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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.07.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 426/09
Rechtsgebiete: MuSchG, ArbGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
MuSchG § 9 Abs. 1 | |
ArbGG § 8 Abs. 2 | |
ArbGG § 64 Abs. 1 | |
ArbGG § 64 Abs. 2 c | |
ArbGG § 64 Abs. 6 | |
ArbGG § 66 Abs. 1 | |
ZPO §§ 517 ff. | |
BGB § 123 Abs. 1 | |
BGB § 142 Abs. 1 | |
BGB § 623 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.02.2009 - AZ. 4 Ca 4594/08 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufgrund Aufhebungsvertrages.
Die am 15.06.1985 geborene Klägerin, die für ein im Jahr 2003 geborenes Kind sowie zwischenzeitlich ein weiteres Kind unterhaltspflichtig ist, war seit dem 01.07.2008 im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt.
Grundlage war ein schriftlicher Berufsausbildungsvertrag vom 25.03.2008, nach dem die Ausbildung am 01.07.2008 begann und am 31.07.2011 enden sollte. Die Probezeit betrug drei Monate.
Die Ausbildungsvergütung betrug im ersten Ausbildungsjahr 380,00 € brutto.
Die Beklagte betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei mit regelmäßig vier Arbeitnehmern außer den zur Berufsausbildung Beschäftigten.
Mit Schreiben vom 04.09.2008 kündigten die Beklagten das Ausbildungsverhältnis ordentlich mit sofortiger Wirkung innerhalb der Probezeit.
Mit Schreiben vom 13.09.2008 teilte die Klägerin daraufhin der Beklagten mit, sie sei zum Zeitpunkt der Kündigung am 04.09.2008 bereits schwanger gewesen.
Nach einer Bescheinigung über eine Schwangerschaft vom 18.09.2008 befand sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Ausstellung in der 6. Schwangerschaftswoche. Unter dem 15.09.2008 stellte die Beklagte bei der Bezirksregierung Arnsberg einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 05.11.2008 abgelehnt. Die Erteilung der Zustimmung verfolgt die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen weiter.
Mit Schreiben vom 26.09.2008 forderte die Beklagte die Klägerin auf, wieder zur Ausbildung zu erscheinen.
Unter dem 30.09.2008 nahm daraufhin die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Beklagten wieder auf.
Unter welchen Umständen die Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgte, ist unter den Parteien streitig.
Unter dem 01.10.2008 erschienen gegen 12.00 Uhr zwei Polizeibeamte in der Kanzlei der Beklagten mit der Erklärung, es liege eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegenüber der Klägerin vor.
Anlass des Erscheinens war ein Telefonat des Vaters der Klägerin vom 01.10.2008, 11.34 Uhr. In diesem Telefonat erklärte der Vater der Klägerin, seine Tochter habe Konflikte mit ihrem Chef, er habe sie deswegen in einen Abstellraum gesperrt, sie sei schwanger und das sei psychisch gefährlich.
Kurze Zeit später erschien der Vater der Klägerin in den Kanzleiräumlichkeiten und drohte mit einer Anzeige.
Zu einem späteren Zeitpunkt an diesem Tage fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und den Gesellschaftern der Beklagten statt.
In diesem Gespräch wurde von Seiten der Beklagten jedenfalls mit einer Strafanzeige gedroht. Ob dabei mit einer Strafanzeige sowohl gegenüber der Klägerin, als auch gegenüber ihrem Vater gedroht wurde, ist unter den Parteien streitig. Jedenfalls übergaben die Beklagten der Klägerin auf deren Wunsch an diesem Tage eine Bescheinigung mit folgendem Inhalt:
"Ich sichere Ihnen hiermit zu, dass über den heutigen Vorfall anlässlich des Polizeieinsatzes unsererseits weder gegen Sie noch ihren Vater eine Strafanzeige erstattet wird. Wir werden auch keine zivilrechtlichen Schritte gegen Sie oder Ihren Vater unternehmen."
Anschließend unterzeichneten die Parteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Ausbildungsverhältnis einvernehmlich mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2008 focht die Klägerin diesen Aufhebungsvertrag wegen Drohung mit einer Strafanzeige an.
Die Nichtbeendigung des Berufungsausbildungsverhältnisses durch die Kündigung der Beklagten und den Aufhebungsvertrag verfolgt die Klägerin mit der unter dem 24.09.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und der unter dem 12.11.2008 eingegangenen Klageerweiterung.
