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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: 3 Sa 1900/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 623
Eine Vereinbarung zwischen einem Arbeitnehmer und einem vermeintlichen Betriebsteilerwerber über den Nichtübergang des Arbeitsverhältnisses bedarf nicht der Schriftform nach § 623 BGB.
LANDESARBEITSGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäfts-Nr.: 3 Sa 1900/01

Verkündet am: 22.05.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 22.05.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter Pohlmeyer und Schmolke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.09.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.815,03 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Übergang eines Arbeitsverhältnisses sowie die Wirksamkeit eines außergerichtlichen Vergleichs.

Der am 23.01.13xx geborene Kläger war Arbeitnehmer der Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG. Der Kläger wurde dort im Teilbetrieb D1xxxxxx beschäftigt. Er erzielte zuletzt einen Bruttomonatslohn von 3.808,76 DM.

Am 01.09.2000 wurde über das Vermögen der Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit Schreiben vom 31.10.2000 teilte die Beklagte ihren Geschäftspartnern und Lieferanten mit gleichlautendem Rundschreiben mit, nach schwierigen Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der in I1xxxxxxx b2xxxxxxxxxx P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG sei es dem Enkel des gleichnamigen Firmengründers doch noch gelungen, mit Übernahme der Zweigstelle D1xxxxxx wenigstens einen kleinen Teil des alt eingesessenen Unternehmens zu retten, der Geschäftsbetrieb der bisherigen Zweigstelle D1xxxxxx werde ab dem 01. November 2000 von einer selbständigen D4xxxxxxxx Gesellschaft, firmierend unter P1xx S5xxxx R1xxxxxxxxxxxxx und T2xxxxx GmbH D1xxxxxx, fortgeführt. Damit würden auch Betriebs- und Geschäftsausstattung der bisherigen Zweigstelle übernommen, die Arbeitsverträge des Personals und die Aufträge fortgeführt.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2000 machte der Kläger daraufhin gegenüber der Beklagten den Übergang seines Arbeitsverhältnisses geltend und forderte sie auf, ihn ab sofort zu beschäftigen.

Mit Telefonat eines Bevollmächtigten vom 21.11.2000 forderte die Beklagte den Kläger über seine Bevollmächtigten daraufhin auf, ein Abfindungsangebot zu unterbreiten.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 06.12.2000 forderte der Kläger die Beklagte über ihren Bevollmächtigten seinerseits auf, Vorschläge zur Abfindung zu machen.

Die Feststellung des Überganges eines Arbeitsverhältnisses, die Weiterbeschäftigung und die Verpflichtung zur monatlichen Vergütungszahlung macht der Kläger mit der unter dem 19.12.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und nachfolgenden Klageerweiterungen geltend.

Unter dem 02.05.2001 suchte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zwecks Abfindungsverhandlungen auf, nachdem zuvor ein gerichtlicher Vergleich vom 05.02.2001 mit dem Inhalt einer Einigung, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die Beklagte übergegangen ist und diese eine Abfindung in Höhe von 18.225,00 DM zahlt, durch den Kläger widerrufen worden war.

Dabei trafen die Parteien die folgende schriftliche Vereinbarung:

"1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis zur P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG i.I., D3xxxxx, nicht auf S5xxxx D1xxxxxx übergegangen ist.

2. S5xxxx D1xxxxxx zahlt an Herrn K1xxxxxxx eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 19.000,-- DM.

3. Herr K1xxxxxxx tritt etwaige entstehende Abfindungsanspruche, die ihm gegen die Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG i.I., D3xxxxx, zustehen, an die S5xxxx D1xxxxxx ab. S5xxxx D1xxxxxx nimmt die Abtretung an.

4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt. Herr K1-xxxxxxx nimmt die Klage vor dem Arbeitsgericht Dortmund, Aktenzeichen 1 CA 7099/00, zurück.

5. Herr K1xxxxxxx bestätigt hiermit, das Geld erhalten zu haben."

Tatsächlich gezahlt wurde in bar an diesem Tage ein Abfindungsbetrag in Höhe von 22.500,00 DM.

Dieser Betrag befand sich auch in dem Vereinbarungsentwurf der Beklagten, der bereits von dieser, aber noch nicht vom Kläger unterzeichnet war. Jedenfalls auf Initiative des Klägers wurde in der letztendlich unterzeichneten Vereinbarung ein Abfindungsbetrag in Höhe von 19.000,00 DM eingesetzt.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.05.2001 focht der Kläger die Vereinbarung vom 02.05.2001 wegen arglistiger Täuschung und aus jedem sonstigen Rechtsgrunde an.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis zur Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG sei auf die Beklagte übergegangen, da diese die Zweigstelle D1xxxxxx, in der er gearbeitet habe, übernommen habe.

