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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.12.2007
Aktenzeichen: 4 Sa 1892/06
Rechtsgebiete: KSchG, BGB
Vorschriften:
KSchG § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b | |
KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 615 |
2. Ein arbeitgeberseitiger Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der auf die im Prozess vom Arbeitnehmer unsubstanziiert vorgetragene Behauptung gestützt wird, der Arbeitgeber drohe anderen Mitarbeitern mit Entlassung, sollten sie als Zeugen zugunsten des gekündigten Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht aussagen, ist unbegründet, wenn diese Behauptung nicht wiederholt wird und sich in Würdigung der sonstigen Prozessführung des Arbeitnehmers als einmalige Entgleisung darstellt.
3. Der im Stundenlohn beschäftigte Arbeitnehmer kann Verzugslohnansprüche jedenfalls dann auf Basis des zuletzt gezahlten durchschnittlichen Monatslohns geltend machen, wenn er in der Vergangenheit Lohnzulagen in wechselnder Höhe erhalten hat.
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.10.2006 abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die arbeitgeberseitige Kündigung vom 22.12.2005 nicht aufgelöst wurde.
3. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.
4. Die Beklagte wird unter Abweisung der Berufung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 13.504,26 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 6.672,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz
aus 1.138,61 € seit dem 16.05.2006,
aus weiteren 1.138,61 € seit dem 16.06.2006,
aus weiteren 1.138,61 € seit dem 16.07.2006,
aus weiteren 1.138,61 € seit dem 16.08.2006,
aus weiteren 1.138,61 € seit dem 16.09.2006
und aus weiteren 1.138,61 € seit dem 16.10.2006
zu zahlen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 97,7% und der Kläger 2,3%.
6. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung sowie über Annahmeverzugslohn.
Der Kläger ist am 02.04.1971 geboren, verheiratet und war zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung zwei minderjährigen Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Er ist mindestens seit dem 01.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung, hat bei der Beklagten aber die Berechtigung zum Führen von Gabelstaplern erworben. Er war zunächst als Lagerist und Transportmitarbeiter unter Eingruppierung in die Lohngruppe 3 tätig, seit 1995 als Maschinenbediener. Aufgrund einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung, auf die der Kläger sich erfolgreich beworben hatte, wurde er seit dem 01.04.2000 als Qualitätsprüfer beschäftigt. Zum 01.05.2003 erfolgte eine Höhergruppierung in die Lohngruppe 4. Darüber wurde er mit Schreiben vom 05.06.2003, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 22 verwiesen wird, informiert. Die Löhne des Klägers sind jeweils am 15. des Folgemonats zur Zahlung fällig. Sein Stundenlohn hat zuletzt 12,30 € betragen.
Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 19/20 verwiesen wird. Ferner existiert bei der Beklagten ein Haustarifvertrag (Aktenblatt 269-281: Fassung vom 02.04.2007). Der Vorgängertarifvertrag vom 17.01.1997 (Aktenblatt 332-337) nahm Bezug auf den Manteltarifvertrag für Arbeiter in der Ledererzeugenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 22.01.2003 (Aktenblatt 338-349).
Die Beklagte ist aus einem Unternehmen der lederverarbeitenden Industrie hervorgegangen. Sie produziert nunmehr im Dreischichtbetrieb schwerpunktmäßig Kunststoff-Zubehörteile für die Automobilindustrie mit den Fertigungsbereichen Blastechnik, wo der Kläger zuletzt eingesetzt war, und Spritzgießtechnik. Sie beschäftigt ca. 375 Arbeitnehmer. Die Eingruppierung ihrer Mitarbeiter erfolgt noch in Anlehnung an einen zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. M1 W2 GmbH, und der Gewerkschaft Leder am 18.04.1975 vereinbarten Lohngruppenkatalog (Aktenblatt 285-290). Ende der 80er Jahre wurde in einem Lohntarifvertrag (Aktenblatt 291) die Reihenfolge der Lohngruppen umgekehrt, und es wurden für Facharbeiter die neuen Lohngruppen 5 bis 7 eingeführt. Im Jahr 2002 setzte die Beklagte zur Überprüfung der bestehenden Eingruppierungen eine Projektgruppe ein. Diese verständigte sich u.a. darauf, die Qualitätsprüfer ab 01.05.2003 in die Lohngruppe 4 einzustufen. Maschinenbediener (Produktionsmitarbeiter) verblieben in der Lohngruppe 3, Lagermitarbeiter ohne herausgehobene Tätigkeiten in der Lohngruppe 2.
Am 01.12.2004 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat einen Interessenausgleich, in dem es u. a. heißt:
"3. Umsetzung des Personalabbaus
Der Personalabbau wird unter Berücksichtigung folgender Faktoren erfolgen:
- Nutzung der natürlichen Fluktuation
- Anteil an Leiharbeitnehmer und Fremdmitarbeiter auf ein Minimum reduzieren
- Befristete Beschäftigte
- Betriebsbedingte Kündigungen
Bevor betriebliche Kündigungen ausgesprochen werden ist zu überprüfen, ob der betreffende Mitarbeiter nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens versetzt werden kann.