Das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm vom 29.10.2008 endete dahingehend, dass festgestellt wurde, ein Beschluss sei nicht möglich.
Die Klägerin hat sowohl die Kündigung, als auch den Aufhebungsvertrag für unwirksam angesehen.
Die Kündigung sei unwirksam, da sie zum Zeitpunkt des Zugangs bereits schwanger gewesen sei. Darüber hinaus sei die Kündigung nur erfolgt, weil sie sich bei anderen Rechtsanwälten im Hinblick auf eine verkürzte Ausbildungszeit beworben habe, nachdem von Seiten der Beklagten eine Verkürzung der Ausbildungszeit abgelehnt worden sei.
Den Aufhebungsvertrag habe sie, so hat sie die Auffassung vertreten, wirksam angefochten.
Ihre Arbeitsaufnahme am 30.09. habe sich, so hat sie hierzu behauptet, dergestalt abgespielt, dass sie in ein Zimmer gesetzt worden sei, ohne dass sie eine Tätigkeit habe ausüben dürfen. Dabei sei sie immer wieder gefragt worden, ob sie das Ausbildungsverhältnis nun beenden wolle. Den Raum habe sie nur zum Zwecke des Aufsuchens einer Toilette verlassen dürfen. Dabei sei die Tür zu dem Raum auf Veranlassung der Beklagten zunächst geschlossen gewesen.
Am Abend dieses Tages habe sie ihre Mutter dann telefonisch darüber informiert, wie sie sich behandelt gefühlt habe. Sie habe dabei erklärt, sie habe sich eingesperrt gefühlt. Ihre Mutter habe, so hat sie des Weiteren behauptet, daraufhin mit ihrem Vater gesprochen. Ihre Mutter habe sie aber wohl falsch verstanden. Richtig sei, dass ihr Vater dann die Polizei alarmiert habe, dabei habe er allerdings lediglich behauptet, dass sie in einem geschlossenen Zimmer sei.
Anlässlich der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei ihr dann am 01.10.2008 von Herrn Rechtsanwalt V1 erklärt worden, es sei ein Aufhebungsvertrag vorbereitet. Ihr sei erklärt worden, dass strafrechtlich gegen ihren Vater oder sie selbst vorgegangen werde, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschreibe.
Eine Bitte, mit ihrer Prozessbevollmächtigten oder ihrem Vater telefonieren zu können, sei abgelehnt worden. Auch die Möglichkeit, eine Nacht darüber schlafen zu können, sei abgelehnt worden. Vielmehr sei daraufhin angedroht worden, gegen ihren Vater und sie Anzeige zu erstatten, lediglich im Falle der Unterzeichnung des Vertrages werde hiervon abgesehen. Ihrer Bitte, dies schriftlich haben zu wollen, seien die Beklagten dann, insoweit unstreitig, nachgekommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund dieses Ablaufs werde der Schutz der werdenden Mutter völlig umgangen. Insbesondere habe ihr ihrer Meinung nach wenigstens die Möglichkeit gegeben werden müssen, zu überlegen. Dies sei jedoch nachweislich nicht geschehen. Aus der schriftlichen Bescheinigung der Beklagten ergebe sich eindeutig, dass der Aufhebungsvertrag von einer Gegenleistung abhängig gemacht worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten vom 04.09.2008 noch durch den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 beendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. auf Widerklage hin festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 beendet worden ist.
Sie hat die Auffassung vertreten, eine wirksame Anfechtung des Aufhebungsvertrages liege nicht vor.
Eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens beim Abschluss des Aufhebungsvertrages erschließe sich nicht. Die Drohung mit einer Strafanzeige sei rechtmäßig, wenn das Begehren des Drohenden mit einer Straftat im inneren Zusammenhang stehe. Dies vorliegend der Fall.
Das Ausbildungsverhältnis habe sich von Anfang an, so hat sie ihrerseits angeführt, als problematisch erwiesen.
Am 30.09.2008 sei von ihrer Seite dann nach Wiederaufnahme der Tätigkeit ein Gespräch mit der Klägerin gesucht worden, zu einem wirklichen Gespräch mit ihr sei es allerdings nicht gekommen, weil sie inhaltlich immer nur wiederholt habe, ihre Ausbildung machen zu wollen.
