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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 244/02
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 613 a
BetrVG § 77
Rechtliches Schicksal einer Gesamtbetriebsvereinbarung bei Abspaltung eines Betriebsteils

1. Geht eine bislang als unselbständiger Betriebsteil anzusehende Einzelhandelsfiliale im Wege des Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber über, welcher die Filiale nunmehr als eigenständigen Betrieb führt, so gilt eine im Unternehmen des Betriebsveräußerers geltende Gesamt-Betriebsvereinbarung im neu gebildeten Erwerberbetrieb auch dann nicht kollektivrechtlich weiter, wenn hier zeitnah zum Betriebsübergang ein eigener Betriebsrat gewählt wird. Vielmehr wird der Inhalt der Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsvertrages.

2. Eine Kündigung der Gesamtbetriebsvereinbarung durch den Betriebsübernehmer gegenüber dem neu gewählten Betriebsrat der Filiale geht damit - unbeschadet der ursprünglich kollektivrechtlichen Regelungsgrundlage - ins Leere.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 8 Sa 244/02

Verkündet am: 23.05.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dudenbostel sowie die ehrenamtlichen Richter Rosenberger und Knoke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 21.08.2001 - 2 Ca 636/01 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage verlangt die im Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen der Beklagten beschäftigte Klägerin, welche seit dem 18.11.1990 durchgängig in der vormals von der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Deutschen S4-K7xx A2 - geführten Filiale H3xxxxx tätig ist und deren Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Übernahme der Filiale H3xxxxx zum 01.02.1998 gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen ist, die Zahlung einer Jubiläumszuwendung gemäß einer bei der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung. Die in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung begründeten Ansprüche sind nach Auffassung der Klägerin gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden. Demgegenüber vertritt die Beklagte den Standpunkt, die Gesamtbetriebsvereinbarung habe auch nach dem Betriebsübergang kollektivrechtlich in der Filiale H3xxxxx weiter gegolten und sei von der Beklagten wirksam durch Kündigung gegenüber dem nach Betriebsübergang dort gewählten Betriebsrat beseitigt worden.

Wie unstreitig ist, bestand bei der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH wie auch ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma D5xxxxxx S4-K7xx AG, ein System von Regionalbetriebsräten. Dementsprechend war in der Filiale H3xxxxx, wo die Klägerin seit dem 18.11.1990 tätig war, kein eigenständiger Betriebsrat gewählt. Die bestehenden Regionalbetriebsräte hatten ihrerseits einen Gesamtbetriebsrat gewählt.

Die zwischen Gesamtbetriebsrat und D6xxxxxxx S4-K7xx AG geschlossene freiwillige (Gesamt)-Betriebsvereinbarung vom 01.01.1995 (Bl. 4 d.A.) sieht in § 2 die Zahlung einer Jubiläumszuwendung von 600,00 DM brutto bei Erreichen einer zehnjährigen Betriebszugehörigkeit vor. Nachdem zunächst die D5xxxxxx S4-K7xx AG von der E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH übernommen worden war, übernahm die Beklagte mit Wirkung zum 01.02.1998 die Filiale H3xxxxx. Zeitnah zum Betriebsübergang wurde sodann in H3xxxxx ein eigener Betriebsrat gewählt. Mit Schreiben vom 18.05.1999 sprach die Beklagte sodann gegenüber dem in H3xxxxx gebildeten Betriebsrat eine Kündigung der genannten Betriebsvereinbarung zum 30.09.1999 aus.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Inhalt der Betriebsvereinbarung am 01.01.1995 sei gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses geworden. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung und Kündbarkeit der Betriebsvereinbarung gegenüber dem neu gewählten Betriebsrat scheide schon deswegen aus, da es an der erforderlichen Identität des übernommenen Betriebes fehle. Im Zeitpunkt des Betriebsübergangs habe es sich nämlich bei der Filiale H3xxxxx nicht um einen Betrieb, sondern um einen unselbständigen Betriebsteil gehandelt.

Nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 19.12.2000 hat die Klägerin im ersten Rechtszug beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 600,00 DM nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank gemäß § 1 Diskontüberleitungsgesetz vom 09.06.1998 seit dem 22.05.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 01.01.1995 habe ihre kollektivrechtliche Geltung für die Filiale H3xxxxx nicht verloren, da zeitnah zum Betriebsübergang in H3xxxxx ein eigener Betriebsrat gebildet worden sei. Als freiwillige Betriebsvereinbarung entfalte die gekündigte Regelung auch keine Nachwirkung.

