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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.04.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 259/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124 Nr. 2 analog
1. Ist die Güteverhandlung erfolglos geblieben, so stellt ein sodann verkündeter Beschluß des Inhalts: "Kammertermin wird auf Antrag einer der Parteien anberaumt", zwar keine förmliche Ruhensanordnung dar. In der Sache selbst hat ein solcher Beschluß aber die Wirkung einer Ruhensanordnung, so daß nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist die Klagerücknahme fingiert wird (analog § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO). Für eine solche Fallgestaltung kann in der Regel nachträglich keine Prozeßkostenhilfe mehr gewährt werden.

2. Etwas anderes kann bei einem sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch gelten. Als Umkehrschluß aus § 124 Nr. 2 ZPO folgt aber auch bei einer solchen Fallgestaltung, daß die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe von vornherein versagt werden kann, wenn die PKH-Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Grob nachlässig sind die unrichtigen Angaben, wenn die Partei die jedem einleuchtende Sorgfalt bei Zusammenstellung und Überprüfung der Angaben außer acht gelassen hat.


LANDESARBEITSGERICHT HAMM BESCHLUSS

Geschäfts-Nr.: 4 Ta 259/02

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm ohne mündliche Verhandlung am 14. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid

beschlossen:

Tenor:

Die (sofortige) Beschwerde der Klägerin gegen den PKH-Ablehnungsbeschluß des Arbeitsgerichts detmold vom 25.03.2002 - 3 Ca 102/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Das Arbeitsgericht Detmold hat durch Beschluß vom 25.03.2002 (2 Ca 102/02) das PKH-Gesuch mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe den angeforderten Arbeitslosengeldbescheid trotz Fristsetzung nicht vor- gelegt.

Gegen den Ihr am 28.03.2002 zugestellten Beschluß hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am 18.04.2002 eingegangen, (sofortige) Beschwerde eingelegt. Unter Vorlage der Verdienstbescheinigungen für die Monate Dezember 2001 bis März 2002 trägt sie vor, habe sie sich zunächst arbeitslos gemeldet, sei dann aber aufgrund des in diesem Rechtsstreits geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung zum 31.12.2001 "nahtlos" über diesen Termin hinaus weiterbeschäftigt worden. Eine unterlassene Mitwirkungshandlung auf Vorlage eines Arbeitslosengeldbescheides könne deshalb nicht festgestellt werden.

Zuvor hatte das Arbeitsgericht Detmold im Gütetermin vom 18.02.2002, zu dem der Beklagte nicht erschienen ist, im Einvernehmen mit dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin einen Beschluß des Inhalts verkündet, daß "neuer Termin ... auf Antrag einer Partei bestimmt" wird.

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (§ 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO). Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (OLG Düsseldorf v. 21.06.1988 - 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln v. 19.08.1991 - 19 W 32/91, MDR 1992, 514 = VersR 1992, 1022, 1023; LAG Hamm v. 12.02.2001 - 4 Ta 277/00, AE 2001, 141 = ZInsO 2001, 432; a.A. OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123; OLG Karlsruhe v. 18.07.1996 - 2 WF 67/96, FamRZ 1997, 375). ). Deshalb darf auch dann keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden, wenn die entscheidenden schwierigen, zunächst ungeklärten Rechtsfragen im Laufe des PKH-Verfahrens höchstrichterlich in einem für den Antragsteller ungünstigen Sinne entschieden werden (BGH v. 27.01.1982 - IVb ZB 925/80, LM Nr.29 zu § 114 ZPO = MDR 1982, 564).

2. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit - ei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung bewilligt werden. Erscheinen beide Parteien im Gütetermin nicht, obwohl sie beide ordnungsgemäß geladen worden sind (LAG Düsseldorf v. 24.07.1986 - 7 Ta 280/86, LAGE § 54 ArbGG 1979 Nr. 3), so ist nach § 54 Abs. 5 Satz 1 ArbGG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Diese Rechtsfolge ist zwingend vorgeschrieben; das Arbeitsgericht hat insoweit keinen Ermessensspielraum. Dem Nichterscheinen steht das Nichtverhandeln der Parteien gleich (§ 333 ZPO). Der ruhende Zustand wird durch den Antrag auf Bestimmung eines streitigen Kammertermins beendet (§ 54 Abs. 5 Satz 2 ArbGG). Wird der Antrag auf Terminsanberaumung nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt, dann wird nach Fristablauf der Rechtsstreit so behandelt, als hätte der Kläger die Klage zurückgenommen (§ 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO). Die Fiktionswirkung tritt nur ein, wenn die Ruhensanordnung in der Güteverhandlung getroffen worden ist. Auf andere Fallgestaltungen ist diese Bestimmung nicht entsprechend anwendbar (LAG Hamm v. 21.07.1983 - 8 Ta 135/83, EzA § 54 ArbGG 1979 Nr. 2). Dies setzt jedoch voraus, daß das Verfahren über die Güteverhandlung hinaus gediehen ist. Ist die Güteverhandlung erfolglos geblieben, weil die Parteien z.B. außergerichtliche Vergleichsverhandlungen führen wollen, wird vielfach im Protokoll der Beschluß verkündet:

"Kammertermin wird auf Antrag einer der Parteien anberaumt."

