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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 415/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ArbGG § 61a
Steht fest, dass das Vertragsende kurz nach Klageerhebung bevorsteht, weil das Arbeitsverhältnis entweder alsbald durch rechtswirksame Befristung endet (§ 15 Abs. 1 TzBfG) oder infolge einer weiteren, nicht angegriffenen Kündigung beendet wird (§ 7 Hs. 1 KSchG), und bis zu diesem Zeitpunkt nach dem üblichen Geschäftsablauf nicht mit einer streitigen Entscheidung gerechnet werden kann, dann fehlt für eine dennoch erhobene Beschäftigungsklage das Titulierungsinteresse. Eine Zwangsvollstreckung aus einem auf Weiterbeschäftigung gerichteten Titel ist nach Vertragsende nicht mehr möglich. Eine solche Klage ist mutwillig erhoben, so dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu versagen ist.
Tenor:

Die als sofortige auszudeutende Beschwerde der Klägerin gegen den teilweise ablehnenden PKH-Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts Herne vom 24.05.2005 - 2 Ca 1255/05 - wird zurückgewiesen

Gründe: I. Mit Klageschrift vom 14.04.2005, bei dem Arbeitsgericht am 18.05.2005 eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben und folgende Anträge angekündigt: 1. Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis als Mitarbeiterin als Mitarbeiterin im C1xxxxxxxx der Arbeitgeberin durch die außerordentliche Kündigung vom 05.04.2005 nicht beendet ist, sondern unverändert fortbesteht. 2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin bis zum 31.05.2005 weiterhin als Mitarbeiterin im C1xxxxxxxx zu beschäftigen. Gleichzeitig hat sie unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13.04.2005 um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt R1xx D2xxxxx aus H1xxx als Anwalt nachgesucht. Durch Beschluß vom 24.05.2005 (2 Ca 1255/05) hat das Arbeitsgericht der Klägerin ab dem 09.05.2005 beschränkt auf den Klageantrag zu 1) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und ihr RA D2xxxxx beigeordnet. Im Übrigen nämlich hinsichtlich des Klageantrags zu 2), hat es das PKH-Gesuch zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bezüglich des Klageantrags zu 1) habe die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg und sei nicht mutwillig (§ 114 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 3 ArbGG). Bezüglich des Antrags auf Weiterbeschäftigung (Klageantrags zu 2) seien diese Voraussetzungen nicht gegeben, denn dieser Antrag sei mutwillig. Das Arbeitsverhältnis werde zum 31.05.2005 enden, da die Klägerin eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt nicht angegriffen habe. Mit der bei Gericht am 18.04.2005 eingegangenen Kündigungsschutzklage habe das Ziel der Weiterbeschäftigung bis zum 31.05.2005 schon deswegen nicht mehr erreicht werden können, da nach den üblichen Ablaufzeiten mit einem Kammertermin bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu rechnen gewesen sei. Eine Partei, die die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen habe, hätte einen solchen Antrag wohl nicht gestellt. Gegen diesen am 24.05.2005 formlos zum Zwecke der Zustellung zur Post gegebenen Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.06.2005, bei dem Arbeitsgericht am 21.06.2005 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, mit dem angefochtenen Beschluss werde die beantragte PKH für den Klageantrag zu 2) mit dem Argument abgelehnt, dass mit der am 18.04.2005 eingereichten Kündigungsschutzklage das Ziel einer Weiterbeschäftigung bis zum 31.05.2005 nicht mehr hätte erreicht werden können, da nach der üblichen Ablaufzeit mit einem Kammertermin bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu rechnen gewesen sei. Nach ihrer Auffassung komme es aber auf die Frage, wann ein Kammertermin stattfinde, oder nicht, nicht an. Entscheidend sei, dass sie unverzüglich nach Erhalt der Kündigung vom 05.04.2005 die Kündigungsschutzklage erhoben