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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 95/03
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 46 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 117 Abs. 4
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 119 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 2
1. Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen.

2. Für ein unterbrochenes Verfahren darf grundsätzlich keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden. Etwas anderes kann bei einem sog. (steckengebliebenen) PKH-Gesuch gelten, wenn es - wie hier - nur noch um die Frage der Bedürftigkeit des Antragstellers geht und das PKH-Gesuch vom Gericht vor Verfahrensunterbrechung infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht verbeschieden worden ist.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den PKH-Ablehnungsbeschluß des Arbeitsgerichts Herne vom 03.01.2003 - Ca 1498/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Der Kläger hat mit Klageschrift vom 26.04.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage eingegangen, eine Kündigungsschutzklage erhoben. Gleichzeitig hat er unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25.04.2002 um ratenfreie Prozeßkostenhilfe sowie um Beiordnung von Rechtsanwalt D1. S1xxx aus H1xxx nachgesucht.

Im Gütetermin vom 06.06.2002 ist gegen die säumige Beklagte antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen worden, gegen das die Beklagte am 17.06.2002 Einspruch eingelegt hat.

Mit Zwischenverfügung vom 26.09.2002, gerichtet an seinen Prozeßbevollmächtigten, hat das Arbeitsgericht dem Kläger aufgegeben:

1. einen aktuellen Einkommensnachweis in Kopie einzureichen;

2. den aktuellen Rentenbescheid einzureichen;

3. aktuelle Zahlungsbelege hinsichtlich der Ratenzahlungen einzureichen (laufen tatsächlich beide Kredite parallel?);

4. die angegebenen Unterhaltszahlungen zu belegen (Vorlage der Unterhaltstitel und aktueller Zahlungsbelege in Kopie).

Mit Schriftsatz vom 31.10.2002, bei dem Arbeitsgericht am 04.11.2002 eingegangen, hat der Kläger Kreditunterlagen der C2xxxxxx und eine Erklärung über Unterhaltsleistungen mit dem Bemerken vorgelegt: "Beide Kredite laufen gleichzeitig. Ein Unterhaltstitel existiert nicht. Die Unterhaltsrente wird in bar gezahlt. Dies kann ggf. die im PKH-Formular genannte Ehefrau bestätigen."

Mit weiterer Zwischenverfügung vom 12.11.2002, gerichtet an seinen Prozeßbevollmächtigten, hat das Arbeitsgericht den Kläger darauf hingewiesen,

1. daß bisher keine Zahlungsbelege hinsichtlich der Ratenzahlungen vorgelegt worden seien,

2. die Bestätigung der Ehefrau betreffend die Unterhaltszahlung keine Angaben über die Höhe der Zahlungen enthalte,

3. die von ihm mit 400,00 EUR angegebenen Wohnkosten bisher nur in Höhe von 372,22 EUR belegt worden seien.

Dem Kläger ist zur Vorlage der Zahlungsbelege (Raten- und Unterhaltszahlung) unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine Frist bis zum 29.11.2002 gesetzt worden.

Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgt ist, hat das Arbeitsgericht durch Beschluß vom 03.01.2003 -4 Ca 1498/02 - das PKH-Gesuch des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, er habe trotz Fristsetzung und Hinweis auf § 118 Abs. 2 ZPO seine Raten- und Unterhaltszahlung nicht belegt.

Gegen den am 16.01.2003 zugestellten Beschluß hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31.01.2003, bei dem Arbeitsgericht am 03.02.2003 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt und einige Unterlagen vorgelegt, nämlich

1. Tenorierungsbeschluß des Amtsgericht Herne,

2. Bestätigung der Unterhaltsgläubigerin,

3. Quittung vom 31.01.2003,

4. Kündigungsschreiben C2xxxxxx vom 15.01.2003 und vom 16.01.2003.

Der Kläger hat darum gebeten, dem PKH-Antrag stattzugeben.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Das Hauptsacheverfahren ist nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, da über das Vermögen der Beklagten durch Beschluß des Amtsgerichts Dresden vom 29.08.2002 (532 IN 1591/02) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor, nach § 117 Abs. 2 ZPO müssen alle Angaben durch Vorlage "entsprechender Belege" glaubhaft gemacht werden. Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (OLG Düsseldorf v. 21.06.1988 - 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln v. 19.08.1991 - 19 W 32/91, MDR 1992, 514 = VersR 1992, 1022, 1023; LAG Hamm v. 12.02.2001 - 4 Ta 277/00, AE 2001, 141 = ZInsO 2001, 432; a.A. OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123; OLG Karlsruhe v. 18.07.1996 - 2 WF 67/96, FamRZ 1997, 375). ).

2. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit -sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung- bewilligt werden. Vorliegend ist der vom Kläger angestrengte Kündigungsschutzprozeß erstinstanzlich zwar noch nicht beendet, wohl aber ist das Hauptsacheverfahren nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen, da über das Vermögen der Beklagten durch Beschluß des Amtsgerichts Dresden vom 29.08.2002 (532 IN 1591/02) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Ob die Vorschrift des § 240 ZPO auch für das PKH-Verfahren gilt, wenn über das Vermögen des Prozeßgegners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist umstritten. Teils wird ohne weitere Begründung angenommen, daß § 240 ZPO nicht für das PKH-Verfahren gilt (OLG Koblenz v. 20.11.1987 - 5 W 583/87, AnwBl 1989, 178; OLG Köln v. 07.07.1998 - 15 W 70/98, KTS 1999, 342 = NJW-RR 1999, 276 = NZI 1999, 30; OLG Düsseldorf v. 28.04.2003 - 22 U 100/00, MDR 2003, 1018 = ZIP 2003, 2131), teils wird angenommen, daß durch die Insolvenzeröffnung nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch das PKH-Verfahren unterbrochen werde, und zwar jeweils in der Lage, in der sich diese Verfahren befinden (OLG Düsseldorf v. 04.12.1998 - 16 U 139/98, OLGR Düsseldorf 1999, 166; LAG Hamm v. 03.02.1999 - 4 Sa 1050/98, AE 2001, 91 = BuW 1999, 840; OLG Köln v. 15.11.2002 - 2 U 79/02, MDR 2003, 526 = NJW-RR 2003, 264 = ZInsO 2002, 1184 = ZIP 2003, 1056). Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug, denn nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO können Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie eine Masseverbindlichkeit betreffen. Erkennt der Insolvenzverwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 86 Abs. 2 InsO). Hieraus folgt, daß der Gegner dem Insolvenzverwalter zunächst einmal Gelegenheit geben muß, sich darüber zu erklären, ob er den Anspruch anerkennen will oder nicht, also die Erfolgsaussichten der Klage in Abrede stellen will.

2.1.Mit anderen Worten, die Insolvenz einer Partei, durch die gemäß § 240 Satz 1 ZPO das Hauptsacheverfahren unterbrochen ist, bewirkt auch eine Unterbrechung des PKH-Verfahrens, in dem die gegnerische Partei Prozeßkostenhilfe beantragt hat. Etwas anderes mag gelten, wenn die Erfolgsaussichten vor Verfahrensunterbrechung der Klage bereits summarisch durch den Erlaß eines Versäumnisurteils gemäß § 331 Abs. 1 ZPO bejaht worden sind und es -wie hier - nur noch um die Frage der Bedürftigkeit des Klägers geht. In einem solche Falle kann nachträglich und rückwirkend noch Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung des Hauptsacheverfahren das PKH-Gesuch (positiv) entscheidungsreif gewesen ist. Denn hier wird man die zum sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch entwickelten Grundsätze entsprechend anwenden müssen. Von einem solchen wird gesprochen, wenn das PKH-Gesuch rechtzeitig eingegangen, aber vom Gericht vor Verfahrens- oder Instanzbeendigung nicht hat verbeschieden werden können (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGReport 2002, 88, 89; LAG Hamm v. 02.02.2002 - 4/14 Ta 24/02, LAGReport 2002, 117 = ZInsO 2002, 344 = ZIP 2002, 579) oder infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht entschieden worden ist (LAG Hamm v. 08.11.2001 - 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89, 91). Geht das Gesuch rechtzeitig ein, dann kann bei einem sog. "steckengebliebenen" PKH-Antrag dem Antragsteller auch nach Beendigung der Instanz oder des Verfahrens insgesamt Prozeßkostenhilfe gewährt werden, wenn bis zur Beendigung der Instanz oder des Verfahrens die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung tatsächlich aussichtsreich (OLG Hamm v. 09.12.1996 - 12 WF 219/96, FamRZ 1997, 1018) und ein formgerechter Antrag mit den erforderlichen Belegen eingereicht war (OLG Brandenburg v. 13.06.1997 - 10 WF 20/97, FamRZ 1998, 249).

