. BAG vom 29.07.1993 - 2 AZR 155/93 - AP Nr. 27 § 1 KSchG 1969 Krankheit sowie vom 26.01.1989 - 2 AZR 299/88 - AP 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Die Kostenbelastung der Beklagten ist erheblich, denn sie hatte im Jahre 1997 77, im Jahre 1998 89, im Jahre 2000 42, im Jahre 2001 103 und im Jahre 2002 61 Krankheitstage des Klägers bezahlen müssen. Daneben musste sie im Jahre 1997 Krankengeldzuschüsse in Höhe von 2.881,89 DM, im Jahre 1998 in Höhe von 8.881,90 DM, im Jahre 1999 in Höhe von 11.098,74 DM, im Jahre 2000 in Höhe von 1.390,25 DM, im Jahre 2001 in Höhe von 1.239,55 DM und im Jahre 2002 in Höhe von 1.223,92 € leisten. Diese wirtschaftliche Belastung übersteigt deutlich den gesetzlichen Lohnfortzahlungszeitraum für die Dauer von sechs Wochen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Diese wirtschaftlichen Belastungen können nicht deshalb als zumutbar angesehen werden, weil die Beklagte sie größtenteils aus dem Tronc bestreitet, der aus den Trinkgeldern der Spielbankmitarbeiter finanziert wird. Für die Beurteilung, ob die finanziellen Belastungen dem Arbeitgeber noch zumutbar sind, ist nicht auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt abzustellen, sondern auf die Kosten des konkret betroffenen Arbeitsverhältnisses (BAG vom 07.11.1985 - 2 AZR 657/84 - NZA 1986, 359). Deshalb kann es nicht maßgeblich darauf ankommen, dass die Beklagte die ihr entstehenden Entgeltfortzahlungskosten zu einem großen Teil aus dem Tronc finanziert. Auf welche Weise sich der Arbeitgeber die notwendigen Mittel zur Abdeckung der anfallenden Personalkosten beschafft, kann kündigungsrechtlich nicht von Bedeutung sein. Gestört ist das konkrete Austauschverhältnis, wenn mit immer neuen beträchtlichen Fehlzeiten und entsprechenden Entgeltfortzahlungen zu rechnen ist. In diesem Fall lassen die wirtschaftlichen Belastungen unter dem Gesichtspunkt einer ganz erheblichen Störung des Austauschverhältnisses von nicht absehbarer Dauer die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheinen (vgl. dazu: BAG vom 12.04.1984 - 2 AZR 77/83 - DB 1985, 873 unter B II c der Gründe). Es ist daher abzustellen auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses des gekündigten Arbeitnehmers und nicht auf die insgesamt anfallende Belastung des Arbeitgebers durch Lohnfortzahlungskosten (BAG vom 16.02.1989 - 2 AZR 299/88 - NZA 1989, 923). Die Störung des konkreten Austauschverhältnisses durch außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten wird nicht dadurch beseitigt, dass andere Arbeitnehmer eine deutlich geringere Krankheitsquote aufweisen. Ebenso wenig ändert die Finanzierung über den Tronc etwas an dem Missverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und Entgeltfortzahlungskosten. Maßgeblich ist in diesem Fall auch nicht der Widerspruch des Betriebsrats, denn diesem obliegt es nicht, die finanziellen Interessen der Belegschaft gegenüber der Beklagten wahrzunehmen. Die Beklagte verfügt über das Troncvermögen in eigener Verantwortung (vgl. BAG vom 14.08.2002 - 7 ABR 29/01 - NZA 2003, 626). Nicht unberücksichtigt bleiben kann schließlich, dass die Beklagte Zuschüsse in den Tronc leisten musste, um die Zahlung der Mindestgehälter zu gewährleisten. Eine wirtschaftliche Belastung sind auch die Krankengeldzuschüsse, auch wenn die Beklagte dazu tarifvertraglich verpflichtet ist. Insoweit kann nichts anderes gelten als für die gesetzlichen Entgeltfortzahlungskosten.

3. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Klägers aus. Die durch die zu besorgenden erheblichen Fehlzeiten des Klägers verursachten betrieblichen Beeinträchtigungen sind von der Beklagten nicht weiter hinnehmbar. Dabei fällt ins Gewicht, dass das Austauschverhältnis bereits seit 1995 in erheblichem Umfang gestört ist. Die Erkrankungen des Klägers sind nicht auf betriebliche Ursachen zurückzuführen. Der Gutachter hat aufgrund der Arbeitsplatzbesichtigung ausdrücklich festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers am Roulettetisch und unter den Bedingungen eines Schichtsystems zu keiner gesundheitlichen Überforderungssituation führt. Die Tätigkeit des Klägers hat daher keinen zusätzlichen negativen Einfluss auf ein zu erwartendes Krankheitsgeschehen (s. Bl. 19 des Gutachtens, Bl. 111 d.A.). Die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten bestehen bereits seit 1995. Mit Ausnahme des Jahres 1999, in dem der Kläger unfallbedingt ganzjährig arbeitsunfähig krank war, hat die Beklagte Entgeltfortzahlungen und Krankengeldzuschüsse in erheblichem Ausmaß erbringen müssen. Im Durchschnitt sind jährlich mehr als 60 Krankentage mit Entgeltfortzahlung angefallen. Auffällig ist schließlich, dass die Erkrankungen des Klägers jeweils zu überlangen Fehlzeiten geführt haben. Dies betont auch der Gutachter, der beispielsweise die lange Krankheitszeit des Klägers vom 20.10.1998 bis zum 31.12.1999 nicht ausreichend mit einer Prellung erklären kann. Die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers wird aufgewogen durch die seit 1995 nicht mehr erbrachten regelmäßigen Arbeitsleistungen. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers von seiner Betriebszugehörigkeit ab 01.06.1980 ausgeht. Eine besondere soziale Schutzwürdigkeit kann der Kläger für sich nicht in Anspruch nehmen, denn er ist ledig und hat keine Unterhaltspflichten zu erfüllen. Auch unter Berücksichtigung seines Alters führt die Abwägung der genannten Umstände zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.

II

Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück