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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 2197/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 611
BGB § 612 a
Ausschluss von Gratifikationsleistung bei verweigerter Vertragsänderung.
Tenor:

Parallelsache zu 8 Sa 2196/04

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 30.09.2004 - 3 Ca 400/04 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Gratifikation für das Jahr 2003 985,37 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.02.2004.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand: Mit seiner Klage nimmt der Kläger, welcher aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 28 d.A.) seit dem Jahre 1999 als Arbeiter im Betrieb der Beklagten gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 1.867,50 € brutto beschäftigt war, die Beklagte auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2003 in Höhe von 55% eines Monatsverdienstes in Anspruch. Diesen Anspruch stützt der Kläger zum einen auf die in § 10 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung, welche neben der Festlegung des Monatslohns folgende Regelung enthält: "... Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld werden gesondert vergütet. ..." Weiter verweist der Kläger auf die Grundsätze der Betriebsübung und macht insoweit geltend, erst seit dem Jahre 2001 habe die Beklagte durch Aushang zum Ausdruck gebracht, es handele sich bei der Weihnachtsgratifikation um eine freiwillige soziale Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft. Demgegenüber hat die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, bereits seit dem Jahre 1997 habe sie einen entsprechenden Vorbehalt bekannt gemacht. Schließlich macht der Kläger einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB geltend. Insoweit ist unstreitig, dass die Beklagte im Jahre 2003 die Beschäftigten aufgefordert hatte, einer Änderung des Arbeitsvertrages zuzustimmen, nach welcher die Arbeitszeit ab dem 01.01.2004 von bislang 36 Stunden auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich erhöht werden sollte. Während sich ca. 90% der Beschäftigten hiermit einverstanden erklärten, lehnte u.a. der Kläger eine entsprechende Vertragsänderung ab. In diesem Zusammenhang vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat gemäß Hausmitteilung vom 11.12.2003 (Bl. 37 d.A.), dass für das Jahr 2003 nur diejenigen Mitarbeiter eine freiwillige Weihnachtsgratifikation erhalten sollten, welche der Arbeitszeitverlängerung zum 01.01.2004 zugestimmt hatten. Dies hält der Kläger für unzulässig. Der Kläger hat im ersten Rechtszuge beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 928,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5% Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.02.2004 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, weder aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag noch nach den Regeln der Betriebsübung stehe dem Kläger der verfolgte Anspruch zu. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB vortrage, werde verkannt, dass die Beklagte aus billigenswerten und einleuchtenden Gründen allein denjenigen Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation gezahlt habe, welche sich mit einer Verlängerung der Arbeitszeit um vier Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich einverstanden erklärt hätten. Hieraus ergebe sich zum einen eine erhöhte Leistungsbereitschaft der betreffenden Arbeitnehmer. Zum anderen werde mit der Gewährung der Weihnachtgratifikation an den betreffenden Personenkreis ein gewisser Ausgleich für diejenigen Nachteile erbracht, welche mit der Verlängerung ihrer Arbeitszeit und dem Verzicht auf Überstundenvergütung verbunden seien. Von einer Maßregelungsabsicht des Arbeitgebers könne unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden. Durch Urteil vom 30.09.2004 (Bl. 49 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die im Arbeitsvertrag enthaltene Formulierung könne nicht als Grundlage eines eigenständigen Rechtsanspruchs aufgefasst werden, da Angaben zur Leistungshöhe fehlten. Auf die Grundsätze der Betriebsübung könne der Kläger seinen Anspruch nicht stützen, da er unstreitig das Weihnachtsgeld nicht dreimal vorbehaltlos erhalten habe. Ebenso wenig liege schließlich ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot vor. Mit der Gewährung der Weihnachtsgratifikation gehe es der Beklagten nicht um eine Sanktionierung mangelnden Wohlverhaltens, sondern darum, die Leistungsbereitschaft und Betriebstreue der begünstigten Beschäftigten zu honorieren, wobei für das Jahr 2003 Betriebstreue nicht allein im Sinne der langdauernden Betriebszugehörigkeit, sondern auch im Sinne von Einsatzwillen und Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verstehen sei. Zugleich werde hierdurch die mit der Vertragsänderung verbundene Verdiensteinbuße im Sinne einer Schadensbegrenzung abgemildert. Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens sein Begehren weiter und beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegen vom 30.09.2004 - 3 Ca 399/04 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 928,13 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.02.2004 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Zum Gesichtspunkt der Maßregelung führt die Beklagte ergänzend aus, keinesfalls sei die vorgenommene Differenzierung von der Absicht getragen, die von der Gratifikation ausgeschlossenen Arbeitnehmer zu maßregeln. Vielmehr habe die Beklagte in zulässiger Weise die unterschiedliche Profitabilität der Arbeitsverhältnisse berücksichtigt. Entscheidungsgründe: Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Sie führt unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. I Dem Kläger steht der ausgeurteilte Betrag von 928,13 € brutto als Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2003 zu. 1. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil kann allerdings die im schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltene Formulierung, nach welcher Urlaubs- und Weihnachtsgeld gesondert vergütet werden, nicht als eigenständige Anspruchsgrundlage angesehen werden. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen, welche durch die Ausführung in der Berufungsbegründung nicht in Frage gestellt werden. 2. Weiter ist dem Arbeitsgericht auch darin zuzustimmen, dass der Anspruch nicht auf die Grundsätze der betrieblichen Übung gestützt werden kann. Hierfür ist allerdings nicht der Umstand maßgeblich, dass der Kläger selbst seit seinem Eintritt im Jahre 1999 keine dreimalige vorbehaltlose Leistung empfangen hat. Auch der neu eintretende Arbeitnehmer nimmt nämlich an einer bestehenden betrieblichen Übung teil, so dass maßgeblich ist, ob der Arbeitgeber gegenüber der Belegschaft insgesamt eine dreimalige vorbehaltlose Zahlung erbracht hat (BAG AP Nr. 32 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Der Kläger hat zwar den Vortrag der Beklagten bestritten, sie habe zumindest seit dem Jahre 1997 einen Vorbehalt erklärt, nach welchem es sich bei der Gratifikation um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch handele. Da es sich bei der vorbehaltlosen Zahlung indessen um eine Anspruchsvoraussetzung handelt - erst durch die dreimalige vorbehaltlose Zahlung wird ein Rechtsanspruch auf künftige Zahlung begründet -, trifft den Kläger insoweit die Beweislast. Für die dreimalige vorbehaltlose Leistung hat der Kläger jedoch keinen Beweis angetreten. Auf die Frage, ob die jeweils unterschiedliche Höhe der Weihnachtsgeldzahlung dem Entstehen einer Betriebsübung entgegensteht, kommt es unter diesen Umständen nicht an. 3. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils steht dem Kläger die begehrte Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2003 aber nach den Regeln des Gleichbehandlungsgrundsatzes i.V.m. § 612 a BGB zu, wobei offen bleiben kann, ob § 612 a BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage anzusehen ist oder ob im Fall eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB sich ein Erfüllungsanspruch auf Gleichbehandlung nach den Regeln des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergibt (vgl. MünchKomBGB/Müller-Glöge, § 612 a BGB Rz. 22 m.w.N.). a) Unstreitig hat die Beklagte ihren Beschäftigten in der Vergangenheit auf freiwilliger Grundlage eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, mit welcher - wie sich aus der vorgesehenen Rückzahlungsklausel ergibt - die geleistete Betriebstreue honoriert und ein Anreiz für zukünftige Betriebstreue gegeben werden soll. Auch im Jahre 2003 hat die Beklagte - ohne erkennbare Änderung der Modalitäten im Übrigen - eine entsprechende Leistung erbracht, den begünstigten Personenkreis jedoch in Absprache mit dem Betriebsrat auf diejenigen Arbeitnehmer beschränkt, welche der Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich zugestimmt haben. Auch wenn ein entsprechender Betriebsaushang mit Freiwilligkeitsklausel und Rückzahlungsvorbehalt für das Jahr 2003 fehlt bzw. nicht zur Akte gelangt ist, muss doch aus der Hausmitteilung vom 11.12.2003 (Bl. 37 d.A.) entnommen werden, dass es sich bei der gewährten Leistung wie in der Vergangenheit um