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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 1709/04
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 123 Abs. 3
1. Nach § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO ist nämlich die Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen einer Sozialplanforderung im allgemeinen unzulässig. Kann ein Leistungsurteil wegen eines Vollstreckungsverbots nicht vollstreckt werden, so fehlt der darauf gerichteten Leistungsklage in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis.

2. Hat der beklagte Insolvenzverwalter den sozialplanberechtigten Arbeitnehmer gemäß § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO mit Zustimmung des Insolvenzgerichts einen Abschlag in Höhe jeweils der Hälfte der ihnen zustehenden Sozialplanabfindung per Banküberweisung zugeleitet, dem Kläger jedoch nur 25% der für ihn nachberechneten Sozialplanabfindung, dann ausnahmsweise einmal eine Leistungsklage auf Zahlung des Differenzbetrages zulässig.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 01.07.2004 - 4 Ca 16/04 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den ausgezahlten Betrag von 3.609,82 € aus dem Sozialplan vom 23.07.2002 einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 3.609,83 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2003 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Kläger darüber hinaus gegen die Insolvenzmasse ein Anspruch aus dem Sozialplan vom 23.07.2002 in Höhe eines Restbetrages von 7.219,65 € als Abfindung hat, der hinsichtlich der Auszahlung unter dem Massevorbehalt des § 123 Abs. 2 InsO steht.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten der I. Instanz haben die Parteien jeweils zur Hälfte zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten in vollem Umfange auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes trägt unverändert 10.829,48 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sozialplanabfindung.

Der Beklagte ist der durch Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 26.06.2002 (172 IN 500/02) über das Vermögen der Firma M1xx P2xxxxx & S4xxxxx + O1xxxxxx GmbH (Insolvenzschuldnerin) bestellte Insolvenzverwalter. Bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin war der am 01.02.12xx geborene, verheiratete Kläger seit dem 01.01.1981 im Betrieb H3xxx als kaufmännischer Angestellter zu einem Bruttogehalt von zuletzt 9.800,00 DM = 5.010,66 € monatlich nebst 13. Monatsgehalt tätig.

Unter dem Datum des 23.07.2002 hat der Beklagte mit dem Betriebsrat einen Sozialplan vereinbart, welcher unter anderem folgende Regelungen enthält:

1.

Die Gesamtsozialplanleistungen werden im Gesamtvolumen auf die zweieinhalbfache Bruttomonatslohnsumme, bezogen auf 1/12 des arbeitsvertraglich vorgesehenen Jahresgehaltes mit anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie anteiliger Prämie bezogen auf das Jahr 2002 gemäß anliegender Arbeitnehmerliste K2 der von einer Kündigung des Insolvenzverwalters betroffenen Arbeitnehmer festgesetzt.

2.

a)

In bewusster Abkehr von dem sonst üblichen Punkteschema zur Errechnung der Sozialplanabfindungen hat sich die Belegschaft einstimmig in einer Betriebsratsversammlung vom 05.07.2002 dazu entschlossen, dass unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sämtliche betroffene Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe des Maximalvolumens im Insolvenzfall (2,5 Bruttomonatsgehälter) erhalten.

b)

Mitarbeiter/innen, die innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25.06.2002 mit einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis eingehen, erhalten lediglich die Hälfte der vollen Sozialplanabfindung, also 1,52 Bruttomonatsgehälter.

Zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat besteht Einigkeit darüber, dass sich mit dieser Reduzierung der persönlichen Abfindungen das in Ziffer 1. geregelte Gesamtvolumen der Sozialplanleistungen nicht reduziert. Die 50 %-igen Kürzungsbeträge werden vielmehr durch die Zahl der Mitarbeiter geteilt, welche Anspruch auf die vollen Sozialplanleistungen haben und entsprechend auf diese Mitarbeiter verteilt.

...

4.

Sofern ein Arbeitnehmer gegen die ausgesprochene Kündigung oder gegen die Höhe der Abfindung Klage erhebt, wird die Abfindung erst nach Rücknahme der Klage oder rechtskräftiger Beendigung des Rechtsstreites fällig: Leistungen aus dem Sozialplan werden mit etwaigen gesetzlichen oder im Vergleichsweg vereinbarten oder gerichtlich zuerkannten Abfindungsansprüchen verrechnet.

5.

a)

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Vereinbarung des vorstehenden Sozialplanes unter der Beachtung der Einschränkungen des § 123 Abs. 1 und 2 InsO erfolgt.

b)

Der vorstehende Sozialplan ist unter der Bedingung der Zustimmung der Gläubigerversammlung/des Gläubigerausschusses getroffen.

Die Parteien haben sich in einem vorhergegangenen Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Herne zum Aktenzeichen 5 Ca 2869/03 am 12.06.2003 auf folgende vergleichsweise Regelung verständigt:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Schuldnerfirma durch die ordentliche, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 25.07.2002 zum 26.09.2002 beendet worden ist.

2. Der Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum Beendigungstermin am 26.09.2002 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich hieraus für den Kläger ergebenden Nettobetrag nach den Vorschriften der Insolvenzordnung zur Auszahlung zu bringen.

3. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass der Kläger zum Kreis der Anspruchsberechtigten aus dem zwischen dem Beklagten mit dem Betriebsrat am 23.07.2002 abgeschlossenen Sozialplan gehört. Nach derzeitiger Berechnung beläuft sich der sich aus diesem Sozialplan für den Kläger ergebende Abfindungsbetrag auf 13.774,62 €.

