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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 245/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4

Entscheidung wurde am 07.12.2003 korrigiert: die Entscheidung war unvollständig
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss

4 Ta 245/03

In Sachen

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht HAMM ohne mündliche Verhandlung am 03. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid

beschlossen:

Tenor:

Auf die als sofortige auszudeutende Beschwerde wird der PKH-Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 18.02.2003 -4 Ca 3817/02 - dahingehend abgeändert, daß die Klägerin einstweilen ratenfrei bleibt. Im übrigen wird die (sofortige) Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 31.10.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage per Telefax eingegangen, eine Kündigungsschutz- und Zahlungsklage erhoben. Im Gütetermin vom 10.12.2002 hat ihre Prozeßbevollmächtigte beantragt,

der Klägerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A1xxxxxxxxx zu bewilligen.

Sodann haben die Parteien einen Widerrufsvergleich geschlossen und sich darin gütlich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2002 gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte an die Klägerin in Höhe von 1.000,00 € geeinigt. Die Widerrufsfrist lief bis zum 24.12.2002; der Vergleich ist nicht widerrufen worden.

Die Prozeßbevollmächtigte hat mit einem nicht unterzeichneten Schriftsatz vom 09.12.2002, bei dem Arbeitsgericht am 13.12.2002 eingegangen, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (ohne Datum) sowie eine Lohn-/Gehaltsabrechnung für 09/2002 der Klägerin zu den Gerichtsakten gereicht. Mit Schriftsatz vom 20.12.2002, bei dem Arbeitsgericht am 23.12.2002 eingegangen, ist eine Krankengeldbescheinigung der BEK vom 11.11.2002 nachgereicht worden.

Das Arbeitsgericht Herne hat der Klägerin durch Beschluß vom 18.02.2003 -4 Ca 3817/02 - mit Wirkung vom 13.12.2002 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr antragsgemäß Rechtsanwältin A1xxxxxxxxx aus W1xxxxxxx unter Ausschluß der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort mit der Maßgabe beigeordnet, daß die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 60,00 € zu zahlen hat.

Gegen diesen nicht förmlich zugestellten Beschluß, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.03.2003, bei dem Arbeitsgericht am 14.03.2003 eingegangen, zunächst nur gegen den festgelegten Bewilligungszeitpunkt Beschwerde eingelegt. Sie meint, Prozeßkostenhilfe sei ihr rückwirkend ab Antragstellung zu bewilligen. Das PKH-Gesuch bereits vor dem 13.12.2002, nämlich am 09.12.2002, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung am 10.12.2002 gestellt worden. Die PKH-Erklärung nebst Anlagen sei dann spätestens am 13.12.2002 eingereicht worden, mithin noch im laufenden Verfahren, denn die Widerrufsfrist für den Vergleich vom 10.12.2002 sei bis zum 24.12.2002 gelaufen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2003, bei dem Arbeitsgericht am 20.03.2003 eingegangen, hat die Klägerin die Beschwerde erweitert und auf den PKH-Bewilligungsbeschluß insgesamt gerichtet. Sie trägt vor, es sei ihr auch nicht möglich, Raten von 60,00 € monatlich zu zahlen, da sie derzeit ausweislich der überreichte Lohn- und Gehaltsabrechnung 2/2003 der G1xxxxxxxxx S4xxxxxxxxxxx G2xx nur noch über ein monatliches Einkommen von 325,00 € verfüge. Außerdem müsse sie gemäß der Ratenzahlungsvereinbarung vom 23.12.2002 eine Forderung in Höhe von insgesamt 732,81 € mit monatlich 25,00 € begleiche und zahle gemäß einer weiteren Ratenzahlungsvereinbarung vom 07.01.2003 monatliche Raten von 50,00 €.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die als sofortige auszudeutende Beschwerde ist zulässig (§§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO), denn sie ist formgerecht eingelegt. Sie ist auch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist, die mangels Rechtsmittelbelehrung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG zur Anwendung gelangt, eingelegt worden. Die (sofortige) Beschwerde ist begründet, soweit sie sich gegen die Ratenzahlungsanordnung richtet, sie ist unbegründet, soweit sie sich gegen den vom Arbeitsgericht festlegten Zeitpunkt der PKH-Bewilligung richtet.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. Für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse schreibt § 117 Abs. 4 ZPO die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor, nach § 117 Abs. 2 ZPO müssen alle Angaben durch Vorlage "entsprechender Belege" glaubhaft gemacht werden.

