Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.10.2006
Aktenzeichen: 4 Sa 180/06
Rechtsgebiete: ATG, BGB, InsO


Vorschriften:

ATG § 1 Abs. 1
BGB § 366
BGB § 613a
InsO § 53
Ein Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst auch in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitverhältnisses befindliche Arbeitnehmer.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 21.12.2005 - AZ: 1 Ca 2311/05 unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten ein bis zum 31.07.2007 befristetes Arbeitsverhältnis besteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger im Oktober 2006 297,13 € brutto abzüglich 246,67 € netto zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab November 2006 bis einschließlich Juli 2007 monatlich 2.228,46 € brutto abzüglich 1.850,00 € netto zu zahlen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/5, die Beklagte 1/5.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.386,92 € festgesetzt.

7. Die Revision wird zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem Altersteilzeitverhältnis.

Der am 13.07.1944 geborene Kläger war bei der Firma E1xxx G1xxxx GmbH & Co. KG einer von drei Einkaufssachbearbeitern. In der Einkaufsabteilung waren seinerzeit außerdem noch zwei Schreibkräfte beschäftigt.

Unter dem Datum vom 30.06.2001 begründete er mit seinem Arbeitgeber für den Zeitraum vom 01.08.2001 bis zum 31.07.2007 ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im sog. Blockmodell. Es war zunächst eine dreijährige vollschichtige Arbeitsphase und danach für weitere drei Jahre eine Freistellungsphase vereinbart, während der er von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung vollständig freigestellt sein sollte. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf Aktenblatt 5-10 Bezug genommen.

Am 27.10.2003 wurde über das Vermögen der Firma E1xxx G1xxxx GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin) beim Amtsgericht Iserlohn das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ: 103 IN 129/03) und Rechtsanwalt Dr. W2xxxxxx A1xxxx zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger wurde zunächst bis zum planmäßigen Beginn der Freistellungsphase des Altersteilzeitverhältnisses am 01.08.2004 weiterbeschäftigt. Sein Bruttoarbeitsentgelt in der Freistellungsphase betrug 2.228,46 € pro Monat, von denen 1.850,00 € insolvenzgesichert sind. Außerdem bezog er einen monatlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 712,70 € netto.

Zum 01.06.2005 erwarb die Beklagte Teile des Betriebes der Insolvenzschuldnerin, darunter auch deren Verwaltung. Im Einkaufsbereich beschäftigte der Insolvenzverwalter zuletzt nur noch eine Schreibkraft, die von der Beklagten übernommen wurde. Nicht übernommen wurden der Lackierbetrieb, die Reinigungsabteilung, der Werkschutz und einige Verkaufssachbearbeiter. In dem Unternehmenskaufvertrag ist vorgesehen, dass der Insolvenzverwalter die Beklagte von sämtlichen Ansprüchen freistellt, die Altersteilzeitarbeitnehmer ihr gegenüber berechtigt geltend machen. Die Beklagte hat dem Insolvenzverwalter durch Schriftsatz vom 11.11.2005 den Streit verkündet.

Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, die Beklagte sei aufgrund des erfolgten Betriebsübergangs in die Pflichten der Insolvenzschuldnerin aus dem Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit vom 30.06.2001 uneingeschränkt eingetreten.

Mit seiner am 08.07.2005 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die folgenden Anträge angekündigt:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten bis zum 31.07.2007 ein Altersteilzeitverhältnis besteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31.07.2007 monatlich 2.228,46 € abzüglich 1.850,00 € netto, beginnend mit dem Monat Juni 2005, zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 08.12.2005 wurde die Klage um folgenden Antrag erweitert:

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.370,76 € brutto zuzüglich eines weiteren Betrages in Höhe von 4.276,20 € netto abzüglich gezahlter 11.100,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Mit dem letztgenannten Antrag verfolgt der Kläger Vergütungsansprüche für die Zeit von Juni bis November 2005 einschließlich der Aufstockungsbeträge und abzüglich der insolvenzgesicherten Teilansprüche.