4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

5. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Dieser vergleichsweisen Regelung waren Verhandlungen der Parteien vorhergegangen. In einem Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten, Rechtsanwalt R1xxxxxx S6xxxxx, vom 06.02.2003 an den damaligen und heutigen Prozessbevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt C1xxxxxxx D2xx, heißt es zur Erläuterung des voranstehend unterbreiteten Vergleichsvorschlages, der dann am 12.06.2003 protokolliert worden ist, wörtlich:

Wie Sie, sehr geehrter Herr Kollege D2xx, der Formulierung in Ziffer 3. entnehmen können, ist der Sozialplan vom 23.07.2002 bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend berechnet worden. Soweit Sie die Aufnahme des endgültigen Abfindungsbetrages in dem Vergleich wünschen, müsste insoweit also abgewartet werden, bis diese Berechnung abschließend durchgeführt worden ist. Aus rein rechtlicher Sicht ist die dieses Abwarten meiner Auffassung nach jedoch nicht erforderlich, das der Sozialplananspruch Ihres Mandanten bisher geltend gemacht wurde bzw. rechtshängig ist. Sollten sich insoweit ähnliche Berechnungsvorgänge ergeben, könnte Ihr Mandant seinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung im gesonderten Verfahren vor dem Arbeitsgericht geltend machen.

Der in diesem Schreiben zum Ausdruck kommende Wortlaut der Ziffer 3. wurde wortgenau in dem letztendlich dann abgeschlossenen Vergleich vom 12.06.2003 protokolliert, nachdem zuvor der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 22.04.2003 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unter anderem folgendes mitgeteilt hatte:

Da die endgültige Höhe des Sozialplananspruchs Ihres Mandanten bisher noch nicht feststeht und auch eine Auszahlung aufgrund des Massevorbehaltes gemäß § 123 Abs. 2 InsO zeitlich gesehen noch nicht absehbar ist, hatte ich in meinem Formulierungsvorschlag in Ziffer 3. den Vorbehalt "derzeitige Berechnung" aufgenommen. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer gesonderten gerichtlichen Geltendmachung dieser Ansprüche erfolgte nur im Hinblick darauf, dass Ihr Mandant aufgrund dieses Vorbehaltes nicht rechtlos gestellt werden würde. Sollten sich - wider Erwarten - bei der endgültigen Höhe des Sozialplananspruches Unstimmigkeiten ergeben, könnte Ihr Mandant insoweit eine gesonderte gerichtliche Klärung herbeiführen.

...

Da mit meinen Formulierungsvorschlägen in den Ziffern 2. und 3. des Vergleiches hinsichtlich der angesprochenen Punkte keine Rechtsnachteile Ihres Mandanten verbunden sind bzw. auch nur drohen, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Kollege D2xx, bitten, mir nunmehr, natürlich auch telefonisch, mitzuteilen, ob der Vergleich wie vorgeschlagen nunmehr protokolliert werden kann.

Am 19.12.2003 ließ der Beklagte den sozialplanberechtigten Arbeitnehmern jeweils die Hälfte der ihnen zustehenden Sozialplanabfindung per Banküberweisung zukommen. Der Kläger, der im Vorprozess mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.09.2002 dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten hatte mitteilen lassen, dass er am 09.09.2002 ein Probearbeitsverhältnis bei einer Firma P3xxxx in 22xxx S7xxx angetreten habe, erhielt nur einen Betrag in Höhe von 3.609,82 €.

Mit seiner beim Arbeitsgericht per Telefax am 05.01.2004 eingegangenen Klage hat der Kläger den gesamten Restbetrag seines Sozialplananspruchs in Höhe von 10.829,48 € mit dem Bemerken geltend gemacht, die vom Beklagten neu berechnete Abfindung betrage 14.439,30 €.

Er hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch auf Sozialplanabfindung in dieser Höhe folge aus der Vergleichsregelung vom 12.06.2003. In den Vorverhandlungen zu dieser vergleichsweisen Regelung habe sich der Beklagte bereit erklärt, für den Fall eines zeitnahen Vergleichsabschlusses dem Kläger die volle Sozialplanabfindung zukommen zu lassen. Er habe auch den unter dem Aktenzeichen 5 Ca 2869/02 abgeschlossenen Vergleich nur deshalb vereinbart, weil ihm ausdrücklich zugesagt worden sei, er erhalte die volle Sozialplanabfindung. Die Höhe des vereinbarten Betrages von 13.764,62 € habe daher nur noch lediglich aufgrund der Unklarheit zur Höhe der Masse abgeändert werden können. Alle zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erforderlichen Tatsachen zur korrekten Berechnung des Sozialplananspruches hätten vorgelegen. Selbst nach der Berechnung des Beklagten müsse ihm unstreitig ein Betrag von 8.368,88 € zustehen. Da der Beklagte selbst einräume, dass die gesamte Abfindungssumme sich zunächst auf 14.439,30 € brutto berechnet habe, ergäbe sich infolge der Zahlung in Höhe von 3.609,82 € eine Restforderung in Höhe von 10.829,00 €.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.829,48 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits unzulässig, da die Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen einer Sozialplanforderung gem. § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO unzulässig sei. Der Anspruch aus dem Sozialplan sei zudem noch nicht fällig, da er erst bei Beendigung des Insolvenzverfahrens bestehe. Auch bei Beendigung des Insolvenzverfahrens ergäbe sich maximal ein Anspruch in Höhe von 7.219,65 €. Bei einem monatlichen Verdienst von 5.505,85 € hätte die Abfindungssumme 13.764,62 € betragen, die gemäß Sozialplan auf 14.439,30 € zu bereinigen gewesen sei. Da der Kläger ab dem 09.09.2002 eine neue Arbeit angetreten habe, greife Ziffer 2a) des Sozialplanes. Danach erhielten Mitarbeiter, die innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25.06.2002 mit einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis eingingen, die Hälfte der vollen Sozialplanabfindung, also 1,52 Bruttogehälter. Damit belaufe sich der Anspruch aus dem Sozialplan auf eine Höhe von 7.219,65 €. Dem Kläger sei zu keinem Zeitpunkt zugesagt worden, dass er den vollen Sozialplananspruch erhalte, vielmehr zeige Ziffer 3) des Vergleiches, dass noch keine abschließende Berechnung stattgefunden habe.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 01.07.2004, auf welches zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien vollinhaltlich Bezug genommen wird, die Klage auf Kosten des Kläger abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 10.829,48 € festgesetzt.

