Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 972/08
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 16 Abs. 1
1. Da § 16 Abs. 1 BetrAVG den Ausgleich des im Anpassungszeitraum eingetretenen Kaufkraftverlustes bezweckt, erfordern die Belange des Versorgungsempfängers grundsätzlich einen vollen Ausgleich. Es bleibt offen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm bei seiner Anpassungsentscheidung eingeräumten Beurteilungsspielraums neben den Belangen des Versorgungsempfängers und seiner wirtschaftlichen Lage als weitere Aspekte auch die steigenden privaten Vorsorgeaufwendungen der aktiven Arbeitnehmer sowie die allgemein gestiegene Lebenserwartung berücksichtigen darf. Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass der Arbeitgeber diese Aspekte mit einem nachvollziehbaren rechnerischen Wert in Ansatz bringt.

2. Ein prozentuale oder summenmäßige Begrenzung der Anpassungspflicht des Arbeitgebers entspricht nicht billigem Ermessen im Sinne von § 16 Abs. 1 BetrAVG und ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG i. V. m. § 134 BGB nichtig. Dies gilt außerhalb des Anwendungsbereichs des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG auch dann, wenn der Arbeitgeber uneingeschränkt zusagt, künftig in regelmäßigen Zeitabständen die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung um einen bestimmten Prozentsatz zu erhöhen.

3. Der Arbeitgeber muss im Rahmen seiner Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG eine Prognose darüber anstellen, ob es ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens aufzubringen. Davon ist er nicht deshalb entbunden, weil die Besonderheiten der Unternehmensbranche es bedingen, dass typischerweise auf Jahre mit hohen Gewinnen Jahre folgen, in denen Verluste entstehen.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.04.2008 - 7 Ca 5877/07 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab November 2007 eine um 96,82 € brutto höhere Betriebsrente (insgesamt 3.406,75 € brutto) zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 968,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 96,82 € brutto seit dem 02.01.2007, 02.02.2007, 02.03.2007, 02.04.2007, 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007, 02.09.2007 und 02.10.2007 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10.

Die Revision wird zugunsten beider Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung, die betriebliche Altersversorgung des Klägers anzupassen, ausreichend nachgekommen ist.

Der am 13.09.1938 geborene Kläger war vom 01.07.1966 bis zum 30.09.1998 bei der Beklagten als Ingenieur, später als leitender Angestellter und Prokurist beschäftigt. Die Beklagte ist ein weltweit tätiges Ingenieurunternehmen, dessen Tätigkeitsbereich in der Planung und im Bau von Chemie-, Raffinerie- und anderen Industrieanlagen besteht. Sie gehört zum T2-K6-Konzern.

Seit dem 01.10.1998 bezieht der Kläger eine betriebliche Altersversorgung, die auf unterschiedlichen Versorgungskomponenten beruht und insgesamt über die Pensionskasse der Mitarbeiter der H7 abgewickelt wird. Sie hat ursprünglich insgesamt 5.910,08 DM (entspricht 3.021,78 €) betragen.

Die Beklagte nimmt Anpassungen bei ihren mehr als 1.800 Betriebsrentnern jeweils gebündelt zum 01. Januar vor. Die Versorgungsbezüge des Klägers wurden erstmals zum 01.01.2001 um 2,68 % auf 6.068,45 DM (entspricht 3.102,75 €) erhöht. Eine weitere Anpassung erfolgte zum 01.01.2004 um 3,57 % auf 3.213,53 €.

Mit Wirkung zum 01.01.2007 hob die Beklagte die betriebliche Altersversorgung des Klägers um 3,00 % auf 3.309,93 € an.

Mit Schreiben vom 20.09.2007 wandte sich die Beklagte wie folgt an den Kläger:

...

Anpassung Ihrer Betriebsrente zum 31.12.2009 sowie zum 31.12.2012

Sehr geehrter Herr S4,

T3 tätigt derzeit Investitionen in Höhe von über 6 Mrd. € in den Wachstumsregionen dieser Welt. Gleichzeitig stärkt T3 die deutschen Standorte und den Marktauftritt in Europa mit weiteren umfangreichen Investitionen. Diese Maßnahmen dienen dem langfristigen Erhalt der globalen Wettbewerbsfähigkeit von T3 sowie der nachhaltigen Beschäftigungssicherung. Dies geschieht auch im Interesse unserer Betriebsrentner an einer langfristigen Sicherung der Betriebsrenten.

T3 sicher die Zukunft.

Obwohl Ihre Betriebsrente rückwirkend zum 31.12.2006 nach § 16 BetrAVG angepasst wurde und daher erst im Jahr 2009 zur nächsten Prüfung ansteht, hat die U1 GmbH bei der Überprüfung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG bereits jetzt entschieden, Ihre Betriebsrente mit Wirkung zum 01.01.2010 um insgesamt 3 % brutto anzuheben. Darüber hinaus hat sich U1 GmbH dazu entschlossen und verpflichtet, Ihre Betriebsrente zum darauf folgenden Anpassungsstichtag, dem 31.12.2012, erneut um insgesamt 3 % brutto anzuheben. Dies gilt auch für aus Ihrer Betriebsrente abgeleitete Hinterbliebenenrenten.

Mit diesen Entscheidungen soll die auf Kontinuität ausgerichtete Anpassungspraxis fortgeführt werden. So erhalten Sie bereits heute Planungssicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklung Ihrer Betriebsrente.

...

Gleichlautende Schreiben erhielten auch die anderen Betriebsrentner der Beklagten.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet war, seine betriebliche Altersversorgung zum 01.01.2007 um 5,71 %, dem eingetretenen Kaufkraftverlust unter Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland, anzuheben. Dies hat er mit Schreiben vom 18.04. und vom 15.08.2007 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Gegenstand der Klage sind monatliche Differenzansprüche, die der Kläger mit 106,23 € beziffert, sowie die Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von 3.416,16 € ab November 2007.

In der zweiten Instanz hat die Beklagte auch zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vorgetragen. Danach ergibt sich folgendes Bild:

 Geschäftsjahr (jeweils 01.10. bis 30.09.)Gewinn/Verlust (in 1.000 EUR)
2001/2002-0 12.246
2002/2003+ 33.688
2003/2004-1 34.303
2004/2005-2 104.286
2005/2006-3 40.695
2006/2007+ 75.382
2007/2008+ 49.366