Das Ausscheiden von Mitarbeitern durch natürliche Fluktuation, Eigenkündigung, Person- und Verhaltensbedingte Kündigung, Aufhebungsvereinbarung oder sonstige Entlassungsvereinbarungen aus den von der Betriebsänderungen betroffenen Bereichen werden auf die Zahl des geplanten Personalabbaus angerechnet. Grundlage ist die Anlage 1 zur Auswahlrichtlinie.
..."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Aktenblatt 54-56 verwiesen.
Zugleich wurde ein Sozialplan (Aktenblatt 147-151) verabschiedet, in dem es heißt:
"6. Versetzung
6.1 Angebot eines freien Arbeitsplatzes
Mitarbeiter die auf Arbeitsplätzen innerhalb des Unternehmens versetzt werden, erhalten eine detaillierte Information bezüglich Tätigkeit, Eingruppierung und Lage der Arbeitszeit am neuen Arbeitsplatz. Der Zeitpunkt des Angebots ist dem Mitarbeiter spätestens eine Woche vor der geplanten Versetzung zu unterbreiten. Ein Arbeitsplatz gilt unter nachfolgenden Kriterien als zumutbar.
6.2 Der Arbeitsplatz ist funktionell zumutbar, wenn die Anforderungen der Qualifikation (Ausbildung, Erfahrung und bisherige Tätigkeit) des Mitarbeiters entsprechen oder der Mitarbeiter die erforderliche Qualifikation durch eine Anlernphase erwerben kann. Darüber hinaus müssen die gesundheitlichen Voraussetzungen gegeben sein.
6.3 bis 6.5 ...
7. Wiedereinstellung
7.1 Die aus betriebsbedingten Gründen gekündigten Mitarbeiter werden im Falle von Neueinstellungen auf für sie geeigneten Arbeitsplätzen bis zum 30.06.2006, bei gleicher Qualifikation im Vergleich zu externen Bewerbern bevorzugt wieder eingestellt."
Schließlich einigte sich die Beklagte mit dem Betriebsrat auf eine Auswahlrichtlinie, die als Anlage 2 zum Interessenausgleich beschlossen wurde (Aktenblatt 282-284).
Bis zum Jahr 2005 setzte die Beklagte pro Schicht und Fertigungsbereich mindestens einen Qualitätsprüfer ein. Anfang Dezember 2005 hat sie entschieden, künftig die sog. Werkerselbstprüfung einzuführen und nach Schulung ihrer Produktionsmitarbeiter nur noch einige "Produktprüfer" zur Schulung, Kontrolle und Bearbeitung von Kundenreklamationen einzusetzen. Insgesamt hatte die Beklagte im Bereich der Qualitätsprüfung zehn Mitarbeiter beschäftigt, die die nachfolgenden Sozialdaten aufweisen:
...
Mit Schreiben vom 12.12.2005, wegen dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 39-43 Bezug genommen wird, hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Dieser nahm durch Schreiben vom 20.12.2005 hiervon Kenntnis. Mit Schreiben vom 22.12.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2006 und stellte ihn ab dem 03.02.2006 von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Neben dem Kläger hat die Beklagte auch die Mitarbeiter S2, K6 und M2 betriebsbedingt entlassen.
Gegenstand des mit der Klage - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzugs - verfolgten Zahlungsanspruchs sind die Bruttolöhne für die Monate April bis September 2006, für Mai 2006 unter Einbeziehung eines Urlaubsgeldes in Höhe von 484,00 €. Zur Berechnung hat der Kläger vorgetragen, er habe in der Zeit von April 2005 bis März 2006 insgesamt 27.008,60 € verdient, woraus sich eine durchschnittliche Vergütung von monatlich 2.250,71 € errechne. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat das Lohnkontenblatt des Klägers für den Zeitraum Januar 2005 bis März 2006 zur Akte gereicht, aus dem hervorgeht, dass dieser in der Zeit von April 2005 bis März 2006 insgesamt 28.036,12 € brutto verdient hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Aktenblatt 99/100 verwiesen. Der Kläger bezog ab dem 01.04.2006 ein Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.112,10 €.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte handle dem Interessenausgleich vom 01.12.2004 zuwider, denn sie habe in den letzten Jahren große Teile ihrer Belegschaft abgebaut und durch Leiharbeitnehmer ersetzt. Inzwischen beschäftige sie in den Bereichen Blastechnik, Spritztechnik sowie in den entsprechenden Lagerbereichen mehr Leiharbeitnehmer als festes Personal und zwar überwiegend längerfristig, zum Teil seit über zwei Jahren. Die von Leiharbeitnehmern eingenommenen Stammarbeitsplätze seien zu seinen Gunsten als freie Arbeitsplätze anzusehen. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, ihm zur Vermeidung einer Kündigung einen dieser Arbeitsplätze anzubieten. Er gehe gerne zurück an seine alte Wirkungsstätte. Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl sei fehlerhaft. Zwischen ihm und Herrn K7, der weiterhin als Laufprüfer tätig sei, bestünden in qualitativer Hinsicht keinerlei Unterschiede, er verfüge über dieselben Erfahrungen und Kompetenzen, sei aber ihm gegenüber schutzwürdiger. Seit April 1997 sei er nicht mehr nur als Maschinenbediener, sondern auch als Einrichter tätig gewesen. Gegebenenfalls sei er in der Lage, etwa noch fehlende Fähigkeiten innerhalb einer kurzen Einarbeitungszeit zu erwerben. Außerdem habe die Beklagte verkannt, dass die Sozialauswahl auf alle gewerblichen Mitarbeiter in der Blaserei und der Spritzerei zu erstrecken gewesen sei. Dort gebe es 33 weitere Mitarbeiter, die im Hinblick auf ihre Sozialdaten weniger Punkte als er aufwiesen. Auch die Betriebsratsanhörung sei unwirksam, weil die Beklagte es verabsäumt habe, den Betriebsrat darauf hinzuweisen, dass auch er aufgrund seiner Vorkenntnisse in der Lage sei, Einrichtertätigkeiten auszuführen. Eine neue Beschäftigung habe er bisher nicht gefunden. Angeboten worden seien ihm ausschließlich Tätigkeiten bei Leiharbeitsfirmen zu Stundenlöhnen unter 9,00 €. Aus Erklärungen von Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit ergebe sich der Verdacht, dass der Personalleiter der Beklagten E2 mit Leiharbeitsfirmen Kontakt gehabt habe, um ihn dort "beklagtenfreundlich" zu entsorgen.