Gegen das ihm am 11.08.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2004 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.11.2004 an diesem Tage begründet.

Er wendet sich mit seiner Berufung gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Frage des Vorliegens eines Schuldanerkenntnisses entsprechend Ziffer 3) des Vergleichs zwischen den Parteien vom 12.06.2003 (5 Ca 2869/03). Die Parteien hätten sich ausweislich des vorgenannten Vergleichs verbindlich auf einen Sozialplanabfindungsanspruch für ihn auf 13.774,72 € verständigt. Im Vergleich heiße es zu Ziffer 3) ausdrücklich: "Nach derzeitiger Berechnung beläuft sich der aus diesem Sozialplan für den Kläger ergebende Abfindungsanspruch auf 13.774,62 €." Wie bereits erstinstanzlich dargetan, sei dem Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs bekannt gewesen, dass er, der Kläger, unter dem 09.09.2002 ein Arbeitsverhältnis aufgenommen habe. Daher könne die vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien vom 12.06.2003 einen Vorbehalt hinsichtlich der Berechnung seiner Sozialplanabfindung lediglich Gründe beinhalten, die mit der frühzeitigen Arbeitsaufnahme durch ihn eben nichts mehr zu tun hätten. Die Berechnung der Sozialplanabfindung sei daher ganz offenbar in Kenntnis des Sozialplans vom 23.07.2002 sowie des Arbeitsantritts des Klägers vor Ablauf der im Sozialplan genannten Frist vom 25.09.2002 erfolgt. Danach hätten dem Beklagten zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses sämtliche Tatsachen vorgelegen, die zur korrekten Berechnung des Sozialplananspruchs erforderlich gewesen seien. In Kenntnis seiner frühzeitigen Arbeitsaufnahme habe sich der Beklagte unter dem 12.06.2003 vergleichsweise verpflichtet, eine Abfindung in Höhe von 13.774,62 € an ihn, den Kläger, zu zahlen. Eine anders lautende Auslegung des Vergleichs vom 12.06.2003 sei nicht möglich. Hätte der Beklagte sich im Hinblick auf die frühzeitige Arbeitsaufnahme eine Kürzung der Abfindung gemäß Sozialplan vorbehalten wollen, wäre eine diesbezügliche Regelung im Vergleich ohne weiteres möglich, ja sogar unabdingbar gewesen. Insoweit könne die Formulierung "derzeitige" Berechnung nur dahingehend verstanden werden, dass sämtliche bis zum Vergleichsabschluss bekannten Faktoren, die für die Berechnung der Abfindung wesentlich seien, in die Berechnung der vergleichsweise vereinbarten Abfindungszahlung einbezogen worden seien (Beweis: Zeugnis des Rechtsanwalts R1xxxxxx S6xxxxx).

Die Auslegung des Arbeitsgerichts, es sei den Parteien im Wesentlichen darauf angekommen, dass er, der Kläger, zum Kreis der Anspruchsberechtigten des Sozialplans gehöre, sei lebensfremd, denn die Frage, ob er zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach Sozialplan gehöre, sei zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt streitig gewesen. Ihm sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vom 12.06.2003 bewusst gewesen, dass sich die Höhe der ihm zugesagten Abfindung noch durch die Höhe der zu verteilenden Masse hätte ändern können. Eben dieser Umstand sei mit der Formulierung "derzeitige" Berechnung unter Ziffer 3) des Vergleichs vom 12.06.2003 gemeint. Die Sozialplansumme von 13.774,62 € ihm seinerzeit zur Erledigung des monatelangen Rechtsstreits mit der Maßgabe zugesagt worden, dass allenfalls eine Kürzung in Betracht käme, falls die Masse nicht ausreichend sei, die gesamte Sozialplanleistung zu erfüllen. Andere Faktoren, die dem Beklagten zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits positiv bekannt gewesen und zwischen den damaligen Prozessbevollmächtigten mehrfach diskutiert worden seien, hätten durch die Formulierung "derzeitige" Berechnung eben ausgeschlossen werden sollen. In diesem Zusammenhang werde auf die Zusage des damaligen Prozessbevollmächtigten gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten vor Abschluss des Vergleichs hingewiesen, dass die Zahlung der vollen Sozialplanabfindung ungeachtet der Tatsache seiner frühzeitigen Arbeitsaufnahme erfolgen solle (Beweis: Zeugnis des Rechtsanwalts R1xxxxxx S6xxxxx).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Herne vom 01.07.2004 - 4 Ca 16/04 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 10.829,48 € nebst 5 % Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2003, zu zahlen,

hilfsweise festzustellen,

dass dem Kläger gegen die Insolvenzmasse eine restliche Sozialplanabfindung i.H.v. 10.829,48 € nebst 5 % Punkten über den Basiszinssatz seit dem 13.06.2003 zusteht,

