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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 37/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 16.11.2006 - 1 Ca 952/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, um restliche Arbeitsvergütung bis zum Ende des ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnisses und um Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin.

Von der Darstellung des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 92 - 95 d.A.) abgesehen.

Das Arbeitsgericht Minden hat der Klage mit Urteil vom 16.11.2006 - 1 Ca 952/06 - stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 95 - 99 d.A.).

Das Urteil ist der Beklagten am 08.12.2006 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 08.01.2007 eingelegte und mit dem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08.03.2007 - am 08.03.2007 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung.

Die Beklagte wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie trägt ergänzend vor:

Insgesamt 130 zu erfassende Arbeitsstunden der Mitarbeiterin W1 habe der Kläger für die Zeit vom 04.04. - 17.05.2006 nicht erfasst. Tatsächlich sei in dem Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht worden. Die Gehaltsüberzahlung betrage 2.571,40 EUR. Darüber hinaus habe der Kläger von 190 zu erfassenden Arbeitsstunden der Mitarbeiterin K2 lediglich 128 Arbeitsstunden erfasst. Die Differenz von 62 nicht geleisteten Arbeitsstunden ergebe eine Gehaltsüberzahlung von 1.357,98 EUR. Der Kläger habe von der Gehaltszahlung trotz nicht erbrachten Arbeitsleistungen der Mitarbeiterinnen gewusst und damit die Vermögensschädigung mitgetragen. Die Auffälligkeiten seien von dem jetzigen Geschäftsführer T2 erst nach dem 27.06.2006 festgestellt worden.

Der Kläger habe des Weiteren in mindestens 7 Fällen pflichtwidrig das "Vier-Augen-Prinzip" verletzt, wodurch ein Schaden von 3.829,48 EUR entstanden sei. Das "Vier-Augen-Prinzip" sei von der damaligen Geschäftsführerin V1 nicht außer Kraft gesetzt worden. Die späteren Geschäftsführer hätten von dem kündigungsrelevanten Sachverhalt erst am 04.07.2006 Kenntnis erlangt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Minden vom 16.11.2006 - 1 Ca 952/06 - die Klage des Klägers abzuweisen und auf die Widerklage der Beklagten hin den Kläger zu verurteilen, an sie 3.829,38 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 09.11.2006 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags zur Sach- und Rechtslage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist, soweit sie die Klage betrifft, an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) und wegen des Streitgegenstands zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Berufungsbegründung gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:

I. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die außerordentliche Kündigung vom 07.07.2006 nicht rechtswirksam aufgelöst. Die Beklagte hatte auf ihr Kündigungsrecht, so es denn bestand, wirksam verzichtet. Für die Kündigung liegt zudem kein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vor.

1. Die Beklagte hat mit § 10 Nr. 1 des Abwicklungsvertrags vom 18.05.2006 auf ihr ggf. bestandenes Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Fehlverhaltens bei der Arbeitszeiterfassung und bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung der Beklagten verzichtet.

1.1. Der Kündigungsberechtigte kann sowohl bei einer außerordentlichen als auch bei einer ordentlichen Kündigung auf ein auf bestimmte Gründe gestütztes und konkret bestehendes Kündigungsrecht verzichten. Der Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten erfolgen ((BAG Urt. v. 06.03.2003 - 2 AZR 128/02).

1.2. Mit § 10 Nr. 1 des Abwicklungsvertrags hat die Beklagte konkludent auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen der streitbefangenen Kündigungsgründe verzichtet.

Zwar kommt der Verzicht auf ein Kündigungsrecht regelmäßig nur in Betracht, wenn dieser im Hinblick auf einen dem Kündigungsberechtigten bekannten konkreten Kündigungsgrund erfolgt. Gleiches muss aber auch gelten, wenn der Kündigungsberechtigte ausdrücklich und eindeutig auf die Feststellung ggf. tatsächlich bestehender, ihm aber noch nicht konkret bekannter Kündigungsgründe verzichtet. In diesem Fall gibt er zu erkennen, dass er von einer ggf. bestehenden Kündigungsberechtigung keinen Gebrauch machen will. Komplementär zur Lage bei einem konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis wird ein konstitutiver Kündigungsverzicht im Hinblick auf vorliegende, jedoch konkret noch nicht bekannte Kündigungsgründe erklärt.