Eine Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses sei durch die Vereinbarung vom 02.05.2001 nicht eingetreten.

Zum einen sei das Schriftformerfordernis des § 623 BGB verletzt worden, da die Parteien sich darüber einig gewesen seien, dass er gegen einen Abfindungsbetrag von 22.500,00 habe ausscheiden sollen, zur Steuerersparnis die Vereinbarung jedoch lediglich mit einem Betrag von 19.000,00 DM ausgefüllt worden sei.

Zudem greife seine Anfechtung durch, da der Geschäftsführer der Beklagten es verabsäumt habe, ihn darauf hinzuweisen, dass eine Sperrzeit gegen ihn verhängt werde, weil er ohne Grund auf seinen Arbeitsplatz verzichtet habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis zur Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG, S9xxxxxxxxxx 12, 41xxx D3xxxxx, ab dem 01.11.2000 auf die Beklagte übergegangen ist,

2. die Beklagte zur verurteilen, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Fachwerker weiter zu beschäftigen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn monatlich 3.808,75 DM brutto ab dem 01.02.2001, fällig zum 01. des Folgemonates sowie für Dezember 2000 2.211,53 DM zu zahlen abzüglich Arbeitslosengeldes vom 14.12.2000 bis zum 30.04.2001 von 9.743,16 DM sowie wöchentlich 463,00 DM.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Übergang eines Arbeitsverhältnisses in Abrede gestellt, da der Betrieb nach insolvenzrechtlichen Vorschriften verwertet und übertragen worden sei. Der Insolvenzverwalter selbst habe die Aufträge abgewickelt mit dem ehemaligen Personal der Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG.

Jedenfalls stehe die Vereinbarung vom 02.05.2001 dem Begehren des Klägers entgegen.

Ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Ein Irrtum könne auf Grund des eindeutigen Wortlautes der Vereinbarung nicht gegeben sein, jedenfalls sei eine Anfechtung aus diesem Grund verspätet erfolgt. Ohnehin sei fraglich, ob sich der Kläger auf einen möglichen Irrtum noch berufen könne, da sich der Kläger unter Darlegung des tatsächlichen Vorbringens auf eine Anfechtbarkeit wegen § 123 BGB berufen habe.

Ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB stehe dem Kläger ebenfalls nicht zur Seite, da jeglicher Vortrag zu einer verübten Täuschung durch den Geschäftsführer fehle. Diesem sei, so hat die Beklagte hierzu behauptet, ohnehin nicht bekannt gewesen, dass dem Kläger eine Sperrzeit drohe. Jedenfalls falle dem Geschäftsführer keine Arglist zur Last, da eine Arglist Täuschungswillen voraussetze.

Schließlich sei der Vertrag vom 02.05.2001 auch nicht als Auflösungsvertrag im Sinne des § 623 BGB einzustufen.

Mit Urteil vom 21.09.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, zwischen den Parteien bestehe kein Arbeitsverhältnis, da sie sich mit Vereinbarung vom 02.05.2001 im Sinne des § 779 BGB über ein streitiges Rechtsverhältnis in dem Sinne geeinigt hätten, dass dieses nicht bestanden habe.

Zwar unterliege auch dieser Vertrag dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB, dieses sei jedoch nicht dadurch verletzt, dass der tatsächliche vereinbarte Abfindungsbetrag nicht in den schriftlichen Vertrag aufgenommen worden sei; das Schriftformerfordernis gelte nicht insgesamt für alle Bestandteile des Vertrages, sondern nur für die "Beendigung" des Arbeitsverhältnisses.

Eine wirksame Anfechtung liege nicht vor, da dem Kläger kein Anfechtungsgrund zur Seite gestanden habe. Eine etwaige Unterlassung des Geschäftsführers im Sinne eines Verschweigens der möglichen negativen sozialrechtlichen Folgen der einvernehmlichen Beendigung stelle eine Vertragsverletzung dar, die jedoch keine Auswirkung auf die Gültigkeit eines Aufhebungsvertrages habe.

Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB liege nicht vor, da die Abrede nur zur Teilnichtigkeit der Schwarzzahlungsabrede führe.

