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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.07.2005
Aktenzeichen: 4 Ta 435/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 119
Die Erstreckung der PKH-Bewilligung auf einen Mehrvergleich setzt in der Regel einen ausdrücklichen Antrag voraus, der vor Instanz- oder Verfahrensende gestellt werden muss.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH-Bewilligung für den Mehrvergleich durch den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.06.2005 - 3 Ca 755/05 - wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.864,39 € festgesetzt.

Gründe: I. Der Kläger hat mit Klageschrift vom 19.04.2005, beim Arbeitsgericht am 22.04.2005 eingegangen, Kündigungsschutzklage erhoben und folgenden Antrag angekündigt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 08.04.2005, dem Kläger am 12.04.2005 zugegangen, nicht beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und auch weitere Beendigungstatbestände nicht vorliegen. Gleichzeitig hat der Kläger unter Vorlage einer nicht unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 18.04.2005 um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht und den unterschriebenen amtlichen Vordruck mit Schriftsatz vom 09.04.2005, beim Arbeitsgericht am 11.05.2005 eingegangen, nachgereicht. Im Gütetermin vom 12.05.2005 haben die Parteien einen Vergleich mit nachfolgendem Inhalt geschlossen: 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund fristgemäßer arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 15.05.2005 aufgelöst wird. 2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger unter Fortzahlung der Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung freigestellt ist. 3. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Monat März 2005 noch 164,39 € netto, der April 2005 wird abgerechnet auf der Basis eines Bruttolohnes i.H.v. 1.000,00 €, die Zeit vom 01.05. bis zum 15.05.2005 auf der Basis eines Bruttolohnes i.H.v. 500,00 €. Die Beklagte zahlt die sich aus den Abrechnungen für den Monat April und den Monat Mai ergebenden Nettobeträge an den Kläger aus. 4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. 5. Damit ist die Klage erledigt. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger sodann mit Beschluss vom 18.05.2005 - 3 Ca 755/05 - Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt K2x-U2x G1xxxxxxxx aus R1xxxxx als Anwalt beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 20.05.2005, beim Arbeitsgericht am 23.05.2005 eingegangen, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgende Kostenrechnung aufgemacht: Wertberechnung: 1.) Kündigung 3 x 1.200,00 EUR = 3.600,00 EUR 2.) Zeugnis = 1.200,00 EUR 3.) Zahlungsansprüche a) Lohn März = 164,39 EUR b) Lohn April = 1.000,00 EUR c) Lohn Mai = 500,00 EUR Gegenstandswert: 3.600,00 EUR 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, § 49 RVG 265,20 EUR 1,0 Einigungsgebühr gem. Nr. 1003 VV, § 49 RVG 204,00 EUR Gegenstandswert: 2.864,39 EUR 0,8 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 VV, §§ 49, 15 III RVG 33,80 EUR 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV, §§ 49, 15 III RVG 141,00 EUR Gegenstandswert: 6.464,39 EUR 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV, § 49 RVG 276,00 EUR Entgelt für Post und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV (pauschal) 20,00 EUR Zwischensumme 940,00 EUR 16,00% Umsatzsteuer gem. Nr. 7007 VV 150,40 EUR Endsumme Wertberechnung: 1.090,40 EUR

