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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 356/02
Rechtsgebiete: KSchG, HGB, SGB III, BetrVG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 15 Abs. 1
HGB § 74
HGB § 74 Abs. 1
HGB § 74 Abs. 2
HGB § 74 b
HGB § 74 c
HGB § 75 Abs. 2
HGB § 75 a
SGB III § 143 a Abs. 1
SGB III § 312
BetrVG § 103 Abs. 1
BetrVG § 103 Abs. 2
BGB § 133
BGB § 157
Wird durch einen vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG aufgehoben und eine vertragliche Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Jahresende auf 0 reduziert, so ist für die Frage, ob durch eine umfassende Ausgleichsklausel auch Ansprüche aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot miterledigt sind, auch die Höhe der versprochenen Kündigungsschutzabfindung entscheidend.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17.01.2002 - 3 Ca 1387/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 86.084,95 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 6.391,15 EUR ab dem 01.04.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.05.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.06.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.07.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.08.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.09.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.10.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.11.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.12.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.01.2002, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.02.2002, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.03.2002 und aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.04.2002 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bis zum 31.08.2002 Karenzentschädigung unter Anrechnung anderweitigen Erwerbs gemäß § 74 c HGB in Höhe von monatlich 6.391,15 EUR zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III des Inhalts zu erteilen, dass das gemäß § 20 des Arbeitsvertrages vom 28.10.1996 vereinbarte Wettbewerbsverbot für den Kläger bis zum 31.08.2002 besteht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2001 bis 31.08.2002 eine Karenzentschädigung zu zahlen.

Der am 25.12.1960 geborene Kläger wurde von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin am 28.10.1996 als Leiter des Trade Marketings/Stellvertreter des Marketingdirektors angestellt. Die Zusammenarbeit der Parteien begann am gleichen Tage. Für diese Tätigkeit versprach die Beklagte ihm ein Jahresgehalt von zunächst 240.000,00 DM brutto, ab September 1997 von 300.000,00 DM brutto. Daneben sagte die Beklagte ihm eine Tantiemezahlung zu. Gemäß § 20 dieses Vertrages verpflichtete er sich, für die Dauer von 18 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht bei einem Unternehmen tätig zu sein/tätig zu werden, das auf Arbeitsgebieten der Beklagten tätig ist sowie auf diesen Arbeitsgebieten keine Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung zu machen, keine Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen unmittelbar oder mittelbar zu erwerben, noch ein solches Unternehmen zu errichten. Im Falle der Arbeitgeberkündigung sollte dieses Wettbewerbsverbot für 18 Monate nach Zugang der Kündigungserklärung gelten. Gemäß § 21 des Anstellungsvertrages sagte ihm die Beklagte für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe von 50 Prozent der zuletzt bezogenen Vergütung zu.

Dieser Vertrag war zunächst für die Zeit bis 31.12.1999 "fest abgeschlossen". Danach konnte der Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Die Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund blieb hiervon unberührt.

Während dieser Zusammenarbeit traten zwischen den Parteien, insbesondere zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Kläger, Differenzen auf. Der Versuch der Beklagten, den Kläger in die Zentrale nach H3xxxxx zu versetzen, scheiterte (Arbeitsgericht Bochum - 2 Ca 1199/98 -). Im Rahmen der ersten Betriebsratswahlen kandidierte der Kläger. Er wurde auch in den Betriebsrat gewählt. Während dieser Amtszeit war er nicht nur stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats sondern auch Mitglied des Konzernbetriebsrats. Der Versuch der Beklagten, den Kläger mit Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 Abs. 1 und 2 BetrVG fristlos zu entlassen, scheiterte (Arbeitsgericht Hamburg - 9 BV 16/98 -). Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens versuchten die Parteien noch in 1999, ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu lösen. Diese Bemühungen scheiterten ebenso wie der Versuch der Beklagten, sich vom Wettbewerbsverbot zu lösen.