Die Beklagte hat vorgetragen, das in der Freistellungsphase befindliche Altersteilzeitverhältnis des Klägers sei nicht auf sie übergegangen. Ein Arbeitsplatz, der habe übergehen können, sei nicht mehr existent gewesen. Ohne Arbeitsplatz könne ein Arbeitnehmer von einem Betriebsübergang nicht betroffen sein, insbesondere da nicht geklärt werden könne, ob dieser überhaupt dem übernommenen Betriebsteil zuzuordnen sei. Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers Insolvenzforderungen, die gegen den Insolvenzverwalter zu richten seien. Mangels Substanziierung könne der Klage nicht entnommen werden, welcher Teil der geltend gemachten Ansprüche als Insolvenzforderung und welcher als Masseverbindlichkeit anzusehen sei. Jedenfalls sei aber unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG Fälligkeit nicht eingetreten.

Durch Urteil vom 21.12.2005 hat das Arbeitsgericht Iserlohn die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, zwischen den Parteien sei zu keinem Zeitpunkt ein Altersteilzeitverhältnis begründet worden. Ein Altersteilzeitverhältnis in der Freistellungsphase gehe nicht nach § 613a BGB über. Der in der Freistellungsphase befindliche Arbeitnehmer besitze nur noch eine reine Geldforderung, habe aber keinen Arbeitsplatz mehr. § 613a BGB bezwecke aber in erster Linie den Arbeitsplatzschutz. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Aktenblatt 82 und 83) verwiesen.

Gegen das ihm am 09.01.2006 zugestellte Urteil legte der Kläger mit am 01.02.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und begründete diese mit am 07.03.2006 eingegangenem Schriftsatz.

In der Berufung verfolgte der Kläger zunächst seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Dazu vertiefte er seine Rechtsauffassung, wonach die Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten sei. Dies gelte auch für die Freistellungsphase von Altersteilzeitverhältnissen, weil die rechtliche Zugehörigkeit während der Freistellungsphase bestehen bleibe. § 613a BGB setze keinen im Veräußerungsbetrieb bestehenden Arbeitsplatz voraus, sondern einzig und allein die Zuordnung zum übertragenen Betrieb oder Betriebsteil.

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger unter Klagerücknahme im Übrigen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 21.12.2005 - 1 Ca 2311/05 - abzuändern und entsprechend der erstinstanzlichen Klageanträge zu entscheiden, mit der Maßgabe, dass hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 2. Zahlung erst ab dem Monat Dezember 2005 verlangt werde.

Die Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis während der Freistellungsphase werde von einem Betriebsübergang nicht erfasst. Bei einem in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer stehe mit Beginn der Freistellungsphase fest, dass er nicht mehr in den Betrieb zurückkehren werde. Sinn und Zweck des § 613a BGB sei es jedoch, einen Arbeitnehmer vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren. Mit Eintritt in die Freistellungsphase sei der Arbeitnehmer von seiner Hauptleistungspflicht, der Arbeitsleistung, befreit. Sein Anspruch erschöpfe sich in einer reinen Geldforderung. Auch betriebsverfassungsrechtlich verliere der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit. Ende aber mit Beendigung der aktiven Tätigkeit zugleich die Betriebszugehörigkeit, könne eine Altersteilzeitarbeitnehmer in der Freistellungsphase nicht mehr von einem Betriebsübergang nach § 613a BGB erfasst sein. Außerdem könne der ehemalige Arbeitsplatz des Klägers nicht dem von ihr übernommenen Betriebsteil zugeordnet werden. Bei einem in der Freistellungsphase befindlichen Altersteilzeitarbeitnehmer sei dies nicht möglich, weil der Arbeitsplatz nicht mehr bestehe. Entweder sei der Arbeitsplatz weggefallen oder mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Dies gelte umso mehr, wenn - wie vorliegend - nur Betriebsteile übernommen worden seien. Im Übrigen hafte sie nicht für Insolvenzforderungen i.S.v. §§ 38, 174 f. InsO. Derartige Ansprüche seien ausschließlich gegen den Insolvenzverwalter zu richten. Dem klägerischen Vortrag fehle auch in zweiter Instanz jegliche Substanziierung dahin, welche seiner vermeintlichen Ansprüche Insolvenzforderungen und welche Masseverbindlichkeiten seien. Äußerst vorsorglich berufe sie sich darauf, dass die klägerischen Lohnansprüche für die Zeit von Juni 2005 bis einschließlich 26.10.2006 Insolvenzforderungen seien, für welche sie nicht einzustehen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist teilweise auch begründet und führt insoweit zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils.