So liegt der Fall hier. Mit § 10 Nr. 1 des Abwicklungsvertrags waren die Parteien sich einig, dass mit dieser Vereinbarung "alle Punkte abschließend" geregelt sind. Mit der ordnungsgemäßen Erfüllung "dieser Regelungen" sollten alle bekannten "und unbekannten" wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus bzw. "im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis einschließlich seiner Beendigung vollständig" erledigt sein. Solche Ausgleichsklauseln sind im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Die Parteien wollen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie bei Vergleichsschluss daran dachten oder nicht. Andererseits werden von Ausgleichsklauseln regelmäßig solche Forderungen nicht erfasst, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und bei Vergleichsabschluss subjektiv unvorstellbar waren (BAG Urt. v. 11.10.2006 - 5 AZR 755/05).

Die Erklärungen des von der Beklagten vorformulierten Abwicklungsvertrags sind aus der Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger nach § 157 BGB so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Der Kläger musste die Erledigungsklausel des § 10 Nr. 1 als - auch - umfassenden Kündigungsverzicht verstehen. Ihm gegenüber waren bereits verhaltensbedingte Vorwürfe (nach dem Vortrag der Beklagten war der Kläger "mit eigenen schweren Verfehlungen hinsichtlich seiner eigenen persönlichen Zeiterfassung konfrontiert" worden) erhoben worden, die zumindest die Arbeitszeiterfassung durch den Kläger betrafen. Daneben wurden betriebsbedingte Gründe angeführt. Vom Kläger wurde der Verzicht auf die gerichtliche Überprüfung der von der Beklagten damals angeführten Kündigungsgründe verlangt. In dem Abwicklungsvertrag werden die abzuwickelnden Ansprüche (Ende des Arbeitsverhältnisses, Verzicht auf Erhebung der Kündigungsschutzklage, Zahlung restlichen Gehalts, Freistellung unter Erfüllung restlicher Urlaubsansprüche, Zeugnis, vertragliche und nachvertragliche Schweigepflicht, Rückgabe von Unterlagen und Gegenständen, Berichtspflicht, Belehrung über Rechtsfolgen, Insgesamterledigung) umfassend geregelt. Der abschließende Charakter der Regelungen wird in der Erledigungsklausel ("alle Punkte", "abschließend", "alle bekannten und unbekannten", "aus bzw. im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis", "einschließlich seiner Beendigung" und "vollständig") wiederholt angesprochen. Durch Gebrauch der Formulierungen "alle Punkte", "abschließend" "alle ... unbekannten" und "vollständig" haben die Parteien des Abwicklungsvertrags überdeutlich zum Ausdruck gebracht, dass aus keinen vorstellbaren Gründen weitere Rechtsfolgen abgeleitet werden sollten. Durch die Aufnahme der "unbekannten" Ansprüche wurden gegenseitig konstitutive negatives Schuldanerkenntnisse abgegeben (BAG Urt. v. 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01). Durch die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage, zu der sich der Kläger verpflichtet hatte (§ 1 Satz 2 und § 8 Abwicklungsvertrag), wurde der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechtswirksam begrenzt. Bei Zulassung der nachgeschobenen außerordentlichen Kündigung könnte die Beklagte bei nunmehr durch § 7 KSchG begrenztem Prozessrisiko eine einseitige Reduzierung der - abschließend geregelten - gegenseitigen Ansprüche durchsetzen. Dies widerspräche eklatant der umfassenden Erledigungsklausel des Abwicklungsvertrags.

