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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 7 Ta 10/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 750
ZPO § 888
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 18.12.2007 - 3 Ca 949/05 - aufgehoben und der Zwangsgeldantrag des Gläubigers vom 08.10.2007 zurückgewiesen.

Die Kosten der Zwangsvollstreckung trägt der Gläubiger.

Der Wert des Vollstreckungsverfahrens wird 7.176,00 € festgesetzt.

Gründe:

Mit der bei dem Arbeitsgericht Minden am 07.06.2005 erhobenen Kündigungsschutzklage begehrte der Gläubiger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin nicht durch deren Kündigung vom 31.05.2005 mit Ablauf des 31.12.2005 beendet wird. Darüber hinaus begehrte er die Verpflichtung der Schuldnerin, ihn zu unveränderten Bedingungen als Schlachter weiter zu beschäftigen. Aus Sicht der Schuldnerin war diese Kündigung erforderlich, zumal zum 01.08.2005 die Schweine- und Rinderschlachtung auf die R2 F1 GmbH, D3, übertragen werden sollte und u. a. der Gläubiger dem damit verbundenen Betriebsübergang widersprochen hatte. Mit Urteil vom 13.12.2006 hat das Arbeitsgericht Minden seinem Kündigungsschutzbegehren stattgegeben und die Schuldnerin dazu verurteilt, ihn zu unveränderten Bedingungen als Schlachter weiter zu beschäftigen. Diese Verpflichtung wurde in den Gründen auf die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 gestützt. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Da eine Beschäftigung nicht erfolgte, obwohl der Schuldnerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils am 08.01.2007 zugestellt war, beantragte der Gläubiger erstmals am 26.02.2007, die Schuldnerin durch Zwangsgeld dazu anzuhalten, ihn auf der Grundlage des Urteils als Schlachter zu beschäftigen. Diesen Antrag nahm der Gläubiger am 13.04.2007 zunächst wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wieder zurück. Nach Genesung beantragte er mit Schriftsatz vom 08.10.2007 erneut die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung der titulierten Beschäftigungspflicht. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, der Einwand der Schuldnerin im vorausgehenden Antragsverfahren, "der Arbeitsbereich des Gläubigers sei bekanntermaßen ausgegliedert worden", sei unzulässig. Dieser Einwand sei im Erkenntnisverfahren überprüft und als unbegründet verworfen worden. Auf eine Unmöglichkeit der Zwangsvollstreckung könne sie sich folglich nicht berufen.

Im Rahmen ihrer Anhörung trat die Schuldnerin dem Begehren des Gläubigers entgegen und vertrat die Rechtsauffassung, der Titulierung nicht nachkommen zu können, zu mal die Schlachtung am Standort L1 im Wege des Betriebsübergangs auf die W2 P3-S7 GmbH übergegangen sei. Im Übrigen vertrat sie die Rechtsauffassung, die Titulierung sei nicht vollstreckungsfähig, sie sei inhaltlich mehrdeutig. Dennoch habe sie sich bemüht, dem Beschäftigungsbegehren des Gläubigers mittels Umsetzungsangebote gerecht zu werden. Eine Schlachttätigkeit sei nur an den Standorten P4 und C2 möglich. Am Standort L1 sei sein Einsatz zu den Bedingungen eines Schlachters nur in der Verladung etc. denkbar.

Die Schuldnerin hat das Arbeitsverhältnis zum Gläubiger erneut am 22.03.2007 aufgekündigt. Hiergegen richtet sich die weitere Kündigungsschutzklage des Gläubigers 3 Ca 659/07 Arbeitsgericht Minden = 17 Sa 1815/07 LAG Hamm.

Mit Beschluss vom 18.12.2007 hat das Arbeitsgericht Minden gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der titulierten Beschäftigungspflicht ein Zwangsgeld i. H. v. 3.300,00 € festgesetzt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Tenor des rechtskräftigen Urteils sei weiterhin Vollstreckungstitel. Die Vollstreckungsfähigkeit gehe nur dadurch verloren, dass der Titel selbst aufgehoben oder abgeändert wird oder dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet werde. Da dies alles nicht festzustellen sei, sei das rechtskräftige Urteil weiterhin Vollstreckungstitel i. S. d. §§ 750, 888 ZPO. Auch die nachgeschobene Kündigung lasse die Vollstreckungsfähigkeit nicht entfallen. Zwar könne hierdurch ein Anspruch auf Beschäftigung entfallen. Dem stehe jedoch das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 24.08.2007 - 3 Ca 659/07 - entgegen. Hierüber sei die Unwirksamkeit dieser nachgeschobenen Kündigung festgestellt worden. Es bestehe folglich die Verpflichtung der Schuldnerin fort, den Gläubiger als Schlachter im Rahmen der Bearbeitung von Fleisch weiter zu beschäftigen.