Im Anschluss hieran sei sie gebeten worden, im Wartezimmer Platz zu nehmen, es sei veranlasst worden, dass für die Klägerin ein Arbeitsplatz eingerichtet werde. Dies habe etwa eine halbe Stunde in Anspruch genommen. Anschließend sei ihr dieser Arbeitsplatz zugewiesen worden. Dabei handele es sich nicht um einen Abstellraum, sondern um einen solchen, der ständig als Büroraum genutzt werde. Richtig sei, dass die Tür zu diesem Büro geschlossen worden sei, dies allerdings auf eigene Veranlassung der Klägerin. Als Herrn L1 nach einiger Zeit die Tür geöffnet habe, um mit der Klägerin zu sprechen, habe er festgestellt, dass sie einen Roman lese. Er habe hierüber seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht und dann die Anweisung erteilt, dass die Tür geöffnet bleibe.
Unrichtig sei, dass die Klägerin mehrfach gefragt worden sei, ob sie das Ausbildungsverhältnis beenden wolle.
Auch sei nicht richtig, dass die Klägerin nur zur Toilette habe gehen dürfen.
Bestritten hat die Beklagte, die Klägerin habe ihrer Mutter eine telefonische Mitteilung derart gemacht, wie die Klägerin dies behaupte. Wäre dies so gewesen, hätte die Klägerin im Gespräch am 01.10.2008 ihrer Meinung nach darüber berichtet. Bestritten hat die Beklagte auch, dass die Mutter der Klägerin etwas falsch verstanden hat. Es werde behauptet, dass die Klägerin tatsächlich von einer Freiheitsberaubung gegenüber ihren Eltern berichtet habe. Auch sei davon auszugehen, dass die Klägerin am Vormittag des 01.10.2008 mit ihrem Vater oder ihrer Mutter telefoniert habe, um entsprechende Maßnahmen durch diese gegen sie durchzuführen.
Bei dem Gespräch am 01.10.2008 habe sich für sie die Lage so dargestellt, dass die Klägerin ihren Vater veranlasst habe, eine unberechtigte Anzeige zu erheben.
Richtig sei, dass von einer Strafanzeige gesprochen worden sei, allerdings ohne Festlegung, gegen welche Person eine solche erfolgen solle. Es sei daher falsch, dass mit der Erstattung einer Anzeige gegenüber der Klägerin und ihrem Vater gedroht worden sei. Eventuell sei von Herrn Rechtsanwalt V1 in dem Gespräch lediglich darauf hingewiesen worden, dass möglicherweise die Angelegenheit im Falle einer Strafanzeige auch für den Vater der Klägerin Folgen haben könne.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Mit Urteil vom 12.02.2009 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis weder durch Kündigung der Beklagten vom 04.09.2008, noch durch den Aufhebungsvertrag beendet worden ist und die Widerklage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ausbildungsverhältnis sei durch Kündigung der Beklagten nicht beendet worden, da die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 MuSchG unzulässig sei.
Den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 habe die Klägerin wirksam angefochten. Die Drohung der Beklagten mit einer Strafanzeige sei als widerrechtlich anzusehen. Dabei gehe die Kammer davon aus, dass die Klägerin im Gespräch am 01.10.2008 eine von Rechtsanwalt V1 ausgesprochene Drohung im Hinblick auf etwaige Strafanzeigen nur so habe verstehen können, dass nicht nur sie, sondern auch ihr Vater mit einer Strafanzeige rechnen müsse. Da der Klägerin gesagt worden sei, die Angelegenheit könne auch für ihren Vater Folgen haben und von einer Strafanzeige die Rede gewesen sei, ohne dass nach Angabe der Beklagten sich Rechtsanwalt V1 auf eine bestimmte Person festgelegt habe, zudem nach Abschluss des Aufhebungsvertrages von der Beklagten die entsprechende Erklärung dahingehend abgegeben worden, sei davon auszugehen, dass auch dem Vater der Klägerin bei Nichtunterzeichung des Aufhebungsvertrages aus Sicht der Klägerin Nachteile drohen würden. Dieses Verhalten stelle sich als unangemessen und damit rechtswidrig dar. Insoweit sie zu berücksichtigen, dass nur im Falle der Klägerin ein innerer Zusammenhang mit dem Begehren des Drohenden auf Auflösung des Ausbildungsverhältnisses und der Drohung mit einer Strafanzeige bestehe. Im Falle der Drohung mit einer Strafanzeige gegenüber dem Vater der Klägerin bestehe ein derartiger Zusammenhang überhaupt nicht. Die Mittel-Zweck-Relation müsse daher als widerrechtlich angesehen werden.
Die Widerklage sei abzuweisen gewesen, da der Aufhebungsvertrag das Ausbildungsverhältnis nicht beende.