Ergänzend hat die Beklagte für die vorgenannten Geschäftsjahre die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanzen zur Akte gereicht; wegen der Einzelheiten wird auf Aktenblatt 245 bis 254 sowie 378 und 379 verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte sei wirtschaftlich in der Lage, eine vollständige Anpassung seiner Betriebsrente vorzunehmen, so dass sie dazu nach billigem Ermessen verpflichtet gewesen sei. Die Anpassungsprüfung könne nicht dadurch ersetzt werden, dass die Beklagte versuche, ihm die Mindestanpassung nach § 16 Abs. 3 Ziffer 1 BetrAVG aufzuzwingen. Soweit die Beklagte sich auf die Entwicklung der durchschnittlichen Nettoverdienste berufe, komme es nicht auf eine in der Zukunft gelegene Entwicklung an, sondern auf eine solche in der Vergangenheit. Dazu habe die Beklagte aber keinerlei Angaben gemacht. Die gestiegene Lebenserwartung dürfe im Rahmen der Interessenabwägung des § 16 Abs. 1 BetrAVG keine Rolle spielen. Dem sei entgegenzuhalten, dass mittlerweile auch die Lebensarbeitszeit entsprechend angepasst und das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht worden sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.2007 eine um 106,23 EUR höhere monatliche Betriebsrente (insgesamt 3.416,16 EUR) zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.062,30 EUR nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz von 106,23 EUR seit dem 02.01.2007, 02.02.2007, 02.03.2007, 02.04.2007, 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007, 02.09.2007 und 02.10.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, ihrer Entscheidung, zum 01.01.2007, 01.01.2010 und zum 31.12.2012 die Betriebsrenten um jeweils 3 % zu erhöhen, liege die Überlegung zugrunde, in Zukunft in einem von ihrer wirtschaftlichen Situation unabhängigen System die Rentenanpassung zu vereinheitlichen, wie es der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG als grundsätzlich interessengerecht vorgesehen habe. Die vorgenommene Anpassung entspreche billigem Ermessen und damit den Vorgaben des § 16 Abs. 1 BetrAVG. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zugunsten der Betriebsrentner zu berücksichtigen, dass eine langfristige Garantieanpassung vorgenommen worden sei. Zwar gelte § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nur für Neuzusagen ab dem 01.01.1999. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers könne aber auch im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG herangezogen werden. Die Entscheidung nach billigem Ermessen setze eine sachgemäße Abwägung aller Daten und Fakten voraus, die für die Entscheidung von Bedeutung sein könnten. Da § 16 Abs. 1 Halbsatz 2 BetrAVG keinen abschließenden Kriterienkatalog enthalte, könnten auch andere Umstände und Prüfungsparameter berücksichtigt werden. Ein erheblicher Vorteil für die Versorgungsempfänger liege darin, dass eine feste Zusage auf einen bestimmten Anpassungssatz insolvenzgeschützt sei. Dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 BetrAVG lasse sich nicht entnehmen, dass ein Anpassungssystem nur dann billigem Ermessen entspreche, wenn es im Prüfungszeitraum auf eine volle Angleichung des Kaufkraftverlustes hinauslaufe. Der Gesetzgeber habe dem Arbeitgeber einen Spielraum für die Berücksichtigung der Verschiedenheiten des Einzelfalls freihalten wollen. Eine jederzeitige volle Anpassung an den Verbraucherpreisindex sei nicht zu fordern, wenn der Arbeitgeber nach einem Anpassungssystem handele, welches die damit verbundenen Nachteile durch entsprechende Vorteile ausgleiche und langfristig betrachtet eine ausgewogene Regelung darstelle, was hier der Fall sei.

Außerdem erhalte auch die aktive Belegschaft unter Berücksichtigung ihrer steigenden Aufwendungen für eine private Altersvorsorge keinen vollen Teuerungsausgleich. Zwar stelle §16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG auf die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen ab, die Bildung anderweitiger Vergleichsgruppen bleibe jedoch im Rahmen einer Billigkeitskontrolle zulässig. Die vorgenommene Garantieanpassung um 3 % alle drei Jahre übersteige die tatsächliche Nettolohnentwicklung der Vergleichsgruppe und entspreche daher billigem Ermessen. Schließlich müsse die in den vergangenen Jahrzehnten stets gestiegene Lebenserwartung in die Interessenabwägung des § 16 BetrAVG einbezogen werden. Dass die Betriebsrenten dadurch über einen längeren Zeitraum hinweg auszuzahlen seien, führe zu einem Wertzuwachs, der zu Lasten des Unternehmens und mittelbar auch zu Lasten der aktiven Mitarbeiter ginge. Die Berücksichtigung eines Korrekturfaktors im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung diene der Generationengerechtigkeit und damit dem Betriebsfrieden.

Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Forderung nicht nachvollziehbar. Da die Teuerungsrate bis zum 31.12.2002 mit dem Preisindex für die Lebenserhaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitgebern und Angestellten mit mittleren Einkommen festzustellen gewesen sei und sich erst ab dem 01.01.2003 aus dem Verbraucherpreisindex für Deutschland ableite und außerdem bisherige freiwillige Anpassungen bei späteren Anpassungen angerechnet werden dürften, könne der Kläger allenfalls einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von 78,40 € geltend machen. Die Rente des Klägers sei zum 01.01.2004 lediglich um 3,56 % anzupassen gewesen, tatsächlich habe sie jedoch eine freiwillige Anpassung in Höhe von 3,57 % vorgenommen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie die Anpassungsprüfung grundsätzlich gebündelt am 01. Oktober eines jeden Jahres vornehme und die Betriebsrenten sodann zum 01. Januar des Folgejahres anpasse. Die Anpassungsentscheidung werde somit auf Basis der tatsächlichen Indexentwicklung im Zeitraum von September bis September getroffen. Grund für diese Vorgehensweise sei der erhebliche Verwaltungsaufwand im T2-K6-Konzern für die gebündelte Anpassung aller Betriebsrenten zu einem Stichtag. Ein gewisser zeitlicher Vorlauf sei daher zwingend erforderlich. Außerdem stehe bei einer Anpassung zum 01. Januar der Septemberindex in jedem Fall bereits fest und könne daher den Berechnungen zugrunde gelegt werden.

Das Arbeitsgericht Dortmund hat durch Urteil vom 22.04.2008 wie folgt entschieden:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 01.11.2007 eine monatliche Rente in Höhe von insgesamt 3.410,67 EUR zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.007,40 EUR nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz von je 100,74 EUR seit dem 02.01.2007, 02.02.2007, 02.03.2007, 02.04.2007, 02.05.2007, 02.06.2007, 02.07.2007, 02.08.2007, 02.09.2007 und 02.10.2007 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abwiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Streitwert: 3.824,28 EUR.