Gegen diesen, ihr am 21.12.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Landesarbeitsgericht am 04.01.2008 eingegangene sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Sie bittet um Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und Zurückweisung des Vollstreckungsantrags des Gläubigers auf der Grundlage des § 888 ZPO. Zur Begründung führt sie aus, die Zwangsvollstreckung des Gläubigers aus Ziff. 2 des Urteilstenors vom 13.12.2006 sei aus verschiedenen Gründen unzulässig. Zum Einen sei der Titel zu unbestimmt, deshalb nicht vollstreckungsfähig. Die Unbestimmtheit des Titels sei begründet durch die Verwendung des Begriffs "Schlachter", dem keine eindeutige Tätigkeit oder klar abgrenzbarer Einsatzbereich zuzuordnen sei. Zum Anderen wiederholt sie ihren Einwand, die Erfüllung des titulierten Anspruchs sei ihr unmöglich. Sie habe den Gläubiger in der Schlachtung beschäftigt. Diese habe sie in 2005 geschlossen. Seit dem stehe ihr ein derartiger Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung. Bei ihr würden Schlachter nicht mehr beschäftigt. Anderen Einsatzangeboten, die einer Beschäftigung als Schlachter nach norddeutschem Verständnis gerecht würden, sei der Gläubiger nicht gefolgt. Es gebe folglich keinen Anlass für eine Zwangsvollstreckung.

Der Gläubiger tritt dieser sofortigen Beschwerde entgegen. Seiner Meinung nach habe die Schuldnerin den Titel nicht erfüllt. Alle Beschäftigungsangebote entsprächen nicht der titulierten Beschäftigungspflicht. Die Schuldnerin verfolge eher seine Versetzung als eine Umsetzung ihrer originären Beschäftigungspflicht.

Mit Beschluss vom 10.01.2008 hat die erkennende Beschwerdekammer die Zwangsvollstreckung des Gläubigers aus dem Zwangsgeldbeschluss vom 18.12.2007 einstweilen eingestellt.

Die gem. den §§ 567, 569 ZPO, §§ 78, 62 Abs. 2 ArbGG statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist begründet. Auf ihre Beschwerde hin war der Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 18.12.2007 aufzuheben und der Antrag des Gläubigers mit der Kostenfolge aus den §§ 891, 91 ZPO zurückzuweisen.

Die Zwangsvollstreckung des Gläubigers aus dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.12.2006 ist unzulässig. Zwar hat der Gläubiger mit dem Antrag aus § 888 ZPO die richtige Vollstreckungsart gewählt. Denn die tenorierte Beschäftigungspflicht ist eine unvertretbare Handlung i. S. d. § 888 ZPO, da sie gegen den Willen der Schuldnerin als Arbeitgeberin nicht durchsetzbar ist. Die Schuldnerin muss dem Gläubiger als Arbeitnehmer einen vertraglich geschuldeten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Obwohl sie sich hierbei der Unterstützung Dritter bedienen darf, hängt es ausschließlich von ihrem Willen ab, ob ein funktionsfähiger Arbeitsplatz zugewiesen wird oder nicht (GMPM-G, ArbGG, § 62 Rdnr. 48 "Weiterbeschäftigungsanspruch"; Düwell/Lipke, Arbeitsgerichtsverfahren-Krönig, § 62 ArbGG Rdnr. 29; LAG Hamm v. 21.11.1989, 7 Ta 475/89; LAG Hamm v. 30.03.2007, 7 Ta 186/07).

Für die zwangsweise Durchsetzung des titulierten Beschäftigungsanspruchs am 08.10.2007 fehlt jedoch der notwendige Titel.

Der zugunsten des Gläubigers für vollsteckbar erklärte Titel hat nicht mit Zugang der nachgeschobenen Kündigung seine rechtliche Wirkung verloren. Die Beschwerdekammer stimmt durchaus mit dem angefochtenen Beschluss in der Bewertung überein, dass die Wirkung der Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund des zuerst verkündeten Urteils bei nachgeschobener Kündigung endet. Zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsansruchs bedarf es deshalb grundsätzlich eines neuen Titels. Denn der durch Urteil festgestellte Anspruch ist in seiner Existenz betroffen. Dennoch greift diese materiell-rechtliche Bewertung nicht automatisch auf das formalisierte Vollsteckungsrecht durch. Die Vollstreckung aus dem Titel bleibt solange statthaft, als der Titel selbst existiert und seine Vollstreckungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Der Schuldnerin verbleibt nur der Weg über die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO; diese verbunden mit einer einstweiligen Anordnung gemäß § 769 ZPO (GMPM-G/ Germelmann, ArbGG, § 62 Rdnr. 22; LAG Hamm, Beschlüsse v. 12.12.2006, 7 Ta 797/06 und v. 30.03.2007, 7 Ta 186/07). Innerhalb dieser Klage muss überprüft werden, ob die nachgeschobene Kündigung ggf. aus dem Gesichtspunkt der Trotz- oder Wiederholungskündigung keinerlei rechtliche Wirkungen zu entfalten vermag.

