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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 2016/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
BGB § 242
KSchG § 4
KSchG § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 16.10.2003 - 1 Ca 429/03 O - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin, auf deren Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz mit Rücksicht auf die Beschäftigtenzahl keine Anwendung findet, gegen eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung. Diese Kündigung hat die Beklagte unter Hinweis auf eine beabsichtigte Betriebsschließung ausgesprochen. Mit Rücksicht auf die zeitnahe Neueröffnung des Geschäfts hält die Klägerin der Beklagten ein widersprüchliches Verhalten und damit einen Verstoß gegen Treu und Glauben vor. Hilfsweise macht sie einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Weder ist die ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam, noch steht der Klägerin ein Anspruch auf Wiedereinstellung zu.

I

Ihren Kündigungsfeststellungsantrag stützt die Klägerin auf die Behauptung, die Beklagte habe - möglicherweise in Unkenntnis, dass der Betrieb dem Kündigungsschutzgesetz nicht unterfällt - den Kündigungsgrund einer beabsichtigten Betriebsstilllegung nur vorgetäuscht, um sich unter einem Vorwand von der Klägerin zu trennen. Hierin liege ein Verstoß gegen Treu und Glauben und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.

Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung nicht erfolgreich geltend machen.

Abgesehen davon, dass der Vortrag der Klägerin zu einer vorgetäuschten Betriebsschließung zwecks Personalabbaus in keiner Weise plausibel erscheint - immerhin hat die Beklagte tatsächlich das Ladenlokal geräumt und die Stilllegung gegenüber der Kundschaft bekannt gemacht -, kann als Beleg für die Behauptung vorgeschobener Kündigungsgründe der Vortrag nicht genügen, die Beklagte habe bereits vor Ausspruch der Kündigung am 25.01.2003 und dem zeitgleichen Schreiben an den Vermieter ohnehin gewusst, dass dieser zu einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages über das Geschäftslokal nicht bereit sein werde. Auch wenn - wie die Klägerin auf Befragen erläutert hat - die Beklagte bereits im Vorfeld der Kündigung und des an den Vermieter gerichteten Schreibens erfolglose Gespräche über eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag geführt hatte, machte dies einen erneuten und mit drohender Zahlungsunfähigkeit begründeten Versuch, den Vermieter umzustimmen, nicht zu einer sinnlosen bzw. lediglich vorgeschobenen Angelegenheit. Im Falle der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes könnte zwar unter den dargestellten Umständen der Stilllegungsentschluss mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, dieser habe noch unter dem Vorbehalt einer Entlassung aus dem Mietvertrag gestanden, so dass die Kündigung vorzeitig erfolgt sei. Da das Kündigungsschutzgesetz auf den Betrieb der Beklagten jedoch keine Anwendung findet, vielmehr die Klägerin sich allein gegen eine treuwidrige Kündigung nach § 242 BGB zur Wehr setzen kann, könnte allein hieraus keine Unwirksamkeit der Kündigung hergeleitet werden. Ein "vorgeschobener" Kündigungsgrund ließe sich demgegenüber nur annehmen, wenn die Beklagte das Schreiben an den Vermieter vom 25.01.2003 in Kenntnis der Aussichtslosigkeit des Begehrens nur "pro forma" verfasst und gleichsam nur zum Schein abgesandt hätte, um sich gegenüber der Klägerin hierauf berufen zu können. Allein der allgemein gehaltene Vortrag, die Beklagte habe schon im Vorfeld gewusst, der Vermieter werde einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages nicht zustimmen, kann hierfür jedoch nicht genügen.