2. Eine Frist für das PKH-Gesuch sieht das Gesetz zwar nicht vor, jedoch muß das Gesuch bis zum Abschluß der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht eingehen, denn sonst bietet die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung keine Aussicht auf Erfolg mehr. Ist der PKH-Antrag vor Ende der Instanz oder des Verfahrens gestellt, werden die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und/oder die "entsprechenden Belege" gemäß § 117 Abs. 2 ZPO aber erst nach Instanz- oder Verfahrensbeendigung eingereicht, kann Prozeßkostenhilfe nicht mehr bewilligt werden (OLG Bamberg v. 02.01.1995 - 7 WF 191/94, FamRZ 1996, 618; OLG Bamberg v. 09.01.1997 - 7 WF 190/96, FamRZ 1998, 250; ebenso LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91). Gleiches muß gelten, wenn der PKH-Vordruck und/oder die Unterlagen erst nach Instanz- oder Verfahrensbeendigung vervollständigt werden. Das PKH-Gesuch ist in solchen Fällen im allgemeinen zurückzuweisen (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGReport 2002, 88, 89). Billigkeitsgesichtspunkte spielen hier keine Rolle, denn es gehört zur Obliegenheit des Antragstellers, die Bewilligungsvoraussetzungen zu schaffen. Eine PKH-Bewilligung ist hingegen noch für die Instanz möglich, wenn zwischen Abschluß des Prozeßvergleichs und Ablauf der Widerrufsfrist ein vollständiges PKH-Gesuch bei Gericht eingeht (OLG Celle v. 27.05.2002 - 22 U 140/01, OLGR Celle 2002, 213, 214). Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt, so daß das Arbeitsgericht der Klägerin im Grundsatz nach den glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozeßkostenhilfe mit einer Ratenzahlungsverpflichtung in Höhe von 60,00 € bewilligt hat. Gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene, korrigierte Berechnung im übrigen wehrt sich die Klägerin nicht, sondern beruft sich auf eine Verschlechterung ihrer Einkommensverhältnisse. Dieser Einwand ist beachtlich, da allein der Selbstbehalt von 360,00 € das Nettoeinkommen der Klägerin ins Minus führt. Da kein einzusetzendes Einkommen (mehr) vorhanden ist, entfallen nach der Tabelle des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO die vom Arbeitsgericht festgesetzten Raten. Der PKH-Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts Herne vom 18.02.2003 -4 Ca 3817/02 - daher dahingehend abzuändern, daß die Klägerin einstweilen ratenfrei bleibt.

3. Ob die Rückbeziehung der PKH-Bewilligung im Beschluß auf die Zeit der Antragstellung oder der Entscheidungsreife des Antrags zu erfolgen hat, ist streitig. Die PKH-Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO gelten für den Zivilprozeß direkt und für alle übrigen gerichtlichen Verfahren kraft Inbezugnahme. Für den Zivilprozeß (grundlegend BGH v. 30.09.1981 - IVb ZR 694/80, MDR 1982, 217 = NJW 1982, 446; bestätigt von BGH v. 06.12.1984 - VII ZR 223/83, MDR 1985, 663 = NJW 1985, 921; BGH v. 08.10.1991 - XI ZR 174/90, NJW 1992, 839), für den Strafprozeß (BGH v. 21.04.1988 - 4 StR 112/88, BGHR § 397a Abs. 1 StPO Prozeßkostenhilfe Nr. 3; BGH v. 07.11.1989 - 1 StR 572/89, BGHR § 223a Abs. 1 StGB Werkzeug Nr. 4; BGH v. 17.03.1992 - 4 StR 95/92, JurBüro 1992, 823 = JurBüro 1993, 51) und für das finanzgerichtliche Verfahren (BFH v. 30.11.1989 - VIII S 14/89, BFH/NV 1990, 292; BFH v. 13.12.1989 - VIII S 16-21/89, BFH/NV 1990, 391; BFH v. 13.12.1989 - VIII S 2/88, BFH/NV 1990, 320; BFH v. 20.02.1990 - VIII B 39/85, BFH/NV 1990, 785; BFH v. v. 13.05.1992 - II S 1/92, BFH/NV 1993, 322; BFH v. 18.04.1996 - V S 3/96, BFH/NV 1996, 927) ist höchstrichterlich anerkannt, daß die Rückwirkung nur bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden kann, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der etwa erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus die Voraussetzungen für die PKH-Bewilligung geschaffen hat.