Das Arbeitsgericht Dortmund hat angenommen, der Kläger könne von der Beklagten ab dem 01.01.2007 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 3.410,67 € verlangen. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten habe nicht billigem Ermessen entsprochen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber nunmehr in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG eine gesetzliche Regelung geschaffen habe, nach welcher die Verpflichtung, eine Anpassung der Betriebsrente nach billigem Ermessen vorzunehmen, entfalle, wenn der Arbeitgeber sich verpflichte, die laufenden Leistungen jährlich um wenigstens 1 % anzupassen. Zum einen gelte diese Regelung nach § 30 c Abs. 1 BetrAVG nur für Versorgungszusagen, die nach dem 31.12.1998 erteilt worden seien. Zum anderen habe sich die Beklagte bei ihrer Zusage nicht an den Rahmen des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gehalten, denn sie habe sich nicht verpflichtet, jährlich eine Anpassung um 1% vorzunehmen, vielmehr wolle sie die Betriebsrenten nur alle drei Jahre um 3 % anheben, so dass in den vorgehenden zwei Jahren der Teuerungsausgleich jeweils unterbleibe. Auch habe die Beklagte keine Anpassung auf Dauer garantiert, sondern nur für die nächsten zwei Anpassungsprüfungstermine. Auch aus diesem Grund könne eine Vermutung, dass die Entscheidung der Beklagten billigem Ermessen entsprochen habe, aus § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nicht hergeleitet werden. Die vorgesehene Regelung berücksichtigte im Wesentlichen Interessen der Beklagten und lege das Risiko künftiger höherer Inflationsraten allein dem Arbeitnehmer auf. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die von ihr getroffenen Anpassungsentscheidungen in Hinblick auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG billigem Ermessen entspreche. Die Tatsache, dass generell derzeit noch aktive jüngere Arbeitnehmer höhere Aufwendungen machen müssten, um sich eine angemessene Altersversorgung zu sichern, könne nicht dazu führen, dass die Beklagte ohne Rücksicht auf die konkreten Nettolohnerhöhungen der bei ihr beschäftigten vergleichbaren Arbeitnehmer im Prüfungszeitraum die in dieser Zeit angefallene Teuerung bei ihren Rentnern nicht auszugleichen brauche. Es bleibe letztlich jedem Einzelnen überlassen, ob er einen entsprechenden Teil des verfügbaren Nettoeinkommens für die Altersvorsorge einsetze oder nicht. Angesichts dieser tatsächlichen Unsicherheiten könne der Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge bei der Ermittlung der vergleichbaren Nettolöhne keine Rolle spielen. Da die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass ihre wirtschaftliche Lage den vollen Teuerungsausgleich nicht zulasse, gehe das Gericht davon aus, dass eine der Billigkeit entsprechenden Ermessensentscheidung den vollen Kaufkraftverlust auszugleichen gehabt habe. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass bei ihr die Anpassungsprüfungen jeweils im September vorgenommen würden. Der maßgebliche Prüfungszeitraum ende unmittelbar vor dem Anpassungsstichtag. Da die Beklagte die Betriebsrenten erst zum 01.01. eines jeweiligen Anpassungsjahres erhöhe, müsse sie auch die Gesamtteuerung in dem Prüfungszeitraum bis jeweils zum 31.12. des vorgehenden Jahres einbeziehen. Unter Zugrundelegung des Preisindexes für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittleren Einkommen in der Zeit vom 01.10.1998 bis zum 31.12.2002 ergebe sich für diesen Zeitraum bei einer Indexzahl von 104,1 für September 1998 und 110,4 für Dezember 2002 einer Teuerungsrate von 6,05 %. Für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2006 ergebe sich bei einem Teuerungsindex nach dem Verbraucherpreisindex für Deutschland bei einer Indexzahl von 104 für Januar 2003 und eine Indexzahl von 111,1 für Dezember 2006 einer Teuerungsrate von 6,82 %. Bei der Addition beider Teuerungsraten ergebe sich für den gesamten Prüfungszeitraum eine Teuerungsrate von 12,87 %. Bei einer Erhörung der ursprünglichen Rente von 3.021,77 € um 12,87 % ergebe sich nunmehr ein Rentenbetrag in Höhe von 3.410,67 € und für den vergangenen Zeitraum ab Januar 2007 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 100,74 € monatlich. Wegen der weiteren Einzelheiten des angegriffenen Urteils wird auf Aktenblatt 137-147 verwiesen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund wurde der Beklagten am 19.05.2008 zugestellt. Sie hat mit am 19.06.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.09.2008 mit am 19.09.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wurde dem Kläger am 29.09.2008 zugestellt. Nach Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 01.12.2008 hat er mit am 28.11.2008 eingegangenem Schriftsatz auf die Berufung erwidert und zugleich Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Es habe verkannt, dass die von ihr vorgenommene Garantieanpassung billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG entsprochen habe.

Wie es sich aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der vergangenen sechs Geschäftsjahre ergeben habe, unterliege ihre Ertragslage erheblichen Schwankungen und sei insgesamt deutlich negativ. In dem Dreijahreszeitraum vor der Anpassung sei ein Gesamtverlust von 69,6 Millionen Euro ausgewiesen worden. Bei den von ihr hergestellten Anlagen handele es sich meist um Großprojekte, deren Bau häufig mehrere Jahre in Anspruch nehme. Aufgrund des erheblichen Zeitaufwandes bis zur Fertigstellung der Anlagen und der technischen Komplexität der Konstruktion sei der gesamte Herstellungsprozess beträchtlichen Unwägbarkeiten ausgesetzt. Der wirtschaftliche Erfolg eines Projekts sei kaum verlässlich prognostizierbar. Bei den laufenden Projekten seien wegen der in den letzten Jahren eingetretenen Kostenerhöhungen in nahezu allen Kostenbereichen mehrfach Verlustwertberichtigungen in insgesamt dreistelliger Millionenhöhe erforderlich geworden. Bei verschiedenen Großprojekten seien vereinbarte Fertigstellungstermine nicht eingehalten worden, woraus hohe Beschleunigungskosten und Kostenerhöhungen aufgrund verlängerter Bauzeiten resultierten. Diese Unwägbarkeiten, die bei der Abwicklung von Großbauprojekten unweigerlich entstünden, hätten zur Folge, dass die wirtschaftliche Entwicklung bei ihr starken Schwankungen unterworfen sei. Die Ertragslage sei vielfach allein von Zufälligkeiten abhängig. Auf erfolgreiche Jahre seien immer wieder verlustreiche Perioden gefolgt. Dies habe dazu geführt, dass in den vergangenen sechs Geschäftsjahren ein Verlust von 82,46 Millionen Euro zu verzeichnen gewesen sei. Das positive Ergebnis des Geschäftsjahres 2006/2007 sei darauf zurückzuführen, dass die Beendigung mehrerer Großprojekte zufälligerweise in diesen Zeitraum gefallen sei. Ob in den nächsten zwei bis drei Geschäftsjahren ein vergleichbares Umsatzvolumen abgerechnet werden könne, sei ungewiss. Im Geschäftsjahr 2006/2007 hätten bereits Verlustwertberichtungen wegen Kostenüberschreitungen für die Aufträge "T4", "W3" und "W4" vorgenommen werden müssen. Die Geschäftsentwicklung im Geschäftsjahr 2007/2008 bestätige die seinerzeitige Prognose. So sei der Gewinn in jenem Geschäftsjahr auf ca. 50 Millionen Euro gesunken. Hauptgrund dafür sei ein deutlich vermindertes Auftragsvolumen, welches im letzten Geschäftsjahr hätte abgerechnet werden können. Es dürfe nicht unbeachtet bleiben, dass sie in Zukunft notwendige Investitionen vornehmen müsse, um weiterhin am Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Es sei nicht absehbar, ob die getätigten Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien tatsächlich in Folgeaufträge mündeten. Sie sei seit dem Geschäftsjahr 2001/2002 nicht in der Lage gewesen, eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zu erzielen.