Gegen die Schlüssigkeit des Klägervortrages, eine Betriebsstilllegung sei lediglich vorgetäuscht worden, um die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen, spricht im Übrigen die Tatsache, dass die Klägerin selbst nicht etwa irgendwelche Umstände nennt, welche durch die vorgetäuschten Kündigungsgründe verdeckt werden sollten. Wie die Klägerin selbst auf Befragen klargestellt hat, war das Arbeitsverhältnis bis zuletzt spannungsfrei, nicht etwa stellte die Kündigung eine Reaktion auf irgendwelche Unzuträglichkeiten im Arbeitsverhältnis dar, welche die Beklagte hätten veranlassen können, die Klägerin unter einem Vorwand aus dem Betrieb zu drängen. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe zum Vorwand einer Betriebsstilllegung gegriffen, weil sie möglicherweise zu Unrecht angenommen habe, die Kündigung bedürfe der sozialen Rechtfertigung nach dem Kündigungsschutzgesetz, verhilft auch diese Überlegung dem Klagebegehren nicht zum Erfolg. In der Vortäuschung eines unrichtigen Kündigungsgrundes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes mag zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Arbeitgebers gesehen werden, welche gegebenenfalls Schadensersatzfolgen nach sich ziehen kann; nicht hingegen kann hiermit unter Hinweis auf § 242 BGB die Unwirksamkeit der Kündigung und der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet werden. Da der Entschluss der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, nicht auf einem rechtlich zu beanstandenden Motiv beruht und der angeblich von vornherein geplante Personalabbau ebenso wenig wie die angeblich vorgetäuschte Betriebsschließung rechtlich angreifbar waren, lässt sich auch mit dem Rückgriff auf Treu und Glauben keine Unwirksamkeit der Kündigung begründen. Durch die ausgesprochene Kündigung ist der Klägerin keinerlei Bestandsschutz genommen worden. Der Gesichtspunkt der "Vortäuschung" eines Kündigungsgrundes kann danach nur zu Ersatzansprüchen führen, sofern der Arbeitnehmer im Vertrauen auf die unrichtige Erklärung Dispositionen getroffen und hierdurch einen Schaden erlitten hat.

II

Aus demselben Grunde scheitert auch ein Anspruch der Klägerin auf Wiedereinstellung.

Die im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes anerkannten Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs finden außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung. Im Übrigen hat die Beklagte zwar ihren Stilllegungsentschluss rückgängig gemacht und führt den Betrieb weiter, ohne jedoch die Personalstärke den früheren Verhältnissen anzupassen. Die Beklagte hat nicht etwa anstelle der Klägerin einen anderen Beschäftigten eingestellt - was gegebenenfalls Anlass zu einer Willkürprüfung geben könnte -, sondern betreibt das Geschäft mit einer geringeren Beschäftigtenzahl, ohne dass die getroffene Auswahlentscheidung beanstandet werden kann.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes steht der Klägerin kein Wiedereinstellungsanspruch zu. Sieht man in der behaupteten Angabe eines "vorgeschobenen" Kündigungsgrundes eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, so richtet sich der hieraus folgende Schadensersatzanspruch darauf, die Klägerin so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßem Verhalten des Arbeitgebers gestanden hätte. Bei pflichtgemäßem Verhalten wäre der Klägerin aber nicht etwa gar nicht, sondern mit zutreffender Begründung gekündigt worden. Als Schadensersatz wegen Angabe eines unrichtigen Kündigungsgrundes kommen danach etwa Ansprüche auf Ersatz sinnloser Aufwendungen in Betracht, welche andernfalls erspart worden wären. Hat der Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes wegen vorgetäuschter Kündigungsgründe die Klagefrist des § 4 KSchG und die Frist zur Beantragung der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG versäumt, so ist als Gegenstand der Schadensersatzverpflichtung des Arbeitgebers auch eine Wiedereinstellung des Arbeitnehmers denkbar. Demgegenüber hat die Klägerin hier nicht etwa Rechtsnachteile erlitten, weil sie auf die Richtigkeit der vom Arbeitgeber genannten Kündigungsgründe vertraut hat, vielmehr stand der Klägerin ohnehin kein Kündigungsschutz zu. Demgemäß scheidet eine Wiedereinstellungsverpflichtung aus den dargestellten Gründen aus.

III

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Klägerin zu tragen.

IV

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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