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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 498/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4
ZPO § 240 S. 1
1. Für ein wegen Insolvenzeröffnung unterbrochenes Verfahren darf grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe mehr bewilligt werden. Etwas anderes kann bei einem sog. "steckenge-bliebenen" PKH-Gesuch gelten, wenn es - wie hier - nur noch um die Frage der Bedürftigkeit des Antragstellers geht und das PKH-Gesuch vom Gericht vor Verfahrensunterbrechung infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht verbeschieden worden ist.

2. Wird der amtliche Vordruck zusammen mit den ''entsprechenden Belegen'' nicht zeitgleich mit dem PKH-Gesuch eingereicht, sondern nachgereicht, dann kann Prozesskostenhilfe rückwirkend nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern frühestens auf den Zeitpunkt des vollständigen Nachreichens der PKH-Unterlagen bewilligt werden. Die Besonder-heiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eröffnen keine die Anforderungen des § 117 ZPO außer Acht lassende Rückwirkung des Bewilligungsbeschlusses.


Hamm, den 27.01.2005

Tenor:

Dem Kläger wird für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang mit Wirkung vom 30.07.2004 bewilligt.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm Rechtsanwalt J1xx L1xx-xxxx aus H1xxxxxxxx beigeordnet.

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 15,00 € als Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu zahlen hat

Gründe:

Die Prozesskostenhilfe ist gemäß § 119 Satz 1 ZPO für jede Instanz gesondert zu bewilligen. Im Berufungsverfahren ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Satz 2 ZPO).

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor, nach § 117 Abs. 2 ZPO müssen alle Angaben durch Vorlage "entsprechender Belege" glaubhaft gemacht werden. Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (OLG Düsseldorf v. 21.06.1988 - 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln v. 19.08.1991 - 19 W 32/91, MDR 1992, 514 = VersR 1992, 1022, 1023; LAG Hamm v. 12.02.2001 - 4 Ta 277/00, AE 2001, 141 = ZInsO 2001, 432; a.A. OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123; OLG Karlsruhe v. 18.07.1996 - 2 WF 67/96, FamRZ 1997, 375).

2. Prozesskostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit - sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung - bewilligt werden. Vorliegend ist der vom Kläger angestrengte Kündigungsschutzprozess zweitinstanzlich zwar noch nicht beendet, wohl aber ist das Hauptsacheverfahren nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, da über das Vermögen der Beklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 20.04.2004 (10b IN 6/04) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Ob die Vorschrift des § 240 ZPO auch für das PKH-Verfahren gilt, wenn über das Vermögen des Prozessgegners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist umstritten. Teils wird ohne weitere Begründung angenommen, dass § 240 ZPO nicht für das PKH-Verfahren gilt (OLG Koblenz v. 20.11.1987 - 5 W 583/87, AnwBl 1989, 178; OLG Köln v. 07.07.1998 - 15 W 70/98, KTS 1999, 342 = NJW-RR 1999, 276 = NZI 1999, 30; OLG Düsseldorf v. 28.04.2003 - 22 U 100/00, MDR 2003, 1018 = ZIP 2003, 2131), teils wird angenommen, dass durch die Insolvenzeröffnung nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch das PKH-Verfahren unterbrochen werde, und zwar jeweils in der Lage, in der sich diese Verfahren befinden (OLG Düsseldorf v. 04.12.1998 - 16 U 139/98, OLGR D3xxxxxxxx 1999, 166; LAG Hamm v. 03.02.1999 - 4 Sa 1050/98, AE 2001, 91 = BuW 1999, 840; OLG Köln v. 15.11.2002 - 2 U 79/02, MDR 2003, 526 = NJW-RR 2003, 264 = ZInsO 2002, 1184 = ZIP 2003, 1056). Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug, denn nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO können Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie eine Masseverbindlichkeit betreffen. Erkennt der Insolvenzverwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 86 Abs. 2 InsO). Hieraus folgt, dass der Gegner dem Insolvenzverwalter zunächst einmal Gelegenheit geben muss, sich darüber zu erklären, ob er den Anspruch anerkennen will oder nicht, also die Erfolgsaussichten der Klage in Abrede stellen will.