Nach erfolgtem Betriebsübergang auf die jetzige Beklagte schlossen die Parteien am 16.02.2002 eine Vergleichs-/Abfindungsvereinbarung. Der Kläger schied auf arbeitgeberseitige Veranlassung aus betriebsbedingten Gründen zum 28.02.2001 aus. Die Beklagte versprach ihm hierfür neben der Gehaltszahlung für Februar 2001 sowie einer Urlaubsabgeltung eine Kündigungsschutzabfindung in Höhe von 725.000,00 DM brutto. Sie verpflichtete sich außerdem, dem Kläger ein qualifiziertes, berufsförderndes Zeugnis zu erteilen, an ihn das Dienstfahrzeug entschädigungslos zu übereignen und Rechnungen der O2xx B5xxx GmbH & Co., H3xxxxx auszugleichen. Im Gegenzug sagte der Kläger zu, Rechnungen der A2xx A3xxxxx B6xxxxx GmbH & Co., O3xxxxxxx zu zahlen und der Beklagten sämtliche, in seinem Besitz befindlichen Arbeitsunterlagen/Arbeitsmaterialien herauszugeben (wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 66 - 69 der Akten verwiesen).

Abschließend stellten die Parteien in dieser Vereinbarung fest:

XI.

Mit Abschluss und Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, erledigt. Erledigt ist damit insbesondere auch der Rechtsstreit, 2 Ca 3235/00, des Arbeitsgerichts Bochum. Arbeitnehmer verpflichtet sich, die zu vorgenanntem Aktenzeichen erhobene Klage zum Arbeitsgericht Bochum bis spätestens zum 15.03.2001 zurückzunehmen.

XII.

Der vorstehende Vergleich wird seinem gesamten Inhalt nach erst dann wirksam, wenn Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten Vergütungsanspruchs, der Urlaubsabgeltungsansprüche und der Abfindung fristgerecht durch Zahlungseingang auf Konto des Arbeitnehmers bei D4xxxxxxxx V2xxxxxxx, BLZ 44x 61x 12, Konto-Nr. 23x 45x 46xx, vollständig erfüllt hat und ebenso fristgerecht - eingehend bis spätestens zum 28.02. 2001 - Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Erteilung des Zeugnisses in der oben angegebenen Form entsprechend Anlage erfüllt hat.

Wird auch nur eine der vorgenannten Verpflichtungen nicht fristgerecht und/oder unvollständig erfüllt, setzt sich das Arbeitsverhältnis gem. Anstellungsvertrag vom 28.10.1996 i. V. mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Bochum, 2 Ca 1199/98, auch über den 28.02.2001 unverändert fort.

Die Beklagte hat ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich erfüllt. In der am 05.03.2001 erstellen Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III hat sie das vertraglich vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht erwähnt. Zu einer vom Kläger erwarteten Korrektur sah sie sich nicht veranlasst, zumal aus ihrer Sicht unter dem 16.12.1999 der Verzicht erklärt worden sei bzw. dieser Verzicht wiederholt werde (Blatt 31 und 32 d. Akten). Schließlich vertrat sie die Auffassung, Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsvereinbarung seien mit der umfassenden Generalquittung des Aufhebungsvertrages erledigt.

Die Empfangsbestätigung des Klägers zum Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 16.12.1999 (Blatt 33 d. Akten) konnte nicht beigebracht werden.

Mit der beim Arbeitsgericht Bochum am 29.05.2001 erhobenen Klage verlangt der Kläger, der sich mit Wirkung vom 01.03.2001 arbeitslos gemeldet und zum 15.09.2001 eine neue Anstellung aufgenommen hat, von der Beklagten eine Karenzentschädigung von monatlich 12.500,00 DM brutto. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, § 20 des Anstellungsvertrages vom 28.10.1996 sei nicht einvernehmlich aufgehoben worden. Hierfür fehle - im Gegensatz zur vorausgehend angedachten Formulierung - eine ausdrückliche Regelung. Die Ausgleichsklausel sei nicht dazu geeignet, diese Ansprüche mit einzubeziehen, zumal der Karenzanspruch erst durch die Beendigungsvereinbarung begründet worden sei.