Ein solcher Beschluß stellt zwar keine förmliche Ruhensanordnung dar, steht einer solchen jedoch gleich, weil er zum Ausdruck bringt, wodurch die Zeit des Nichtbetreibens des Verfahrens durch die Parteien beendet werden kann, nämlich durch Stellung eines Terminsantrags. In der Sache selbst hat ein solcher Beschluß die Wirkung einer Ruhensanordnung, so daß nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist auch hier die Klagerücknahme fingiert wird (analog § 54 Abs. 5 Satz 4 ArbGG i.V.m. § 269 Abs. 3 ZPO). Für eine solche Fallgestaltung kann in der Regel nachträglich keine Prozeßkostenhilfe mehr gewährt werden.

3.Allerdings gelten die vorgenannten Grundsätze nicht ausnahmslos. Etwas anderes kann bei einem sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch gelten. Von einem solchen wird gesprochen, wenn das PKH-Gesuch rechtzeitig eingegangen, aber vom Gericht vor Instanzbeendigung nicht hat verbeschieden werden können (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGReport 2002, 88, 89; LAG Hamm v. 02.02.2002 - 4/14 Ta 24/02, LAGReport 2002, 117 = ZInsO 2002, 344 = ZIP 2002, 579) oder infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht entschieden worden ist (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91). Geht das Gesuch rechtzeitig ein, dann kann bei einem sog. "steckengebliebenen" PKH-Antrag dem Antragsteller auch nach Beendigung der Instanz oder des Verfahrens insgesamt Prozeßkostenhilfe gewährt werden, wenn bis zur Beendigung des Verfahrens die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich aussichtsreich (OLG Hamm v. 09.12.1996 - 12 WF 219/96, FamRZ 1997, 1018) und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht war (OLG Brandenburg v. 13.06.1997 - 10 WF 20/97, FamRZ 1998, 249). Dabei ist außerdem noch folgendes zu beachten: Nach § 124 Nr.2 ZPO kann das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht nur dann aufheben, wenn die Partei im sog. PKH-Prüfungsverfahren überhaupt keine Erklärung nach § 120 Abs.4 Satz2 ZPO abgegeben hat, sondern auch dann, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Als Umkehrschluß folgt hieraus, daß die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe von vornherein versagt werden kann, wenn die PKH-Partei unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse macht. Auch im PKH-Verfahren unterliegt die Partei der prozessualen Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs.1 ZPO. Wendet man die Grundsätze des § 124 Nr.2 ZPO bereits im PKH-Bewilligungsverfahren an, so ist die Prozeßkostenhilfe der Partei zu versagen, wenn diese absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Grob nachlässig sind die unrichtigen Angaben, wenn die Partei die jedem einleuchtende Sorgfalt bei Zusammenstellung und Überprüfung der Angaben außer acht gelassen hat. Der Begriff entspricht mithin der prozessualen groben Fahrlässigkeit (LAG Hamm v. 30.01.2002 - 4 Ta 148/01, BuW 2002, 660; LAG Hamm v. 18.03.2003 - 4 Ta 446/02, n.v.). Vorliegend hat die Klägerin in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28.01.2002 angegeben, am 10.01.2002 Arbeitslosengeld beantragt zu haben. Folgerichtig hat das Arbeitsgericht ihr aufgegeben, den Arbeitslosengeldbescheid vorzulegen. Im Beschwerdeverfahren läßt sich die Klägerin nunmehr dahingehend ein, sie aufgrund des in diesem Rechtsstreits geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung zum 31.12.2001 "nahtlos" über diesen Termin hinaus weiterbeschäftigt worden. Da sie "nahtlos" über den 31.12.2001 hinaus weiterbeschäftigt worden ist, hatte die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Gehaltszahlung, so daß hierauf in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 28.01.2002 hätte hingewiesen werden müssen. Denn hätte das Arbeitsgericht aufgrund der bereits eingereichten Abrechnung die Ratenberechnung vornehmen können.

4.Nach alldem hat die (sofortige) Beschwerde mit der doppelten Begründung ohne Erfolg bleiben müssen.

Ende der Entscheidung

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