Ihre schlechte Finanzlage in der Vergangenheit sei allerdings nicht der ausschlaggebende Grund für die von ihr gewählte Art und Weise der Anpassung gewesen. Entscheidend sei vielmehr, dass ihre wirtschaftliche Entwicklung erheblichen Schwankungen unterworfen sei. Vor dem Hintergrund der geschäftstypischen Schwankungen der wirtschaftlichen Entwicklung, verbunden mit der Unmöglichkeit sicherer Prognosen, stelle die von ihr gewählte, von der Unternehmensentwicklung unabhängige Anpassung der Betriebsrenten, für beide Seiten eine interessengerechte Lösung dar.

Vor diesem Hintergrund entspreche die Verstetigung der Betriebsrentenanpassungen bis Ende des Jahres 2015 auch den Interessen der Versorgungsempfänger. Wie das Wort "insbesondere" verdeutliche, könnten im Rahmen der Interessenabwägung nach § 16 Abs. 1 Halbsatz 2 BetrAVG neben den Belangen der Versorgungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers auch andere Güter und Interessen in die Abwägung mit einbezogen werden. Dies könnten auch Drittinteressen sein. Das Abwägungskriterium der Belange der Versorgungsempfänger dürfe nicht auf den vollen Teuerungsausgleich beschränkt werden. Werde § 16 Abs. 1 BetrAVG dahin ausgelegt, dass zu jedem Anpassungsprüfungstermin eine volle Anpassung stattzufinden habe, bleibe kein Spielraum für alternative Anpassungssysteme. Der Gesetzgeber habe dem Arbeitgeber aber einen weiten Spielraum für die Berücksichtigung der Verschiedenheiten des Einzelfalls eröffnen wollen. Zu Gunsten der Versorgungsempfänger müssten auch Kriterien wie langfristige Planbarkeit, Insolvenzsicherung, Unabhängigkeit von niedriger Inflation, stagnierenden Nettolöhnen und der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Belange des Arbeitgebers. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Entwicklung der Betriebsrenten über einen langen Zeitraum verstetigt, gesichert und damit planbar werde. Daran ändere die Tatsache nichts, dass die Garantieanpassung lediglich bis zum Ende des Jahres 2015 gewährt werde. Auch bei einer auf beschränkte Zeit garantierten Anpassung sei der Versorgungsempfänger unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG stelle keine Ausnahme vom Grundsatz der Ausübung des billigen Ermessens dar, sondern sei eine Ausprägung dieses Grundsatzes. Der Gesetzgeber habe die Garantieanpassung als eine interessegerechte Lösung für die Anpassung der Betriebsrenten gehalten. Dies sei auch im Rahmen der Auslegung des § 16 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen. Die 1 %ige Garantieanpassung sei in vielen Fällen gegenüber der Anpassungspflicht des § 16 Abs. 1 BetrAVG gleichwertig.

Außerdem erhalte auch die aktive Belegschaft unter Berücksichtigung ihrer steigenden Aufwendungen für die private Altersvorsorge keinen vollen Teuerungsausgleich. Es müsse ein gerechter Vergleichsmaßstab zwischen der Entwicklung der verfügbaren Arbeitnehmereinkommen und der Betriebsrenten gebildet werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es in den letzten Jahren vermehrt zu Leistungskürzungen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der gesetzlichen Krankenversicherung gekommen sei. Die Verringerung der Leistungen gerade auch der gesetzlichen Rentenversicherung habe erhebliche Auswirkungen auf das verfügbare Einkommen der betroffenen Arbeitnehmer, weil diese in zunehmendem Maße gezwungen seien, Teile ihres Nettoeinkommens für die Schließung der durch die Leistungsverringerung entstehenden Rentenlücke aufzuwenden. Die Reduzierung von Leistungen führe dadurch ebenso zur Belastung des Nettoeinkommens wie eine Beitragserhöhung. Der private Vorsorgeaufwand stelle lediglich ein Surrogat des anderenfalls gestiegenen Rentenbeitrags dar. Aus diesem Grund müsse bei der Bestimmung der Nettolohnentwicklung darauf abgestellt werden, wie viel den aktiven Arbeitnehmern nach Abzug aller Abgaben von einer Lohnsteigerung im Durchschnitt effektiv verbleibe. Dies könne zwar nicht im Rahmen von § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG berücksichtigt werden, wohl aber im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG. Da der Kläger seit dem 01.01.1974 leitender Angestellter bei ihr gewesen sei, biete sich unter Billigkeitsgesichtspunkten ein Vergleich mit den zurzeit bei ihr beschäftigten leitenden Angestellten an. Diesbezüglich habe sie von dem Beratungsunternehmen M2 Deutschland GmbH untersuchen lassen, wie sich das tatsächlich verfügbare Einkommen der bei ihr tätigen leitenden Angestellten, die zwischen 2017 und 2027 im Alter von 65 Jahren in Rente gingen, entwickeln werde. Danach sei festzustellen, dass ein dem Kläger vergleichbarer leitender Angestellter, der im Jahre 1987 im Alter von 65 Jahren in Rente gegangen sei, noch einen Nettoversorgungsgrad von 74 % erzielt habe. Gehe ein vergleichbarer Arbeitnehmer im Jahr 2017 in Rente, erreiche er einen Nettoversorgungsgrad von 44 %, im Jahr 2027 betrage der Gesamtversorgungsgrad nur noch 32 %. Um einen Gesamtversorgungsgrad von 74 % zu erreichen, müssten die letztgenannten Arbeitnehmer Eigenvorsorge mit einem Aufwand von 11.372,00 € bzw. 19.705,00 € jährlich betreiben. Bei einer Verrechnung mit dem Nettoeinkommen ergebe sich eine tatsächliche jährliche Steigerung des Nettoeinkommens von 1,24 % in den Jahren 2007 bis 2017 und von 0,68 % zwischen 2017 und 2027. Somit steige das tatsächlich verfügbare Nettoeinkommen eines mit dem Kläger vergleichbaren leitenden Angestellten zwischen 2007 und 2027 nur um durchschnittlich 0,96 %.

Schließlich resultiere aus der steigenden Lebenserwartung der Betriebsrentner ein Wertzuwachs der Rente aufgrund des längeren Auszahlungszeitraums. Dies führe zu einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung. Auch dies sei in die Interessenabwägung einzubeziehen. Sowohl die gesetzliche Rentenversicherung als auch die private Versicherungswirtschaft hätten der geänderten demografischen Entwicklung Rechnung getragen. Über den Nachhaltigkeitsfaktor sei die gesetzliche Rente reduziert worden. Die Versicherungswirtschaft habe über geringere Überschussbeteiligungen die gestiegenen Lebenserwartungen gegenfinanziert. Es sei daher zwingend erforderlich, auch im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung einen Korrekturfaktor zum Ausgleich der gestiegenen Lebenserwartung zuzulassen, was der Generationsgerechtigkeit und dem Betriebsfrieden diene.