den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 01.07.2004 - 4 Ca 16/04 - zurückzuweisen,

die Kosten des Rechtstreits dem Kläger aufzuerlegen und den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, das Arbeitsgericht gehe zutreffend zunächst davon aus, dass die Klage unzulässig sei, soweit sie sich als Anspruchsgrundlage allein auf den Sozialplan stütze. Zutreffend seien auch die weiteren Ausführungen, dass die Klage im Übrigen unbegründet sei, da in dem Vergleich vom 12.06.2003 weder ein deklaratorisches noch ein konstitutives Schuldanerkenntnis zu sehen sei. Entgegen der Auffassung des Klägers hätten sich die Parteien ausweislich des Vergleiches nicht auf eine Sozialplanabfindung von 13.747,62 € verständigt. Dies räume der Kläger selbst auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 11.11.2004 ein, soweit er ausführe, dass sich der Kläger im "Zeitpunkt des Abschluss des Vergleiches vom 12.06.2003 bewusst sei, dass sich die Höhe der ihm zugesagten Abfindung noch durch die Höhe der zu verteilenden Masse hätte ändern können". Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, habe durch den Vergleich ein konstitutives Schuldanerkenntnis, welches eine neue, selbstständige Verpflichtung schaffe, nicht abgegeben werden sollen. Vorrangiges Ziel der Vergleichsvereinbarung sei es vielmehr gewesen, den Kläger in den Kreis der Anspruchsberechtigten des Sozialplans vom 23.07.2002 einzubeziehen und festzustellen, dass nach den seinerzeitigen Berechnungen des Betriebsrates, die dem Sozialplan zugrunde liege, dem Kläger ein Abfindungsbetrag von 13.747,62 € zugestanden hätte, ohne dass die im Sozialplan geregelten persönlichen und finanziellen Voraussetzungen des Klägers berücksichtigt worden seien. Der Vergleich regele somit die Stellung des Klägers im Rahmen des Sozialplans und verschaffe ihm keine neue Anspruchsgrundlage auf Zahlung.

In der Formulierung des Vergleiches sei auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu erkennen. Die Wirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, die Feststellung der Zahlung eines bestimmten, festgesetzten Betrages an den Kläger, sei gerade mit dem Vergleich nicht beabsichtigt gewesen. Dies werde durch die Formulierung belegt, dass sich nach "derzeitiger Berechnung" der Abfindungsanspruch auf 13.747,62 € beliefe. Grundlage des angegebenen Abfindungsbetrages sei vielmehr die vorläufige Berechnung der Einzelabfindungen durch den Betriebsrat vom 11.07.2002 gewesen. Er, der Beklagte, habe sich durch den Vergleichsabschluss gerade nicht über die Höhe des Abfindungsanspruches binden und eine Zusicherung geben wollen. Hierauf sei der Prozessbevollmächtigte des Klägers durch Schreiben vom 06.02.2003 zudem ausdrücklich hingewiesen worden. Soweit der Kläger sich nunmehr darauf berufe, durch den Abschluss des Vergleiches sei bezweckt worden, "andere Faktoren" bei der Berechnung des Sozialplananspruchs auszuschließen, hätte es ihm oblegen, diese in den Vergleich einzubeziehen und eine genaue Vergleichsregelung zu treffen. Im Nachhinein sei es dem Kläger verwehrt, eine Auslegung des Vergleiches in eine Richtung zu lenken, die im Vorfeld des Vergleichsabschlusses vom Kläger nicht angesprochen und für ihn, den Beklagten, nicht erkennbar gewesen sei.

Entgegen dem Vortrag des Klägers sei es weder ihm, dem Beklagten, noch seinem damaligen Prozessbevollmächtigten bei Abschluss des Vergleichs bekannt gewesen, dass sich der Kläger in einem dauerhaften Arbeitsverhältnis befunden habe. Daher sei es ihm, dem Beklagten, nicht möglich, diese Arbeitsaufnahme bei der Berechnung des Abfindungsbetrages in den Vergleich einzubeziehen (Beweis: Zeugnis des Rechtsanwalt R1xxxxxx S6xxxxx). Der Vortag des Klägers, der Zeuge S6xxxxx habe gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten die Zahlung der vollen Sozialplanabfindung ungeachtet der Tatsache seiner frühzeitigen Arbeitsaufnahme zugesagt, werde mit dem Beweisantritt als verspätet gerügt. Darüber hinaus werde die Zusicherung des Zeugen S6xxxxx bestritten. Selbst für den Fall, dass das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass er, der Beklagte, sich im Wege eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zur Zahlung habe verpflichten wollen, wäre die Klage wiederum unzulässig. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, schaffe ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis keine neue Verbindlichkeit, sondern bestätige lediglich eine bereits vorhandene Schuld. Da die bestätigende Schuld auf dem Sozialplan beruhen würde und es sich um eine Sozialplanforderung handel<e, wegen der eine Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse unzulässig sei, wäre die Klage als unzulässig abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Rechtsanwalts R1xxxxxx S6xxxxx. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 27.10.2005 verwiesen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg und führt unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen zu einer entsprechenden Abänderung des angefochtenen Urteils.

