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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.05.2005
Aktenzeichen: 2 Ta 662/04
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.09.2004 - 1 Ca 581/04 - abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Paderborn verwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 12.000,-- € festgesetzt.

Gründe: I Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges. Der Kläger will mit seiner am 01.04.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigungen der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH, die inzwischen auf die Beklagte verschmolzen ist, beendet worden ist. Der heute 41-jährige Kläger war ursprünglich seit 1973 für die Firma F1xxx K1xxxx A2xxx-xxxxxxx GmbH tätig. Dort fungierte er ab 01.04.1998 als Einkaufsleiter. Nach einer "stillen Insolvenz" wurden am 11.04.2002 die S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH als Produktionsgesellschaft und die F1xxx K1xxxx Vertriebs- und Engineering GmbH gegründet, die sich mit dem Vertrieb und dem Engineering der von der S6xxxx M2xxxxxxxxxx produzierten Landmaschinen befasst. Der Kläger wurde zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH bestellt. Am 12.04.2002 schloss der Kläger mit der Alleingesellschafterin, der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH, mündlich einen Geschäftsführervertrag. Nach Darstellung der Beklagten wurde dabei das Gehalt des Klägers auf 10.000,-- € erhöht. Der Kläger war einstellungs- und entlassungsbefugt und hatte Bankvollmacht. Die Gesellschafterversammlung der Firma S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH beschloss am 10.03.2004 den mündlich geschlossenen Geschäftsführervertrag mit dem Kläger fristgerecht zu kündigen. Am 15.03.2004 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und am 17.03.2004 wurde ihm gegenüber die fristgerechte Kündigung des Anstellungsvertrages zum 30.04.2004 ausgesprochen. Die S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH kündigte erneut mit Schreiben vom 15.04.2004 fristlos und am 29.04.2004 vorsorglich ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis zum 31.05.2004, hilfsweise zum 30.11.2004. Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt, weil der Kläger Organgeschäftsführer gewesen sei. Ihrer Meinung nach habe zu keiner Zeit ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden. Ein Betriebsübergang von der Insolvenzschuldnerin, der F1xxx K1x-xx A2xxxxxxxxxx GmbH, auf die S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH habe nicht stattgefunden. Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei lediglich formal zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt worden. Dadurch habe sich seine Tätigkeit als verantwortlicher Leiter für die Bereiche Einkauf und Produktion nicht verändert. Deshalb sei er als Arbeitnehmer der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH anzusehen. Mit seiner Abberufung als Geschäftsführer sei das ursprünglich bestandene Arbeitsverhältnis wieder aufgelebt. Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 09.09.2004 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt, weil es sich um einen sogenannten Sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung des BAG handele, denn der Kläger berufe sich bezüglich der Kündigung vom 17.03.2004 auf Unwirksamkeitsgründe, die nur ein Arbeitnehmer bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geltend machen könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Gegen den ihr am 13.09.2004 zugestellten Beschluss hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, die am 17.09.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Beklagte vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen handele es sich nicht um einen Sic-non-Fall. Die Streitfragen könnten genauso gut vom Landgericht entschieden werden. Die Arbeitsgerichte seien schon deshalb nicht zuständig, weil der Klageantrag sich gegen die Beendigung des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer richte. Die Beklagte beantragt, der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.09.2004 - 1 Ca 581/04 - wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Paderborn, Kammer für Handelssachen, verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.09.2004 zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und bekräftigt seine Auffassung, dass er seine Ansprüche auf ein vom Anstellungsverhältnis als Geschäftsführer zu unterscheidendes Arbeitsverhältnis stütze, welches nach dem Verlust der Organstellung wieder aufgelebt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. II Die gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 S. 2 GVG, 78 S. 1 ArbGG statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet. Dies folgt aus § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. 