habe. Bei Erhebung der Klage und auch noch bei Anberaumung des Gütetermins am 02.05.2005 bzw. 09.05.2005 wäre durchaus eine Weiterbeschäftigung bis zum 31.05.2005 möglich gewesen. Nach ihrer Auffassung sei der Kammertermin deshalb unerheblich, weil ein Kammertermin sich ja auch über mehrere Terminstage erstrecken könne, z.B. dann, wenn geladene Zeugen nicht erscheinen würden und dementsprechend ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt werden müsse. Auf die Anberaumung eines Kammertermins habe sie keinen Einfluss, da es sich hierbei um einen Umstand handele, der nicht in ihrem Machtbereich liege. Bei einer derartigen Begründung wäre die PKH-Bewilligung letztlich von dem zufälligen Ausgang eines Prozesses bzw. von der zufälligen Dauer eines Rechtsstreits abhängig. Das könne jedoch im Ergebnis nicht sein. Mithin habe die PKH-Bewilligung für den Klageantrag zu 2) jedenfalls nicht grundsätzlich abgelehnt werden dürfen. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde als sofortige ausgedeutet, ihr aber mit der Begründung nicht abgeholfen, eine Partei, die die Verfahrenskosten hätte selber tragen müssen, hätte den Weiterbeschäftigungsantrag (Klageantrag zu 2) nicht gestellt. II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde ist begründet. 1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (§ 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO). Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (OLG Düsseldorf v. 21.06.1988 - 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln v. 19.08.1991 - 19 W 32/91, MDR 1992, 514 = VersR 1992, 1022, 1023; LAG Hamm v. 12.02.2001 - 4 Ta 277/00, AE 2001, 141 = ZInsO 2001, 432; a.A. OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123; OLG Karlsruhe v. 18.07.1996 - 2 WF 67/96, FamRZ 1997, 375). ). Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht das PKH-Gesuch hinsichtlich des Klageantrages zu 2) zurückgewiesen. 2. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung folgt aus dem Arbeitsvertrag. Er bildet nach heutigem Verständnis zusammen mit dem Vergütungsanspruch eine Einheit. Es handelt sich bei diesen beiden Berechtigungen in ihrer Bündelung um das, was den Hauptanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ausmacht (LAG Hamm v. 05.05.1983 - 8 Sa 255/83, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 34/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 966/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 24.02.2000 - 4 Sa 1731/99, ZInsO 2000, 467; LAG Hamm v. 04.12.2003 - 4 Sa 900/03, NZA-RR 2004, 189 = ZInsO 2004, 163). Außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet allerdings die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht (BAG GS v. 27.02.1985 - GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Daher ist es ausreichend -und eine verständige, nicht hilfsbedürftige, selbstzahlende Partei (ohne Rechtsschutzversicherung) würde ebenso handeln - den Weiterbeschäftigungsantrag erst nach erfolgloser Güteverhandlung zu stellen. Ein vorher gestellter Weiterbeschäftigungsantrag stellt im Sinne des PKH-Rechts eine Klageerhebung dar, die man in diesem frühen Verfahrensstadium durchaus als mutwillig bezeichnen (§ 114 2. Alt. ZPO) kann. Da im Gütetermin noch keine Streitentscheidung über die Kündigung ergehen kann, handelt es sich bei dem Weiterbeschäftigungsantrag in diesem Verfahrensstadium nicht um eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Maßnahme. Ihn zu diesem Zeitpunkt schon zu stellen, ist nicht erforderlich, so dass in diesem Stadium mithin keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden darf. 3. Selbst wenn man die vorstehenden Ausführungen nicht teilen will, bleibt die sofortige Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung ohne Erfolg. Prozesskostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit -sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung- bewilligt werden (LAG Hamm v. 11.11.2003 - 4 Ta 795/03, NZA-RR 