Das Altersteilzeitverhältnis des Klägers ist im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte haftet allerdings für die von der Insolvenzschuldnerin eingegangenen Verpflichtungen nach dem Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit vom 30.06.2001 nicht uneingeschränkt, sondern nur für einen Zeitraum, der der Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bis zum Ende der Arbeitsphase am 31.07.2004 entspricht und muss daher erst ab dem 27.10.2006 bis zum 31.07.2007 die aus dem Altersteilzeitverhältnis resultierenden Vergütungsansprüche erfüllen.

Im Einzelnen hat die Kammer dazu die nachfolgenden Erwägungen angestellt:

Das mit der Insolvenzschuldnerin begründete Altersteilzeitverhältnis ist auf die Beklagte nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Durch die Begründung eines Altersteilzeitverhältnisses wird ein bestehendes Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar beendet. Es dient vielmehr dem Zweck, älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 ATG). Auch bei der Vereinbarung einer Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell, bei dem der Arbeitnehmer in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zunächst im bisherigen Umfang arbeitet und danach für einen ebenso langen Zeitraum von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird, ändert nichts daran, dass das Arbeitsverhältnis auch noch während der Freistellungsphase Bestand hat. Dies ergibt sich auch aus dem zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Arbeitsvertrag für verblockte Altersteilzeit vom 30.06.2001 unter § 1 Abs. 1, wonach das Altersteilzeitarbeitsverhältnis (erst) zum 31.07.2007 enden soll.

Zum Zeitpunkt des fraglichen Betriebsübergangs am 01.06.2005 bestand folglich ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin. Unstreitig hat ein rechtsgeschäftlicher Übergang i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zwischen dem Streitverkündeten und der Beklagten stattgefunden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht einschränkend dahin auszulegen, dass er nicht für Arbeitnehmer gilt, die sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitverhältnisses befinden.

Soweit ersichtlich, wird diese Rechtsauffassung im Wesentlichen nach Hanau (RdA 2003, 230 f.) vertreten, der aus Sinn und Zweck des § 613a BGB folgert, dass der bezweckte Arbeitsplatzschutz nicht mehr gewährleistet werden könne, nachdem in der Freistellungsphase der Arbeitsplatz des in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmers endgültig weggefallen sei. Auf dieser Literaturmeinung, die auch von der Beklagten geteilt wird, beruht die erstinstanzliche Entscheidung.

Das BAG hat diese Rechtsfrage in seiner Entscheidung vom 19.10.2004 - 9 AZR 645/03 = NZA 2005, 527 ff. ausdrücklich offen gelassen. Dem gegenüber sieht die ganz herrschende Meinung keine Notwendigkeit, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in dieser Weise einschränkend auszulegen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2003 - 12 (15) Sa 1205/03 = ZInsO 2004, 823; LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.10.2003 - 12 Sa 1202/03 = NZA-RR 2004, 288 ff.; LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2005 - 5 Sa 1326/04 - Juris; ErfKomm/Rolfs, 6. Aufl. 2006, § 8 ATG Rdnr. 9; ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rdnr. 67; MünchKomm/Müller-Glöge, Bd. 4, 4. Aufl. 2005, § 613a BGB Rdnr. 83; HWK-Willemsen/Müller-Bonnani, 2. Aufl. 2006, § 613a BGB Rdnr. 222a; Palandt/Weidenkaff, 65. Aufl. 2006, § 613a BGB Rdnr. 5; Küttner/Kreitner, Personalhandbuch 2006 "Betriebsübergang" Rdnr. 3).