Die Anschlussberufung des Klägers sei zurückzuweisen, weil die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Berechnung des Kaufkraftverlustes zutreffend seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.04.2008 - 7 Ca 5877/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

sowie im Wege der Anschlussberufung,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.11.2007 - unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Urteils - eine monatliche Betriebsrente in Höhe von weiteren 5,49 EUR (insgesamt 3.416,16 EUR) zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm - unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Urteils - weitere 54,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor, soweit die Beklagte erstmals in der Berufungsbegründung auf ihre wirtschaftliche Situation abstelle, sei dieses Vorbringen als verspätet zurückzuweisen. Im Übrigen werde die wirtschaftliche Situation der Beklagten unzutreffend dargestellt. Zwischen ihr und dem T2-K6-Konzern bestehe ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, weshalb in erheblichem Maße Konzerninteressen in die Bilanzierung einflössen. In einem Ranking, dem eine Bewertung der letzten drei Jahre zugrunde liege, habe die Beklagte bezogen auf das Jahr 2008 unter allen Einzelunternehmen des Konzerns den ersten Platz belegt. Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse rechtfertigten daher die geltend gemachte Betriebsrentenanpassung. Aufgrund der langfristigen Abwicklungsdauer der einzelnen Projekte gebe es immer wieder Buchverluste, weil die Gewinne aus den Großaufträgen erst nach endgültiger Anlagenübergabe zu realisieren seien. Wie den Jahresberichten zu entnehmen sei, verzeichne die Beklagte für die kommenden Jahre einen Auftragseingang auf Rekordniveau. Mit den von ihr angesprochenen Unwägbarkeiten lebe sie seit Jahren erfolgreich. Auch ansonsten halte das erstinstanzliche Urteil einer rechtlichen Überprüfung stand. Eine Übertragung des Systems der Anpassung des § 16 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG auf die Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG sei nicht zulässig. Der von der Beklagen herangezogene Vorteil der Garantieanpassung befriedige die Arbeitnehmerinteressen nicht im angemessenen Maße. Eine Anpassungsgarantie könne nicht dem Betriebsrentner gegen dessen Willen aufgezwungen werden. Die diesbezüglichen Vorteile lägen eindeutig auf Seiten des Arbeitgebers. Das Risiko der Insolvenz könne im konkreten Fall als äußerst gering eingestuft werden. Die finanzielle Situation der Beklagten stelle sich günstig dar, sie gehöre zum Unternehmensverbund eines der größten europäischen Stahlkonzerne. Das dauerhafte Erlöschen der Anpassungsprüfungspflicht gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG stelle einen Nachteil für die Betriebsrentner dar. Im Übrigen habe die Beklagte die Garantiezusage nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum abgegeben. Die Berechnungsweise der Beklagten führe dazu, dass Betriebsrentner bei Altzusagen weniger erhielten als Betriebsrentner, die aufgrund einer Neuzusage eine Betriebsrente erhielten, die auf Grundlage von § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG angepasst werde. Eine Reduzierung der geltend gemachten Anpassung ergebe sich auch nicht aus der von der Beklagten angesprochenen zu erwartenden Nettolohnentwicklung. Die Beklagte habe nicht die Nettolohnentwicklung ihrer Belegschaft in den vergangenen drei Jahren dargelegt, sondern eine Prognose für in Zukunft zu erwartende Nettolohnsteigerungen angestellt. Diese eher theoretischen Überlegungen bezögen sich nicht auf denselben Prüfungszeitraum. Außerdem seien keine konkreten Vergleichsgruppen gebildet worden.

Hinsichtlich der Anschlussberufung sei darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts für den gesamten Überprüfungszeitraum der Verbraucherpreisindex für Deutschland anzuwenden sei, auch wenn der Stichtag der Anpassungsüberprüfung nach dem 31.12.2002 liege. Daher sei die Rente in vollem Umfang wie erstinstanzlich berechnet anzupassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Statthaftigkeit der Anschlussberufung des Klägers ergibt sich aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 524 ZPO. Auch die Anschlussberufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung ist teilweise begründet, denn die Anpassungsverpflichtung der Beklagten beschränkt sich auf die Zahlung eines monatlichen Differenzbetrags in Höhe von 96,82 € ab Januar 2007. Die weitergehende Klage war demzufolge unbegründet, weshalb auch die Anschlussberufung des Klägers nicht begründet ist. Im Einzelnen hat die Kammer die nachfolgenden Erwägungen angestellt:

Der Kläger hat seit Januar 2007 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung in Höhe von insgesamt 3.406,75 €. Da die Beklagte hierauf lediglich 3.309,93 € gezahlt hat, ergibt sich ein Differenzbetrag zu Gunsten des Klägers in Höhe von monatlich 96,82 € und damit für den Monate Januar bis Oktober 2007 ein Anspruch auf Nachzahlung von 968,20 € nebst Zinsen.

Dem Grunde nach ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Betriebsrente an den Kläger unstreitig. Die Parteien haben insbesondere in der Berufungsverhandlung übereinstimmend erklärt, dass es hinsichtlich der allein im Streit stehenden Anpassungsverpflichtungen der Beklagten nicht darauf ankommt, dass der Versorgungsanspruch des Klägers sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt und die Abwicklung aller Versorgungsleistungen über die Pensionskasse der Mitarbeiter der H5-Gruppe erfolgt.

Die Beklagte war verpflichtet, die Versorgungsleistungen zu Gunsten des Klägers mit Wirkung zum 01.01.2007 auf 3.406,75 € zu erhöhen. Der Anpassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 16 Abs. 1 BetrAVG. Danach hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und seiner wirtschaftlichen Lage nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Gerichte für Arbeitssachen haben in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 2 und 3 BGB zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei seiner Anpassungsentscheidung den ihm eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat (BAG, Urteil vom 31.07.2007 - 3 AZR 810/05 = DB 2008, 135 f.; BAG, Urteil vom 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 = NZA 2007, 39 ff.). Zu den Belangen des Versorgungsempfängers gehört sein Interesse an der Erhaltung der Kaufkraft seiner Betriebsrente. Aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust, der anhand der Veränderungen des Preisindexes zu ermitteln ist, ergibt sich sein Anpassungsbedarf. Im zweiten Prüfungsschritt kommt es auf die Anpassungsfähigkeit des Arbeitgebers an. Dieser muss den Anpassungsbedarf nicht befriedigen, wenn er hierzu aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, weil es ihm voraussichtlich nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Erträgen und dem Wertzuwachs des Unternehmens nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen (BAG, Urteil vom 10.09.2002 - 3 AZR 593/01 = AP Nr. 52 zu § 16 BetrAVG).

Im Ansatz zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass § 16 Abs. 1 BetrAVG dem Arbeitgeber einen Beurteilungsspielraum einräumt, der sich nicht notwendigerweise auf die Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und auf die eigene wirtschaftliche Lage beschränken muss. Daneben darf der Arbeitgeber weitere Kriterien in seine Prüfung und Entscheidung einbeziehen. Insgesamt muss seine Entscheidung billigem Ermessen entsprechen. Das Gesetz räumt ihm dafür über den Beurteilungsspielraum hinaus einen zusätzlichen Ermessensspielraum ein (BAG, Urteil vom 29.11.1988 - 3 AZR 184/87 = NZA 1989, 426 ff.; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 4. Aufl. 2006, § 16 BetrAVG, Rn. 121). Den Belangen des Versorgungsempfängers wird der Arbeitgeber im Rahmen der Anpassungsprüfung aber nur gerecht, wenn er den eingetretenen Kaufkraftverlust in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 BetrAVG ist nämlich der Werterhalt der einmal zugesagten betrieblichen Altersversorgung und damit zusammenhängend der Ausgleich eines zwischenzeitlich aufgetretenen Kaufkraftverlustes (Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., Rn. 129; Höfer, BetrAVG, Loseblattkommentar, § 16 Rn. 5103 f.; ErfK/Steinmeyer, 9. Aufl. 2009, § 16 Rn. 27). Die Belange des Versorgungsempfängers verlangen grundsätzlich den vollen Ausgleich des Kaufkraftverlustes, den die Betriebsrente im Anpassungszeitraum erlitten hat (BAG, Urteil vom 11.08.1981 - 3 AZR 395/80 = NJW 1982, 957 f.; BAG, Urteil vom 15.09.1977 - 3 AZR 654/76 = NJW 1977, 2370 ff.)