Gegen das unter dem 04.03.2009 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 18.03.2009 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.
Sie ist der Auffassung, dass Urteil des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft bezüglich der Anfechtung, insbesondere gehe das Arbeitsgericht insoweit von einem falschen Sachverhalt aus.
Aus der Ermittlungsakte 106 Js 75/09 - Staatsanwaltschaft Dortmund - ergebe sich nämlich, dass der Vater der Klägerin um 11.34 Uhr bei der Polizei angerufen und berichtet habe, die Klägerin sei in eine Kammer eingesperrt.
Die Darstellung der Klägerin aus der ersten Instanz zum Vorliegen eines Irrtums sei damit widerlegt.
Ihrer Meinung nach sei weder das Mittel, eine Strafanzeige zu erstatten, rechtswidrig, noch der Zweck, dass Ausbildungsverhältnis zu beenden.
Aber auch die Verbindung von Mittel und Zweck sei ihrer Meinung nach nicht rechtswidrig. Eine Rechtswidrigkeit sei insoweit bei einer Drohung mit einer Strafanzeige zu verneinen, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche ernsthaft in Erwägung habe ziehen dürfen.
Insoweit habe sie bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, warum die Darstellung der Klägerin völlig unglaubhaft gewesen sei.
Zu dem Zeitpunkt, als das Gespräch über den Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt worden sei und die Androhung einer Strafanzeige erfolgt sei, sei für Rechtsanwalt V1 nicht klar gewesen, wie die Zusammenhänge gewesen seien. Ihm sei es so erschienen, dass die Klägerin ihren Vater angerufen habe, der daraufhin die Polizei angerufen habe. Für ihn sei es auch klar gewesen, dass die Klägerin insoweit ihrem Vater objektiv falsche Informationen gegeben habe, um die Strafanzeige zu veranlassen.
Das Drohen mit einer Strafanzeige sei rechtmäßig, wenn das Begehren des Drohenden mit einer Straftat in einem inneren Zusammenhang stehe.
Zwar insoweit richtig, dass Rechtsanwalt V1 mit einer Strafanzeige gedroht; er habe sich aber nicht darauf festgelegt, dass diese Strafanzeige gegen eine bestimmte Person gerichtet werde.
Ein innerer Zusammenhang ergebe sich daraus, dass beide Personen auf Seiten der Klägerin an einer Straftat beteiligt gewesen seien. Dabei sei es unerheblich, ob die Klägerin sich vorgestellt habe, ihr Vater sei betroffen. Bei der Betrachtung des inneren Zusammenhangs könne nicht die Vorstellung der Klägerin maßgeblich sein, maßgeblich müsse vielmehr die seinerzeitige Vorstellung von Rechtsanwalt V1 gewesen sein, für den sich insoweit ein erheblicher Verdacht auch gegen den Vater ergeben habe.
Da allerdings nicht feststehe, dass er mit einer Strafanzeige auch gegen den Vater gedroht habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass wegen der Drohung mit einer Strafanzeige gegen den Vater die Widerrechtlichkeit der Drohung gegeben sei.
Das die Klägerin davon ausgegangen sei, ihr Vater werde Nachteile erleiden, könne nicht angenommen werden, wenn sie selber vortrage, ihr Vater sei gutgläubig gewesen und habe sich lediglich geirrt. Mithin könne sie nicht die Vorstellung entwickelt haben, ihr Vater werde durch das Strafverfahren nachteilig betroffen sein, die Strafanzeigendrohung könne daher auch nicht ursächlich zu Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag gewesen sein.
Die Schwangerschaft der Klägerin spiele insoweit ihrer Meinung nach keine Rolle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.02.2009 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.
Richtig sei, dass sie am 01.10.2008 mit ihrem Vater telefoniert habe. Dieser habe, so behauptet die Klägerin zum Inhalt des Telefonates, nur kurz gefragt, ob das denn genauso gewesen sei, wie an dem Tag zuvor oder ob sich etwas verändert habe; sie habe daraufhin mitgeteilt, dass sich eben nichts verändert habe. Sie habe lediglich gesagt, es gehe so weiter.
Insoweit handele es sich, wie bereits dargelegt, lediglich um ein Missverständnis. Sämtliche Informationen, die der Vater gehabt habe, rührten von ihrer Mutter her. Mit ihrem Vater habe sie vorher nicht gesprochen.
In keinem Fall sei es so, dass sie ihrem Vater falsche Informationen geliefert habe.
