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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 598/04
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
Rechtsweg: Die Arbeitsgerichte können gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG auch zuständig sein, wenn es um Rechtsbeziehungen geht, die ausdrücklich als Arbeitsverhältnis vereinbart, tatsächlich aber wie das Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters gehandhabt worden sind.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 21.07.2004 - 1 Ca 994/04 - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 22.471,83 € festgesetzt.

Gründe: I Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Arbeitsvergütung und Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt 101.700,-- € abzüglich gezahlter 26.793,90 € in Anspruch mit der Behauptung, er sei im S5xxxxxxx B2x S1xxxxxxx als Tennistrainer im Rahmen eines vereinbarten Arbeitsverhältnisses tätig gewesen. Dazu beruft er sich auf einen Arbeitsvertrag vom 20.12.2001, der wie folgt lautet: "Arbeitsvertrag zwischen (mündliche Absprache) P1xxxxx M1xxxx und S5xxxxxxx B2x S1xxxxxxx/I1xx H2xxxxxx Ab dem 20.12.2001 arbeitet Herr P1xxxxx M1xxxx im S5xxxxxxx B2x S1xxxxxxx als Tennistrainer. Der Arbeitsvertrag ist befristet auf die Zeit, insofern er eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung der Stadt O2xxxxxxx/Ausländeramt erhält. Der Verdienst muss lt. Festsetzung durch das Ausländeramt Brutto DM 4.350,00 monatlich betragen. Auf Grund des Verdienstes hat er durchschn. 24 Stunden die Woche als Tennistrainer zu arbeiten. Sollten sich mehr Stunden ergeben, so ist jede Stunde mit einem Bruttolohn von DM 42,00 zu vergüten. Arbeitet er weniger als die o.g. Stunden, bekommt er auch nur die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlt. (Hier in diesem Fall gilt diese Regelung für den Monat Dezember 2001). Für die monatlich geleisteten Stunden hat er eine detaillierte Aufstellung einzureichen. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt 1 Monat (4 Wochen) zum Monatsende. (Ausnahme: Aufgabe des Geschäftsbetriebes). Ein Urlaubsanspruch ist für das Jahr 2001 noch nicht zu gewähren." Der Beklagte hat den Kläger unter dem 28.01.2002 die "Bescheinigung eines Arbeitsvertrages" ausgestellt, wonach der Kläger im S5xxxxxxx B2x S1xxxxxxx ab 01.01.2002 in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt sei und sein monatliches Bruttoentgelt leistungsbezogen 2.300,-- € betrage. Der Beklagte hat die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt, weil der Kläger nach der praktischen Handhabung des Vertragsverhältnisses nicht als Arbeitnehmer, sondern als Selbständiger tätig geworden sei. Der Beklagte hat vorgetragen, die Bescheinigung vom 28.01.2002 sei dem Kläger gefälligkeitshalber ausgestellt worden, um ihm die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen. Tatsächlich habe der Kläger als selbständiger Tennistrainer auf eigene Rechnung gearbeitet. Er habe für sich geworben und selbst darüber bestimmt, wann, mit wem und zu welchen Bedingungen er Tennisunterricht erteile. Der Beklagte hat den Kläger bei der AOK Westfalen-Lippe als Arbeitnehmer gemeldet und für die Bundesanstalt für Arbeit eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III ausgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg durch Beschluss vom 21.07.2004 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Detmold verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses habe es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG gehandelt, weil der Kläger bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Tennistrainer im Wesentlichen frei und nicht in eine betriebliche Organisation eingebunden gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses, welcher dem Kläger am 26.07.2004 zugestellt worden ist, Bezug genommen. Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.07.2004, welcher am 27.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, die Parteien hätten nicht nur einen Arbeitsvertrag vereinbart, sondern einen solchen auch gelebt. Er habe nicht als Tennistrainer gearbeitet, sondern auch als Hausmeister und habe darüber hinaus in einem Abhängigenverhältnis Reinigungsarbeiten verrichtet. Der Beklagte verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und trägt ergänzend vor, der Kläger sei auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen, weil er auf eigene Rechnung gearbeitet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen. II Die gemäß den §§ 48 Abs. 1, 78 S. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 S. 3 GVG an sich statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Die Arbeitsgerichte sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG berufen, den zwischen den Parteien herrschenden Streit zu entscheiden. 1. Der Beklagte muss sich daran festhalten lassen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag vereinbart worden ist. Es handelt sich auch dann um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, wenn die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien tatsächlich wie ein freies Mitarbeiterverhältnis gehandhabt wurden, und der Kläger selbständig ohne arbeitsbegleitendes Weisungsrecht und ohne in eine fremde Betriebsorganisation eingebunden gewesen zu sein, für den Beklagten Dienstleistungen erbracht hat. Die Parteien des Dienstverhältnisses eines freien Mitarbeiters sind nicht gehindert, ihr Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Die Schutzfunktion des Arbeitsrechts erfordert seine Anwendung auf alle Sachverhalte, in denen der Mitarbeiter seine vertraglich geschuldete Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Deshalb kann ein freies Mitarbeiterverhältnis durch die Erteilung von Weisungen und deren Befolgung tatsächlich zu einem Arbeitsverhältnis werden. Daraus folgt aber nicht umgekehrt, dass ein Rechtsverhältnis, welches als Arbeitsverhältnis vereinbart worden ist, durch bloße Nichtausübung des Weisungsrechts zum Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters wird (BAG vom 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94 - NZA 1997, 194 unter II 2. der Gründe). Für die Frage des Rechtsweges ist es daher unerheblich, ob der Kläger seine Tätigkeit im Wesentlichen frei von arbeitsbegleitenden Weisungen des Beklagten ausgeübt hat. Es handelt sich auch dann um einen Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG, wenn es um Rechtsbeziehungen geht, die wie vorliegend zwischen den Parteien ausdrücklich als Arbeitsverhältnis vereinbart worden sind. Ob die Vereinbarung wirksam ist und welche Rechte der Kläger daraus herleiten kann, ist im Rahmen der Prüfung des Rechtsweges nicht zu klären. Ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB liegt nicht vor, denn die Parteien wollten übereinstimmen, dass der Kläger Dienstleistungen für den Beklagten erbringt. Bezeichnenderweise hat der Beklagte den Kläger lohnsteuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer behandelt. 2. Jedenfalls folgt die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen aus § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG, weil der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen ist. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit und oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation im Vergleich zu Arbeitnehmern in einem Arbeitsverhältnis in wesentlich geringerem Maße persönlich anhängig sind. An die Stelle der persönliche Abhängigkeit tritt die wirtschaftliche Abhängigkeit. Dabei muss der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach in vergleichbarer Weise wie ein Arbeitnehmer schutzbedürftig und die geleisteten Dienste müssen nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sein (BAG vom 16.07.1997 - 5 AZB 29/96 - AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 9I1b). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, denn die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als Tennistrainer, Hausmeister oder Reinigungskraft können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen des Dienstverhältnisses eines freien Mitarbeiters erbracht werden. Der Kläger war umfassend im S5xxxxxxx B2x S1xxxxxxx tätig. Es ist eine feste Vergütung von 2.300,-- € brutto monatlich vereinbart worden. Die geleisteten Dienste sind ihrer Natur nach mit typischen Arbeitnehmertätigkeiten durchaus vergleichbar. An der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Klägers bestehen keine Zweifel, denn die bei dem Beklagten erzielten Einkünfte stellten seine wesentliche Existenzgrundlage dar. III Der Beklagte hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. IV Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft der Entscheidung im Rechtswegbestimmungsverfahren sind 3/10 des Wertes der Hauptsache in Ansatz gebracht worden.

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