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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.10.2006
Aktenzeichen: 2 Ta 6/06
Rechtsgebiete: ArbGG, BBiG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. b
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
BBiG § 1 Abs. 3
BBiG § 3 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Arbeitsgerichts Hamm vom 29.11.2005 - 1 Ca 1767/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.734,00 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger will mit seiner Klage die Unwirksamkeit der Kündigung des mit der Beklagten geschlossenen Stipendienvertrages feststellen lassen und macht Vergütungsvergütungsansprüche für den Zeitraum 14.02.2005 bis 31.08.2005 in Höhe von 3.920,00 € geltend.

Der am 14.09.1982 geborene Kläger begann am 01.09.2004 ein Maschinenbaustudium an der Fachhochschule Südwestfalen. Er schloss mit der Beklagten am 19.07.2004 einen Stipendienvertrag zum kooperativen Studium. Darin verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger ab 01.10.2004 eine monatliche Studienbeihilfe von zunächst 520,00 € zuzahlen, die sich im dritten und vierten Semester auf 620,00 € monatlich und im fünften bis siebten Semester auf 770,00 € monatlich erhöhte. In dem Vertrag heißt es weiter:

"Das Stipendium ist an die Erbringung der planmäßigen, mit der O1xxxxx GmbH abgestimmten Studienleistung geknüpft und kann sich unter Leistungsgesichtspunkten ändern. Herr S1xxxx an die O1xxxxx GmbH nach jedem Semester unaufgefordert durch Vorlage einer Bescheinigung der Fachhochschule über die Studienleistung zu informieren. Ebenso ist jeweils zum Semesterbeginn eine Kopie der Immatrikulationsbescheinigung einzureichen.

Bei einem vorzeiten Abbruch des Studiums entfallen mit sofortiger Wirkung alle weiteren Zahlungen.

Herr S1xxxx verpflichtet sich, der O1xxxxx GmbH alle wesentlichen Änderungen des Studienverlaufs, die für die Gewähr des Stipendiums von Bedeutung sein könnten, umgehend mitzuteilen.

Das Stipendium wird nicht in Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder zukünftig möglichen Arbeitsverhältnis gezahlt. Ein Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach Abschluss des Studiums besteht nicht."

Grundlage des Stipendienvertrages ist das sog. Soester Modell des kooperativen Studiums, in dem sich Studien- und Praxisblöcke abwechseln. Studienbegleitend sollte der Kläger in den Semesterferien im Betrieb der Beklagten eingesetzt und dort praktische Erfahrungen sammeln. Demgemäß absolvierte der Kläger bei der Beklagten vom 14.02. bis 01.04.2005 sowie ab 18.07.2005 Betriebspraktika. Darüber wurde jeweils besondere, als "Arbeitsvertrag" bezeichnete Vereinbarungen geschlossen. Der "kurzfristige Arbeitsvertrag" vom 18.07.2005 endete am 30.09.2005. In den beiden kurzfristigen Arbeitsverträgen wird eine wöchentliche Arbeitszeit von 36 Stunden genannt. Eine Vergütungsvereinbarung enthalten die Verträge nicht. Ein Urlaubsanspruch sollte während der Vertragsdauer nicht bestehen. Ferner heißt es:

"Ferner verpflichtet sich Herr S1xxxx, über alle ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden geschäftlichen Angelegenheiten, insbesondere hinsichtlich der Produkte, Montageverfahren und Kundendaten, Stillschweigen zu bewahren.

Diese Verpflichtung gilt ohne zeitliche Beschränkung auch nach Beendigung des Praktikumsverhältnisses."

Eine besondere Vergütung neben der monatlichen Studienbeihilfe zahlte die Beklagte für die Tätigkeiten des Klägers im Rahmen der Betriebspraktika nicht. In die Lohnsteuerbescheinigung 2005 trug sie als Bruttoarbeitslohn für den Zeitraum 01.01. bis 31.08.2005 einen Betrag von 4.160,00 € ein.

Mit Schreiben vom 12.08.2005 kündigte die Beklagte die Vertragsbeziehungen wie folgt:

"Sehr geehrter Herr S1xxxx,

sowohl die von Ihnen bisher erzielten Studienergebnisse als auch die während der Praktika in unserem Haus erbrachten Leistungen entsprechen nicht den getroffenen Vereinbarungen und Anforderungen der O1xxxxx GmbH.

Aus diesem Grunde kündigen wir mit Wirkung zum 31.08.2005 den mit Ihnen am 19.07.2004 geschlossenen Stipendienvertrag zum Kooperativen Studium. Ebenso wird das per 18.07.2005 vereinbarte kurzfristige Arbeitsverhältnis zum gleichen Termin aufgehoben. Die letztmalige Studienbeihilfe erhalten Sie somit Ende August 2005."

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 29.08.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er will feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 12.08.2005 nicht zum 31.08.2005 beendet worden ist und außerdem feststellen lassen, dass auch der am 19.07.2004 geschlossene Stipendienvertrag durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet wird.

Der Kläger meint, die von ihm erbrachten Arbeitsleistungen seien zusätzlich mit einem Stundensatz von 8,00 € zu vergüten.