In jedem Fall sei es aber so, dass von Seiten der Berufungsbeklagten zugesagt worden sei, eine Anzeige gegen ihren Vater und gegen sie nicht zu erstatten.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagte ist zulässig, aber nicht begründet.
A.
Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c) ArbGG.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
B.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Die Nichtbeendigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch die streitbefangene Kündigung der Beklagten steht nicht mehr im Streit; insoweit hat die Beklagte das arbeitsgerichtliche Urteil nicht angegriffen.
Das Arbeitsgericht hat aber im Übrigen zutreffend angenommen, dass das Berufsausbildungsverhältnis der Parteien auch durch den Aufhebungsvertrag vom 01.10.2008 nicht beendet worden ist, da die Klägerin diesen wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten hat.
I.
Unter den Parteien besteht kein Streit darüber, dass unter dem 01.10.2008 eine Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen worden ist, die der Schriftform nach § 623 BGB genügt.
II.
Die Klägerin hat ihre Erklärung zur Annahme des Angebots auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages jedoch wirksam gemäß § 123 Abs. 1 BGB mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB angefochten.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige die Willenserklärung anfechten, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer solchen bestimmt worden ist.
2. Die Klägerin ist durch Drohung i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden.
a. Eine Drohung i. S. d. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines künftigen Übels voraus, dessen Zufügung der Ankündigende in irgendeiner Weise als von seiner Macht abhängig hinstellt, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (BAG, 21.03.1996, EzA BGB § 123 Nr. 42; BAG, 05.12.2002, EzA BGB 2002, § 123 Nr. 1; BAG, 13.12.2007, EzA BGB 2002, § 123 Nr. 8).
b. In der Erklärung, eine Strafanzeige erstatten zu wollen, liegt in diesem Sinne eine Drohung gegenüber der Klägerin vor.
Denn die Beklagte gibt damit vor, ein Ermittlungsverfahren, das ein Übel darstellt, in Gang setzen zu können.
aa) Dabei besteht unter den Parteien kein Streit darüber, dass jedenfalls der Klägerin gegenüber mit einem solchen Übel gedroht worden ist.
bb) Darüber hinaus steht jedoch auch fest, dass von Seiten der Beklagten auch mit einer Anzeige gegen den Vater der Klägerin gedroht worden ist.
1. Für die Beurteilung des Vorliegens einer Drohung ist auf die gesamten Umstände abzustellen, die zur Abgabe einer Willenserklärung geführt haben. Dabei muss eine Drohung nicht explizit ausgesprochen werden, sondern kann auch durch ein schlüssiges Verhalten erfolgen (BAG, 06.12.2001, EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 39; BAG, 15.12.2005, EzA BGB 2002, § 123 Nr. 6).
2. Wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung ausführt, Rechtsanwalt V1 habe sich in dem Gespräch mit der Klägerin nicht darauf festgelegt, dass diese Strafanzeige gegen eine bestimmte Person gerichtet werde, wird bereits damit deutlich, dass gegebenenfalls beide Verursacher, die Klägerin und ihr Vater als solche Personen in Betracht kommen, denen gegenüber eine solche Strafanzeige erfolgen soll.
Wenn die Beklagte darüber hinaus im erstinstanzlichen Verfahren des Weiteren vorträgt, Rechtsanwalt V1 meine, er habe daraufhin gewiesen, die Angelegenheit könne möglicherweise im Falle einer Strafanzeige auch für den Vater der Klägerin Folgen haben, wird hieraus in ausreichender Weise bereits deutlich, dass in schlüssiger Form auch eine Anzeige gegenüber dem Vater in Betracht gezogen wurde.
Wird von einer Anzeige gesprochen, selbst wenn die Beklagte sich nicht festgelegt hat und gleichzeitig aber von Folgen für den Vater spricht, musste die Klägerin dies so verstehen, dass gegebenenfalls auch ihr Vater von einer solchen Anzeige betroffen sein kann.
Dies ergibt sich in unmissverständlicher Weise zudem aus der eigenen schriftlichen Erklärung, die die Beklagte unter dem 01.10.2008 auf Verlangen der Klägerin gegenüber abgegeben hat, wenn in dieser zugesichert wird, weder gegen die Klägerin noch gegen ihren Vater Strafanzeige zu erstatten. Dieses Schriftstück belegt in unmissverständlicher Form, dass eine solche Anzeige auch gegenüber dem Vater, zumindest in schlüssiger Form, erklärt worden ist.