1. Der Kläger war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH, welche inzwischen auf die Beklagte verschmolzen ist. Seinem eigenen Vortrag zu folgen hat er mit der Alleingesellschafterin der S6xxxx M2xxxxxxxxxx GmbH am 12.04. mündlich einen Geschäftsführervertrag geschlossen. Dieser Geschäftsführeranstellungsvertrag war die schuldrechtliche Grundlage für das Tätigwerden des Klägers für die Beklagte. Damit handelt es sich vorliegend um einen Streit, der von § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG erfasst wird. Danach gelten Personen, die zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis ist. Auch wenn das Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Vertretungsorgan wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sein sollte und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliegt, sind zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen §§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, 13 GVG nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte berufen (BAG vom 23.08.2001 - 5 AZB 9/01 - NZA 2002, 52). Die sogenannte Sic-non-Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in diesem Fall nicht einschlägig. In den Fällen des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG fehlt es an der notwendigen Doppelrelevanz der Frage, ob das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Bei Organvertretern ist diese Frage für die Zulässigkeit des Rechtsweges unerheblich. Die Arbeitsgerichte sind auch dann nicht zuständig, wenn der klagende Arbeitnehmer geltend macht, das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis sei in Wirklichkeit ein Arbeitsverhältnis gewesen (BAG vom 06.05.1999 - 5 AZB 22/98 - NZA 1999, 839). § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift daher auch dann ein, wenn der abberufene Organvertreter wie im vorliegenden Fall geltend macht, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen und die Kündigung sei daher wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG unwirksam und gemäß § 1 Abs. 2 KSchG außerdem sozialwidrig. 2. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere, davon zu unterscheidende Rechtsbeziehung betrifft. Dies ist hier nicht der Fall, denn dem Kläger geht es in Wahrheit nicht um die Klärung seines früher mit der Insolvenzschuldnerin bestandenen Arbeitsverhältnisses. Er wendet sich vielmehr gegen die Kündigung des der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, welches der Kläger für ein wieder aufgelebtes Arbeitsverhältnis hält. Dies ändert aber nichts daran, dass es in Wirklichkeit um das Fortbestehen der zuletzt bestandenen Vertragsbedingungen geht, nicht aber um die Klärung eines unabhängig davon bestehenden Rechtsverhältnisses. Ob das ursprünglich mit der Insolvenzschuldnerin bestandene Arbeitsverhältnis nur geruht hat oder mit Abschluss des Geschäftsführervertrages am 12.04.2002 aufgehoben worden ist, kann dahinstehen (vgl. dazu BAG vom 25.04.2002 - 2 AZR 352/01 - NJW 2003, 918 sowie BAG vom 08.06.2000 - 2 AZR 207/99 - NZA 2000, 1013). Wird ein neuer Geschäftsführerdienstvertrag mit einem anderen Arbeitgeber unter Erhöhung der Bezüge geschlossen, wird darin im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses liegen. Ob dies vorliegend an der Formvorschrift des § 623 BGB scheitert, kann offen bleiben, denn es geht hier um die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages und nicht um die Klärung eines früher bestandenen Arbeitsverhältnisses, welches von einem Betriebsübergang erfasst und wieder aufgelebt sein soll. III Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, war der Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 GVG wie von der Beklagten beantragt an das zuständige Landgericht zu verweisen. Dies entspricht auch dem Hilfsantrag des Klägers. Welcher Spruchkörper dort zuständig ist, ist keine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern betrifft die gesetzlich geregelte Geschäftsverteilung (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., vor § 94 GVG Rdnr. 1; Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 94 Rdnr. 2). IV Der Kläger hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach dem Wert der Hauptsache. Wegen der eingeschränkten Rechtskraft im Rechtswegbestimmungsverfahren sind davon 3/10 in Ansatz gebracht worden. Gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG sind bei Bestandsstreitigkeiten drei Monatsgehälter zugrunde zu legen, die vorliegend wegen der zusätzlich ausgesprochenen Kündigungen auf insgesamt vier Monatsverdienste erhöht worden ist (4 x 10.000,-- € = 40.000,-- €).

Ende der Entscheidung

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