1. Die Klage ist im Hauptantrag nur teilweise, im Hilfsantrag dagegen uneingeschränkt zulässig. Es handelt sich bei der hier eingeklagten Abfindung um eine Forderung aus einem nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan und damit gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO um eine Masseforderung, die nach § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen ist; hierbei ist allerdings die gerichtliche Durchsetzung problematisch. Nach § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO ist nämlich die Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen einer Sozialplanforderung im allgemeinen unzulässig. Kann ein Leistungsurteil wegen eines Vollstreckungsverbots nicht vollstreckt werden, so fehlt der darauf gerichteten Leistungsklage in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis (so zum Vollstreckungsverbot des § 210 InsO: BAG, Urt. v. 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, BAGReport 2002, 295 = DZWIR 2002, 371 [Oetker] = NZA 2002, 975 = ZInsO 2002, 891 = ZIP 2002, 628; BGH, Urt. v. 03.04.2003 - IX ZR 101/02, BGHReport 2003, 759 [Ringstmeier] = InVo 2003, 313 = NZI 2003, 369 [Uhlenbruck] = ZInsO 2003, 465 = ZIP 2003, 914; BAG, Urt. v. 04.06.2003 - 10 AZR 586/02, DZWIR 2004, 67 = NZA 2003, 1087 = NZI 2003, 619 = ZInsO 2003, 1054 = ZIP 2003, 1848; BAG, Urt. v. 31.03.2004 - 10 AZR 253/03, DZWIR 2005, 106 [Oetker] = ZIP 2004, 1323; BAG, Urt. v. 31.03.2004 - 10 AZR 254/03, ZInsO 2005, 50; BGH, Urt. v. 29.04.2004 - IX ZR 141/03, BGHReport 2004, 1264 = DZWIR 2005, 113 [Gundlach/Frenzel] = ZInsO 2004, 674 = ZIP 2004, 1277; BAG, Urt. v. 15.06.2004 - 9 AZR 431/03, BAGReport 2004, 328 = NZA 2005, 354 = NZI 2004, 636 = ZIP 2004, 1660; so zum Vollstreckungsverbot des § 123 InsO: BAG, Urt. v. 31.07.2002 - 10 AZR 275/01, DZWIR 2003, 107 [Bichlmeier] = NZI 2003, 45 = ZInsO 2002, 998 [Kolmhuber] = ZIP 2002, 2051). Soweit jedoch nunmehr in einer höchstrichterlichen Entscheidung (BAG, Urt. v. 22.11.2005 - 1 AZR 458/04, NZA 2006, 220 = ZIP 2006, 489) angenommen wird, nach § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO sei eine Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig, vermag die Berufungskammer diese Auffassung aus den nachstehenden Erwägungen heraus nicht zu teilen:

1.1. Die hier entstandene Problematik hängt mit der Heraufsetzung der Sozialplanansprüche in ihrem insolvenzrechtlichen Rang zusammen. Mit dem vollständigen Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 01.01.1999 sind die sog. Konkursvorrechte komplett entfallen. Dies sind für Arbeitnehmeransprüche in den alten Bundesländern §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1 KO und in den neuen Bundesländern die §§ 13 Abs. 1 Nr. 3, 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO. An die Stelle der unterschiedlichen Insolvenzgesetze, nämlich Konkurs, Vergleichs und Gesamtvollstreckungsordnung nebst Gesamtvollstreckungs-Unterbrechungsgesetz (Art. 2 EGInsO), ist die Insolvenzordnung getreten, die keine Vorrechte mehr, sondern nur noch eine Rangfolge bei Masseunzulänglichkeit kennt. Während Abfindungsansprüche aus nach Verfahrenseröffnung aufgestellten Sozialplänen bislang lediglich als bevorrechtigte Konkursforderungen (§§ 2, 4 Satz 1 SozplKonkG i.V.m. § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO) bzw. als bevorrechtigte Gesamtvollstreckungsforderungen (§ 17 Abs. 3 Nr. 1c GesO) eingeordnet waren, sind sie nunmehr als Masseforderungen (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO) eingestuft. Dadurch wird die Rechtsstellung der Arbeitnehmer mit Sozialplanforderungen formell verbessert. Die Einordnung der Sozialplangläubiger als Massegläubiger hat immerhin den praktischen Vorteil, dass eine Anmeldung und Feststellung der Sozialplanforderungen entfällt. Im übrigen hat die Verbesserung der Rangstellung allerdings nur begrenzte Bedeutung, denn ebenso wie §§ 2, 4 SozplKonkG bzw. § 17 Abs. 3 Nr. 1c GesO sieht auch § 123 InsO zwei Begrenzungen vor: Die Gesamthöhe der Sozialplanabfindungen darf nach § 123 Abs. 1 InsO den Betrag nicht übersteigen, der sich als Summe von 21/2 Monatsverdiensten aller Arbeitnehmern, die von einer Entlassung infolge der geplanten Betriebsänderung betroffen sind, ergibt. Es handelt sich hierbei um eine »absolute Obergrenze« (wegen Einzelheiten Schwerdtner, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 1605, 1623-1632 Rn. 48-78; ferner Oetker/Friese DZWIR 2001, 265, 269 ff). Desweiteren darf nach § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Es handelt sich hierbei um eine »relative Obergrenze« (wegen Einzelheiten Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1632-1635 Rn. 79-90). Werden wegen Betriebsteilschließungen mehrere Sozialpläne abgeschlossen, dann darf für die Berichtigung sämtlicher Sozialplanforderungen nach der vorgenannten Verteilungssperre ebenfalls nur ein Drittel der freien Insolvenzmasse verwendet werden. bersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen (§ 123 Abs. 2 Satz 3 InsO). Die Vorschrift gilt entsprechend, wenn bei geringen Insolvenzmassen die aus einem Sozialplan fließenden Leistungen die Drittelgrenze übersteigen. Obwohl die Sozialplanforderungen gegenüber dem bisherigen Recht zur Masseverbindlichkeit hochgestuft wurden, bewirkt die Verteilungssperre des § 123 Abs. 2 InsO, dass die Sozialplangläubiger erst nach allen übrigen Massegläubigern bedient werden können (Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., §§ 123, 124 Rn. 39). Mit anderen Worten, die Sozialplanforderungen können erst dann erfüllt werden, wenn nach Berichtigung der übrigen Masseverbindlichkeiten noch eine verteilungsfähige Masse übrig bleibt. Dies läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass es sich bei den Sozialplanansprüchen um "nachrangige" Masseverbindlichkeiten handelt (Gottwald/Bertram, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 107 Rn. 143). Bei Masseunzulänglichkeit werden keine Sozialplanforderungen berichtigt, denn sie sind gegenüber sonstigen Masseverbindlichkeiten nachrangig (Gottwald/Bertram, a.a.O., m.w.N.). Bei Masseunzulänglichkeit fehlt es an einer Teilungsmasse, so dass die Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer bei der nach § 209 InsO vorzunehmenden Verteilung keine Berücksichtigung finden können, denn zunächst müssen alle anderen Masseansprüche erfüllt werden (Uhlenbruck/Uhlenbruck, 12. Aufl., § 209 Rn. 19; Kübler/Prütting/Pape, Losebl., § 209 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Westphal, Losebl., § 209 Rd. 13).