Nach Auffassung der Kammer sprechen die besseren Gründe für die herrschende Meinung. Zu Recht macht der Kläger geltend, dass bereits aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB folgt, dass auch Altersteilzeitverhältnisse in der Freistellungsphase von einem Betriebsübergang erfasst werden. Für eine einschränkende Auslegung im Sinne einer teleologischen Reduktion sieht die Kammer keinen Anlass. Die abweichende Auffassung von Hanau verkennt, dass sich der Schutzzweck des § 613a BGB keineswegs in der Erhaltung des Arbeitsplatzes erschöpft. Vielmehr bezweckt § 613a BGB daneben auch die Zuweisung von Haftungsrisiken und die Kontinuität des Betriebsrates und die Aufrechterhaltung der kollektiv-rechtlich geregelten Arbeitsbedingungen (näher: ErfKomm/Preis, a.a.O., Rdnr. 2). § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB ordnet eine Haftung des Betriebsveräußerers für zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits bestehende Verbindlichkeiten an, die neben die Haftung des Betriebserwerbers nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt. Damit wird gewährleistet, dass unabhängig davon, ob beim Betriebserwerber oder beim Betriebsveräußerer Liquiditätsprobleme zu besorgen sind, der Arbeitnehmer durch die Betriebsveräußerung keinem zusätzlichen finanziellen Risiko ausgesetzt ist. Diese Schutzrichtung des § 613a BGB würde verkürzt, wenn im Falle des Betriebsübergangs in der Freistellungsphase befindliche Altersteilzeitverhältnisse nicht mit übergingen. Beim Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell tritt der Arbeitnehmer durch Erbringung seiner vollen Arbeitsleistung im Vertrauen darauf, dass sein Arbeitgeber in der Freistellungsphase das vereinbarte Arbeitsentgelt fortzahlt, in Vorleistung. Ungeachtet der nach § 8a ATG angeordneten Insolvenzsicherung wird der Arbeitnehmer in der Altersteilzeit darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber in der Lage ist, aus seinem laufenden Geschäftsbetrieb seine Verpflichtungen aus dem Altersteilzeitverhältnis zu befriedigen. Veräußert der Arbeitgeber nun den Betrieb, würde nach der Auffassung Hanaus dem Arbeitnehmer das Haftungsobjekt entzogen, ohne dass gewährleistet wäre, dass der erzielte Veräußerungserlös ihm eine äquivalente Sicherung bietet. Dies spricht dagegen, Altersteilzeitverhältnisse in der Freistellungsphase von einem Betriebsübergang auszunehmen.

Dieses Auslegungsergebnis dürfte entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht im Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des BAG stehen. Das BAG hat bisher entschieden, dass Arbeitnehmer, die sich im Erziehungsurlaub (nunmehr Elternzeit) befinden, an einem Betriebsübergang teilnehmen (BAG, Urteil vom 02.12.1999 - 8 AZR 796/98 = NZA 2000, 369 ff.). Der Beklagten ist zuzugeben, dass derartige Arbeitsverhältnisse lediglich ruhen und darauf angelegt sind, nach Beendigung des Erziehungsurlaubes bzw. der Elternzeit wieder aufzuleben. Anders liegt es jedoch bei einem Arbeitnehmer, der in Vorbereitung einer noch auszusprechenden Kündigung von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt wird. Gleichwohl hat das BAG auch in diesem Fall angenommen, dass der betreffende Arbeitnehmer von einem späteren Betriebsübergang erfasst wird (BAG, Urteil vom 18.12.2003 - 8 AZR 621/02 = NZA 2004, 791 ff.). Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des BAG rechtfertigen keine andere Annahme. Im Beschluss des BAG vom 16.04.2003 - 7 ABR 53/02 = NZA 2003, 1345 ff.) ging es im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens um die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer i.S.v. § 9 Satz 1 BetrVG. Dass diesbezüglich die in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer nicht mitzuzählen sind, weil sie nicht in den Betrieb zurückkehren, ergibt sich bereits daraus, dass § 9 Satz 1 BetrVG auf die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer abstellt. Auch der Beschluss des BAG vom 25.10.2000 - 7 ABR 18/00 (NZA 2001, 461 f.) bezieht sich lediglich auf die Wählbarkeit als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach § 76 Abs. 2 BetrVG 1952. Zu Recht hat das BAG dafür festgestellt, dass es Altersteilzeitarbeitnehmern in der Freistellungsphase an einem unmittelbaren Bezug zu den betrieblichen Abläufen und damit an einer Betroffenheit von Entscheidungen des Aufsichtsrates fehlt. Daraus folgt jedoch nichts für die Frage, ob solche Arbeitnehmer an einem Betriebsübergang teilnehmen.