Durch Urteil vom 21.08.2001, auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 01.01.1995 sei gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden. Eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarung scheitere an der fehlenden Identität des Betriebes. Mit der Wahl eines eigenen Betriebsrats für die Filiale H3xxxxx sei die vorangehende Struktur des Betriebes der E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH mit entsprechenden Regionalbetriebsräten aufgegeben worden. Die somit zum Inhalt des Arbeitsvertrages gewordene Regelung der Betriebsvereinbarung habe durch die gegenüber dem Betriebsrat der Filiale H3xxxxx ausgesprochene Kündigung nicht beseitigt werden können.

Gegen das ihr am 15.01.2002 zugestellte Urteil richtet sich die vom Arbeitsgericht zugelassene, am 14.02.2002 eingelegte und am 08.03.2002 begründete Berufung der Beklagten, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage der Klägerin kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I

Die Kammer folgt der zutreffend begründeten arbeitsgerichtlichen Entscheidung, nach welcher der Inhalt der bei der Betriebsveräußerin geltenden freiwilligen (Gesamt)-betriebsvereinbarung vom 01.01.1995 (im Folgenden nur noch: Betriebsvereinbarung) gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Gegenstand des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses geworden ist. Die von der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat H3xxxxx ausgesprochene Kündigung war dementsprechend nicht geeignet, den individualrechtlich begründeten Anspruch der Klägerin zu beseitigen. Auch eine "teleologische Reduktion" des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in dem Sinne, dass eine vormals kollektivrechtliche, zum Inhalt des Arbeitsvertrages gewordene Regelung weiterhin nach kollektivrechtlichen Grundsätzen beendet werden könne, scheidet aus.

1. Nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Neben dieser Rechtsnachfolge hinsichtlich individualvertraglich begründeter Ansprüche ist der Betriebsübernehmer auch Rechtsnachfolger des Betriebsveräußerers in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht, so dass bei unveränderter Fortführung des Betriebes die beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarungen mit dem - unverändert fortbestehenden - Betriebsrat weiterhin Bestand haben und auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse kollektivrechtlich einwirken. Die in § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehene Transformation kollektivrechtlich geregelter Ansprüche in arbeitsvertragliche Ansprüche stellt danach nur einen Auffangtatbestand für solche Fälle dar, in denen eine kollektivrechtliche Fortgeltung der genannten Normen ausscheidet, weil etwa der übernommene Betrieb infolge einer Eingliederung in die Betriebsstruktur des Übernehmers seine betriebliche Eigenständigkeit verliert (BAG, Beschluss vom 05.02.1991 - 1 ABR 32/90 - AP Nr. 89 zu § 613 a BGB; BAG, Beschluss vom 27.07.1994 - 7 ABR 37/93 - AP Nr. 118 zu § 613 a BGB).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass eine kollektivrechtliche Fortgeltung der Betriebsvereinbarung vom 01.01.1995 ausscheidet.

a) Hierfür ist zunächst maßgeblich, dass die Filiale H3xxxxx, solange sie in die Betriebsorganisation der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH eingegliedert war, keinen eigenen Betrieb darstellte, sondern lediglich unselbständiger Betriebsteil der in Regionalbetriebe gegliederten Betriebsstruktur war. Erst im Zusammenhang mit der Übernahme der Filiale H3xxxxx durch die Beklage ist dort ein eigenständiger Betrieb entstanden, so dass hier ein eigener Betriebsrat gewählt werden konnte.