Nach Erlass des Urteils ist der streitverkündete Insolvenzverwalter dem Rechtsstreit aufseiten des Klägers beigetreten.

Gegen das unter dem 27.11.2001 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 27.12.2001 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.02.2002 unter dem 27.02.2002 begründet.

Der Kläger verbleibt bei seiner Auffassung, es liege ein Verstoß gegen § 623 BGB vor, da das Schriftformerfordernis für alle Bestandteile des Vertrages gelte, somit auch für eine Abfindungszahlung.

Ebenso greife entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch. Die Verletzung von Aufklärungspflichten könne nämlich auch eine Täuschung durch Unterlassen darstellen.

Aufklärungspflichten über die sozialrechtlichen Folgen hätten vorliegend deswegen bestanden, weil der Geschäftsführer ihn zu Hause aufgesucht habe, um ihm einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten und es sich im Übrigen um einen atypischen Fall gehandelt habe. Das Nichtantreten einer Arbeit beim Betriebsübergang sei etwas anderes, als das Aufgeben einer bestehenden Beschäftigung. Die Konsequenzen im Hinblick auf eine Sperrzeit hätten ihm nicht bekannt sein können. Dabei reiche es seiner Meinung nach aus, dass die Arbeitsverwaltung berechtigt sei, das Arbeitslosengeld nachträglich zurückzufordern.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach seinen Anträgen aus der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz zu entscheiden.

die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis sei nicht gegeben. Dies beziehe sich nicht auf alle Bestandteile des Vertrages, ohnehin sei zu berücksichtigen, dass zwischen den Parteien überhaupt kein Arbeitsverhältnis bestanden habe und in der Vereinbarung lediglich eine deklaratorische Erklärung zu verstehen sei, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf sie übergegangen sei.

Jedenfalls sei die Berufung des Klägers auf eine fehlende Schriftform rechtsmissbräuchlich. Der Kläger habe nämlich, so behauptet sie hierzu, darauf bestanden, die Vereinbarung in Ziffer 2 dahingehend zu ändern, dass nur noch ein Betrag in Höhe von 19.000,00 DM eingesetzt werde. Dem habe sich der Geschäftsführer gebeugt.

Die Beklagte verteidigt ferner die Auffassung des Arbeitsgerichts, ein mögliches Verschweigen der negativen sozialrechtlichen Folgen könne nicht Grundlage für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sein. Ohnehin treffe einen Arbeitgeber eine Verpflichtung zur vollständigen und richtigen Beantwortung nur dann, wenn der Arbeitnehmer bei den Verhandlungen Fragen nach den rechtlichen Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld stelle. Eine Fallgestaltung, wonach der Arbeitgeber ungefragt aufklären müsse, trage der Kläger selbst nicht vor. Zudem sei gegen den Kläger eine Sperrzeit nicht verhängt worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

A.

Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.

Die Berufung ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b), c) ArbGG.

Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 518 ff. ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung.

B.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Vereinbarung der Parteien vom 02.05.2001 einen außergerichtlichen Vergleich darstellt, dieser rechtswirksam ist und damit der Annahme eines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten entgegensteht.

I.

Nach den Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.05.2002 konnte nicht festgestellt werden, ob der Klage bereits ein Klagerücknahmeversprechen des Klägers aus Ziffer 4) der Vereinbarung vom 02.05.2001 bereits der Klage entgegensteht.

Dort hat der Kläger sich verpflichtet, die Klage vor dem Arbeitsgericht Dortmund mit dem Aktenzeichen 1 Ca 7099/00 zurückzunehmen.

Das angegebene Aktenzeichen betrifft nicht das vorliegende, vor dem Arbeitsgericht Dortmund anhängig gemachte Verfahren, ohne dass die Parteien klären konnten, ob ein anderweitiges, vom Kläger anhängig gemachtes Verfahren unter diesem Aktenzeichen anhängig ist.

Damit konnte auch nicht festgestellt werden, ob es sich lediglich um eine Falschbezeichnung des Verfahrens handelt, den Parteien aber klar war, dass nur das hier in Rede stehende Verfahren betroffen sein konnte.

II.

Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis, da die Parteien sich mit der Vereinbarung vom 02.05.2001 wirksam darüber verständigt haben, dass ein zwischen dem Kläger und der Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG bestehendes Arbeitsverhältnis nicht auf sie übergegangen ist.