Alles in allem kommt die Kammer zum Ergebnis, dass die besseren Gründe dafür sprechen, dass Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern in der Freistellungsphase der Altersteilzeit von einem Betriebsübergang erfasst werden.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Insolvenzschuldnerin ist durch den Betriebsübergang vom 01.06.2005 auf die Beklagte übergegangen. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass es einen spezifischen Arbeitsplatz des Klägers nach Beginn der Freistellungsphase des Altersteilzeitverhältnisses nicht mehr gab. In der Konsequenz der oben gemachten Ausführungen liegt es, dass jedenfalls dann, wenn der Betrieb als Ganzes nach § 613a BGB übergeht, auch die ruhenden Arbeitsverhältnisse ohne weiteres erfasst sind. Etwas anderes würde allerdings dann gelten, wenn nur ein Betriebsteilübergang stattgefunden hätte und eine Zuordnung des Arbeitsverhältnisses gerade auf den übertragenen Betriebsteil nicht möglich wäre. § 613a BGB setzt für einen Teilbetriebsübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Betriebsteile, beispielsweise ein Verwaltungsbereich, gehen dann über, wenn dessen sächliche oder immaterielle Betriebsmittel oder der nach der Zahl und Sachkunde wesentliche Teil des dort beschäftigten Personals übertragen worden sind. Voraussetzung ist, dass der entsprechende Bereich beim Veräußerer organisatorisch verselbstständigt ist (BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 8 AZR 147/05 = NZA 2006, 1105 ff.; BAG, Urteil vom 08.08.2002 - 8 AZR 583/01 = NZA 2003, 315 ff.). Nach ihrem eigenen Sachvortrag ist davon auszugehen, dass die Beklagte nur einzelne Teilbereiche der Insolvenzschuldnerin, namentlich die Lackiererei, die Reinigung und den Pförtnerdienst ausgeklammert, im Übrigen aber den Betrieb der Insolvenzschuldnerin insgesamt übernommen hat. Aus den Angaben der Beklagten, sie habe außerdem einen Teil der Verkaufssachbearbeiter nicht übernommen, ergibt sich im Umkehrschluss, dass ansonsten auch der Verwaltungsbereich insgesamt von der Betriebsveräußerung erfasst war. Eine eigenständige Einkaufsabteilung hat es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zwar nicht mehr gegeben, wohl aber gab es noch die Funktion des Einkaufs, so dass dieser Bereich auf die Beklagte als Bestandteil der Verwaltung mit übergegangen ist. Der Kläger als früherer Einkaufssachbearbeiter muss somit dem Verwaltungsbereich zugeordnet werden. Dies führt dazu, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen ist.

Nach alledem war deshalb antragsgemäß festzustellen, dass zwischen den Parteien ein bis zum 31.07.2007 befristetes Altersteilzeitverhältnis besteht.

Entgegen der Auffassung des Klägers folgt daraus allerdings noch nicht eine vollständige Haftung der Beklagten für die mit der Klage verfolgten Vergütungsansprüche. Nach der Rechtsprechung des BAG, der die Kammer folgt, gilt vielmehr folgendes: In der Insolvenz gilt der Eintritt der Haftung des Betriebserwerbers für rückständige Forderungen nur eingeschränkt. Soweit die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts eingreifen, gehen diese als Spezialregelungen vor. Damit wird sichergestellt, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Außerdem werden Betriebsübernahmen in der Insolvenz erleichtert. Besondere Verteilungsgrundsätze bestehen hinsichtlich der Forderung, die ein Gläubiger als Insolvenzgläubiger geltend zu machen hat (§§ 38, 174 ff. InsO). Dagegen sind Forderungen, die sich als Masseverbindlichkeiten gegen die Insolvenzmasse richten, aus dieser ohne irgendwelche Beschränkung vorweg zu berichtigen (§ 53 InsO). Die insolvenzrechtliche Beschränkung des Eintritts der Haftung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergreift deshalb lediglich Insolvenz-, nicht jedoch Masseforderungen. Die Abgrenzung erfolgt danach, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht wurde. Der Zeitpunkt der Arbeitsleistung bestimmt nämlich, inwieweit die Leistungen der Masse zugute kommen. Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seinen vollen Arbeitsleistungen im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Er hat hierdurch Entgelte erarbeitet, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase angespart werden. Der Arbeitnehmer erarbeitet sich damit im Umfang seiner Vorleistungen zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistungspflicht. Das während der Freistellungsphase ausgestellte Entgelt ist daher Gegenleistung für die bereits während der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinaus gehende Arbeit. Der Anspruch darauf ist damit im insolvenzrechtlichen Sinne "für" diese Zeit geschuldet. Die so vorzunehmende Aufteilung nach der Erbringung der Arbeitsleistung vor oder nach der Insolvenzeröffnung betrifft sowohl das entsprechend der Verringerung der Gesamtarbeitsleistung während der Altersteilzeit halbierte Arbeitsentgelt als auch die Aufstockungsbeträge. Soweit Entgeltleistungen "für" die Zeit nach der Insolvenzeröffnung zu erbringen sind, weil die Insolvenz während der Arbeitsphase eingetreten ist, hat die Zahlung zeitversetzt zu erfolgen: Das Entgelt ist während des Zeitraums der Freistellungsphase auszuzahlen, der in seiner Lage dem Zeitraum der Arbeitsphase entspricht, der nach der Insolvenzeröffnung liegt. Im Blockmodell der Altersteilzeitarbeit wird die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung jeweils spiegelbildlich für den entsprechenden Monat der Arbeitsphase gezahlt. Das entspricht der Regel des § 366 BGB, wonach eine Erfüllungsleistung zuerst auf die älteste Forderung zu zahlen ist (BAG, Urteil vom 19.10.2004 - 9 AZR 647/03 = NZA 2005, 408 ff.; BAG, Urteil vom 19.10.2004 - 9 AZR 645/03 = NZA 2005, 527 ff.; LAG Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2005 - 5 Sa 1326/04, Juris; a.A. zur Fälligkeit der Zahlungsansprüche: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2006 - 2 Sa 418/05 = NZA-RR 2006, 293 f.).