Nachdem die Beklagte unter Hinweis auf 16 Sa 1719/00 LAG Hamm = 10 AZR 558/01 BAG eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hatte, hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 17.01.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, obwohl die Beklagte während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht rechtswirksam auf die Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verzichtet habe und die Parteien mit der Vereinbarung vom 16.02.2001 dieses nicht ausdrücklich einvernehmlich aufgehoben hätten, habe der Kläger mit der Ausgleichsklausel auf die grundsätzlich noch bestehenden Ansprüche auf Karenzentschädigung verzichtet. Mit der Formulierung "aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung" sei deutlich herausgestellt, dass auch zugunsten des Klägers für die Zukunft keine weiteren Ansprüche bestünden. Dass dies gewollt sei, zeigten die vorausgehenden Vertragsverhandlungen auf, im Rahmen der Auseinandersetzung bezüglich eines Tantiemeanspruchs einen Schlussstrich unter das Vertragsverhältnis ziehen zu wollen. Hierüber seien auch zeitlich nach formeller Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Ansprüche mitgeregelt worden. Aus den gleichen Gründen sei die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger mit der Arbeitsbescheinigung eine Verpflichtung aus § 20 des Anstellungsvertrages zu bestätigen.

Gegen dieses ihm am 04.02.2002 zugestellte, vorgetragene und wegen der sonstigen Einzelheiten in Bezug genommene Urteil, hat der Kläger am 04.03.2002 Berufung eingelegt, die am 21.03.2002 begründet worden ist. Der Kläger greift das angefochtene Urteil in vollem Umfang an. Zur Begründung weist er darauf hin, dieses habe bei der Auslegung der Ausgleichsklausel nicht genügend differenziert zwischen den beiden Versuchen der Parteien, das Vertragsverhältnis einvernehmlich zu beendeten. Im März 1999 sei er durchaus damit einverstanden gewesen, auf Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot zu verzichten, zumal er die Chance einer angemessenen Anschlussbeschäftigung gehabt habe. Allein aus diesem Grunde habe er in seinem, der Beklagten unterbreiteten Vorschlag, die ausdrückliche Aufhebung des § 20 des Anstellungsvertrages vorformuliert. Diese Chance habe bei dem zweiten Versuch der einvernehmlichen Beendigung gefehlt. Er habe deshalb kein Interesse daran gehabt, die Beklagte aus der Verpflichtung gemäß § 21 des Anstellungsvertrages zu entlassen. Hieran habe schließlich auch die Beklagte nicht gedacht. Mit der Erklärung zur Ziffer XI der Abfindungsvereinbarung vom 16.02.2001 sei deshalb kein abschließender Verzicht erklärt worden. Es sei folglich nicht die Rechtsfolge angestrebt worden, auch Ansprüche, die erst nach Wirksamwerden dieser Vereinbarung hätten entstehen können, aufzuheben. Eine derartige Auslegung der Abfindungsvereinbarung werde der Interessenlage nicht gerecht. Er habe keine Aussicht auf eine angemessene Anschlussbeschäftigung gehabt. Die Beklagte habe ihn zuvor "kalt gestellt" und in Anbetracht der bevorstehenden Betriebsratswahlen herausdrängen wollen.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 81.084,95 EUR nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz aus 6.391,15 EUR ab dem 01.04.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.05.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.06.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.07.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.08.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.09.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.10.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.11.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.12.2001, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.01.2002, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.02.2002, aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.03.2002 und aus weiteren 6.391,15 EUR seit dem 01.04.2002 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bis zum 31.08.2002 Karenzentschädigung unter Anrechnung anderweitigen Erwerbs gemäß § 74 c HGB in Höhe von monatlich 6.391,15 EUR zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III des Inhalts zu erteilen, dass das gemäß § 20 des zwischen den Parteien ehemals bestehenden Arbeitsvertrages vereinbarte Wettbewerbsverbot für den Kläger bis zum 31.08.2002 besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und gibt erneut zu bedenken, dass die Parteien gerade mit der ausführlichen Formulierung einen Schlussstrich unter das zu beendende Arbeitsverhältnis hätten ziehen wollen. Allein aus diesem Grunde sei auch der nunmehr klageweise verfolgte Anspruch auf Karenzentschädigung abgegolten worden, obwohl dieser Anspruch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründet worden sei.