2.1. Mit anderen Worten, die Insolvenz einer Partei, durch die gemäß § 240 Satz 1 ZPO das Hauptsacheverfahren unterbrochen ist, bewirkt auch eine Unterbrechung des PKH-Verfahrens, in dem die gegnerische Partei Prozesskostenhilfe beantragt hat. Etwas anderes mag gelten, wenn die Erfolgsaussichten vor Verfahrensunterbrechung der Klage bereits summarisch durch den Erlass eines Versäumnisurteils gemäß § 331 Abs. 1 ZPO bejaht worden sind und es - wie hier - nur noch um die Frage der Bedürftigkeit des Klägers geht. In einem solche Falle kann nachträglich und rückwirkend noch Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung des Hauptsacheverfahren das PKH-Gesuch (positiv) entscheidungsreif gewesen ist. Denn hier wird man die zum sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch entwickelten Grundsätze entsprechend anwenden müssen (LAG Hamm v. 11.12.2003 - 4 Ta 95/03. n.v.). Von einem solchen wird gesprochen, wenn das PKH-Gesuch rechtzeitig eingegangen, aber vom Gericht vor Verfahrens- oder Instanzbeendigung nicht hat verbeschieden werden können (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGRe-port 2002, 88, 89; LAG Hamm v. 02.02.2002 - 4/14 Ta 24/02, LAGReport 2002, 117 = ZInsO 2002, 344 = ZIP 2002, 579) oder infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht entschieden worden ist (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91). Geht das Gesuch rechtzeitig ein, dann kann bei einem sog. "steckengebliebenen" PKH-Antrag dem Antragsteller auch nach Beendigung der Instanz oder des Verfahrens insgesamt Prozesskostenhilfe gewährt werden, wenn bis zur Beendigung der Instanz oder des Verfahrens die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich aussichtsreich (OLG Hamm v. 09.12.1996 - 12 WF 219/96, FamRZ 1997, 1018) und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht war (OLG Brandenburg v. 13.06.1997 - 10 WF 20/97, FamRZ 1998, 249).

2.2. Hat das Gericht infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung bis zur Verfahrensunterbrechung in der Hauptsache über das PKH-Gesuch noch nicht entschieden, dann muss es diese Entscheidung - vergleichbar den Fällen der Instanz- oder Verfahrensbeendigung - nachholen, denn nur eine von der bedürftigen Partei zu vertretende Verzögerung der PKH-Entscheidung kann zu ihren Lasten gehen (LAG Hamm v. 11.12.2003 - 4 Ta 95/03. n.v.). Da eine Ablehnung der Prozesskostenhilfe nach § 118 Abs.2 Satz 4 ZPO wegen Mängel des PKH-Gesuchs oder wegen mangelnder Mitwirkung der bedürftigen Partei bei der Ermittlung der Bewilligungsvoraussetzungen eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht voraussetzt (LAG Düsseldorf v. 22.06.1989 - 14 Ta 210/89, LAGE § 118 ZPO Nr.6 = JurBüro 1989, 1443; LAG Hamm v. 30.03.2001 - 4 Ta 617/00, AE 2001, 141 = RenoR 2001, 270), hatte das Landesarbeitsgericht, das zuvor in der PKH-Sache untätig gewesen ist, dem Kläger - wie geschehen - Gelegenheit zur Vervollständigung des PKH-Gesuch durch Nachreichung von Unterlagen zu geben, denn solange der amtliche Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" nicht vollständig ausgefüllt eingereicht ist, ist der PKH-Antrag nicht formgerecht gestellt (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91; LAG Hamm v. 08.08.2002 - 4 Ta 489/02, AR-Blattei ES 1290 Nr. 32 = LAGReport 2003, 22 = NZA-RR 2003, 156). Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger mit Zwischenverfügung vom 13.07.2004 unter Fristsetzung bis zum 20.08.2004 unter anderem aufgegeben, eine "aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt" sowie aktuelle Zahlungsbelege hinsichtlich der Kreditzahlungen und Versicherungsprämien einzureichen. Der Kläger ist dieser Auflage mit Schriftsatz vom 28.07.2004, beim Landesarbeitsgericht am 30.07.2004 eingegangen, nachgekommen. Mit Eingang der nachgereichten Unterlagen ist die sog. Entscheidungs oder Bewilligungsreife eingetreten. Wird der amtliche Vordruck zusammen mit den "entsprechenden Belegen" nachgereicht, dann kann Prozesskostenhilfe rückwirkend nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern frühestens auf den Zeitpunkt des vollständigen Nachreichens der PKH-Unterlagen bewilligt werden (LAG Hamm v. 03.09.2003 - 4 Ta 245/03, LAGReport 2003, 369). § 117 ZPO und die sich daraus ergebenden prozessrechtlichen Anforderungen an eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält insoweit keine Sonderregelungen. Vielmehr verweist § 11a Abs. 3 ArbGG auf "die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe". Die Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eröffnen keine die Anforderungen des § 117 ZPO außer Acht lassende Rückwirkung des Bewilligungsbeschlusses (BAG v. 04.11.2004 - 3 AZB 54/03. n.v.).

3. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts war gemäß § 121 Abs. 1 ZPO erforderlich, weil im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist (§ 11 Abs. 2 ArbGG).

4. Aufgrund der glaubhaft gemachten Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist der Kläger in der Lage, als Beitrag zu den Kosten der Prozessführung aus seinem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 15,00 € zu zahlen

5. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 574 ZPO ist nicht gegeben, da die Frage des Zeitpunktes bei rückwirkender PKH-Bewilligung bereits höchstrichterlich entschieden ist.

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