2.2. Hat das Gericht infolge nichtordnungsgemäßer Sachbehandlung bis zur Verfahrensunterbrechung in der Hauptsache über das PKH-Gesuch noch nicht entschieden, dann muß es diese Entscheidung -vergleichbar den Fällen der Instanz- oder Verfahrensbeendigung - nachholen, denn nur eine von der bedürftigen Partei zu vertretende Verzögerung der PKH-Entscheidung kann zu ihren Lasten gehen. Da eine Ablehnung der Prozeßkostenhilfe nach § 118 Abs.2 Satz 4 ZPO wegen Mängel des PKH-Gesuchs oder wegen mangelnder Mitwirkung der bedürftigen Partei bei der Ermittlung der Bewilligungsvoraussetzungen eine wirksame Fristsetzung durch das Gericht voraussetzt (LAG Düsseldorf v. 22.06.1989 - 14 Ta 210/89, LAGE § 118 ZPO Nr.6 = JurBüro 1989, 1443; LAG Hamm v. 30.03.2001 - 4 Ta 617/00, AE 2001, 141 = RenoR 2001, 270), hatte das Arbeitsgericht, das zuvor in der PKH-Sache untätig gewesen ist, dem Kläger -wie geschehen- Gelegenheit zur Vervollständigung des PKH-Gesuch durch Nachreichung von Unterlagen zu geben. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger mit Zwischenverfügung vom 26.09.2002 zunächst ohne Fristsetzung unter anderem aufgegeben, "aktuelle Zahlungsbelege hinsichtlich der Ratenzahlungen einzureichen" und "die angegebenen Unterhaltszahlungen zu belegen". Dem Kläger ist zur Vorlage der fehlenden Zahlungsbelege (Kreditraten und Unterhaltszahlung) vom Arbeitsgericht mit weiterer Zwischenverfügung vom 12.11.2002 dann doch noch eine Frist bis zum 29.11.2002 gesetzt worden. Hierauf hat der Kläger nicht reagiert, so daß das Arbeitsgericht aufgrund dieses Fristablaufes gehalten war, den Antrag nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen (LAG Nürnberg v. 15. April 2003 - 6 Ta 134/02, AR-Blattei ES 1290 Nr. 34 = MDR 2003, 1022).

3. Hat das Arbeitsgericht die PKH-Bewilligung wegen Nichtvorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder -wie hier - wegen Unvollständigkeit der Unterlagen abgelehnt, so bleibt es der Partei im laufenden Verfahren unbenommen, unter Vorlage des ordnungsgemäß ausgefüllten und belegten amtlichen Vordruck oder mit vollständigen Unterlagen einen neuen PKH-Antrag zu stellen, denn eine Frist für das PKH-Gesuch nach § 114 ZPO sieht das Gesetz nicht vor. Ob der Schriftsatz vom 31.01.2003, bei dem Arbeitsgericht am 03.02.2003 eingegangen, mit dem sofortige Beschwerde eingelegt worden ist, als neues PKH-Gesuch zu werten ist, weil der Kläger darin darum gebeten hat, "dem PKH-Antrag stattzugeben", kann vorliegend dahingestellt bleiben. Die Grundsätze, daß nach Instanz- oder Verfahrensbeendigung in der Regel keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden darf, lassen sich auf Verfahren, bei denen das Verfahren bzw. die Instanz noch nicht beendet ist, zwar nicht übertragen. In Fällen, in denen die Durchführung des Streitverfahrens noch aussteht, bestehen gegen die Wiederholung oder Nachbesserung eines PKH-Gesuch keine Bedenken. Zu beachten ist in solchen Fällen jedoch, daß dann, wenn das PKH-Gesuch ohne amtlichen Vordruck eingereicht worden ist, die Prozeßkostenhilfe nicht rückwirkend ab Antragstellung, sondern erst ab Eingang der vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewilligt werden kann und darf (LAG Hamm v. 20.11.2002 - 4 Ta 96/02, NZA 2003, 456). Wird das Hauptsacheverfahren im Falle der Wiederholung oder Nachbesserung eines PKH-Gesuch nicht betrieben oder ist es -wie hier - unterbrochen, kann die Prozeßkostenhilfe frühestens ab Wegfall des Ruhenstatbestandes oder Aufnahme des Hauptsacheverfahrens bewilligt werden. Hierüber wird ggf. zunächst das Arbeitsgericht entscheiden müssen.

4. Die sofortige Beschwerde hat mithin vorliegend ohne Erfolg bleiben müssen.

Ende der Entscheidung

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