Wegen der sonstigen Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze - einschließlich des zur Akte gereichten Anstellungsvertrages vom 28.10.1996 (Blatt 14 - 22 d. Akten) und der Vergleichs-/Abfindungsvereinbarung vom 16.02.2001 (Blatt 66 - 69 d. Akten) - verwiesen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 30.04.2002 wurde auf Antrag der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) hat auch Erfolg.

I.

1. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gemäß den §§ 74, 74 b HGB in Verbindung mit den §§ 20, 21 des Anstellungsvertrages vom 28.10.1996 für die Zeit vom 01.03.2001 - 31.08.2002 die begehrte Karenzentschädigung zu zahlen. Diese Verpflichtung wurde mit dem Anstellungsvertrag vom 28.10.1996 rechtswirksam begründet. Die §§ 20 und 21 dieses Anstellungsvertrages werden den gesetzlichen Anforderungen des § 74 Abs. 1 und 2 HGB gerecht. Diese Verpflichtung ist auch nicht entfallen. Der Versuch der Rechtsvorgängerin der Beklagten, sich mit Schreiben vom 16.12.1999 von diesem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen, ist gescheitert. Dies wäre durchaus auf der Grundlage des § 75 a HGB möglich gewesen. Erforderlich ist jedoch für eine rechtswirksame Lossagung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, dass diese dem Arbeitnehmer zugeht. Dies nachzuweisen ist der Beklagten nicht gelungen. Ein vom Kläger unterschriebenes Empfangsbekenntnis kann nicht vorgelegt werden. Auch steht nicht fest, ob dieses Schreiben überhaupt zur Post gegeben wurde. Eine spätere Lossagung während des bestehenden Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte nicht vorgetragen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.03.2001 konnten die Rechtswirkungen des § 75 a HGB nicht mehr erzielt werden.

2. Die Parteien haben dieses Wettbewerbsverbot auch nicht einvernehmlich aufgehoben. Die Vereinbarung vom 16.02.2001 weist ausdrücklich eine derartige einvernehmliche Regelung nicht auf. Dass eine ausdrückliche einvernehmliche Aufhebung nicht gewollt war, verdeutlichen die sonstigen Absprachen der Parteien zur Urlaubsabgeltung, Übereignung des Firmenfahrzeugs an den Kläger, Übernahme der durch die Inanspruchnahme der AVIS entstandenen Kosten, Übernahme der durch Inanspruchnahme der O2xx B5xxx GmbH & Co., H3xxxxx entstandenen Reparaturkosten und Nebenkosten, Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sowie die Herausgabe betrieblicher Unterlagen. Zwar haben die Parteien durchaus das Recht, das formbedürftige nachvertragliche Wettbewerbsverbot jederzeit durch mündliche Vereinbarung aufzuheben. Eine derartige Abrede folgt jedoch nicht ohne weiteres aus der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. In dieser Bewertung stimmt die erkennende Berufungskammer mit dem LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.09.1995 - 5 Sa 28/95 - Der Betrieb 1996, 434) und der 16. Kammer des LAG Hamm (Urteil vom 17.05.2001 - 16 Sa 1719/00 - Revision: 10 AZR 558/01) überein. Sie ist auch nicht erkennbar aus der ausführlichen und umfassenden Regelung aller, das Arbeitsverhältnis berührenden Fragen. Diese Erklärung der Parteien war nicht darauf ausgerichtet, den ursprünglichen Arbeitsvertrag abzuändern sondern ihn im Hinblick auf die bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwickeln. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Parteien aufgrund der sonstigen umfassenden Regelung auch hierüber eine Absprache getroffen hätten.