Die Beklagte kann sich nicht erfolgreich auf den anerkannten Grundsatz berufen, dass von Ausgleichsklauseln regelmäßig nicht solche Forderungen erfasst werden, die objektiv außerhalb des von den Parteien Vorgestellten liegen und bei Vergleichsabschluss subjektiv unvorstellbar waren. Um solche Forderungen geht es im Streitfall nicht. Unregelmäßigkeiten bei der Erledigung seiner Aufgaben sind dem Kläger bereits anlässlich der Verhandlungen über den Abwicklungsvertrag vorgehalten worden. Verhaltensbedingte Gründe lagen damit gerade nicht außerhalb des von den Parteien Vorgestellten. Dies betrifft insbesondere die Arbeitszeiterfassung, die ja Gegenstand der Rügen war. Die von der Beklagten gerügte - angeblich - unzulässige Praxis der eigenen Arbeitszeiterfassung indiziert, dass entsprechende Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung bei den unterstellten Mitarbeiterinnen zumindest nicht bei Abschluss des Abwicklungsvertrags subjektive unvorstellbar waren. Zudem haben die Parteien mit der Erstreckung ihrer Regelungen im Abwicklungsvertrag auch auf "unbekannte" Ansprüche auf konkrete Vorstellungen über Ansprüche verzichtet.

1.3. Der Verzicht auf das Kündigungsrecht ist nicht durch erfolgreiche Anfechtung des Abwicklungsvertrags beseitigt worden. Die Beklagte berühmt sich zwar erstinstanzlich eines Anfechtungsrechts, ohne hiervon jedoch Gebrauch gemacht zu haben. Es fehlt an einer gegenüber dem Kläger erfolgten Anfechtungserklärung. Mit dem insoweit angeführten Schreiben vom 10.07.2006 (Abl. Bl. 157 d.A.) wurde der Abwicklungsvertrag nicht angefochten, sondern nur Schadensersatz geltend gemacht.

2. Für die außerordentliche Kündigung vom 07.07.2006 fehlt zudem, das Fehlen eines Kündigungsverzichts unterstellt, ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB.

2.1. Die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Erfassung der Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen W1 und K2 lassen keinen wichtigen Grund zur Kündigung erkennen.

Nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 19.07.2006 (betr. Rechtsstreit 1 Ga 14/06) oblag die Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten im elektronischen Zeiterfassungssystem bzw. über ein Formular der jeweiligen Mitarbeiterin. Der Kläger soll zugelassen haben, dass die arbeitsvertragliche Arbeitsleistung von Frau W1 nicht erfasst wurde. Die Mitarbeiterin W1 habe auch von ihrem Home-Office Leistungen erbracht (was sich aus einem von der Beklagten angeführten, aber dem Gericht nicht vorgelegten Schreiben des Kreises M2-L2 ergeben soll), deren Umfang nicht ersichtlich sei. Der Kläger sei insoweit seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen. Bei Frau K2 fehlten 62 Arbeitsstunden. Im Schriftsatz vom 06.11.2006 ist von nicht dokumentierten Arbeitsleistungen die Rede, an anderer Stelle von Gehaltsleistungen ohne entsprechende Gegenleistung. Erst in der Berufungsbegründung führt die Beklagte deutlich aus, der Kläger habe von Gehaltszahlungen trotz nicht erbrachten Arbeitsleistungen der Mitarbeiterinnen gewusst und damit die Vermögensschädigung mitgetragen.

