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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.08.2003
Aktenzeichen: 2 Ta 733/02
Rechtsgebiete: ArbGG, GVG, ZPO, HAG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2 letzte Alt.
ArbGG § 48 Abs. 1
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 2
GVG § 23 Nr. 1
ZPO § 569
ZPO § 571
ZPO § 572
HAG § 1 Abs. 1
HAG § 2 Abs. 1
HAG § 2 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss

2 Ta 733/02

Hamm, den 05.08.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bertram

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2002 - 6 Ca 596/02 - wird kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit an das Amtsgericht Gelsenkirchen verwiesen wird.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Abrechnung ihrer Brutto-Netto-Bezüge, Auskunft, Zahlung von Arbeitsentgelt und Freistellung von der Inanspruchnahme durch das Finanzamt in Anspruch.

Die Klägerin erbrachte für die Beklagte im Zeitraum 24.01.2000 bis 31.03.2001 Telefondienstleistungen aufgrund schriftlicher Vereinbarungen vom 24.01.2000 und 15.06.2000. Danach stellte die Beklagte der Klägerin eine 0190iger-Telefonnummer zur Verfügung, welche die Beklagte von dem entsprechenden Telefonnetzanbieter angemietet hatte. Sie stellte der Klägerin einen sog. "Chat-Raum" zur Verfügung, für den sie in verschiedenen Medien Werbung betrieb. In den Chat-Raum mit etwa 20 bis 40 Personen konnte sich die Klägerin gebührenfrei einwählen. Interessierte Gesprächspartner konnten die Klägerin dann über ihre individuelle 190iger-Telefonnummer anwählen. Die individuelle 0190iger-Telefonnummer der Klägerin wurde auf ihren häuslichen Telefonanschluss geschaltet. Die Klägerin erhielt als Vergütung pro Gesprächsminute zunächst 1,00 DM. In der Folgezeit wurde eine gestaffelte Provision nach der erreichten Dauer der Gesprächsminuten vereinbart.

Die Beklagte hatte sich verpflichtet, die 0190iger-Telefonnummer an 24 Stunden und an 7 Tagen in der Woche bereitzuhalten. Die Klägerin war ihrerseits verpflichtet, den Preis von 3,63 DM pro Minute und den Namen des Betreibers zu nennen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin aufgrund der von ihr im Zeitraum 24.01.2000 bis 31.03.2001 vertelefonierten Gesprächsminuten eine "Provision" in Höhe von 16.816,00 DM aus.

Die Klägerin bezog in dem genannten Zeitraum Arbeitslosengeld. Die Beklagte hatte ihr angeblich zugesichert, sich um Steuern und Abzüge zu kümmern, so dass die Klägerin die erzielten Beträge in voller Höhe für sich behalten dürfe.

Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Sie meint, es habe kein Arbeitsverhältnis, auch kein Heimarbeitsverhältnis bestanden. Sie betreibe ein Call-Center. Sie habe von dem Netzbetreiber 0190iger Rufnummern angemietet, welche sie dann an Kundinnen wie die Klägerin weitervermietet habe.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, mit der Beklagten einen Heimarbeitsvertrag geschlossen zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten durch Beschluss vom 18.09.2002 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Essen verwiesen. Zur Begründung des der Klägerin am 14.10.2002 zugestellten Beschlusses hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin sei nicht Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG habe auch kein Heimarbeitsverhältnis bestanden, denn die Klägerin sei von der Beklagten wirtschaftlich nicht abhängig gewesen. Sie habe nämlich fortlaufend Arbeitslosengeld bezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Zur Begründung ihres am 29.10.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Rechtsmittels trägt die Klägerin vor, anders als vom Arbeitsgericht angenommen handele es sich bei Vertragsgestaltungen der vorliegenden Art um Heimarbeitsverhältnisse. Jedenfalls sei sie wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Sie habe erwerbsmäßig im Sinne des HAG gehandelt, weil ihre Tätigkeit auf eine gewisse Dauer angelegt gewesen sei und der Bestreitung ihres Lebensunterhalts gedient habe. Ihr Arbeitsergebnis bestehe in einer Gebührenforderung, welche der Beklagten zum Betreiber der 190iger-Nummer erwachse. Sie sei auf die Tätigkeit angewiesen gewesen, weil sie allein vom Arbeitslosengeld nicht habe leben können.