In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall gilt, wie die Beklagte zu Recht darauf hinweist, dass hinsichtlich der Arbeitsphase das Altersteilzeitverhältnis zu unterteilen ist in die Zeit vom 01.08.2001 bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27.10.2003. Ansprüche für diesen Zeitraum, 26 Monate und 26 Tage, kann der Kläger nur als Insolvenzforderung gegenüber dem Streitverkündeten geltend machen. Eine Haftung der Beklagten ist insoweit ausgeschlossen. Dem gegenüber ist die restliche Zeit der Arbeitsphase vom 27.10.2003 bis zum 31.07.2004, mithin neun Monate und vier Tage, eine Arbeitsleistung, deren entgeltliches Äquivalent als Masseschuld zu qualifizieren ist, so dass insoweit die Beklagte dafür nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB haftet. Die zeitversetzte "spiegelbildliche" Haftung der Beklagten führt dazu, dass sie erstmals für Zahlungsansprüche des Klägers ab dem 27.10.2006 einzustehen hat. Dies sind für den Monat Oktober 2006 zeitanteilig 297,13 € brutto abzüglich des anteiligen Nettobetrags. Für die weiteren neun Monate ab November 2006 bis Juli 2007 muss die Beklagte den vollen Monatsbetrag von 2.228,46 € brutto abzüglich der 1.850,00 € netto zahlen. Dies konnte nach § 258 ZPO trotz der noch fehlenden Fälligkeit ausgesprochen werden. Insbesondere ist insoweit die Klage entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unsubstanziiert. Die erforderlichen Tatsachen, die die Kammer in die Lage versetzen, dies auszusprechen, wurden vom Kläger vorgetragen und sind unstreitig. Die außerdem an den Kläger zu zahlenden monatlichen Aufstockungsbeträge in Höhe von 712,70 € sind nicht Gegenstand des Klageantrags zu Ziffer 2. und konnten nach § 308 Abs. 1 ZPO deshalb auch nicht zuerkannt werden. Aus den vorgenannten Erwägungen waren Zahlungsansprüche für die Zeit vor dem 27.10.2006 und damit auch der Zahlungsantrag zu Ziffer 3. abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Bei der Bemessung des Streitwerts hatte die Kammer nach § 42 Abs. 3 GKG für 26 Monate den Differenzbetrag zwischen 2.228,46 € und 1.850,00 €, mithin 378,46 €, das sind gesamt 9.839,96 €, anzusetzen. Für den Antrag zu Ziffer 3. war der saldierte Betrag von 6.546,96 € hinzuzurechnen. Neben den Zahlungsansprüchen kam dem Antrag zu Ziffer 1. ein weitergehender wirtschaftlicher Wert nicht zu und blieb deshalb außer Ansatz.

Die Kammer hat die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da ihrer Auffassung nach der Frage, ob Altersteilzeitverhältnisse in der Ruhephase von einem Betriebsübergang erfasst werden, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

Zurück