3. Der Kläger hat auf diesen, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2001 erstmals begründeten Anspruch nicht mittels Ausgleichsklausel gemäß XI der Aufhebungsvereinbarung vom 16.02.2001 verzichtet. In diesem Aufhebungsvertrag haben die Parteien verabredet, dass der Vertrag erst mit fristgerechter Zahlung seitens der Beklagten rechtswirksam wird und dass dann erst sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis sowie seiner Beendigung - ob bekannt oder unbekannt - erledigt sind. Trotz dieser umfassenden Erklärung haben die Parteien zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer nicht zum Ausdruck gebracht, dass zwischen ihnen für die Zukunft keinerlei Rechte und Pflichten mehr bestehen sollen. Dabei verkennt die erkennende Berufungskammer nicht, dass mit einer Ausgleichsklausel durchaus auch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende und fällig werdende Ansprüche erfasst werden können. Insoweit stimmt die erkennende Berufungskammer mit der 16. Kammer des hiesigen LAG und der 15. Kammer des hiesigen LAG (Urteil vom 23.09.1992 - 15 Sa 462/92 - n. v.) sowie mit dem LAG Köln (Urteil vom 17.01.1990 - 7 Sa 1052/89 - n. v.) als auch mit Bauer/Diller (Wettbewerbsverbote, 2. Auflage, Rdnr. 497 a) überein. Denn eine derartige, von den Parteien erarbeitete Ausgleichsklausel ist rechtlich anders zu bewerten und enthält einen anderen Erklärungsinhalt als eine vom Arbeitgeber einseitig vorformulierte sogenannte Ausgleichsquittung. Dass letztere, die die Aushändigung von Arbeitspapieren und Zahlung konkreter Lohnbeträge im Sinne des 308 BGB bestätigen lässt, keinen darüber hinausgehenden Erklärungsinhalt hat, hat das BAG am 20.10.1981 überzeugend abgeleitet (3 AZR 1013/78 - AP Nr. 39 zu § 74 HGB mit Anmerkung von Stumpf).