Ob und welche weiteren Kriterien im Rahmen der Anpassungsprüfung bei den Belangen des Versorgungsempfängers berücksichtigt werden können, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Die von der Beklagten herangezogenen Aspekte berechtigen jedenfalls nicht, hinter dem vollen Ausgleich der eingetretenen Geldentwertung zurückzubleiben.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die von ihr vorgenommene Anpassung von 3 % zum 01.01.2007 bewirke unter Berücksichtigung der Zusage einer weiteren Anpassung der Betriebsrenten zum nächsten und übernächsten Stichtag in besonderer Weise Planungssicherheit, weil die zugesagte Erhöhung auch im Falle einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung gezahlt werde, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sie sich mit diesem Anpassungsmodell von dem gesetzlichen Leitbild des § 16 Abs. 1 BetrAVG weit entfernt. § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG erlegt dem Arbeitgeber auf, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden, sofern ein entsprechender Anpassungsbedarf besteht. Eine prozentuale oder summenmäßige Begrenzung der Rentenanpassung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Beschränkung der Anpassungsverpflichtung des Arbeitgebers auf einen bestimmten Prozentsatz stellt sich für die betroffenen Ruhegeldempfänger somit als eine ungünstige Abweichung von § 16 Abs. 1 BetrAVG dar, die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG i. V. m. § 134 BGB nichtig ist (LAG Hamm, Urteil vom 02.09.2008 - 4 Sa 438/08 = NJW-RR 2009, 215 ff.). Diese Nichtigkeitsfolge kann nicht dadurch "geheilt" werden, dass der Arbeitgeber sich auf die Ausübung des billigen Ermessens im Rahmen des ihm zugewiesenen Beurteilungsspielraums nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG beruft. Nach Auffassung der Kammer verstößt eine wie auch immer geartete Garantieanpassung, soweit nicht der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 Ziff. 1 BetrAVG eröffnet ist, gegen die gesetzlich normierte Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG. Bereits aus diesem Grund überschritt die Beklagte mit dem von ihr angewandten Anpassungsmodell das ihr eingeräumte Ermessen, ohne dass es auf die weiteren von ihr herangezogenen Kriterien noch ankäme. Diese sollen nämlich lediglich als Hilfsbegründung dazu dienen, ihr Anpassungsmodell durchzusetzen, wie sich daran zeigt, dass sie keine gesonderten Erwägungen zur Höhe der vorzunehmenden Anpassung vorgetragen hat. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass zu den Vorzügen der von ihr vorgenommenen Garantieanpassung der damit eintretende Insolvenzschutz für die Anpassungszusage zählt.

Dessen ungeachtet teilt die Kammer nicht die Auffassung der Beklagten, dass zu Lasten der Belange der Versorgungsempfänger die zukünftige Nettolohnentwicklung der aktiv Beschäftigten unter Berücksichtigung steigender Vorsorgeaufwendungen in die Interessenabwägung einbezogen werden kann (ablehnend auch Petersen/Bechtoldt/Krazeisen, DB 2009, 228, 230; Cisch/Bleeck, BB 2006, 2815, 2824). Die diesen Ansatz unterstützenden Stimmen in der Literatur (Reichenbach/Grüneklee, DB 2006, 446 ff.; Kelwing/Hellkamp, VersR 2008, 743 ff.) finden keine Stütze im Gesetz. Soweit die Beklagte des Weiteren im Rahmen ihrer Anpassungsentscheidung das statistisch gestiegene Lebensalter der Rentenempfänger berücksichtigt möchte, kann sie sich zwar ebenfalls auf Stimmen in der Literatur berufen (etwa Kelwing/Hellkamp a.a.O.; HWK/Schipp, 3. Aufl. 2008, § 16 BetrAVG Rn. 4). Insoweit könnte es sich jedoch allenfalls um einen Aspekt handeln, der im Rahmen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers berücksichtigt werden könnte.

Jedenfalls müssen die von der Beklagten im Rahmen der Anpassungsprüfung einbezogenen Aspekte der zukünftigen Nettolohnentwicklung der aktiven Arbeitnehmer unter Berücksichtigung steigender Vorsorgeaufwendungen, wie auch steigende Belastungen aufgrund einer allgemein gestiegenen Lebenserwartung deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie die diesbezüglichen Faktoren nicht in Bezug gesetzt hat zu der von ihr vorgenommenen Anpassung in Höhe von 3%. So wäre es etwa nahe liegend gewesen, hinsichtlich der Berücksichtigung des statistisch gestiegenen Lebensalters einen Abzugsbetrag zu bilden, der sich orientiert an dem Nachhaltigkeitsfaktor des § 68 Abs. 4 SGB VI. Demgegenüber berechtigen die Aspekte des demografischen Wandels und steigender privater Altersvorsorgeaufwendungen den Arbeitgeber nicht dazu, losgelöst von einem daran anknüpfenden rechnerischen Ergebnis im Rahmen der Anpassungsprüfung des § 16 Abs. 1 BetrAVG anstelle einer den eingetretenen Kaufkraftverlust ausgleichenden Anpassung einen frei gegriffenen Wert zu wählen, der - wie im vorliegenden Fall - letztlich auf die gesetzliche Garantieanpassung hinausläuft, obwohl die Anwendbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Zwar hat der Gesetzgeber nunmehr in § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, sich von der Anpassungspflicht des § 16 Abs. 1 BetrAVG zu lösen, wenn er sich dazu verpflichtet, die laufenden Leistungen jährlich um mindestens 1 % anzupassen. Zutreffend hat aber das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG in doppelter Weise unterschreitet. Zum einen ist eine Anpassung von drei Prozentpunkten im Dreijahresrhythmus für den Leistungsempfänger ungünstiger als eine jährliche Anpassung um jeweils 1 %. Zum anderen möchte sich die Beklagte nicht dauerhaft binden, sondern hat lediglich für drei Anpassungsperioden eine Anhebung der Betriebsrenten garantiert. Jedenfalls aber ist § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gar nicht anwendbar, denn er gilt nach § 30 c Abs. 1 BetrAVG nur für Leistungen, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt wurden, wie auch die Beklagte nicht verkennt. Wenn aber der Gesetzgeber hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG einen Stichtag, nämlich den 01.01.1999, bestimmt hat, ab dem für Neuzusagen die gesetzliche Garantieanpassung eingeführt werden kann, dann kann dieses Modell nicht zugleich als gesetzliches Leitbild für die Ausübung des billigem Ermessens im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verstanden werden. Denn wäre es, wie die Beklagte meint, richtig, dass eine Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge um jährlich 1 % regelmäßig billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG entspräche, dann bedürfte es der Übergangsvorschrift des § 30 c Abs. 1 BetrAVG gar nicht, weil dann der Arbeitgeber im Rahmen der Ausübung des billigen Ermessens nicht gehindert wäre, auch für Altzusagen jedenfalls im Ergebnis auf das Regelungsmodell des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG zurückzugreifen. Da der Gesetzgeber dies ausweislich § 30 c Abs. 1 BetrAVG erkennbar nicht gewollt hat, scheidet die Annahme, eine an § 16 Abs. 3 Ziffer 1 BetrAVG angelehnte Garantieanpassung entspreche billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG, aus.

