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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 199/09
Rechtsgebiete: TVG
Vorschriften:
TVG § 4 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 07.01.2009 - 2 Ca 1718/08 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen tariflichen Anspruch auf Nachgewährung restlichen Weihnachtsgeldes für das Jahr 1999 gemäß dem einschlägigen Änderungstarifvertrag vom 30.09.1999 (Bl. 6 d.A.). Diesen Anspruch leitet der Kläger, welcher zu tariflichen Arbeitsbedingungen im Betrieb der Beklagten tätig war und im Laufe des Jahres 2005 ausgeschieden ist, aus folgendem Sachverhalt her:
Durch den genannten Änderungstarifvertrag wurde die in § 23 des seinerzeit gültigen Manteltarifvertrages vorgesehene Zahlung von Weihnachtsgeld wie folgt abgeändert:
"...
Es besteht Einigkeit, dass das gemäß § 23 Abs. 3 des o.g. MTV an die Arbeitnehmer/-innen der Gesellschaft zu zahlende Weihnachtsgeld im Kalenderjahr 1999 40% der monatlichen Grundvergütung der Vorschrift beträgt. Es besteht weiter Einigkeit zwischen den Tarifvertragsparteien, dass das Unternehmen für den Fall, dass in zukünftigen Geschäftsjahren ein handelsrechtlicher Jahresüberschuss erzielt wird, der Anspruch auf die Gewährung des Differenzbetrages zu 100% der monatlichen Grundvergütung des Monates November 1999 nachträglich gewährt wird, maximal jedoch in Höhe des im jeweiligen Geschäftsjahr erwirtschafteten Jahresüberschusses.
..."
Nachdem es im Jahre 2006 zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten gekommen war, gewährte die Beklagte im Februar 2007 den zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmern, nicht hingegen den zuvor ausgeschiedenen Arbeitnehmern - dies betrifft auch den im Jahre 2005 ausgeschiedenen Kläger - die tariflich vorgesehene Differenzzahlung. Mit Schreiben vom 26.06. und 04.08.2008 machte der Kläger, nachdem er zwischenzeitlich Kenntnis von der Nachzahlung erhalten hatte, den hier verfolgten Anspruch geltend.
Durch Urteil vom 07.01.2009 (Bl. 32 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts und der Fassung der Anträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des begehrten Differenzbetrages von 1.280,-- € brutto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, nach dem Tarifvertrag stehe dem Kläger der verfolgte Anspruch nach Besserung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ohne weiteres zu. Abweichend vom Standpunkt der Beklagten sei der Anspruch auch keineswegs infolge tariflichen Verfalls erloschen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob sich die Beklagte überhaupt ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf den Gesichtspunkt des tariflichen Verfalls berufen könne, nachdem sie es unterlassen habe, die ausgeschiedenen Mitarbeiter entsprechend zu informieren. Wie die Auslegung der Vorschrift des § 31 MTV ergebe, werde die hier vorliegende Fallgestaltung ohnehin nicht von der tariflichen Ausschlussklausel erfasst. Aus der Formulierung,
"Beschwerden wegen unrichtiger Ermittlung oder Errechnung oder Zahlung von Entgelt sind von dem Arbeitnehmer unverzüglich vorzubringen"
ergebe sich zweifelsfrei, dass sich diese Regelung allein an die aktiven Mitarbeiter wende, welche regelmäßig monatliche Abrechnungen sowie Lohnzahlungen erhielten. Nur in diesem Falle könne eine Beschwerde unverzüglich vorgebracht werden. Auf den tariflichen Anspruch auf nachträgliche Gewährung des restlichen Weihnachtsgeldes finde die Verfallklausel demgegenüber keine Anwendung.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt die Beklagte dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils mit Rechtsausführungen entgegen und beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 07.01.2009 - 2 Ca 1717/08 -, der Beklagten zugestellt am 16.01.2009, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Abweisung des Klagebegehrens.
I
Dem Kläger steht der verfolgte Zahlungsanspruch nicht zu.