1.2. Mit dem begrenzten Sozialplanvolumen soll dennoch möglichst allen von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmern eine "verteilungsgerechte Überbrückungshilfe" bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder längstens bis zum Bezug von Altersruhegeld gewährt werden (BAG, Urt. v. 23.08.1988 - 1 AZR 284/87, NZA 1989, 28; BAG, Urt. v. 26.06.1990 - 1 AZR 263/88, NZA 1991, 111 = ZIP 1990, 1360; BAG, Urt. v. 30.11.1994 - 10 AZR 578/93, NZA 1995, 492 = ZIP 1995, 765; BAG, Urt. v. 31.07.1996 - 10 AZR 45/96, NZA 1997, 165 = ZIP 1996, 1954; BAG, Urt. v. 19.10.1999 - 1 AZR 838/98, NZA 2000, 732 = ZIP 2000, 815). Dieser Überbrückungshilfe bedarf auch ein Arbeitnehmer, der selber kündigt oder - wie vorliegend der Kläger - einen Aufhebungsvertrag schließt, weil er einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat, da er alle Anwartschaften beim bisherigen Arbeitgeber verliert und beim neuen Arbeitgeber zunächst keinen Kündigungsschutz hat (BAG, Urt. v. 15.01.1991 - 1 AZR 80/90, NZA 1991, 692 = ZIP 1991, 1380; BAG, Urt. v. 11.08.1993 - 10 AZR 558/92, NZA 1994, 139 = ZIP 1993, 1808). In dieser Zeit, also der Überbrückungsphase, ist der Arbeitnehmer auf die Sozialplanleistung als Überbrückungshilfe angewiesen, denn die Sozialplanabfindung kann in der Regel ihre Funktion als Überbrückungshilfe nur in der Zeit unmittelbar nach der Entlassung erfüllen (Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1644 Rn. 110). Das hat der Gesetzgeber ähnlich gesehen und im Hinblick darauf, dass der Umfang der Insolvenzmasse regelmäßig erst im Schlusstermin (§ 197 InsO) feststeht und sich auch erst dann die Drittelgrenze exakt bestimmen lässt, in § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO dem Insolvenzverwalter die Pflicht auferlegt, aus den vorhandenen Barmitteln mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen zu leisten, und nicht nur einmal, sondern immer wieder, nämlich "sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind". Es heißt dazu in der Gesetzesbegründung zu § 141 RegE (BR-Drs. 1/92, S. 155) wörtlich:

Durch § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO wird darauf hingewirkt, dass die Arbeitnehmer möglichst frühzeitig Abschlagszahlungen auf ihre Sozialplanforderungen erhalten. Das Erfordernis der Zustimmung des Insolvenzgerichts ist vorgesehen, damit die Befriedigung anderer Gläubiger nicht durch zu hohe Abschlagszahlungen an die Sozialplanberechtigten gefährdet wird; insoweit lehnt sich die Vorschrift an die Regelung in § 170 KO für Vorauszahlungen an bevorrechtigte Gläubiger an.

Die Rechtslage hat sich jedoch insoweit für die Arbeitnehmer verbessert, als § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO eine Soll-Vorschrift darstellt (Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1644 Rn. 110). Demgegenüber handelte es sich bei § 170 KO lediglich um eine Kann-Vorschrift. Während § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO bestimmt, der Insolvenzverwalter "soll" mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten, hieß es in § 170 KO, Zahlungen auf festgestellte bevorrechtigte Konkursforderungen "kann" der Konkursverwalter mit Ermächtigung des Konkursgerichts leisten. Diese Vorschrift wurde einhellig dahingehend ausgelegt, dass die Ermächtigung des Konkursgerichts weder eine Zahlungspflicht des Konkursverwalters noch einen Anspruch des bevorrechtigten Gläubigers auf Berücksichtigung außerhalb des Verteilungsverfahrens begründete (Hess/Kropshofer, 4. Aufl. § 170 KO Rn. 2; Jaeger/Weber, 8. Aufl., § 170 Rn. 2 Nr. 2; Kuhn/Uhlenbruck, 11. Aufl. § 170 KO Rn. 9). Die Ermächtigung wurde lediglich Erlaubnis angesehen, die von gleich oder bessergestellten Konkursgläubigern oder von Massegläubigern mit der sofortigen Beschwerde (§ 73 Abs. 3 KO) oder der befristeten Erinnerung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 RpflG) angegriffen werden konnte, wenn deren Befriedigung gefährdet war.