Die Beklagte hat vorgetragen, seit Februar 2006 gebe es im Bereich der Blastechnik keine Qualitätsprüfung im bisherigen Sinne mehr. Der Arbeitsplatz des Klägers sei durch die Umstellung auf die Werkerselbstprüfung entfallen. Auch im Bereich der Spritzgießtechnik, wo der Kläger zuletzt hilfsweise zur Überbrückung eingesetzt gewesen sei, werde die Umstellung bis zum Jahresende 2006 abgeschlossen sein. Hintergrund ihrer unternehmerischen Entscheidung sei eine negative Umsatzentwicklung sowohl im Bereich der Blastechnik als auch im Bereich der Spritzgießtechnik. Die soziale Auswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Herrn K7 könne im Bedarfsfall als Einrichter eingesetzt werden, was in der Vergangenheit regelmäßig vorgekommen sei. Er habe eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich der Metalltechnik absolviert. Eine Einrichtertätigkeit könne der Kläger mangels fachlicher Kompetenz nicht erbringen. Deshalb bestehe zwischen dem Kläger und Herrn K7 keine Vergleichbarkeit, jedenfalls liege in dessen Weiterbeschäftigung aber ein berechtigter betrieblicher Belang. Mit den Produktionsmitarbeitern sei der Kläger nicht vergleichbar, weil diese nach den Lohngruppen 1 - 3 vergütet würden, während er als Qualitätsprüfer eine qualifiziertere Tätigkeit ausgeübt habe. Hinsichtlich der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern habe sie vor dem Hintergrund kurzfristiger Auftragsschwankungen im Januar 2005 die unternehmerische Entscheidung getroffen, bei betrieblicher Notwendigkeit bis zu 15% der Belegschaft durch solche Arbeitskräfte abzudecken. Diese Entscheidung sei weder willkürlich noch unsachlich und damit bindend. Der vorübergehende Bedarf für den Einsatz von Leiharbeitnehmern ergebe sich zum einen daraus, dass Mitarbeiter Urlaub hätten, Gleitzeitguthaben in Anspruch nähmen oder arbeitsunfähig erkrankten, zum anderen daraus, dass sie als Automobilzulieferer häufig kurzfristig Aufträge abzuwickeln habe, teilweise auch angekündigte Aufträge kurzfristig nicht durchzuführen seien, so dass sich erhebliche Schwankungen im Beschäftigungsbedarf ergäben. Auftragsschwankungen seien gängige Praxis bei den Automobilzulieferern und führten zu einer bedingungslosen Flexibilitätsnotwendigkeit. Da die Zulieferer keine Laufzeitgarantien erhielten, müssten Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, um Ausfällen zu begegnen. Dazu sei es in der Vergangenheit immer wieder gekommen, woraus jeweils erhebliche Umsatzeinbrüche resultiert hätten.
Das Arbeitsgericht hat zur Umstellung auf die Werkerselbstprüfung und zu einer früheren Tätigkeit des Klägers als Einrichter Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen O1, H2 und K8. Wegen der Einzelheiten der Beweisausnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 03.05.2006, Aktenblatt 65-67, Bezug genommen.