Als Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Nachgewährung des restlichen Weihnachtsgeldes für das Jahr 1999 kommt ersichtlich allein die im Änderungstarifvertrag getroffene Regelung in Betracht. Unstreitig ist es zu der tariflich vorausgesetzten Besserung der wirtschaftlichen Lage gekommen, allerdings war zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits beendet.
1. Bei der fraglichen Tarifvorschrift handelt es sich um eine Inhaltsnorm im Sinne des § 4 TVG, welche den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestaltet und damit im Grundsatz - vorbehaltlich einer abweichenden Regelung - an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft.
2. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses - also bis spätestens 2005 - ist es zu der tariflich vorausgesetzten Besserung der wirtschaftlichen Lage nicht gekommen. Erst nach Ausscheiden des Klägers sind die Voraussetzungen für den tariflichen Anspruch auf Nachgewähr des Differenzbetrages zum vollen Weihnachtsgeld erfüllt worden.
a) Wie der Änderungstarifvertrag vom 30.09.1999 ausdrücklich regelt, stand dem Kläger für das Jahr 1999 allein ein Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe von 40% zu. Hinsichtlich der Differenz von 60% zum früheren vollen Weihnachtsgeldanspruch war nicht etwa eine Stundung einer an sich bereits im Jahre 1999 verdienten Leistung vereinbart, vielmehr entstand ein Anspruch auf "nachträgliche Gewährung" des Differenzbetrages von 60% nur und erst unter der Voraussetzung einer Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren damit die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
b) Richtig ist zwar, dass die Tarifparteien durchaus berechtigt gewesen wären, die hier vorgesehene Nachgewährung des restlichen Weihnachtsgeldes 1999 unbegrenzt oder mit zeitlichen Beschränkungen auch für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer vorzusehen. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifparteien jedoch ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Von welchen subjektiven Überlegungen sich die am Tarifvertragsabschluss beteiligten Personen haben leiten lassen und bewusst oder unbewusst anstelle einer Stundungsregelung einen Anspruch auf Nachgewährung des Kürzungsbetrages vorgesehen haben, ist in Anbetracht des klaren Tarifwortlauts und fehlender Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis der Tarifparteien für die Auslegung des Tarifvertrages, welche den Regeln der Gesetzesauslegung folgt, ohne Belang.
3. Gegen die Wirksamkeit der tariflichen Regelung, welche im Ergebnis allein den noch aktiven Arbeitnehmern einen Anspruch auf Nachgewährung des restlichen Weihnachtsgeldes vermittelt, bestehen auch unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keine Bedenken. Wenn im Jahre 1999 die wirtschaftliche Lage eine Weihnachtsgeldzahlung allein in reduzierter Höhe zuließ und ein Anspruch auf nachträgliche Gewährung des Kürzungsbetrages nach Besserung der wirtschaftlichen Lage allein für die dann noch aktiven Beschäftigten entstehen sollte, so erklärt sich die unterschiedliche rechtliche Behandlung der begünstigten und der nicht begünstigten Personengruppen ersichtlich aus der nicht zu beanstandenden Einschätzung der Tarifparteien, dass zur Besserung der wirtschaftlichen Lage auch der Einsatz der weiterhin tätigen Arbeitnehmer beigetragen hat. Demgegenüber haben diejenigen Arbeitnehmer, welche zeitnah zum Kürzungszeitpunkt (1999) ausgeschieden sind, keinen Beitrag und die in den nachfolgenden Jahren ausgeschiedenen Arbeitnehmer jedenfalls noch keinen erfolgreichen Beitrag zur Besserung der wirtschaftlichen Lage geleistet. Erst mit Erreichen des tariflich vorgesehenen Ereignisses - der Erzielung eines handelsrechtlichen Jahresüberschusses - erweist sich der Beitrag der zu diesem Zeitpunkt noch tätigen Arbeitnehmer als erfolgreich. Unter diesen Umständen stellt es keinen rechtlichen Mangel der tariflichen Regelung dar, wenn allein die bei Eintritt der wirtschaftlichen Besserung noch im Betrieb tätigen Arbeitnehmer in den Genuss der Nachzahlung gelangen. Hierzu gehört der Kläger nicht.
II
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist.
III
Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 ArbGG zugelassen.
Ende der Entscheidung
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