Nach alledem durfte die Beklagte die von ihr vorgetragenen Kriterien im Rahmen der Anpassungsprüfung des § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht zum Nachteil des Klägers einbeziehen. Vielmehr war nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei den Belangen der Versorgungsempfänger der sogenannte Anpassungsbedarf zu ermitteln. Der Anpassungsbedarf ergibt sich aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust (BAG, Urteil vom 04.10.1994 - 3 AZR 910/93 = NZA 1995, 368 ff.). Die Belange des Versorgungs-empfängers bestehen im Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit sie nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde. Dazu ist auf die in der einschlägigen Fachpresse veröffentliche Indexwerte der Monate abzustellen, die dem erstmaligen Rentenbezug und dem Anpassungsstichtag vorausgehen (BAG, Urteil vom 31.07.2007 - 3 AZR 810/05 = DB 2008, 135 f.; BAG, Urteil vom 13.12.2005 - 3 AZR 217/05 = NZA 2007, 39 ff.). Aus dem Sinn und Zweck des § 16 BetrAVG ergibt sich, dass der Kaufkraftverlust ausgeglichen werden soll, damit die jeweils zu zahlende Rente der versprochenen Rente zum Rentenbeginn wertmäßig entspricht. Diese Wertsicherung kann nur dadurch erreicht werden, dass ein früher nicht berücksichtigter Anpassungsbedarf bei Wiederholungsprüfungen auszugleichen ist. Der in § 16 BetrAVG vorgeschriebene Dreijahresturnus bei der Überprüfung von Betriebsrenten zwingt nicht zu starren individuellen Prüfungsterminen. Der Arbeitgeber kann sich dafür entscheiden, die in einem Jahr fälligen Anpassungsprüfungen der Betriebsrente zusammenzufassen und seit einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb oder am Ende des Jahres vorzunehmen (BAG, Urteil vom 28.04.1992 - 3 AZR 142/91 = NZA 1993, 69 ff.; BAG, Urteil vom 30.08.2005 - 3 AZR 395/04 = DB 2006, 732 ff.; BAG, Urteil vom 13.12.2005, a.a.O.).

Für die Erfüllung der Anpassungsprüfungspflicht für die Zeiträume vor dem 01.01.2003 kommt es auf den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittleren Einkommen an, für die Zeit danach auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland. Dieser ergibt sich aus §§ 16 Abs. 2 Nr. 1, 30 c BetrAVG (BAG, Urteil vom 31.07.2007, a.a.O.). Dies gilt auch dann, wenn die Anpassungsprüfung erst später stattfindet. Von seinem Wortlaut her stellt § 30 c Abs. 4 BetrAVG ausdrücklich auf "Zeiträume" ab. Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass der Zeitpunkt der Anpassungsprüfung darüber entscheidet, welcher Index heranzuziehen ist, hätte er die Vorschrift anders formulieren können und müssen (LAG München, Urteil vom 28.02.2007 - 5 Sa 879/06 - juris). Die abweichende Rechtsauffassung des Klägers, die soweit ersichtlich allein von Höfer (a.a.O., § 30 c BetrAVG, Rn. 5746) vertreten wird, findet im Gesetz keine Stütze und ist daher abzulehnen.

Nach alledem ermittelt sich der Anpassungsbedarf des Klägers wie folgt:

Ausweislich der vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Tabellen hat der Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittleren Einkommen im September 1998 104,1 (Basis 1995 = 100) und im Dezember 2000 107,2 betragen. Der Anpassungsbedarf des Klägers zur ersten erfolgten Anpassung zum 01.01.2001 lag mithin bei 2,98 %. Die Veränderung von Dezember 2000 (Index 107,2) zu Dezember 2002 (Index 110,4) belief sich auf 2,99 %. Ab dem 01.01.2003 sind die Indexzahlen des Verbraucherpreisindexes für Deutschland anwendbar. Zum 01.01.2003 lag der Verbraucherpreisindex bei 104,0 Punkten (Basis 2000 = 100). Für Dezember 2003 beträgt der Index 105,1 Punkte. Die prozentuale Veränderung liegt somit bei 1,06 %. Zum Anpassungsstichtag 01.01.2004 bestand mithin ein Gesamtanpassungsbedarf von 4,05 Prozentpunkten. Die Veränderung von Dezember 2003 (Index 105,1) zu Dezember 2006 (Index 111,1) beträgt 5,71 % Prozentpunkte, was zwischen den Parteien auch nicht streitig ist. Insgesamt war somit zum Anpassungsstichtag 01.01.2007 ein Gesamtanpassungsbedarf seit Beginn der Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung an den Kläger im Oktober 1998 von 12,74 Prozentpunkten auszugleichen.

Ausgehend von der Ursprungsrente des Klägers in Höhe von umgerechnet 3.021,78 € beträgt unter Berücksichtigung des vollen Anpassungsbedarfs die Monatsrente ab dem 01.01.2007 somit 3.406,75 €. Dabei geht die Kammer mit dem Arbeitsgericht Dortmund davon aus, dass die Beklagte aufgrund der vorgenannten Grundsätze nicht damit gehört werden kann, dass sie in Vorbereitung der Anpassung jeweils die für September des Vorjahres maßgeblichen Zahlen zugrunde legt. Die Beklagte hat dies im Rahmen der Berufungsbegründung auch nicht mehr aufgegriffen.

Die Beklagte ist verpflichtet, den vollen Anpassungsbedarf des Klägers zu befriedigen, denn sie hat nicht hinreichend dargetan, dass sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage dazu nicht in der Lage wäre.