1) In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass es sich bei der Vereinbarung um einen Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB handelt.

Denn die Parteien haben über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses in der Weise gestritten, ob der Übergang eines Betriebsteiles nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt und damit auch das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte übergegangen ist.

Diesen Streit haben die Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens beigelegt, indem der Kläger einen Nichtübergang des Arbeitsverhältnisses akzeptiert hat, die Beklagte im Entgegenkommen dazu eine finanzielle Ausgleichszahlung leistet.

2) Soweit das Arbeitsgericht eine Nichtigkeit der Vereinbarung über § 134 BGB wegen einer teilweisen Schwarzzahlungsabrede nicht angenommen hat, ist der Kläger dieser Annahme mit der Berufung nicht entgegengetreten.

3) Die Vereinbarung vom 02.05.2001 ist auch nicht wegen Nichteinhaltung der Schriftform hinsichtlich des gesamten, tatsächlich gezahlten Abfindungsbetrages nach §§ 623, 125 Satz 1 BGB nichtig.

a) Die Vereinbarung der Parteien bedurfte nach Auffassung der Kammer der gesetzlichen Schriftform aus § 623 BGB nicht, da es sich nicht um einen Auflösungsvertrag handelte.

aa) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen auch dann dem gesetzlichen Formerfordernis unterliegt, wenn es sich um eine vergleichsweise Regelung zwischen den Parteien handelt.

Das Schriftformerfordernis besteht für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen unter anderem durch "Auflösungsvertrag".

Dabei besteht, soweit ersichtlich, in der Literatur Übereinstimmung dahingehend, dass die Bezeichnung der Vereinbarung unerheblich ist, vielmehr unter den Begriff des Auflösungsvertrages alle Vereinbarungen fallen, die auf die Rechtsfolge der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sind (vergleiche beispielsweise ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, RdNr. 12; KR-Spilger, § 623 BGB, Rz. 75).

bb) Im Gegensatz dazu besteht weitgehend Einigkeit in der Literatur darüber, dass sogenannte Abwicklungsverträge, die nach einem formwirksamen anderweitigen Beendigungstatbestand vereinbart worden sind, dem Schriftformerfordernis nicht unterliegen (ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, RdNr. 14; APS-Preis, § 623 BGB, RdNr. 9; Preis/Gotthardt, NZA 2000, Seiten 348 ff. [354]).

Vorliegend haben die Parteien nach Auffassung der Kammer keinen Vertrag geschlossen, dessen Ziel und Absicht es ist, ein zwischen ihnen bestehendes Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden; vielmehr haben die Parteien gerade geregelt, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen nicht bestanden hat, weil ein Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur Firma P1xx S5xxxx GmbH & Co. KG auf sie nicht erfolgt ist.

Die Parteien haben damit kein Arbeitsverhältnis beendet, sondern dieses bei dem möglichen, vermeintlichen Betriebsteilveräußerer belassen.

Ebenso wie ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber oder Betriebsteilerwerber einseitig widersprechen kann, kann er auch eine Vereinbarung mit dem Veräußerer oder Erwerber schließen, dass sein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber nicht übergeht.

Mit einer solchen Vereinbarung wird keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses geregelt, sondern lediglich vereinbart, wer (weiterhin) Vertragspartner des Arbeitnehmers ist. Es geht nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern um die Klarstellung, zu wem dieses Arbeitsverhältnis weiterhin gegeben sein soll.

bb) Es konnte daher dahingestellt bleiben, ob für den Fall der Annahme eines Auflösungsvertrages im Sinne des § 623 BGB der Ansicht des Arbeitsgerichts, nicht alle Teile der Vereinbarung seien dem Schriftformerfordernis unterworfen, oder der in der Literatur weitgehend verbreiteten Auffassung zu folgen ist, das Schriftformerfordernis erfasse den Vertrag in seiner Gesamtheit, somit auch sämtliche Nebenabreden, die von wesentlicher Bedeutung sein und ohne die der Vertrag ansonsten nicht geschlossen worden wäre (vergleiche hierzu ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, RdNr. 27; APS-Preis, § 623 BGB, RdNr. 39; KR-Spilger, § 623 BGB, Rz. 153; Preis/Gotthardt, a.a.O., [Seite 355]).