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt. Sie vertritt den Standpunkt, es handele sich bei dem Stipendienvertrag nicht um einen Arbeitsvertrag. Der Kläger sei auch nicht im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses tätig gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluss vom 29.11.2005 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Arnsberg verwiesen. Zur Begründung seines dem Kläger am 21.12.2005 zugestellten Beschlusses hat es ausgeführt, der Streit um die Beendigung des Stipendienvertrages sei nicht vom Arbeitsgericht zu entscheiden. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG. Zur Erbringung von Arbeitsleistungen sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, sondern er habe in den Semesterferien studienbegleitend während der Betriebspraktika praktische Erfahrungen sammeln sollen. Die vom Kläger absolvierten Betriebspraktika seien Teil seines Studiums und daher keine Berufsausbildung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger

sofortige Beschwerde

eingelegt, die am 03.01.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, die Praxisblöcke seien nicht Bestandteil des Studiums, sondern er sei aufgrund der geschlossenen Arbeitsverträge bei der Beklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

II

Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 48 Abs. 1 Nr. 2, 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht Arnsberg verwiesen.

1. Vorliegend geht es gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a und b ArbGG nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war kein Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Dies hat das Arbeitsgericht überzeugend begründet. Die dagegen gerichteten Angriffe der sofortigen Beschwerde greifen nicht durch.

a) Ein Arbeitsvertrag liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach dem geschlossenen Stipendienvertrag keine Arbeitsleistungen schuldete. Im Vordergrund steht das Studium zum Diplom-Ingenieur Maschinenbau an der Fachhochschule Südwestfalen. Die vereinbarte Studienbeihilfe ist an die Erbringung einer planmäßigen und mit der Beklagten abgestimmten Studienleistung geknüpft und wird nicht als Entgelt für zu erbringende Arbeitsleistungen gezahlt.

b) Zwischen den Parteien bestand auch kein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne vom § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Studenten, die innerhalb ihres Studiums und als dessen Bestandteil Praktika absolvieren, werden vom Berufsbildungsgesetz nicht erfasst (Leinemann/Taubert, BBiG, § 19 Rdnr. 9; BAG vom 19.06.1974 - 4 AZR 436/73 - DB 1974, 1920). Durch die Neufassung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ist nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass berufliche Bildung, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen durchgeführt wird, nicht als Berufsbildung im Sinne von § 1 Abs. 1 BBiG gilt. Allerdings setzt die Prüfungsordnung der Fachhochschule Südwestfalen die Ableistung von Betriebspraktika wie sie vorliegend vereinbart worden sind nicht voraus. Studienbewerber müssen allerdings gemäß § 3 Abs. 1 der Diplomprüfungsordnung des Studiengangs Maschinenbau an der Fachhochschule Südwestfalen vom 14.04.2004 als Studienvoraussetzung eine berufspraktische Tätigkeit nachweisen. Dieses Grundpraktikum ist vor Beginn des Studiums abzuleisten und steht mit den vom Kläger absolvierten Betriebspraktika in keinem Zusammenhang. Darüber hinaus gibt es gemäß § 23 der Prüfungsordnung ein fakultatives Praxissemester von 22 Wochen, welches auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden kann. Auch darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr haben die Parteien im Rahmen des sog. Soester Modells einen Stipendienvertrag geschlossen, wonach die Studierenden im Rahmen eines kooperativen Studiums während der vorlesungsfreien Zeit in die Tätigkeit eines Unternehmens eingebunden werden. Auf diese Weise wird die kontinuierliche Verknüpfung von theoretischem Lernen und praktischem Handeln angestrebt. Den Studierenden wird mit diesem Ziel eine Finanzierung ihres Studiums eröffnet. Durch die Integration von wissenschaftlichem Studium und praxisorientierter Anwendung können die Unternehmen gezielte Nachwuchsarbeit betreiben und den direkten Berufseinstieg ohne Einarbeitungszeit erleichtern.

2. Vor diesem Hintergrund können auch die vereinbarten Betriebspraktika nicht als abtrennbare und gesondert zu betrachtende Rechtsverhältnisse verstanden werden. Ausbildungsverhältnisse sind nicht deshalb zustande gekommen, weil die Parteien über den Einsatz des Klägers vom 14.02. bis 01.04.2005 sowie vom 18.07. bis 30.09.2005 "Arbeitsverträge" geschlossen haben. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um die im Rahmen des Stipendienvertrages zum kooperativen Studium vereinbarten und in der vorlesungsfreien Zeit zu leistenden Betriebspraktika. Bezeichnenderweise ist dafür eine besondere Vergütung nicht vereinbart worden. Die Beklagte hat vielmehr die vereinbarte Studienbeihilfe weitergezahlt. Es entsprach nicht dem nach den §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden wahren Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen während der Betriebspraktika als Arbeitsverhältnis auszugestalten. Für die irrtümliche Bezeichnung "Arbeitsvertrag" spricht insbesondere, dass die Verpflichtung, über betriebsinterne Informationen Stillschweigen zu bewahren, ohne zeitliche Beschränkung auch nach Beendigung des Praktikumsverhältnisses galt. Selbst wenn der Kläger während der Betriebspraktika auch verwertbare Arbeitsleistungen erbracht haben sollte, ändert dies nichts an dem studienbegleitenden Einsatz des Klägers nach dem Modell eines kooperativen Studiums. Im Vordergrund steht ein einheitliches Rechtsverhältnis, welches im Kern auf die Förderung des Maschinenbaustudiums gerichtet war. Auch während seines praktischen Einsatzes blieb der Kläger eingeschriebener Student der Fachhochschule Südwestfalen (vgl. dazu LAG Hamburg vom 05.09.1980 - 3 Sa 37/80 - EzB BBiG, § 19 Nr. 1). Der Kläger ist daher auch während seines praktischen Einsatzes bei der Beklagten weder als Auszubildender noch als Praktikant im Sinne des Berufsbildungsgesetzes anzusehen.

III

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden.

Ende der Entscheidung

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