1.3. Sowohl der Insolvenzverwalter als auch die Arbeitnehmer können beim Insolvenzgericht Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen beantragen (Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1645 Rn. 112; Uhlenbruck/Berscheid, 12. Aufl., §§ 123, 124 Rn. 39). Gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts kann keine Beschwerde eingelegt werden (§ 6 InsO). Obwohl sich § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO an § 170 KO anlehnt und sein Wortlaut von § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht eindeutig erscheint, kann beim Vorliegen einer Ermächtigung durch das Insolvenzgericht nicht zweifelhaft sein, ob in Bezug auf die Abschlagszahlungen eine Zahlungspflicht des Insolvenzverwalters und ein Anspruch des Sozialplangläubigers besteht § 123 Abs. 3 Satz 1 InsO beinhaltet nämlich im Gegensatz zu § 170 KO keine Kann-Vorschrift, sondern eine Soll-Vorschrift. Dem einzelnen von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf Abschlagszahlung zu, wenn entsprechende Barmittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind. Ein Anspruch auf eine Abschlagszahlung erscheint in dem Maße möglich, wie der Insolvenzverwalter ausreichende Mittel für die Begleichung der Massenverbindlichkeiten tatsächlich zur Verfügung hat und darüber hinaus Barmittel vorhanden sind, von denen er bis zu ? als Abschlag an die Sozialplangläubiger auszahlen kann (Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1645 Rn. 113; Kübler/Prütting/Moll, Losebl., §§ 123, 124 InsO, Rn. 85; Balz, DB 1985, 689, 693; Uhlenbruck, NJW 1985, 712, 713). Deshalb wird man, soweit die Zustimmung des Insolvenzgerichts vorliegt und der Insolvenzverwalter nicht plausible Gründe für die Verweigerung von Abschlagszahlungen vorbringen kann, im Rahmen der relativen Obergrenze von einer Verpflichtung zu Abschlagszahlungen ausgehen müssen (Schwerdtner, a.a.O., S. 1605, 1645 Rn. 112; Nerlich/Römermann/Hamacher, Losebl., § 123 Rn. 41). Die Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung liegt nicht darin begründet, dass der beklagte Insolvenzverwalter sich weigert, überhaupt Abschlagszahlungen vorzunehmen, sondern folgt daraus, dass der Kläger mit der Höhe des an ihn ausgezahlten Abschlages nicht einverstanden ist und deshalb eine Nachforderung stellt. Der Beklagte hat am 19.12.2003 den sozialplanberechtigten Arbeitnehmer einen Abschlag in Höhe jeweils der Hälfte der ihnen zustehenden Sozialplanabfindung per Banküberweisung zugeleitet. Der Kläger erhielt nur einen Betrag in Höhe von 3.609,82 € und damit nicht 50%, sondern nur 25% der für ihn nachberechneten Sozialplanabfindung. Hätte der Beklagte bislang keinerlei Abschlagszahlungen erbracht, könnte bei Verschlechterung Situation in Bezug auf die zu verteilende Insolvenzmasse Masseunzulänglichkeit einwenden oder sämtliche Sozialplanabfindungen entsprechend kürzen, falls ansonsten das verteilbare Drittel überzogen würde. Die Sozialplangläubiger müssen dies hinnehmen, es sei denn, sie können Tatsachen vortragen und nachweisen, die eine persönliche Haftung nach §§ 60, 61 InsO begründen würden. Bei der vorliegenden Fallgestaltung müsste der Beklagte, wenn nunmehr Masseunzulänglichkeit eintreten würde, für die Klageforderungen persönlich einstehen, eben weil der Kläger obsiegt und der Beklagte ihm nicht 50% seine Sozialplanforderung als Abschlag gewährt, sondern 25% zu Unrecht vorenthalten hätte. In Fallgestaltungen, in denen es um die gleichmäßige Befriedigung von gleichrangigen Gläubigern geht, verdeutlicht eine Leistungsklage dem beklagten Insolvenzverwalter besser als eine Feststellungsklage, wie haftungsträchtig seine Situation ist. Damit ist die Leistungsklage trotz der ausgeschlossenen Zwangsvollsteckungsmöglichkeit (vgl. § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO) als zulässig anzusehen.

2.Die Klage ist im Hauptantrag nur teilweise begründet, denn der Kläger kann im Rahmen der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum) durch Leitungsklage nur die Aufstockung seines Abschlags auf die auch den übrigen Sozialplangläubigern gezahlten 50% verlangen.