Durch Urteil vom 25.10.2006 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es angenommen, die Kündigung der Beklagten sei sozial gerechtfertigt und habe das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2006 beendet. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass durch eine Organisationsentscheidung der Beklagten das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger als Laufkontrolleur entfallen sei. Zugleich sei die Behauptung des Klägers, eine Laufprüfung finde nach wie vor statt, widerlegt. Eine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz habe der Kläger nicht substanziiert aufgezeigt. Die mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze seien nicht als frei anzusehen, nachdem die Beklagte die unternehmerische Organisationsentscheidung getroffen habe, bis zu 15% der Belegschaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Die Entscheidung zur Beschäftigung von Leiharbeitnehmern sei unabhängig von der Kündigung des Klägers getroffen worden. Anders als im Falle einer Austauschkündigung sei die Entscheidung, eine bestimmte Personalreserve für Vertretungen bzw. Auftragsspitzen durch Leiharbeitnehmer abzudecken, als unternehmerische Organisationsentscheidung hinzunehmen. Das Verhalten der Beklagten verstoße deshalb auch nicht gegen den Interessenausgleich, weil ein freier Arbeitsplatz vorliegend gerade nicht vorhanden gewesen sei. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Der Kläger könne sich nicht auf den sozial stärkeren Mitarbeiter K7 berufen, denn die Beklagte habe diesen wegen berechtigter betrieblicher Interessen aus der Sozialauswahl herausnehmen dürfen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger in der Vergangenheit keine selbstständigen Einrichtertätigkeiten ausgeführt habe und dies - anders als der Mitarbeiter K7 - fachlich auch nicht beherrsche. Eine Überprüfung mit Mitarbeitern an Maschinen oder solchen im Lager komme mangels Vergleichbarkeit nicht in Betracht. Die Kündigung sei auch nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Beklagte habe dem bei ihr gebildeten Betriebsrat die aus ihrer Sicht maßgeblichen Informationen erteilt. Eine bewusst unvollständige oder falsche Information sei nicht ersichtlich. Die Kündigungsfrist sei gewahrt. Die zu berücksichtigende Betriebszugehörigkeit des Klägers sei nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB erst mit Vollendung seines 25. Lebensjahres zu berechnen. Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2006 wirksam beendet habe, stünden dem Kläger die von ihm geltend gemachten Annahmeverzugslohnansprüche nicht zu.
Gegen das am 30.11.2006 zugestellte Urteil haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit am 04.12.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.02.2007 mit am 26.02.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Unstreitig habe die Beklagte zwar die unternehmerische Entscheidung getroffen, unter Verzicht auf die Beschäftigung von Laufprüfern eine Qualitätskontrolle im Rahmen der Werker-Selbstprüfung durchzuführen. Bestritten werde aber, dass es zu einem Wegfall seines Arbeitsplatzes gekommen sei. Im Rahmen der Sozialauswahl müsse berücksichtigt werden, dass er in der Lage sei, innerhalb einer Frist von maximal drei Monaten die notwendigen Handgriffe zur Einrichtung von Maschinen zu erlernen. Ohnehin habe der Mitarbeiter K7 nach eigenem Vortrag der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt fast ein Jahr lang keine Einrichtertätigkeiten mehr verrichtet. Er selbst habe früher Tätigkeiten als stellvertretender Schichtleiter und als Einrichter ausgeübt. Dies könnten die Zeugen S3 und P2 bestätigen. Er kenne noch weitere Zeugen, die dazu Angaben machen könnten. Allerdings sei ihm zu Ohren gekommen, dass die Beklagte Produktionsmitarbeiter, die mit ihm in engem Verhältnis stünden, in Aussicht gestellt habe, sie verlören ihren Arbeitsplatz, falls sie für ihn in einem gerichtlichen Verfahren aussagten. Zwei Mitarbeiter seien darauf hingewiesen worden, sie sollten als Zeugen die Finger von der Sache U1 lassen, falls sie weiterhin bei der Firma arbeiten wollten. Eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten über die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern in Höhe eines Anteils von 15% der Gesamtbelegschaft habe es zu keiner Zeit gegeben. Ohnehin beschäftige die Beklagte weit mehr Leiharbeitnehmer, davon einen Großteil im Bereich der Spritzerei und der Blaserei, die zum Teil seit Jahren an den dortigen Maschinen oder als Staplerfahrer tätig seien. Im Zeitraum der Kündigung habe die Beklagte täglich zwischen 30 und 40 Leiharbeitnehmer beschäftigt, viele davon dauerhaft. Diese Tätigkeiten könne auch er aufgrund seiner umfangreichen Erfahrungen verrichten. Die damit einhergehende Reduzierung seiner Vergütung auf den Stand eines Produktionsmitarbeiters sei für ihn selbstverständlich. Die Beklagte verstoße auch gegen Ziffern 6.1 und 7 des Sozialplans. Die Betriebsratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß. Dem Betriebsrat sei nicht mitgeteilt worden, dass Herr K7 kein ausgebildeter Einrichter sei. Der Betriebsrat bekomme im Rahmen des Anhörungsverfahrens hinsichtlich des Herrn K7 ein falsches Bild. Dieser habe die Einrichtertätigkeit genau wie er selbst durch "learning by doing" erlernt. Die Beklagte hätte gegenüber dem Betriebsrat den Nachweis erbringen müssen, dass der Mitarbeiter K7 tatsächlich als Einrichter eingesetzt worden sei. Ansonsten sei dessen vermeintliche Zusatzqualifikation nicht von Bedeutung.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.10.2006, AZ. 6 Ca 17/06, festzustellen, dass das zwischen den Parteien seit dem 29.05.1989 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 22.12.2005, zugegangen am 22.12.2005, zum 31.03.2006 beendet wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.734,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen;
6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen;
7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006, abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.112,10 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und hilfsweise,
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum Ablauf des 31.03.2006 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor, die durchgeführte Sozialauswahl sei ordnungsgemäß. Im Gegensatz zum Kläger verfüge der Mitarbeiter K7 über eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich der Metalltechnik. Aufgrund der vor dem Arbeitsgericht Bielefeld durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger zu keiner Zeit als Einrichter tätig gewesen sei. Er könne diese Tätigkeit auch nicht binnen drei Monaten erlernen. Der Zeuge O1 habe ausgesagt, dass selbst nach einer Ausbildung zwei Jahre benötigt würden, um die Fertigkeiten als Einrichter vollständig zu erlangen. Tatsächlich werde Herr K7 neben seiner Tätigkeit als Produktprüfer laufend seit 1992 als Einrichter beschäftigt. Als Laufprüfer sei er seit Anfang 2006 nicht mehr tätig. Die mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze seien nicht als frei i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG anzusehen. Die im Januar 2005 getroffene unternehmerische Entscheidung, 15% der Gesamtbelegschaft bei betrieblicher Notwendigkeit durch Leiharbeitnehmer abzudecken, sei u.a. auf einer Betriebsversammlung am 26.04.2005 und in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 28.02.2005 bekannt gemacht worden. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß. Ob Herr K7 eine betriebsinterne Ausbildung als Einrichter erhalten oder eine betriebsfremde Ausbildung habe, sei nicht entscheidend. Dem Betriebsrat sei bekannt gewesen, dass eine innerbetriebliche Ausbildung vorgelegen habe. Ein Nachweis über dessen Tätigkeit als Einrichter sei im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht zu erbringen. Die Berechnung des vom Kläger behaupteten Annahmeverzugslohns sei nach wie vor falsch, er müsse eine konkrete Berechnung vornehmen.