Ob die Klägerin dabei geglaubt hat, ihr Vater könne einen Straftatbestand verwirklicht haben, ist unerheblich, da es lediglich darauf ankommt, ob von Seiten der Beklagten eine Erklärung dahingehend abgegeben worden ist, eine Strafanzeige gegenüber dem Vater werde bedacht.
3. Die Drohung mit solchen Strafanzeigen stellt sich nach Auffassung der Kammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht auch als rechtswidrig dar.
a. Die Widerrechtlichkeit einer Drohung kann sich dabei aus der Widerrechtlichkeit des Mittels, aus der Widerrechtlichkeit des verfolgten Zwecks, aber auch aus der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende eine Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, stellt sich die Drohung als rechtswidrig dar (BAG, 13.12.2007, a.a.O.).
b. In Übereinstimmung der Beklagten ist dabei davon auszugehen, dass weder das eingesetzte Mittel als solches, noch der verfolgte Zweck sich als rechtswidrig darstellen.
Das Mittel einer Strafanzeige für sich genommen ist nicht rechtswidrig.
Auch der angestrebte Zweck, die sofortige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses in einvernehmlicher Weise herbeizuführen, ist für sich genommen nicht rechtswidrig.
c. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich jedoch aus der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck.
aa) Die Androhung einer Strafanzeige zum Zwecke der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses ist dann unangemessen und rechtswidrig, wenn dies das Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Bedrohten und des Drohenden ist (BAG, 30.01.1986, NZA 87, 91).
Insoweit ist zum einen zu berücksichtigen, ob das Gewicht des erhobenen Vorwurfs einen Tatverdacht ergibt, der unter Berücksichtigung gegebenenfalls auch später gewonnener Ermittlungsergebnisse einen verständigen Arbeitgeber bewogen hätte, eine Strafanzeige ernsthaft in Betracht zu ziehen (Weber/Ehrich/Burmester, Handbuch der arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträge, Teil I, Rn.-Ziff. 852).
Darüber hinaus ist die Drohung mit einer Strafanzeige nur dann rechtmäßig, wenn neben dem Vorliegen ausreichender Verdachtsmomente das Begehren des Arbeitgebers mit der Straftat in einem inneren Zusammenhang steht (BAG, 30.01.1886, a.a.O.).
bb) Ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis liegt dann vor, wenn dieses durch die Straftat, auf die sich die angedrohte Strafanzeige bezieht, konkret berührt wird (Weber-Ehrich/Burmester, a.a.O., Rn.-Ziff. 852).
Ein solcher innerer Zusammenhang mag insoweit vorliegen, als eine Strafanzeige gegenüber der Klägerin selbst angedroht worden ist.
Ein solcher innerer Zusammenhang liegt nach Auffassung der Kammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht allerdings nicht mehr vor, soweit sich die Androhung einer Strafanzeige auf den Vater der Klägerin bezieht. Eine in ausreichender Weise konkrete Berührung des Arbeitsverhältnisses durch eine Verhaltensweise des Vaters ist nicht gegeben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit der Beklagten davon auszugehen ist, dass die Klägerin die Anzeige durch ihren Vater bei der Polizei veranlasst hat. Eine Berührung des Arbeitsverhältnisses kann nur darin liegen, dass die Klägerin selbst Handlungen begangen hat, die das ausreichende Vertrauen für die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnisses beeinträchtigen.
cc) Darüber hinaus hätte ein verständiger Arbeitgeber nicht ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts unmittelbar solche Strafanzeigen angedroht.
Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich aufgrund des zeitlichen Ablaufs Verdachtsmomente ergaben, wonach durch unzutreffende Schilderung der Vorfälle vom 30.09.2008 und am Morgen des 01.10.2008 der Tatbestand einer Freiheitsberaubung gegenüber der Polizei erweckt worden ist.
Dem Vorbringen der Beklagten ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie selbst in dem Gespräch mit der Klägerin Versuche unternommen hat, aufzuklären, worauf letztendlich das Eingreifen der Polizei zurückzuführen ist.
Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände auch im Hinblick auf den körperlichen Zustand der Klägerin stellte sich das Androhen von Strafanzeigen zum Zwecke des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages danach aus der Sicht eines verständigen Arbeitgeber jedenfalls als vorschnelle und überzogene Reaktion dar, wenn die Beklagte ohne weitere Sachaufklärung unmittelbar an den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit sofortiger Wirkung dachte (vgl. insoweit, BAG, 21.03.1996, EzA BGB § 123 Nr. 42).
C.
Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.
Ende der Entscheidung
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