2.1.Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass dem Kläger mit Vergleich vom 12.06.2003 (5 Ca 2869/03) in dem Vorprozess vor dem Arbeitsgericht Herne keine Anspruch auf Vorabbefriedigung seines vollen Sozialplananspruchs zugesagt worden ist. Der Zeuge S6xxxxx hat bei seiner Vernehmung klar und widerspruchsfrei bekundet, der Klägerseite "seinerzeit vor oder im Zusammenhang mit der Unterbreitung meines Formulierungsvorschlags keine definitive Zahlungszusage gemacht" zu haben. Er habe insbesondere "der Klägerseite nicht zugesichert, dass die volle Abfindungssumme 13.764,62 € ausgezahlt werden würde, dies wäre für den Verwalter ein »Harakiri« gewesen". Mit dem Wort »Harakiri« hat der Zeuge zum Ausdruck gebracht, dass es dem Beklagten als Insolenzverwalter verwehrt ist, einseitig einzelne Gläubiger vorab vollständig (= 100%) zu befriedigen, denn im Prinzip greift auch im Abschlagsverteilungsverfahren der Grundsatz der par condicio creditorum ein (Smid, 1. Aufl., § 195 InsO Rn. 4; Uhlenbruck/Uhlenbruck, 12. Aufl., § 195 InsO Rn. 8). Die Definierung gemäß Ziffer 3, dass der Kläger "zum Kreis der Anspruchsberechtigten" aus dem Sozialplan gehöre, ist eine Standardformulierung des Zeugen S6xxxxx, mit welcher anerkannt wird, dass keine Gründe vorgelegen haben, den Kläger von den Sozialplanleistungen auszuschließen. Auch die Angabe zur Höhe der Sozialplanabfindung stellt keine Festschreibung des sich aus dem Sozialplan vom 23.07.2002 für den Kläger ergebende Abfindungsbetrag auf 13.774,62 € dar. Mit den Worten "derzeitigen Berechnungen" hat der Zeuge S6xxxxx verdeutlichen wollen, "dass es sich hierbei noch nicht um eine endgültige Berechnung handelt".

2.2.Die Klausel der Ziffer 2b) Abs. 1 des Sozialplanes vom 23.07.2002, nach welcher Arbeitnehmer, die innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25.06.2002 mit einem anderen Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis eingehen, lediglich die Hälfte der vollen Sozialplanabfindung, also 1,52 Bruttomonatsgehälter erhalten, ist rechtlich zulässig; sie greift aber vorliegend nicht. Zwar hat der Kläger im Vorprozess mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.09.2002 dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten hatte mitteilen lassen, dass er am 09.09.2002 ein Probearbeitsverhältnis bei einer Firma P3xxxx in 22xxx S7xxx angetreten habe, jedoch hat dieser Umstand im Vergleich vom 12.06.2003 (5 Ca 2869/03) in dem Vorprozess vor dem Arbeitsgericht Herne keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr haben die Parteien im Vorprozess sich ausdrücklich darauf verständigt, "dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Schuldnerfirma durch die ordentliche, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 25.07.2002 zum 26.09.2002 beendet worden ist". Damit ist das Arbeitverhältnis zur Insolvenzschuldnerin eben nicht "innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 25.06.2002", also bis einschließlich es 24.09.2002 beendet worden, sondern zwei Tage nach dem Fristablauf. Außerdem hat der Beklagte sich verpflichtet, "das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum Beendigungstermin am 26.09.2002 ordnungsgemäß abzurechnen und den sich hieraus für den Kläger ergebenden Nettobetrag nach den Vorschriften der Insolvenzordnung zur Auszahlung zu bringen". Diese Verpflichtung ist der Beklagte eingegangen, ohne einen evtl. Zwischenverdienst des Klägers ab 09.09.2002 in Abzug zu bringen. Zu diesem, seinem vorangegangenen Tun setzt er sich der Beklagte in Widerspruch, wenn er dem Kläger insgesamt nur die Hälfte der Sozialplanabfindung zahlen möchte.

2.3. Diese Erwägungen führen zu folgendem Ergebnis: Bei einem monatlichen Verdienst von 5.505,85 € hätte die Abfindungssumme 13.764,62 € betragen, die gemäß Sozialplan auf 14.439,30 € zu bereinigen gewesen ist. Da der Beklagte am 19.12.2003 an alle übrigen Sozialplangläubiger die Hälfte der neu berechneten ausgezahlt hat, hätte der Kläger als Abschlag einen Betrag in Höhe von 7.219,65 €. Da er nur einen Abschlag in Höhe von 3.609,82 € steht ihm als Abschlag aus dem Sozialplan vom 23.07.2002 ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 3.609,83 € nebst Prozesszinsen zu (§ 29o Satz 1 HS. 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der darüber hinausgehende Hauptantrag war zurückzuweisen. Auf den Hilfsantrag hin war festzustellen, dass der Kläger darüber hinaus gegen die Insolvenzmasse ein Anspruch aus dem Sozialplan vom 23.07.2002 in Höhe eines Restbetrages von 7.219,65 € als Abfindung hat, der hinsichtlich der Auszahlung unter dem Massevorbehalt des § 123 Abs. 2 InsO steht.

3. Nach alledem war wie geschehen und in der Urteilsformel niedergeschrieben eine Teilabänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils vorzunehmen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zugleich war antragsgemäß nach § 63 Abs. 1 GKG n.F. in Verbindung mit § 32 Abs. 1 RVG und §§ 3 ff. ZPO Wert des Streitgegenstandes für die Kosten und Gebührenberechnung auf den erstinstanzlich zutreffend ermittelten Betrag festzusetzen. Der Streitwertbeschluss hat mit der Urteilsformel verbunden werden können. Da die jüngste Entscheidung des BAG, Urt. v. 22.11.2005 - 1 AZR 458/04 - erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erlassen worden ist, hat sie bei der Frage der Revisionszulassung (§ 72 Abs. 1 ArbGG) noch nicht berücksichtigt werden können. Die Nichtzulassung der Revision war in den Urteilstenor aufzunehmen, da die Parteien bereits nach Verkündung des Urteils wissen müssen, ob der zwischen ihnen bestehende Konflikt entschieden ist oder nicht (§ 72 Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs. 3a ArbGG).

Ende der Entscheidung

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