eine freiwillige Weihnachtsgratifikation handeln soll. Eine Änderung gegenüber den Verhältnissen des Vorjahres liegt allein darin, dass die Leistung nur noch den Arbeitnehmern zustehen soll, welche der Arbeitszeitveränderung zugestimmt haben. b) Soweit demgegenüber das Arbeitsgericht den Standpunkt einnimmt, die Beklagte habe - auf der Grundlage eines erweiterten Verständnisses der "Betriebstreue" - im Jahre 2003 den Zweck der Leistung neu und nunmehr dahingehend bestimmt, mit der gewährten Leistung solle neben der Belohnung der Betriebstreue im herkömmlichen Sinne auch der Einsatzwille für das Unternehmen honoriert werden, welcher sich in der Bereitschaft zur Vertragsänderung niederschlage, weswegen die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt und ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot auszuschließen sei, überzeugt dies nicht. Zwar ist richtig, dass der Arbeitgeber bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung bis zur Erteilung des konkreten Leistungsversprechens oder der tatsächlichen Auszahlung der Leistung darin frei ist zu bestimmen, ob und nach welchen Gesichtspunkten er aktuell eine Sonderzahlung erbringen will (BAG AP Nr. 193 zu § 611 BGB Gratifikation). Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber die Leistungsgewährung einem bestimmten Personenkreis vorbehält, andere Personen hingegen von der Leistung ausschließt, genügt jedoch nicht zu der Annahme, schon mit der vorgenommenen Differenzierung ändere sich der mit der Sonderzahlung verfolgte Leistungszweck. Eine Abgrenzung von zulässiger Ungleichbehandlung und unzulässiger Maßregelung ließe sich auf diese Weise nicht erreichen. Dementsprechend muss gedanklich zwischen dem mit der freiwilligen Leistung verfolgten Zweck, wie er sich aus den sachlichen Anspruchsvoraussetzungen ergibt, einerseits und dem begünstigten bzw. ausgeschlossenen Personenkreis andererseits unterschieden werden. Ist auf diese Weise der verfolgte Leistungszweck festgestellt, ist zu prüfen, ob die Ausgestaltung der persönlichen Anspruchsberechtigung sachlichen Maßstäben genügt oder ob etwa der Ausschluss bestimmter Personengruppen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Maßregelungsverbot verstößt. Wie bereits ausgeführt, muss auch für die Gewährung der Gratifikationsleistung für das Jahr 2003 davon ausgegangen werden, dass hiermit die Betriebstreue der Vergangenheit belohnt und ein Anreiz für künftige Betriebstreue gewährt werden soll. Die Überlegungen zum erweiterten Verständnis der "Betriebstreue" zur Kompensation von Verdiensteinbußen und zur unterschiedlichen "Profitabiliät" der Arbeitsverhältnisse sind damit allein als mögliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer des Betriebes zu würdigen. c) Indem die Beklagte die als Weihnachtsgratifikation ausgestaltete Leistung allein denjenigen Arbeitnehmern gewährt hat, welche sich mit einer Vertragsänderung einverstanden erklärt haben, hat sie im Ergebnis die vom Leistungsbezug ausgeschlossenen Arbeitnehmer im Sinne des § 612 a BGB benachteiligt. Der rechtliche Begriff der Benachteiligung ist - abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch - wertneutral und umschreibt nur einen Vergleich unterschiedlicher Lagen; Rechtsfolgen knüpfen erst daran, ob es sich um eine sachlich zulässige oder unzulässige Benachteiligung handelt (MünchKommBGB/Müller-Glöge a.a.O. Rz 15). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt weiter eine Benachteiligung im Sinne des § 612 a BGB nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, d.h. wenn sich seine Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, welche der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, wenn diese entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben (BAG, Urteil vom 23.02.2000 - 10 AZR 1/99 - BAGE 94, 11 ff. - AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Dies gilt auch im Bereich freiwilliger Leistungen (BAG, Urteil vom 28.07.1992 - 1 AZR 87/92 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 123; zur Erfolgsbeteiligung: BAG, Urteil vom 12.06.2002 - 10 AZR 340/01 - AP Nr. 8 zu § 612 a BGB). d) Der Ausschluss des Klägers von der Gratifikationsleistung war nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt, vielmehr muss von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen vorangehender Rechtsausübung und Ausschluss von der Gratifikationsleistung und damit von einer Maßregelung im Sinne des Gesetzes ausgegangen werden. (1) Der Kläger hat in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt, als er sich einer Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit widersetzte. Auch wenn die Mehrzahl der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer einer Arbeitszeitverlängerung zugestimmt hat, war er unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet, dies auch zu tun. (2) Durch die Herausnahme gerade derjenigen Arbeitnehmer aus dem Kreis der Begünstigten, welche in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt hatten, verstieß die Beklagte zum einen gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zugleich ergibt sich hieraus der Charakter der vorgenommenen Unterscheidung zwischen "änderungswilligen" und "unwilligen" Arbeitnehmern als Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB. Die Weigerung, der angetragenen Vertragsänderung zuzustimmen, war nicht etwa bloß äußerer Anlass für die vorgenommene Unterscheidung, vielmehr war sie gerade wesentliches Motiv für die vorgenommene Differenzierung, ohne dass es darauf ankommt, dass es der Beklagten nicht um eine "Bestrafung" ging. Wie bereits ausgeführt, liegt auch in einer sachlich nicht gerechtfertigten Vorenthaltung von Vorteilen eine Maßregelung im Sinne des Gesetzes. (3) Die festgestellte Ungleichbehandlung und Maßregelung derjenigen Arbeitnehmer, welche der angetragenen Vertragsänderung nicht zugestimmt haben, kann auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, diese diene der Kompensation erlittener Verdiensteinbußen. Abgesehen davon, dass allein durch die Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichem Arbeitsentgelt zwar der errechnete Stundenlohn sinkt, das ausgezahlte Gesamtarbeitsentgelt jedoch unverändert bleibt, so dass es zu kompensationsfähigen Verdiensteinbußen nur im Fall der Überstundenleistung kommt, ist ein sachlicher Zusammenhang mit der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation nicht ersichtlich. Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu "Kompensationszwecken" können nur solche Leistungen herangezogen werden, welche miteinander - gegebenenfalls im Rahmen eines Sachgruppenvergleichs - vergleichbar sind. Wie bereits ausgeführt, dient die Gewährung einer Weihnachtsgratifikation mit Rückzahlungsklausel der Belohnung vergangener und dem Anreiz künftiger Betriebstreue im herkömmlichen Sinne. Allein der Umstand, dass es sich um eine finanzielle Zuwendung handelt, führt nicht dazu, dass die Leistung allein deshalb als Kompensation für eine Verlängerung der Arbeitszeit (und einen Verlust von Überstundenvergütungsansprüchen) angesehen werden kann. Ebenso wenig kann als sachlicher Grund für die Besserstellung der zur Vertragsänderung bereiten Arbeitnehmer darauf abgestellt werden, diese hätten in besonderer Weise ihre Bereitschaft gezeigt, auf die Belange des Unternehmens Rücksicht zu nehmen. Dasjenige Verhalten, welches die Beklagte honorieren will, ist der Verzicht auf die Wahrnehmung vertraglicher Rechte. Umgekehrt bedeutet dies, dass dem Kläger ein Vorteil gerade deswegen vorenthalten wird, weil er seine vertraglichen Rechte ausgeübt hat. Eben dies wird durch die Vorschrift des § 612 a BGB für unzulässig erklärt. Auch soweit die Beklagte schließlich auf den Gesichtspunkt der unterschiedlichen "Profitabilität" der Arbeitsverhältnisse verweist, kann dies die vorliegende Ungleichbehandlung und Maßregelung nicht beseitigen. Der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19.06.2001 - 3 AZR 557/00 - AP Nr. 50 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung), welche die unterschiedliche Gewährung von Versorgungsleistungen unter Berücksichtigung bestehender Refinanzierungsmöglichkeiten nach dem Ersatzschulfinanzgesetzt betrifft, lässt sich keineswegs der allgemeine Grundsatz entnehmen, die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen sei stets unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Profitabilität des Arbeitsverhältnisses zulässig. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 12.06.2002 (10 AZR 340/01 - AP Nr. 8 zu § 612 a BGB), welche eine mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbare Gestaltung betrifft, die Berücksichtigung der Gesichtspunkte unterschiedlicher "Profitabilität" der betroffenen Arbeitsverhältnisse oder den Gedanken der "Kompensation" wegen verschlechterter Vertragsbedingungen nicht einmal erwogen. 4. Über die Berechnung der Forderung besteht unter den Parteien kein Streit. Zinsen stehen dem Kläger in gesetzlicher Höhe unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu. II Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist. III Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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