Nachdem das Arbeitsgericht mit Zwischenverfügung vom 24.05.2005 darauf hingewiesen hat, "dass für den Mehrvergleich bisher weder beantragt noch bewilligt worden ist", ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 25.05.2005, beim Arbeitsgericht am 27.05.2005 eingegangen, dieser Rechtsauffassung entgegengetreten und hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, durch Beschluss vom 18.05.2005 habe das Gericht "für den ersten Rechtszug in vollem Umfang ... Prozesskostenhilfe" bewilligt. Deshalb sei davon auszugehen, dass diese Formulierung auch die Protokollierung der nicht rechtshängigen Ansprüche decke. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, werde darum gebeten, die Prozesskostenhilfe auch auf die Einigung über die nicht rechtshängigen Ansprüche zu erstrecken. Das Arbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 08.06.2005 - 3 Ca 755/05 - den Antrag, die Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zu bewilligen, mit der Begründung zurückgewiesen, durch den Vergleich vom 12.05.2005 sei die Instanz beendet worden. Der PKH-Antrag datiere vom 25.05.2005 und sei am 27.05.2005 bei Gericht eingegangen. Werde erst nach Ende der Instanz Prozesskostenhilfe beantragt, sei das Gesuch zurückzuweisen. Gegen den am 10.06.2005 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.06.2005, bei dem Arbeitsgericht am 04.07.2005 eingegangen, mit der Begründung sofortige Beschwerde eingelegt, im Gütetermin am 12.05.2005 sei der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden. Dieser Antrag habe sich auch auf die Protokollierung des Mehrvergleichs bezogen. Das Arbeitsgericht habe dann im Anschluss an die Verhandlung über den gestellten PKH-Antrag entschieden und mit der Formulierung "Prozesskostenhilfe in vollem Umfang" bewilligt. Diese Formulierung könne im Hinblick auf den Verlauf des Verfahrens nur dahingehend verstanden werden, dass auch die Protokollierung des Mehrvergleichs davon umfasst sei. Eine direkte Einflussnahme auf die Formulierung habe durch ihn, den Kläger, nicht mehr erfolgen, weil das Arbeitsgericht nicht mehr in Gegenwart der Beteiligten über den Antrag entschieden habe. Er könne daher der Auffassung des Arbeitsgerichts, der PKH-Antrag für den Mehrvergleich sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt worden, nicht zustimmen. Mit Schriftsatz vom 25.05.2005 sei sodann eine Klarstellung des PKH-Bewilligungsbeschlusses beantragt worden. Das Arbeitsgericht Detmold hat diese Einlassung nicht gelten lassen und der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 04.07.2004 nicht abgeholfen. II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form und fristgerecht eingelegte, sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die PKH-Ablehnung bezüglich der Mehrvergleichskosten ist nicht zu beanstanden. 1.Die Erstreckung der PKH-Bewilligung auf einen Mehrvergleich setzt in der Regel einen ausdrücklichen Antrag voraus (LAG Köln v. 18.04.1996 - 4 Ta 265/95, AR-Blattei ES 1290 Nr. 21 = LAGE § 127 ZPO Nr. 25; LAG Köln v. 30.08.2000 - 11 Ta 176/00, n.v.). Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich vom 12.05.2005 erfolgte erst nach Abschluss des Verfahrens und war somit verspätet. Prozesskostenhilfe kann nach §§ 114, 119 Satz 1 ZPO grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit - sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung - bewilligt werden. Ist die Hauptsache vor PKH-Bewilligung für erledigt erklärt worden, darf - von den Fällen des sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch abgesehen - keine Prozesskostenhilfe mehr bewilligt werden (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89; LAG Hamm v. 11.11.2003 - 4 Ta 795/03, NZA-RR 2004, 102). Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleichabschluss kann im Prinzip nichts anderes gelten. Im Übrigen ist noch folgendes zu beachten: Eine Frist für das PKH-Gesuch sieht das Gesetz zwar nicht vor, wird es jedoch erst in einem Verfahrensstadium eingereicht, in dem keine weiteren Kosten mehr entstehen können, so ist die bedürftige Partei nicht durch Bedürftigkeit an der Rechtsverfolgung gehindert, und die Prozesskostenhilfe ist ihr zu verweigern (Zöller/Philippi, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., § 117 ZPO Rz. 2a). Dies gilt auch, wenn es um die bloße Erstreckung oder Ausdehnung der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe auf einen Mehrvergleich geht, denn auch insoweit muss grundsätzlich ein entsprechender PKH-Antrag vor Instanz oder Verfahrensende gestellt werden (a.A. LAG Köln v. 10.12.1984 - 8 Ta 175/84, EzA § 127 ZPO Nr. 7; LAG Hamm v. 14.02.1989 - 7/14 Ta 285/88, ARST 1989, 178). 2.Allerdings stellt sich - ungeachtet der vorstehenden berlegungen - die Frage, ob die PKH-Bewilligung vom 18.05.2005 sich nicht auch ohne ausdrücklichen Antrag auf den sog. Mehrvergleich vom 12.05.2005 bezieht. Dies ist vorliegend zu verneinen, denn ausweislich der Sitzungsniederschrift ist im Gütetermin am 12.05.2005 - entgegen der Darstellung des Klägers - der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (für die Hauptsache) nicht gestellt worden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Beschluss vom 14.02.1989 (7/14 Ta 285/88, ARST 1989, 178) entschieden, dass bei einem Vergleich, der unter Mitwirkung des Gerichts Streitpunkte regelt, die über den Klagegegenstand hinausgehen, die vorangegangene PKH-Bewilligung dann auch für den Mehrvergleich gilt, weil von einem stillschweigenden Antrag auf Erweiterung der Prozesskostenhilfe auch für diesen Streitgegenstand auszugehen sei. Diese Entscheidung ist jedoch einschränkend dahin auszulegen, dass sie über den entschiedenen Fall der vor Vergleichsabschluss bewilligten Prozesskostenhilfe hinaus nur noch für die Fälle gilt, in denen die PKH-Bewilligung und der Abschluss des Mehrvergleichs in Anwesenheit der Parteien in derselben Verhandlung erfolgen. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn über die PKH-Bewilligung erst nach Abschluss des Vergleichs entschieden wird, weil in einem solchen Falle nicht mehr von einer stillschweigenden Antragserweiterung ausgegangen werden kann, hier darf das Gericht - fernab der Sitzungshektik - eine förmliche Antragstellung erwarten (a.A. LAG Hamm v. 14.08.2000 - 14 Ta 448/00, n.v.; LAG Hamm v. 19.04.2001 4 Ta 283/01, n.v., der in dieser Entscheidung eingenommene gegenteilige Rechtsstandpunkt wird hiermit ausdrücklich aufgegeben. 3. Mithin hat die sofortige Beschwerde ohne Erfolg bleiben müssen. Zugleich war der Wert des Streitgegenstandes festzusetzen (§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG n.F.). Der Wert, nach dem die Gebühren für eine anwaltliche Tätigkeit berechnet werden (§ 2 Abs. 1 RVG), bestimmt sich in Verfahren auf Bewilligung oder Entziehung von Prozesskostenhilfe nicht nach der Summe der maßgeblichen Gebühren (so aber zu § 51 Abs. 2 BRAGO OLG Koblenz v. 30.03.1990 - 14 W 108/90, JurBüro 1991, 253 m. abl. Anm. Mümmler JurBüro 1991, 255), sondern entsprechend der Spezialvorschrift der Nr. 3335 Abs. 1 Hs. 1 VV (Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG), die dem bisherigen § 51 Abs. 2 Hs. 1 BRAGO entspricht, nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert (OLG Frankfurt/Main v. 13.11.1991 - 12 W 83/91, JurBüro 1992, 98 [Mümmler] = MDR 1992, 524; OLG Jena v. 06.05.1994 - 4 W 181/93, OLG-NL 1994, 149). Das gilt auch für das PKH-Beschwerdeverfahren (so zu § 51 Abs. 2 BRAGO BFH v. 13.01.1987 - VII S 29/86, BB 1987, 608 = JurBüro 1987 691, m.w.N.), und zwar unabhängig davon, ob es sich um die Beschwerde in einem isolierten oder in einem neben der Hauptsache betriebenen PKH-Verfahren handelt (OLG Hamburg v. 04.01.2002 - 4 So 78/00, NordÖR 2002, 224). Der Wert des Streitgegenstandes war auf die Beschwer, mithin auf den Betrag des Mehrvergleichs festzusetzen. 3. Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 Satz 2 ArbGG n.F. i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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