Der Arbeitgeber darf nach § 16 Abs. 1 BetrAVG eine den Belangen des Versorgungsempfängers entsprechende Anpassung insoweit ablehnen, als dadurch sein Unternehmen übermäßig belastet und es in dessen Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn er annehmen darf, es werde ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens aufzubringen. Da es darauf ankommt, ob das Unternehmen eine volle Anpassung der Betriebsrenten tragen kann, ist die voraussichtliche künftige Belastbarkeit des Unternehmens entscheidend. Der Arbeitgeber hat dazu eine Prognose zu erstellen, wobei ihm ein Beurteilungsspielraum zusteht. Für seine Einschätzung der künftigen Entwicklungen muss aber eine durch Tatsachen gestützte Wahrscheinlichkeit sprechen. Die Prognose muss realitätsgerecht und vertretbar sein. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Anpassungsstichtag. Die wirtschaftliche Entwicklung der Zeit vor diesem Tag ist für die erforderliche Prognose nicht irrelevant, sondern insoweit von Bedeutung, als daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung des Unternehmens gezogen werden können. Auch die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag können sich auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie können seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften (BAG, Urteil vom 25.04.2006 - 3 AZR 50/05 = DB 2007, 580 ff.). Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse wie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Geschäftsberichte bilden einen geeigneten Einstieg zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Eine einigermaßen zuverlässige Prognose setzt voraus, dass die bisherige Entwicklung über mehrere Jahre hinweg ausgewertet wird, wobei ein Zeitraum unter drei Jahren in der Regel nicht repräsentativ ist (BAG, Urteil vom 17.04.1996 - 3 AZR 56/95 = NAZ 1997, 155 ff.; BAG, Urteil vom 18.02.2003 - 3 AZR 172/02 = DB 2003, 2606 ff.). Der Teuerungsausgleich zu Gunsten der Rentner ist dann geboten, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt bei gesunder Weiterentwicklung die zusätzliche Belastung zulässt (Höfer a.a.O., § 16 BetrAVG, Rn. 5261). Der Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des § 16 BetrAVG hält. Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auf alle die Anpassungsentscheidung beeinflussenden Umstände (BAG, Urteil vom 25.04.2006 a.a.O.; BAG vom 20.05.2003 - 3 AZR 179/02 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Auslegung).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält die Kammer Tatsachen, die eine Prognose des Inhalts, dass die Beklagte außerstande sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem zukünftig zu erwirtschaftenden Wertzuwachs zu begleichen, rechtfertigen, für nicht ausreichend dargetan, so dass es ausschließlich auf die Belange der Versorgungsempfänger ankommt (vgl. BAG, Urteil vom 21.08.2001 - 3 AZR 589/00 = NZA 2003, 561 ff.). Zwar hat die Beklagte in der zweiten Instanz erstmals ihre Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen ab dem Geschäftsjahr 2002/2003 vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass per Saldo unter Einbeziehung des Geschäftsjahres 2001/2002 zum Anpassungsstichtag ein Verlust von 82,46 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Die Beklagte war auch nicht gehindert, dies in der Berufungsinstanz erstmals vorzutragen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz in § 67 ArbGG geregelt. Es handelt sich um eine Spezialregelung, die den Bestimmungen des Verfahrensrechts der Zivilprozessordnung, insbesondere der §§ 529, 531 ZPO vorgeht (BAG, Beschluss vom 15.02.2005 - 9 AZN 892/04 = NJW 2005, 1452 ff.; ErfK/Koch, 9. Aufl. 2008, § 67 ArbGG Rn. 1). Neuer Sachvortrag der Parteien ist demnach im arbeitsgerichtlichen Verfahren im Rahmen des § 67 ArbGG in der Berufungsinstanz grundsätzlich zulässig und zu berücksichtigen. Ausgeschlossen ist nach § 67 Abs. 1 ArbGG nur Sachvortrag, der im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen wurde. Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass allein die Berufung auf in der Vergangenheit erwirtschaftete Verluste nicht zwingend die Prognose rechtfertigt, dass die künftigen Wertzuwächse nicht ausreichen, um den Anpassungsbedarf der Betriebsrentner zu befriedigen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Geschäftsjahr 2006/2007 einen Gewinn von 75,382 Millionen Euro erwirtschaften konnte und auch nachfolgend im Geschäftsjahr 2007/2008 einen Gewinn von beinahe 50 Millionen Euro erzielt werden konnte. Die Beklagte hätte daher nähere Einzelheiten zu ihrer Prognoseentscheidung vortragen müssen, was sie jedoch erklärtermaßen in der Berufungsverhandlung abgelehnt hat. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte selbst nicht vorträgt, sie hätte die tatsächlich erfolgte Anpassung von drei Prozentpunkten durchgeführt, obwohl ihre wirtschaftliche Lage entgegen-stand. Auch lässt sich eine ungünstige wirtschaftliche Prognose kaum in Einklang bringen mit dem Umstand, dass die Beklagte darüber hinausgehend sogar für die nachfolgenden beiden Anpassungsperioden ebenfalls eine Anpassung von jeweils weiteren drei Prozentpunkten garantieren wollte. Aus dem Sachvortrag der Beklagten wird für die Kammer jedenfalls nicht ersichtlich, weshalb sie einerseits in der Lage ist, eine Anpassung von 3 % vorzunehmen, andererseits jedoch außerstande sein soll, den vollen Anpassungsbedarf zu befriedigen. Entscheidend ist jedoch, dass die Beklagte gar nicht auf eine ungünstige wirtschaftliche Lage abstellt, aus der hervor gehen könnte, dass sie zur gebotenen Anpassung der Betriebsrenten außerstande ist. Vielmehr hat sie sich ausdrücklich darauf berufen, dass ihr aufgrund der Besonderheiten im Großanlagenbau eine Prognose über ihre wirtschaftliche Lage gar nicht möglich sei. Eben deshalb soll die vorgenommene Garantieanpassung billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG entsprechen. Die Kammer hält es aber schlechthin für ausgeschlossen, dass bei der Beklagten keinerlei Planzahlen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung vorliegen. Es mag sein, dass aufgrund der langfristigen Projektdauer im Großanlagenbau ein Wechsel von Jahren, in denen hohe Gewinne zu verzeichnen sind, mit Jahren, in denen Verluste entstehen, typisch ist. Dies mag es rechtfertigen, auf einen längeren Zeitraum abzustellen, um Zufallsergebnisse zu vermeiden. Die Beklagte hat es jedoch insgesamt abgelehnt, weitere Planzahlen vorzutragen. Dann muss sie es nach Auffassung der Kammer hinnehmen, dass sie i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG als leistungsfähig behandelt wird.

Nach alledem kann der Kläger von der Beklagten verlangen, dass diese zum 01.01.2007 seine betriebliche Altersversorgung auf insgesamt 3.406,75 € erhöht. Da die Beklagte tatsächlich nur eine Erhöhung auf 3.309,93 € vorgenommen hat, war dem Kläger die daraus resultierende Differenz von monatlich 96,82 € zuzusprechen. Demzufolge muss die Beklagte insgesamt für die Monate Januar bis Oktober 2007 an den Kläger eine Nachzahlung in Höhe von 968,20 € brutto leisten sowie ab November 2007 eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 3.406,75 € zahlen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Diesbezüglich hat die Beklagte mit der Berufung die erstinstanzliche Entscheidung nicht angegriffen.

Aus den oben gemachten Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die weitergehende Anschlussberufung des Klägers unbegründet ist. Insgesamt war daher wie tenoriert zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die große Zahl der Betriebsrentner der Beklagten, die mittelbar von dieser Entscheidung betroffen sind.

Ende der Entscheidung

Zurück