Die Behauptung des Klägers, sie habe Produktionsmitarbeiter unter Druck gesetzt, sei falsch. Der Kläger stelle Behauptungen ins Blaue hinein auf und greife dadurch sie und ihre leitenden Mitarbeiter unzumutbar an. Es lägen damit Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lasse. Hinzu komme, dass der Kläger bereits erstinstanzlich über ihren Personalleiter wahrheitswidrig behauptet habe, dieser habe Kontakt zu Leiharbeitsfirmen aufgenommen, um den Kläger "beklagtenfreundlich zu entsorgen". Auch in dem außergerichtlichen Schriftsatz der Klägervertreter vom 13.02.2006 (Aktenblatt 241/242) werde ihr Personalleiter E2 angegriffen. Die Freistellung von der Arbeitspflicht in einem gekündigten Arbeitsverhältnis sei aber nichts Besonderes. Eine erniedrigende und damit unanständige Art und Weise habe es nicht gegeben. Auch habe er sich nicht über den Kläger lustig gemacht, und es habe auch keine Szenen im Umkleideraum gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
Die Berufung ist auch überwiegend begründet und führt daher zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 22.12.2005 ist sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG. Der Auflösungsantrag der Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist unbegründet und führte daher ebenfalls nicht zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Auch die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche erweisen sich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges als überwiegend begründet. Im Einzelnen hat die Kammer dazu die nachfolgenden Erwägungen angestellt:
1. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.12.2005 ist sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam nach § 1 Abs. 1 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, nachdem der Kläger länger als sechs Monate im Betrieb der Beklagten beschäftigt war und diese unstreitig kein Kleinbetrieb i.S.v. § 23 Abs. 1 KSchG ist.
Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn diese durch Gründe, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Kündigung auf den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers aufgrund ihrer Entscheidung, Aufgaben der Qualitätsprüfung im Wege der sog. Werkerselbstprüfung den Produktionsmitarbeitern zu übertragen. Sie macht damit dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG geltend.
Es ist anerkannt, dass eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung des Unternehmers, mit der die Arbeitsabläufe verändert werden, als Rationalisierungsmaßnahme eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen kann, sofern die Umsetzung der Organisationsentscheidung zum Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führt (etwa ErfK/Oetker, 8. Aufl. 2008, § 1 KSchG, Rdnr. 294). Dies wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen. In der zweiten Instanz dürfte unstreitig geworden sein, dass die Beklagte tatsächlich im Dezember 2005 die Entscheidung getroffen hat, die Qualitätsprüfung in ihren Bereichen Blastechnik und Spritzgießtechnik so umzuorganisieren, dass wegen der Einführung der Werkerselbstprüfung Beschäftigungsmöglichkeiten wegfielen, nämlich die bisher gesondert von Qualitätsprüfern wahrgenommenen Prüfarbeiten. Die Kammer versteht den Sachvortrag des Klägers dahin, dass dieser die grundsätzliche Einführung der Werkerselbstprüfung und der damit verbundene Verlust von Beschäftigungsmöglichkeiten einräumt und nur darauf hinweisen will, dass auch weiterhin gewisse Prüfarbeiten für Qualitätsprüfer auch nach dem neuen unternehmerischen Konzept der Beklagten verbleiben, was die Beklagte nicht in Abrede stellt und was für die Frage der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG von Bedeutung sein mag.