Die Klägerin beantragt:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2002 - 6 Ca 596/02 - wird aufgehoben und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird eröffnet erklärt.

Die Beklagte bekräftigt ihren Standpunkt, dass die ordentlichen Gerichte zuständig seien und beruft sich auf einen entsprechenden Beschluss des Landgerichts Essen vom 10.10.2002 - 13 T 109/02 -.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin bleibt erfolglos. Das Arbeitsgericht hat den von der Klägerin gewählten Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht für unzulässig erklärt.

1. Die Klägerin ist keine Arbeitnehmerin im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, denn sie brauchte keine bestimmte Arbeitszeit einzuhalten und war hinsichtlich der Ausübung ihrer Tätigkeit frei. Eine Weisungsbefugnis der Beklagten bezüglich Umfang oder Art und Weise der zu erbringenden Leistungen bestand nicht.

2. Die Klägerin gehörte auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zum Kreis der in Heimarbeit Beschäftigten und der ihnen Gleichgestellten gemäß § 1 Abs. 1 HAG. Heimarbeiter ist nach § 2 Abs. 1 HAG, wer in selbst gewählter Arbeitsstätte, z.B. der eigenen Wohnungen, allein oder mit seinen Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden erwerbsmäßig arbeit, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt. Die Tätigkeit muss auf eine gewisse Dauer angelegt und dazu bestimmt sein, zum Lebensunterhalt beizutragen. Es ist nicht erforderlich, dass mit den erzielten Einkünften der Lebensunterhalt des Beschäftigten bestritten wird (BAG vom 12.07.1988 - 3 AZR 569/86 - AP Nr. 10 zu § 2 HAG).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil die Beklagte nicht als Auftraggeberin im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG angesehen werden kann. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Klägerin der Beklagten die Verwertung ihrer Arbeitsergebnisse überlassen hat. Die Beklagte hat der Klägerin keine Aufträge erteilt, sondern ihr lediglich die Möglichkeit eröffnet, nach eigener Entscheidung die ihr zur Verfügung gestellte Telefonnummer für Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin hat selbst entschieden, ob und in welchem Umfang und in welcher Weise sie davon Gebrauch machte. Sie hat der Beklagten auch nicht die Verwertung ihrer Dienstleistungen überlassen, sondern ihre Vergütung richtete sich nach den von ihr vertelefonierten Gesprächseinheiten. Ein häuslicher Arbeitsplatz wie er im Bereich der Telearbeit möglich ist, ist von der Beklagten nicht eingerichtet worden (vgl. Boemke, BB 2000, 147; Wedde, NJW 1999, 527). Das Einwählen der Klägerin über den Chat-Raum ist lediglich ein technischer Vorgang, welche die allein von der Klägerin zu treffende Entscheidung, ob, zu welcher Zeit und in welchem Umfang sie Telefongespräche führen will, unberührt lässt.

3. Die Klägerin ist auch keine arbeitnehmerähnliche Person gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 letzte Alt. ArbGG. Dabei kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie trotz des fortlaufenden Bezuges von Arbeitslosengeld von der Beklagten wirtschaftlich abhängig war. Allerdings hat die Klägerin nicht dargetan, dass ihre Beschäftigung für die Beklagte ihre entscheidende Existenzgrundlage darstellte. Ihre finanzielle Abhängigkeit von der Beklagten macht sie noch nicht zur arbeitnehmerähnlichen Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Es fehlt nämlich an dem entscheidenden Merkmal einer wirtschaftlichen Abhängigkeit wie sie soziologisch aufgrund der geleisteten Dienste gerade für ein Arbeitsverhältnis typisch ist. Die Klägerin war nicht in vergleichbarer Weise wie eine Arbeitnehmerin wirtschaftlich unselbständig, denn sie konnte ihre Tätigkeit von zu Hause aus ohne Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation erbringen, ihre Arbeitszeit selbst festlegen und über den Umfang, Ablauf und Inhalt ihrer Dienstleistungen selbst bestimmen. Diese Freiheit ist gerade nicht typisch für ein Arbeitsverhältnis.

III.

Die Verweisung an das Landgericht war zu korrigieren, weil nicht ersichtlich ist, dass der Gegenstandswert gemäß § 23 Nr. 1 GVG 5.000,00 € übersteigt. Für den Rechtsstreit sind daher die Amtsgerichte zuständig.

IV.

Die Klägerin hat gemäß § 97 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Ende der Entscheidung

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