3.1. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Arbeitsgerichtverfahren wird teils verneint (LAG Bremen v. 27.07.1982 - 3 Ta 42/82, EzA § 119 ZPO Nr. 1 [E. Schneider] = ARST 1983, 7 = MDR 1982, 965; LAG Düsseldorf v. 18.07.2001 - 2 Ta 184/01, n.v.; LAG Düsseldorf v. 14.08.2002 - 2 Ta 327/02, n.v.), teils bejaht (LAG Nürnberg v. 11.05.1988 - 3 Ta 55/88, LAGE § 117 ZPO Nr. 6; LAG Sachsen-Anhalt v. 07.12.1998 - 8 Ta 176/98, AnwBl 2000, 62). Im Interesse der Einheit der PKH-Rechtsprechung in allen Gerichtszweigen verdient die letztgenannte Ansicht den Vorzug. Die Nichtverwendung des amtlichen Vordrucks "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" macht den PKH-Antrag zwar nicht unzulässig, aber solange der Vordruck nicht eingereicht ist, ist der Antrag nicht formgerecht gestellt. Wird das PKH-Gesuch ohne amtlichen Vordruck eingereicht, dann kann, wenn der Vordruck zusammen mit den "entsprechenden Belegen" nachgereicht wird, Prozeßkostenhilfe rückwirkend nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern (frühestens) auf den Zeitpunkt des vollständigen Nachreichens der PKH-Unterlagen bewilligt werden (LAG Hamm v. 20.11.2002 - 4 Ta 96/02, NZA 2003, 456; LAG Hamm v. 19.03.2003 - 18 Ta 100/03, NZA-RR 2003, 492; n.v.; ähnl. LAG Schleswig-Holstein v. 01.03.1988 - 5 Ta 34/88, LAGE § 119 ZPO Nr. 5). Für eine Entscheidungsreife, auch Bewilligungsreife genannt, wird man verlangen müssen, daß der Antrag vollständig begründet und belegt ist, denn nur dann hat der Antragsteller das von seiner Seite aus Erforderliche getan. Die Bewilligungsreife ist nicht gegeben, solange der Antragsteller keine vollständige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hat (LAG Berlin v. 31.07.2002 - 10 Ta 1070/02, n.v.; ArbG Regensburg v. 30.01.2002 - 2 Ca 3782/01, Rpfleger 2002, 319). Ist der Antrag auf PKH nicht formgerecht oder unvollständig gestellt worden, kann eine Rückwirkung der PKH-Bewilligung frühestens auf den Zeitpunkt der Beseitigung des Antragsmangels in Betracht kommen (BFH v. 18.05.1990 - III B 62/89, BFH/NV 1991, 260; OLG Düsseldorf v. 27.09.1990 - 10 W 63/90, FamRZ 1991, 207 = NJW 1991, 1186). Absolute Grenze der rückwirkenden Bewilligung ist nämlich stets der Antrag der Partei und der Zeitpunkt, in dem er dem Gericht "vollständig" vorliegt (LAG Hessen v. 02.03.2001 - 2 Ta 101/01, MDR 2001, 1017 = NZA-RR 2001, 437).

3.2."Vollständig" ist die Antragstellung erst, wenn sie § 117 ZPO entspricht, mit anderen Worten, es muß die vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck abgegeben (OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123) und es müssen alle "entsprechenden Belege" eingereicht sein (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91; LAG Hamm v. 08.08.2002 - 4 Ta 489/02, LAGReport 2003, 22, 23). Ausfüllungsmängel können durch eine dem Vordruck beigefügte oder nachgereichte Erklärung ergänzt werden, wobei Lücken der Vordruckserklärung auch durch Belege, z.B. aussagekräftige Verdienst- oder Krankengeldbescheinigungen, Arbeitslosengeld-, Arbeitslosenhilfe-, Sozialhilfe-, Wohngeldbescheide, geschlossen werden. Grundsätzlich ist der Vordruck aber vollständig auszufüllen, eine Lückenfüllung durch andere Erklärungen und Belege kann nur in engem Rahmen hingenommen werden, insbesondere um zu verhindern, daß bloße Unbeholfenheit dem Antragsteller zum Nachteil gereicht. Die Beifügung entsprechender Belege gemäß § 117 Abs. 2 ZPO zur Vordruckerklärung hat ohne gerichtliche Aufforderung zu erfolgen. Die Belege sollen die erklärten Tatsachen glaubhaft machen, können aber im Prinzip die Erklärung nicht ersetzen, eben weil sie nur der Glaubhaftmachung dienen. Solange der Vordruck nicht lückenlos ausgefüllt ist, ist der Antrag nicht formgerecht gestellt (LAG Hamm v. 31.01.2001 - 4 Ta 127/00, LAGE § 117 ZPO Nr. 9 = AE 2001, 141). Ob vorliegend die Bewilligungsreife bereits mit Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (ohne Datum) sowie eine Lohn-/Gehaltsabrechnung für 09/2002 der Klägerin am 13.12.2002 oder erst mit Nachreichung der Krankengeldbescheinigung der BEK vom 11.11.2002 am 23.12.2002 eingetreten ist, ist für die PKH-Bewilligung letztlich ohne Bedeutung, denn auch der letztgenannte Zeitpunkt liegt nach Abschluß des Vergleiches und vor Ablauf der Widerrufsfrist.

4. Nach alledem hat die (sofortige) Beschwerde nur hinsichtlich der Ratenzahlungsordnung Erfolg haben können und im übrigen ohne Erfolg bleiben müssen. Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 Satz 2 ArbGG n.F. i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG und § 574 Abs. 2 ZPO n.F. zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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