Ob im vorliegenden Fall die Grundsätze der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ausreichend beachtet wurden, insbesondere ob die Beklagte berechtigt war, ihren Mitarbeiter K7 nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG wegen berechtigter betrieblicher Interessen aus dem Kreis der mit dem Kläger zu vergleichenden Arbeitnehmer herauszunehmen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil sich die streitgegenständliche Kündigung bereits deshalb als sozial ungerechtfertigt erweist, weil die Beklagte den Kläger auf einem anderen Arbeitsplatz hätte weiterbeschäftigen können, wozu sie nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 1 b) KSchG verpflichtet war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist eine ordentliche Beendigungskündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen (BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 = NZA 2005, 1289 ff.; BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 650/05 = AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Die Weiterbeschäftigung muss sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber objektiv möglich sein. Dies setzt voraus, dass ein freier vergleichbarer (gleichwertiger) Arbeitsplatz oder ein freier Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen vorhanden ist (BAG, Urteil vom 02.02.2006 - 2 AZR 38/05 = AP Nr. 142 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Diese Weiterbeschäftigungspflicht gilt unabhängig davon, ob ein Widerspruch des zuständigen Betriebsrats vorliegt (BAG, Urteil vom 24.06.2004 - 2 AZR 326/03 = NZA 2004, 1268 ff.; BAG, Urteil vom 17.05.1984 - 2 AZR 109/83 = AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
Die Rechtsfrage, ob mit Leiharbeitnehmern besetzte Dauerarbeitsplätze als freie Arbeitsplätze i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b) KSchG anzusehen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur heftig umstritten (bejahend etwa LAG Hamm, Urteil vom 05.03.2007 - 11 Sa 1338/06 = DB 2007, 1701 f.; LAG Bremen, Urteil vom 02.12.1997 - 1 Sa 88/97 = juris; KR/Griebeling, 8. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rdnr. 528; APS/Kiel, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG, Rn. 568; ErfK/Oetker, 8. Aufl. 2008, § 1 KSchG Rdnr. 256; Düwell/Dahl, DB 2007, 1699 ff.; verneinend LAG Niedersachsen, Beschluss vom 09.08.2006 - 15 TaBV 53/05 = EzAÜG BetrVG Nr. 94; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 836 f.; Löwisch, KSchG, 9. Aufl. 2004, § 1, Rdnr. 276; Simon/Greßlin, BB 2007, 2454 ff.). Die Kammer folgt der inzwischen wohl herrschenden Meinung, wonach der Arbeitgeber unter Beachtung des Ultima-Ratio-Prinzips verpflichtet ist, zunächst im Betrieb beschäftigte Leiharbeiter nicht mehr abzurufen, bevor er eigene Arbeitnehmer, die auf diesen Arbeitsplätzen eingesetzt werden können, betriebsbedingt entlassen darf. Da Leiharbeitnehmer ebenso wie die Stammbelegschaft dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegen, überzeugt die von der Gegenmeinung hiergegen ins Feld geführte unternehmerische Entscheidung nicht. Tatsächlich wird die Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers nämlich gar nicht angetastet. Dem Arbeitgeber wird lediglich angesonnen, die von ihm selbst getroffene Organisationsentscheidung, mit wie vielen Arbeitnehmern und in welcher Art und Weise er die anfallende betriebliche Tätigkeit organisieren will, zunächst mit der Stammbelegschaft durchzuführen. Eben dies entspricht nach Auffassung der Kammer der Konzeption des Kündigungsschutzgesetzes, wonach die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer nach Ablauf von sechs Monaten grundsätzlich Kündigungsschutz genießen sollen, sofern nicht dringende betriebliche Erfordernisse ihrer Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Wollte man dem Arbeitgeber stattdessen gestatten, Leiharbeitnehmer auch dann auf Dauerarbeitsplätzen zu beschäftigen, wenn aus der Stammbelegschaft Mitarbeiter betriebsbedingt entlassen werden sollen, liefe dies letztlich darauf hinaus, dass die nach § 1 Abs. 3 KSchG zu beachtende soziale Auswahl ausgehebelt würde (so auch LAG Hamm, a.a.O.). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Rechtsfrage zwar noch nicht ausdrücklich entschieden, dürfte aber die vorgenannten Grundsätze teilen. In der Crewing-Entscheidung vom 26.09.1996 (2 AZR 200/96 = NZA 1997, 202 ff.) hat es jedoch ausgesprochen, dass der Entschluss, die formale Arbeitgeberstellung aufzugeben, keine eine Kündigung bedingende Unternehmerentscheidung darstellt, wenn der Unternehmer gegenüber den Beschäftigten weiterhin selbst die für die Durchführung der Arbeit erforderlichen Weisungen erteilt. In einem solchen Fall entfielen nicht die Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb, vielmehr sollten nur die eigenen Beschäftigten durch ausgeliehene Arbeitnehmer ersetzt werden. Eine solche Kündigung sei als Austauschkündigung sozial ungerechtfertigt und deshalb unwirksam. In einer weiteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 01.03.2007 (2 AZR 650/05 = AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, die unternehmerische Organisationsfreiheit bestehe nicht um ihrer selbst Willen. Ihre Ausübung dürfe den dem Arbeitnehmer durch das Gesetz gewährten Bestandsschutz nicht wirkungslos machen. Deshalb könne der Ausspruch einer Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht allein durch die Berufung auf die unternehmerische Organisationsfreiheit begründet werden. Ein Arbeitgeber dürfe zwar Vertretungsbedarf durch Arbeitnehmer abdecken, mit denen er durch Rahmenverträge verbunden sei. Es müsse aber ausgeschlossen werden, dass nicht vertretungsbedingter Beschäftigungsbedarf in nennenswertem Umfang durch Rahmenverträge abgedeckt werde.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs konnte die Beklagte dem Kläger deshalb nicht betriebsbedingt kündigen, weil in ihrem Betrieb Maschinenbedienerarbeitsplätze vorhanden sind, auf denen dauerhaft Leiharbeitnehmer beschäftigt werden. Dem diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers ist die Beklagte nur unzureichend entgegengetreten. Zunächst hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, es unterfalle ihrer freien unternehmerischen Entscheidung, 15% der im Betrieb insgesamt vorhandenen Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern im Bedarfsfall zu beschäftigen. Schon angesichts dieses hohen Prozentsatzes ist die Vermutung naheliegend, dass in nicht unwesentlichem Anteil dauerhaft Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzt werden. Die nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG beweisbelastete Beklagte hat der Kammer nicht die Überzeugung davon verschaffen können, dass kurzfristige Auftragsschwankungen in der Größenordnung von bis zu 15% zu besorgen sind, so dass Leiharbeitnehmer tatsächlich nur zur Überbrückung von Auftragsspitzen eingesetzt werden, was die Kammer für zulässig hielte. Soweit die Beklagte sich ergänzend darauf beruft, dass Arbeitnehmer aus der Stammbelegschaft wegen Urlaubs, Krankheit und Inanspruchnahme von Freizeitausgleich nicht zur Verfügung stehen, war dieser Sachvortrag von vornherein nicht geeignet, der Kammer die Überzeugung davon zu verschaffen, dass Leiharbeitnehmer nicht auf Stammarbeitsplätzen eingesetzt werden. Derartige Ausfallzeiten sind weitgehend planbar und haben nichts mit anfallenden Auftragsspitzen zu tun. Soweit die Beklagte deshalb punktuell für einzelne Tage dargelegt hat, dass der Einsatz von Leiharbeitnehmern zu dem Zweck erfolgte, abwesende Stammarbeitnehmer zu vertreten, war dies unbeachtlich. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, als Automobilzulieferer müsse sie aus betriebswirtschaftlichen Gründen in besonderer Weise auf Auftragsschwankungen flexibel reagieren können. Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten ist im Wesentlichen zu pauschal gehalten. Aus der Schilderung nicht vorhersehbarer Kündigungen einzelner Aufträge und dem damit verbundenen Umsatzrückgang lässt sich keineswegs schließen, dass die Beklagte zur Abdeckung von Auftragsschwankungen darauf angewiesen ist, dauerhaft mit einem Bestand von Leiharbeitnehmern in der Größenordnung von bis zu 15% zu arbeiten. Alles in allem geht die Kammer daher davon aus, dass die Kündigung bereits deshalb sozial ungerechtfertigt ist, weil bei der Beklagten freie Arbeitsplätze zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorhanden waren, auf denen der Kläger - wenn auch zu verschlechterten Arbeitsbedingungen - hätte weiterbeschäftigt werden können. Auf die vom Kläger thematisierte Frage, ob die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß i.S.v. § 102 Abs. 1 BetrVG angehört hat, kam es deshalb nicht mehr an.
2. Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG war zurückzuweisen. Er ist zwar statthaft, weil sich die streitgegenständliche Kündigung vom 22.12.2005 als sozial ungerechtfertigt erweist, jedoch nicht begründet. Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine sozialwidrige Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird dieser Grundsatz durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch oder nicht mehr zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz (BAG, Urteil vom 12.01.2006 - 2 AZR 21/05 = NZA 2006, 917 ff.). Als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen (BAG, Urteil vom 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 = NZA 2003, 261 ff.). Es dürfen nur solche Auflösungsgründe verwertet werden, die vom darlegungsbelasteten Arbeitgeber vorgetragen worden sind (BAG, Urteil vom 30.04.1992 - 2 AZR 26/92 - juris).
Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Kammer der Auffassung, dass jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keine Gründe vorgetragen wurden, die erwarten lassen, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr möglich ist. Die Beklagte hat sich zur Begründung des Auflösungsantrags auf drei Gründe gestützt. In chronologischer Hinsicht hat sie sich zunächst auf den vorgerichtlichen Schriftsatz der Klägervertreter vom 13.02.2006 bezogen. Soweit darin der Beklagten vorgehalten wird, ihr Personalleiter habe den Kläger in erniedrigender und damit unanständiger Art und Weise in Form einer Beurlaubung an die Luft gesetzt, und er habe sich darüber lustig gemacht, dass der Kläger um seinen Job kämpfen wolle, handelt es sich sicherlich um eine pointierte Wertung seitens des Klägers bzw. seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten, die jedoch nach Auffassung der Kammer das zulässige Maß beim Kampf des Klägers um seinen Arbeitsplatz nicht überschritten hat. Ähnliches gilt für die erstinstanzlich erhobene Behauptung des Klägers, der Personalleiter der Beklagten habe Kontakt zu verschiedenen Leiharbeitsfirmen aufgenommen, um ihn - den Kläger - "beklagtenfreundlich zu entsorgen". Allein der Umstand, dass nach Behauptung des Klägers Gespräche seitens der Beklagten geführt worden sein sollen mit dem Ziel, ihm einen neuen, wenn auch schlechter dotierten, Arbeitsplatz zu vermitteln, sind keineswegs ehrenrührig, sondern können im Gegenteil sogar Ausdruck einer besonderen Fürsorge sein. Ungeachtet der Frage, ob es derartige Gespräche überhaupt gegeben hat, ist die Kommentierung seitens des Klägers "beklagtenfreundlich entsorgen" zweifellos unsachlich und unangemessen. Aber auch derartige Ausdrucksweisen sind nach Auffassung der Kammer im Kündigungsschutzprozess noch zu tolerieren. Demgegenüber ist die in der zweiten Instanz seitens des Klägers pauschal erhobene Behauptung, die Beklagte habe potentielle Zeugen, die womöglich zu seinen Gunsten hätten aussagen können, aufgefordert, "die Finger von der Sache U1 zu lassen", wenn sie nicht den Arbeitsplatz verlieren wollten, zweifellos nicht mehr hinnehmbar. Der Kläger bezichtigt die Beklagte dadurch eines potentiell strafbaren Verhaltens, ohne seine diesbezüglichen Behauptungen näher zu erläutern oder zu belegen. Damit hat er die Grenzen der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen beim Kampf ums Recht eindeutig überschritten. Gleichwohl lässt sich nach Auffassung der Kammer aufgrund dieses einzelnen punktuellen Vorgangs nicht darauf schließen, dass die Parteien zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung künftig nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Würdigt man den Sachvortrag beider Parteien insgesamt, dann wurde der vorliegende Kündigungsschutzprozess durchgängig sachlich geführt, so dass sich der soeben erörterte Sachverhalt als eine einmalige Entgleisung des Klägers darstellt, an der er auch im weiteren Verlauf des Prozesses nicht festgehalten hat. Insgesamt wiegen die von der Beklagten geltend gemachten Auflösungsgründe weder für sich genommen, noch in der Summe so schwer, dass anzunehmen ist, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr möglich ist. Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag war daher zurückzuweisen.
3. Auch der Zahlungsantrag des Klägers ist überwiegend begründet. Der Anspruch folgt aus §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1, 293, 296 BGB. Durch die unwirksame Kündigung der Beklagten vom 22.12.2005 ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Sie ist deshalb verpflichtet, für die Zeit von April bis September 2006 an den Kläger monatlich 2.250,71 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes i.H.v. monatlich 1.112,10 € zu zahlen. Dies ergibt den unter Ziffer 4. ausgeurteilten Betrag. Die vom Kläger gewählte Berechnungsmethode ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Zwar müsste er als Stundenlöhner grundsätzlich unter Beachtung des Lohnausfallprinzips für jeden Monat eine Einzelberechnung dem geltend gemachten Zahlungsanspruch zugrunde legen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn ein Arbeitnehmer einen von Monat zu Monat wechselnden Verdienst in der Vergangenheit gehabt hat. Dann ist es statthaft, auf eine Durchschnittsberechnung abzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.1991 - 2 AZR 210/91 - juris; s.a. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.02.2006 - 4 Sa 404/05 - juris: Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO). Im vorliegenden Fall behauptet der Kläger, er habe im letzten Beschäftigungsjahr im Monatsdurchschnitt 2.250,71 € brutto verdient. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat einerseits vor-getragen, der Kläger habe einen Stundenlohn bezogen, was im Ansatz unstreitig ist. Andererseits hat sie ein Lohnkontenblatt zur Akte gereicht, dem entnommen werden kann, dass der Kläger bezogen auf die Zeit von Januar 2005 bis März 2006 in jedem Monat ein Bruttoarbeitsentgelt in unterschiedlicher Höhe bezogen hat, was offensichtlich nicht allein darauf zurückgeführt werden kann, dass in den einzelnen Monaten eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen angefallen ist. Vielmehr hat der Kläger auch Zulagen in unterschiedlicher Höhe erhalten. In einem solchen Fall hält die Kammer es für zulässig, dass der Annahmeverzugslohn auf der Basis einer Durchschnittsberechnung verfolgt wird. Dabei ist der Zeitraum von einem Jahr nach Auffassung der Kammer geeignet, eine hinreichende Berechnungsgrundlage zu bilden. Der Beklagten entsteht dadurch kein Nachteil, weil nach ihrem Vortrag der Kläger zuletzt in der Zeit von April 2005 bis März 2006 sogar 28.036,12 € verdient hat, was sogar einen rechnerischen Monatsdurchschnittslohn von 2.336,34 € ergibt.
Soweit der Kläger allerdings für den Monat Mai 2006 Zahlung von weiteren 484,00 € als zusätzliches Urlaubsgeld begehrt, war die Klage abzuweisen. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, auf welcher Rechtsgrundlage er diese Zahlung verlangt, kann er nicht einerseits einen Durchschnittslohn bezogen auf das gesamte letzte Beschäftigungsjahr - wenn auch offenbar fehlerhaft ermittelt - für die Berechnung seiner Ansprüche zugrundelegen und dann für einen einzelnen Monat eine zusätzliche Zahlung verlangen für eine Leistung, die zugleich Bestandteil der Berechnungsgrundlage für die Bildung des Durchschnittslohns war. Aus diesem Grund musste die weitergehende Zahlungsklage des Klägers abgewiesen werden.
Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war zugunsten der Beklagten nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob mit Leiharbeitnehmern besetzte Dauerarbeitsplätze als frei i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b) KSchG gelten, grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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