Ebenso konnte es dahingestellt bleiben, ob die Verschleierung eines Abfindungsbetrages in Höhe von weiteren 3.500,00 DM als ein solcher wesentlicher Vertragsbestandteil anzusehen ist, deren nicht schriftliche Fixierung zur Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung geführt hat.

c) Die Berufung des Klägers auf die Nichteinhaltung der Schriftform auch für den erhöhten Abfindungsbetrag würde sich darüber hinaus nach Auffassung der Kammer als Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB darstellen.

aa) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kann auf allen Rechtsgebieten und bei allen Rechtsverhältnissen geltend gemacht werden (BAG, Urteil vom 11.12.1996, EzA, § 242 BGB Rechtsmissbrauch Nr. 2).

Ein Rechtsmissbrauch kann dabei auch unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens vorliegen. Wer nämlich durch seine Erklärungen oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf dieses Vertrauen nicht enttäuschen. Er würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen in den redlichen Rechtsverkehr erschüttern, wenn es erlaubt wäre, sich nach Belieben mit eigenen früheren Erklärungen und Verhalten derart in Widerspruch zu setzen (BAG, Urteil vom 11.12.1996, a.a.O.).

Auch die Berufung auf ein Schriftformerfordernis und eine wegen Nichteinhaltung eintretende Nichtigkeitsfolge kann unter den besonderen Umständen des Einzelfalles gegen § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens verstoßen (BAG, Urteil vom 04.12.1997, EzA § 242 BGB Rechtsmissbrauch Nr. 3).

Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Berufung einer Partei auf die mangelnde Form für sich genommen noch nicht gegen Treu und Glauben verstößt; verlangt nämlich eine gesetzliche Vorschrift für die Wirksamkeit eines Vertrages die Einhaltung einer bestimmten Form, gebietet es regelmäßig die Rechtssicherheit, dass die Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund unbeachtet bleibt. Die Berufung auf die mangelnde Schriftform kann jedoch ausnahmsweise einen Rechtsmissbrauch darstellen, wenn ein Vertragsteil den anderen davon abgehalten hat, eine schriftliche Vereinbarung zu verlangen oder wenn er den Eindruck erweckt hat, es solle auch ohne Einhaltung der Schriftform erfüllt oder von der Einhaltung der Schriftform abgesehen werden (BAG, Urteil vom 09.02.1972, EzA, BAT § 4 BAT Nebenabrede Nr. 1; BAG, Urteil vom 19.08.1987, EzA, BAT § 4 BAT Nebenabrede Nr. 12).

Preis/Gotthardt (a.a.O.) sehen eine solche Möglichkeit als gegeben an, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem Aufhebungsvertrag veranlasst, die volle Abfindungssumme aber nicht in den Vertrag aufgenommen wird, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber versichert, die volle Summe gleichwohl zu zahlen.

KR-Spilger, § 623 BGB Rz. 307, sehen keinen Anwendungsfall des § 242 darin, wenn Parteien einen die Freigrenzen übersteigenden Teil einer vereinbarten Abfindungssumme verschleiern, da sie hierdurch wissentlich die Beurkundung eines für sie maßgeblichen Geschäftsteils unterlassen, was als nicht schutzwürdig angesehen wird.

bb) Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles sind nach Auffassung der Kammer geeignet, einen Rechtsmissbraucht anzunehmen.

Dabei ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass die Angabe eines zu niedrigen Abfindungsbetrages ausschließlich den Interessen des Klägers diente, da ein steuerpflichtiger Anteil entfiel.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Änderung auf seine Veranlassung erfolgte, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, ob der Kläger auf die Angabe des Betrages von 19.000,00 DM nach Behauptung der Beklagten bestanden hat oder er, wie er selbst behauptet, dies lediglich vorgeschlagen hat.

Ferner ist maßgeblich, dass unstreitig die Beklagte den Abfindungsbetrag, auf den die Parteien sich mündlich verständigt hatten, zunächst zutreffend im Vertragsentwurf aufgenommen hat, und lediglich auf Veranlassung des Klägers eine Abänderung vorgenommen worden ist.

Maßgeblich war des Weiteren, dass der mündlich vereinbarte, erhöhnte Abfindungsbetrag, sogleich dem Kläger gezahlt worden ist, sodass sich Probleme der Durchsetzung des mündlich vereinbarten Betrages nicht stellen konnten.

Hat damit die Beklagte ihren Teil der vertraglichen Verpflichtung bereits erfüllt, handelt der Kläger rechtsmissbräuchlich, wenn er die Leistung der Beklagten widerspruchslos entgegennimmt, damit das Vertrauen der Beklagten auf die Wirksamkeit der Vereinbarung erweckt und sich später auf die fehlende Formgültigkeit beruft.