Die Wirkungen des Titels sind aus einem anderen Grunde entfallen, sodass die Zwangsvollstreckung von Anfang an unzulässig war. Titel i. S. d. § 750 ZPO ist nicht mehr das am 08.02.2007 rechtskräftig gewordene Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.12.2006. Zwar wurde in diesem Urteil nicht mehr tenoriert: "den Gläubiger jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Schlachter weiter zu beschäftigen". Dennoch weist auch der verwandte Urteilstenor diese zeitliche Beschränkung auf. Denn Grundlage der Tenorierung ist die vorläufige Weiterbeschäftigung des Gläubigers. Dies ist der Begründung zu entnehmen, die sich ausdrücklich die Ausführungen des Großen Senats im grundlegenden Beschluss vom 27.02.1985 zueigen macht. Da der Große Senat den vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses auf der Grundlage des klagestattgebenden erst- oder zweitinstanzlichen Urteils grundlegend anerkannt hat, kommt einer Tenorierung auf der Grundlage dieser richterrechtlichen Fortentwicklung keine andere Bedeutung zu. Deshalb ist nicht ausschlaggebend, dass sich aus dem Titel selbst eine zeitliche Beschränkung ergibt. Denn die ermöglichte Zwangsvollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs aufgrund klagestattgebender erstinstanzlicher Entscheidung erfasst regelmäßig nur die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss im Kündigungsschutzprozess. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch auf der Grundlage eines unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnisses ab Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess wird von einer Verurteilung zur "vorläufigen Weiterbeschäftigung" nicht erfasst (GMPM-G/ Germelmann, § 62 ArbGG Rdnr. 62 "Weiterbeschäftigung" und der Hinweis auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern der Landesarbeitsgerichte Hamm, Köln und Frankfurt). Dies dürfte eindeutig sein; denn der Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses kann vor Rechtskraft nicht "als eindeutig feststehend" vorweg genommen werden.

Im Übrigen ist die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.12.2006 auch deshalb unzulässig, weil sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet ist. Eine Zwangsvollstreckung kann nur dann erfolgen, wenn die Vornahme der ausgeurteilten Handlung im Zeitpunkt der Vollstreckung ausschließlich vom Willen der Schuldnerin abhängt. Die Schuldnerin muss sich also in der Lage befinden, in der sie nur noch zu wollen braucht, um die von ihr geforderte Handlung vorzunehmen. Daran fehlt es, wenn die geschuldete Handlung objektiv nicht mehr möglich ist; wenn also der ernstlich gewollten Vornahme der Handlung unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen (LAG Hamm v. 29.11.1985, LAGE § 888 ZPO Nr. 5; LAG Hamm v. 15.02.1991, LAGE § 888 ZPO Nr. 22; LAG Hamm v. 21.02.2007, 7 Ta 90/07). Dies ist zu unterstellen, wenn der Arbeitsplatz des Gläubigers durch Rationalisierungsmaßnahmen oder sonstige unternehmerische Entscheidungen des Arbeitgebers endgültig weggefallen ist. Obwohl dies primär eine materiell-rechtliche Frage ist, die auch im Kündigungsschutzprozess diskutiert wurde, ist das Vorbringen der Schuldnerin gerade für die Zwangsvollstreckung nicht unbeachtlich. Denn hierfür ist entscheidend, ob überhaupt eine Tätigkeit in der Schlachtung anfällt. Gerade für die Zwangsvollstreckung ist maßgeblich, dass der Gläubiger als Schlachter "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" eingesetzt werden kann. Dass dies nicht möglich ist wurde von der Schuldnerin im Kündigungsschutzprozess überzeugend vorgetragen. Dies dürfte im Übrigen auch offenkundig sein. Andernfalls wäre der Widerspruch des Gläubigers gegen den Arbeitgeberwechsel sinnlos gewesen. Mit diesem Widerspruch erkennt der Gläubiger zur Überzeugung der beschließenden Beschwerdekammer an, dass er gerade nicht mehr zu den bisherigen Bedingungen als Schlachter weiterbeschäftigt werden kann. Diese Vertragserfüllung ist "weggebrochen" durch eine unternehmerische Entscheidung der Schuldnerin. Diese Auffassung vertrat wohl auch das Arbeitsgericht Minden im Kündigungsschutzverfahren 2 (1) Ca 1123/05. Auch wenn der Gläubiger dies nicht "mehr" so sieht ist das Bestreben der Schuldnerin anzuerkennen, ihm nach Möglichkeit einen adäquaten Arbeitsplatz anzubieten.

Da die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.12.2006 unzulässig ist war die beschließende Beschwerdekammer nicht mehr gehalten, sich mit dem zusätzlichen Argument einer evtl. unklaren Definition der Beschäftigungspflicht auseinanderzusetzen.

Aus den zuvor beschriebenen Gründen war die sofortige Beschwerde erfolgreich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 788, 891, 91 ZPO.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 72, 78 ArbGG besteht kein Anlass.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimmt sich nach den §§ 3 ff. ZPO. Dabei ist der Wert des durchzusetzenden Anspruchs (Beschäftigungsanspruch = 2 Gehälter) maßgebend.

Ende der Entscheidung

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