Diesen - zum Teil widersprüchlichen - Vorwürfen kann kein wichtiger Grund entnommen werden. Die elektronische oder formularmäßige Erfassung der individuell geleisteten Arbeitszeit oblag - nach dem widersprüchlichen Vortrag der Beklagten - den Mitarbeiterinnen bzw. dem Kläger. Unstreitig konnte die unregelmäßige Teilzeitarbeit nicht elektronisch erfasst werden. Sofern die Mitarbeiterinnen oder der Kläger keine Arbeitsleistungen in den genannten Zeiträumen erbracht haben sollten, wäre die Erfassung jedoch, der Vortrag der Beklagten zu Grunde gelegt, korrekt erfolgt. Eine Verletzung der die Zeiterfassung betreffenden Überwachungspflicht wäre nicht erkennbar. Die Gehaltsermittlung und -zahlung oblag nicht dem Kläger. Die Auszahlung der Gehälter trotz nicht erfolgter und auch nicht dokumentierter Arbeitsleistungen ist vom Kläger nicht veranlasst worden. Hierzu fehlt jedenfalls jeglicher Vortrag. Der Kläger durfte darauf vertrauen, dass die zuständige Stelle der Beklagten unter Auswertung der erfassten Arbeitszeiten die Gehälter ermitteln und auszahlen würde. Welchen Zweck sollte sonst die elektronische oder formularmäßige Erfassung der Arbeitszeit haben? Ein vom Kläger verursachter Schaden ist nicht ersichtlich. Für nicht erfolgte und entsprechend nicht erfasste Arbeitsleistungen brauchte die Beklagte keine Arbeitsvergütung zu zahlen. Auf Schäden wegen nicht erfolgter Arbeitsleistung (z.B. wegen verspäteter Auftragserledigung oder wegen Ausfalls von Schulungen) hat die Beklagte sich nicht berufen. Dahinstehen kann, ob der Kläger als Vorgesetzter im Hinblick auf die nicht erfolgten Arbeitsleistungen gegenüber den Mitarbeiterinnen arbeitsrechtliche Schritte hätte ergreifen müssen; auf solche Pflichtverletzungen hat die Beklagte sich ebenfalls nicht berufen.

2.2. Auch die angeblich wiederholte Verletzung des "Vier-Augen-Prinzips" füllt keinen wichtigen Grund aus. Die Beklagte hätte die beharrliche Pflichtwidrigkeit bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung über einen langen Zeitraum geduldet und die eigenmächtig vom Kläger abgeschlossenen Verträge erfüllt. Hierzu wäre sie nicht verpflichtet gewesen (§ 177 Abs. 1 BGB). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beklagten insoweit ein Schaden entstanden sein soll. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag zur Entstehung und Berechnung des Schadens. Erst Recht nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Schaden exakt die Höhe der angeblichen Gehaltsüberzahlungen an die Mitarbeiterinnen W1 und K2 erreichen soll. Es fehlt auch am Vortrag der Fortsetzung abgemahnten Verhaltens. Eigenmächtige Vertragsabschlüsse unterstellt, wäre ein solches Verhalten abmahnungsbedürftig. Bei der Übertretung von Vertretungsbefugnissen kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass dies nach ordnungsgemäßer Abmahnung von dem Arbeitnehmer abgestellt wird. Zur Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB fehlt ein ausreichender Vortrag. Es ist nicht ersichtlich, weshalb im Hinblick auf die von der Beklagten erfüllten und der damaligen Geschäftsführerin in einer Aufstellung (Abl. Bl. 57 d.A.) bekannt gegebenen Verträge die Verletzung des "Vier-Augen-Prinzips" erst später bekannt geworden sein soll.

II. Die Zahlungsklage ist begründet. Die Klagehauptforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 2 Nr. 1 Abwicklungsvertrag. Die Forderungen sind der Höhe nach nicht im Streit.

III. Die Berufung ist, soweit sie die Widerklage betrifft, unzulässig.

Die Berufung ist nicht ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 iVm. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden. Bei einheitlichem Streitgegenstand muss die Berufungsklägerin dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen stützt, in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach ihrer Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt; anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BGH Beschl. v. 25.01.1990 - IX ZB 89/89; BGH Urt. v. 15.06.1993 - XI ZR 111/92; BGH Beschl. v. 10.01.1996 - IV ZB 29/95; BAG Urt. v. 11.03.1998 - 2 AZR 497/97). Hat das Arbeitsgericht über mehrere selbstständige Ansprüche entschieden, so muss sich die Begründung mit jedem für fehlerhaft gehaltenen Anspruch befassen (BAG Urt. v. 27.01.2004 - 1 AZR 105/03; BAG Beschl. v. 06.12.1994 - 9 AZN 337/94; BAG Urt. v. 11.03.1998 - 2 AZR 497/97).

Im Streitfall hat das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Widerklage ausgeführt, die Schadensersatzansprüche stünden der Beklagten nicht zu, (a) weil sie beweisfällig geblieben sei und (b) weil § 10 Abwicklungsvertrag den Schadensersatzansprüchen entgegenstehe. Mit letztgenanntem Einwand setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.