Soweit in Literatur die fehlende Schutzwürdigkeit der Parteien angesprochen wird, kann dies jedenfalls nicht für den Fall gelten, dass die Verschleierung der Abfindungssumme lediglich auf Veranlassung der Partei erfolgt, die sich später auf Formungültigkeit beruft und sie die Gegenleistung der anderen Vertragspartei bereits widerspruchslos entgegengenommen hat.

4) Die Vereinbarung der Parteien vom 02.05.2001 ist auch nicht nach §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB unwirksam, da dem Kläger der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung nicht zur Seite steht.

a) Eine arglistige Täuschung infolge ausdrücklicher Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten über die sozialrechtlichen Folgen der Vereinbarung behauptet der Kläger selbst nicht.

b) Eine Täuschung durch Unterlassen ist grundsätzlich denkbar, setzt aber hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht voraus (BAG, Urteil vom 21.02.1991, EzA, § 123 BGB Nr. 35; BAG, Urteil vom 13.11.1996, EzA, § 112 BetrVG 1972 Nr. 90).

Voraussetzungen und Umfang der Hinweis- und Aufklärungspflichten ergeben sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet dabei seine Grenze an dem schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners; die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers sind gegeneinander abzuwägen, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (BAG, Urteil vom 13.11.1984, EzA, § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 36).

Geht es um die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages, können gleichfalls für den Arbeitgeber Aufklärungs- und Informationspflichten insoweit bestehen. Besondere Hinweise sind dann zu erwarten, wenn der Arbeitgeber erkennen muss, dass der Arbeitnehmer weiterer Informationen bedarf und er selbst die Auskünfte unschwer erteilen oder beschaffen kann (BAG, Urteil vom 13.12.1988, EzA, § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 23).

Erfolgt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Initiative des Arbeitgebers und strebt er eine solche in seinem Interesse an, können sich gesteigerte Hinweispflichten ergeben (BAG, Urteil vom 17.10.2000, DB 2001, Seite 286).

Regelmäßig muss sich allerdings der Arbeitnehmer bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst über die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klarheit verschaffen.

Eine Aufklärungspflicht besteht insbesondere dann, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartenden Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch sie aus Unkenntnis selbst schädigen würde (BAG, Urteil vom 10.03.1988, EzA, § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 6; BAG, Urteil vom 13.11.1996, a.a.O.).

c) Eine solche Aufklärungspflicht konnte im vorliegenden Fall nach den Umständen des Einzelfalles nicht angenommen werden.

Zwar ist die Vereinbarung vom 02.05.2001 auf Veranlassung der Beklagten zu Stande gekommen und liegt in ihrem Interesse, weil hiermit ein Übergang eines Arbeitsverhältnisses verneint wird.

Auch konnte die Vereinbarung vom Grundsatz her geeignet sein, den Kläger dem Risiko einer Sperrfrist bei dem Bezug von Leistungen der Arbeitsverwaltung auszusetzen; die Vereinbarung entspricht jedoch mit Ausnahme des Abfindungsbetrages einer Regelung, die die Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren bereits in Anwesenheit des Klägers und seiner Prozessvertreterin geschlossen haben.

Unter diesen Voraussetzungen durfte die Beklagte berechtigterweise davon ausgehen, dass der Kläger eine weitergehende Aufklärung von ihrer Seite nicht erwarten durfte; von einer Unkenntnis der sozialversicherungsrechtlichen Folgen war diesfalls nicht mehr auszugehen.

d) Eine Kausalität einer arglistigen Täuschung durch Unterlassen für den Vertragsschluss scheitert des Weiteren schon daran, dass eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 SGB III nicht festgesetzt worden ist.

e) Das Arbeitsgericht hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch unterlassene Aufklärung lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz begründen kann, nicht jedoch die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes zur Folge hat (BAG, Urteil vom 10.03.1988, EzA, § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 6).

III.

Haben die Parteien somit wirksam vereinbart, dass ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf sie nicht erfolgt ist, hat der Kläger auch weder einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung noch auf Vergütungszahlung für den Monat Dezember 2000 und ab dem Monat Februar 2001.

C.

Der Kläger hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht, da es im Wesentlichen um die Einordnung einer individualvertraglichen Vereinbarung der Parteien ging.

Ende der Entscheidung

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