2004, 102). Hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess wegen Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber die Hauptsache für erledigt erklärt, dann scheidet eine nachträgliche und rückwirkende PKH-Bewilligung in der Regel aus (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGReport 2002, 88). Gleiches gilt unabhängig von einer hier nicht erklärten Kündigungsrücknahme, wenn sich nach Klageeinreichung herausstellt, dass sich die Hauptsache (teilweise) durch Zeitablauf erledigt hat, denn dann kann für die (streitige) Fortsetzung des erledigten Rechtsstreits keine PKH mehr bewilligt werden. Aber es darf jedenfalls dann nicht nachträglich und rückwirkend vom Zeitpunkt der Bewilligungsreife bis zum Zeitpunkt der Teilerledigung des Rechtsstreits Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn im Zeitpunkt der Klageeinreichung bereits absehbar ist, das sich ein in der Klageschrift angekündigter Antrag alsbald infolge Zeitablaufs erledigen würde. Dies gilt vornehmlich für Klagen auf Beschäftigung, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses kurz nach Klageerhebung bevorsteht, weil das Arbeitsverhältnis entweder alsbald durch rechtswirksame Befristung endet (§ 15 Abs. 1 TzBfG) oder infolge einer weiteren, nicht angegriffenen Kündigung beendet wird (§ 7 Hs. 1 KSchG), und bis zu diesem Zeitpunkt nach dem üblichen Geschäftsablauf nicht mit einer streitigen Entscheidung gerechnet werden kann. Dies ist stets der Fall, wenn selbst unter Beachtung der Regelungen über die besondere Prozessförderung in Kündigungsverfahren (§ 61a ArbGG) bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mit einer Anberaumung eines Kammertermin gerechnet werden kann. Das Arbeitsgericht hat die Vorschrift des § 61a ArbGG beachtet: Danach soll die Güteverhandlung "innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung" (§ 61a Abs. 2 ArbGG) stattfinden. Nach der ursprünglichen Terminierung sollte die Güteverhandlung zwar bereits am 02.05.2005 stattfinden, aber auch die Verlegung des Gütetermins wegen Verhinderung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf den 09.05.2005 liegt noch innerhalb der gesetzlichen Frist, denn die Klage ist der Beklagten am 27.04.2005 zugestellt worden. Ist die Güteverhandlung - wie im Hauptverfahren 2 Ca 1255/05 - erfolglos, so hat der Vorsitzende die beklagte Partei aufzufordern, binnen einer angemessenen Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muss, im einzelnen unter Beweisantritt schriftlich die Klage zu erwidern, wenn er noch nicht oder nicht ausreichend auf die Klage erwidert hat (§ 61a Abs. 2 ArbGG). Die Kammerverhandlung ist möglichst in einem Termin zu Ende zu führen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Zur Erreichung dieses Zieles kann der Vorsitzende dem Kläger entweder sofort, nämlich zusammen mit der Auflage an die beklagte Partei oder aber erst nach Eingang der Klageerwiderungsschrift eine angemessene Gegenäußerungsfrist, die mindestens zwei Wochen betragen muss, setzen (§ 61a Abs. 4 ArbGG). Diese Ablaufzeiten, die Ausfluss der Grundsätze der Gewährung rechtlichen Gehörs und Durchführung eines fairen Gerichtsverfahrens sind, zeigen, dass in aller Regel unter sechs bis acht Wochen nach dem Gütetermin keine Kammerverhandlung stattfinden kann. Steht fest, dass das Arbeitsverhältnis der gekündigten Arbeitnehmerin, die ihre Weiterbeschäftigung bis zum Vertragsende begehrt, vor dem Kammertermin beendet sein wird, dann fehlt für eine dennoch erhobene Weiterbeschäftigungsklage sogar das Titulierungsinteresse, denn eine Zwangsvollstreckung aus einem auf Weiterbeschäftigung gerichteten Titel ist nach Vertragsende nicht mehr möglich. Eine solche Klage ist mutwillig erhoben. Mithin hat das Arbeitsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu 2) zu Recht die PKH-Bewilligung versagt. 4. Die [sofortige] Beschwerde musste daher ohne Erfolg bleiben.

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