Die Beklagte hat zwar in Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen der Entscheidung des Arbeitsgerichts zur fristlosen Kündigung vom 07.07.2006 auf erstinstanzlichen Vortrag zur "Erledigungsklausel" verwiesen. Im Hinblick auf die streitigen Widerklageforderungen und insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts dazu fehlt jedoch eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Arbeitsgerichts, wonach die Ausgleichsklausel den Widerklageforderungen entgegenstehe. Die alleinige Verweisung auf erstinstanzliches Vorbringen reicht dabei nicht aus (BGH Beschl. v. 18.02.1981 - IVb ZB 505/81). Erforderlich ist eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen (BAG Urt. v. 21.06.1958 - 2 AZR 15/58; BAG Urt. v. 20.07.1971 - 1 AZR 314/70; BAG Urt. v. 26.09.1991 - 2 AZR 62/91). Die Berufungsführerin muss konkret auf den Streitfall eingehen. Es reicht nicht aus, die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Erstgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 20.02.1975 - VI ZR 183/74; BGH Beschl. v. 22.11.1977 - IV ZB 29/77). Die Bezugnahme auf das - vom Erstgericht angeblich nicht oder unrichtig gewürdigte - Vorbringen in der Klage oder Klageerwiderung ist unzulässig (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Beschl. v. 18.02.1981 - IVb ZB 505/81; BGH Urt. v. 29.09.1993 - XII ZR 209/92). Die Berufungsbegründung soll aus sich heraus verständlich sein, damit eine Zusammenfassung und Beschleunigung des Rechtsstreits erreicht werden kann. Zwar ist die Schlüssigkeit der Begründung nicht Voraussetzung der Zulässigkeit (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94; BGH Urt. v. 08.10.1976 - V ZR 224/74). Es gibt jedoch Grenzen. Wenn diese überschritten sind, kann nicht mehr von einer Begründung im Sinne einer Urteilskritik gesprochen werden. Eine kurze, auf den konkreten Fall bezogene Darlegung ist auch in einfachen Streitfällen unerlässlich (BGH Urt. v. 09.03.1995 - IX ZR 142/94).

Selbst an dieser kurzen Darlegung fehlt es. Das Arbeitsgericht hat unter B. der Entscheidungsgründe auf den vorformulierten Charakter der Erledigungsklausel, auf die Eindeutigkeit der Formulierung, auf den Inhalt und Zweck des Abwicklungsvertrags, auf die Verzichtserklärungen des Klägers und auf den Verzicht der Beklagten auf weitere eigene Ermittlungen hingewiesen. Der ausdrückliche Verzicht auf die Ermittlung weiterer Kündigungssachverhalte wird vom Arbeitsgericht dem Risikobereich der Beklagten zugeschrieben. Der Beklagten werden die Kenntnisse über die angeblich vertragswidrige Zeiterfassung des Klägers ("eigene schwere Verfehlungen") vorgehalten. Mit diesen Argumenten setzt sich die Beklagte nicht auseinander. Sie verweist nur auf erstinstanzlichen Vortrag, was nicht genügt, und wiederholt allein ihr Argument, die streitgegenständlichen Sachverhalte seien bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen. Es fehlt an jeglicher Auseinandersetzung mit den Argumenten des Arbeitsgerichts.

Die Widerklage ist zudem unbegründet. Den Widerklageforderungen steht § 10 Abwicklungsvertrag entgegen. Zudem hat der Kläger nicht die Gehaltszahlungen trotz nicht erfasster Arbeitszeiten verursacht und verschuldet.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO iVm. § 97 ZPO.

V. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Keine der Rechtsfragen hat eine grundsätzliche Bedeutung. Die Klärung der klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfragen ist nicht von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung. Sie berührt auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Die Zulassung rechtfertigt sich auch nicht aus einer Abweichung von der relevanten Rechtsprechung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. In der Entscheidung werden lediglich die auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bezogen auf den zu beurteilenden Einzelfall fortgeführt.

Ende der Entscheidung

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