Dennoch sieht die erkennende Berufungskammer abweichend zu den zitierten Entscheidungen wesentliche fallbezogene Umstände, die im Rahmen der Auslegung gemäß den §§ 133, 157 BGB gegen einen Verzicht des Klägers auf diese Karenzentschädigung sprechen. Die Ausgleichsklausel ist wie jede andere Vertragsgestaltung nach den allgemeinen Grundsätzen anhand des erklärten Willens auszulegen. Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen mögen darüber hinaus im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sein (BAG, Urteil vom 15.12.1994 - 8 AZR 250/93 - n. v.). Dennoch sprechen die Gesamtumstände gegen einen Verzicht auf die Karenzentschädigung. Die Parteien haben in diesem Vertrag die Modalitäten der Abwicklung des Vertragsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt detailliert geregelt. Dies könnte die Absicht erkennen lassen, im beiderseitigen Interesse einen Schlussstrich ziehen zu wollen. Beide Parteien waren hierbei arbeitsrechtlich fachkundig beraten. Sie hatten schließlich Gelegenheit, ihre Rechtspositionen zu überprüfen und in die Vergleichsverhandlungen einzubringen. Dennoch ist die Formulierung "sämtliche gegenseitige Ansprüche in Verbindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erledigt" nicht dazu geeignet, diesen Anspruch zu kassieren. Für die Auslegung dieser Vertragsklausel ist zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer auch der Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere ein früherer Versuch zur einvernehmlichen Beendigung einzubeziehen. Als der Kläger seinerseits bestrebt war, das aus seiner Sicht erheblich gestörte Arbeitsverhältnis zu beenden, war er aufgrund einer in Aussicht gestellten Anschlusstätigkeit daran interessiert, sich vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen. Deshalb hatte er eine klare Regelung in den vom ihm vorformulierten Vertragstext aufgenommen, um der Rechtsvorgängerin der Beklagten deutlich vor Augen zu halten, dass die Verwertung der erworbenen Kenntnisse nicht verhindert werden könnte. Hieran war sie wohl nicht interessiert. Sie verfolgte für sich das Ziel der außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den Rechtsfolgen des § 75 Abs. 2 HGB. Nachdem dieser Versuch gescheitert war und in Anbetracht der kurz bevorstehenden Betriebsratswahl eine Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes gemäß § 15 Abs. 1 KSchG nicht ausgeschlossen werden konnte, erstarkte ihr Interesse an einer kurzfristigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dass diese vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit erheblichem finanziellen Aufwand "erkauft" werden musste, beschreibt der individuelle Kündigungsschutz des Klägers gemäß § 15 Abs. 1 KSchG - einschließlich des nachwirkenden Kündigungsschutzes -, die Kündigungsfrist des § 2 des Anstellungsvertrages vom 28.10.1996 - 12 Monate zum Jahresende - und der Ruhenstatbestand des § 143 a Abs. 1 SGB III. Hieraus folgt zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer, dass auch die Höhe der vereinbarten Kündigungsschutzabfindung in die erforderliche Auslegung einbezogen werden muss. Über die Höhe der verabredeten Kündigungsschutzabfindung muss folglich erkennbar werden, dass nicht nur die erheblich vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit wirtschaftlich abgekauft wurde - auf der Basis von zwei bis drei Jahresgehältern - der Tantiemerechtsstreit der Parteien beendet werden sollte und der Verlust des Arbeitsplatzes nach gut vierjähriger Zusammenarbeit honoriert würde. Um gleichzeitig das nachvertragliche Wettbewerbsverbot abkaufen zu können, hätte die Beklagte mindestens ein weiteres Dreivierteljahresgehalt hinzurechen müssen. Hierauf lässt die verabredete Kündigungsschutzabfindung nicht schließen. Da das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht ausdrücklich Inhalt der Vertragsverhandlungen geworden ist, wird trotz verwandter Formulierung in der Ausgleichsklausel erkennbar, dass auch die Beklagte primär an der Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Kläger interessiert war. Es wird deshalb nicht erkennbar, dass auch Ansprüche aus dem für 18 Monate verabredeten Wettbewerbsverbot in diese Regelung mit einbezogen werden sollten. Gerade weil der Kläger nicht erneut die Aufhebung dieses Vertragsteils thematisiert hat, war für die Beklagte deutlich erkennbar, dass er sie an der hier beschriebenen Verpflichtung festhalten wollte. Trotz ausführlich abgefasster Ausgleichsklausel sollte offensichtlich dieser Vertragsbestandteil nicht nachträglich geändert werden. Die Interessenlage der Beklagten mag nach Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Kläger eine andere sein. Sie war in dieser Deutlichkeit für ihn jedoch nicht erkennbar.

4. Da der Kläger mit dem Aufhebungsvertrag vom 16.02.2001 nicht auf die Rechte und Pflichten aus den §§ 20, 21 des Anstellungsvertrages vom 28.10.1996 verzichtet hat, ist die Beklagte nicht nur zur Zahlung der Karenzentschädigung gemäß § 74 b HGB verpflichtet. Sie ist auch gehalten, diesen Umstand in der Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III zu vermerken.

II.

Nachdem die erkennende Berufungskammer zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Auslegung der Ausgleichsklausel gelangt ist, war unter Abänderung dieses klageabweisenden Urteils dem Klagebegehren des Klägers im begehrten Umfang stattzugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde die Revision ausdrücklich zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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