b) Soweit die Beklagte demgegenüber den Einwand erhebt, in Wahrheit sei die Filiale H3xxxxx auch schon vor dem Betriebsübergang ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gewesen, lediglich aus Gründen der organisatorischen Vereinfachung seien - rechtsfehlerhaft - Regionalbetriebsräte gewählt worden, bedarf dies keiner weiteren Nachprüfung in tatsächlicher Hinsicht. Nachdem nämlich die Wahl von Regionalbetriebsräten bei der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH von keiner Seite angefochten worden ist, ist die so gebildete betriebliche Struktur in jeder Hinsicht verbindlich (BAG, Beschluss vom 07.12.1988 - 7 ABR 10/88 - AP Nr. 15 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.06.1995 - 1 ABR 62/94 - AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972). Dies gilt nicht nur - wie die Beklagte meint - zwischen den Betriebsparteien selbst oder gegenüber einem betriebsangehörigen Arbeitnehmer, welcher etwa im Zusammenhang mit einer Kündigung einen Mangel der Betriebsratsanhörung aus der fehlerhaften betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung eines Betriebsteils herleiten will. Nachdem die Möglichkeit der Anfechtung der Betriebsratswahl verstrichen ist, schließt vielmehr der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit eine abweichende Beurteilung der betrieblichen Organisationsverhältnisse in jedweder Hinsicht aus. Anderenfalls wäre nicht allein das aktuelle Handeln der gewählten betriebsverfassungsrechtlichen Organe, sondern auch die Verbindlichkeit der vom - angeblich fehlerhaft - gewählten Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen jederzeit in Zweifel zu ziehen, ohne dass die Regeln des Vertrauensschutzes die erforderliche Rechtssicherheit gewährleisten könnten. Ohnehin müsste sich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH die Versäumung der Wahlanfechtung zurechnen lassen. Dementsprechend kann die Beklagte nicht mit dem Einwand gehört werden, die Filiale H3xxxxx sei in Wahrheit schon immer ein Betrieb im Rechtssinne gewesen.

Erst durch das Ausscheiden der Filiale H3xxxxx aus dem "Regionalbetrieb" der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH konnte die Filiale ein eigener Betrieb im Rechtssinne werden, wobei es in der Hand der Beklagten lag, der Filiale H3xxxxx eine entsprechende betriebsorganisatorische Eigenständigkeit zu verschaffen bzw. die angeblich bereits vorhandene, rechtlich jedoch unbeachtliche betriebliche Eigenständigkeit im Zuge des Betriebsübergangs bestehen zu lassen und so mit rechtsbegründender Wirkung den Betrieb H3xxxxx zu konstituieren. Selbst bei Fehlen jedweder Änderung hinsichtlich der betrieblichen Organisation und Leitungsstruktur verbleibt es damit dabei, dass erst mit dem Betriebsübergang die Filiale H3xxxxx ein betriebsratsfähiger Betrieb im Rechtssinne wurde. Schon dieser Gesichtspunkt steht einer Aufrechterhaltung der betrieblichen Identität und damit einer kollektivrechtlichen Fortgeltung betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen entgegen.

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem bei der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH gebildeten Regionalbetriebsrat im Zusammenhang mit der Abspaltung des Betriebsteils "Filiale H3xxxxx" ein Übergangsmandat zustand, welches die Einleitung der Wahl eines eigenen Betriebsrats für den so entstandenen Betrieb H3xxxxx zum Gegenstand hatte (vgl. BAG, Beschluss vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb). Aus der hiermit verbundenen Befugnis oder Verpflichtung folgt allein, dass mit der Wahl eines eigenen Betriebsrats die Voraussetzungen für die Vereinbarung kollektivrechtlicher Regelungen geschaffen werden. Nicht hingegen bewirkt das Übergangsmandat als solches eine Fortgeltung kollektivrechtlicher Regelungen im abgespaltenen Betriebsteil. Soweit demgegenüber etwa Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt (21. Aufl., § 77 BetrVG Rz 174) den Standpunkt vertreten, im Falle des Betriebsübergangs führe die Fortführung des abgespaltenen Betriebsteils durch den Erwerber als eigenständiger Betrieb dazu, dass die beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarungen auch für den veräußerten Betriebsteil fortgelten; es sei widersprüchlich, ein Übergangsmandat des Betriebsrats anzuerkennen, hingegen die - kollektivrechtliche - Weitergeltung der von ihm abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen zu leugnen, überzeugt dies nicht.

Abgesehen davon, dass die geforderte Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen kraft Übergangmandats sich folgerichtig nur auf die zur Durchführung der Betriebsratswahl erforderlichen Zeitspanne beschränken dürfte, nicht hingegen eine dauerhafte Fortgeltung bis zur Ablösung durch eine andere, vom neu gewählten Betriebsrat selbst abgeschlossene Regelung begründen könnte, ergibt sich für den Fall des Betriebsübergangs gerade aus der in § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB getroffenen Regelung, dass für Fälle der vorliegenden Art (Verlust der Betriebsidentität infolge Abspaltung eines unselbständigen Betriebsteils) eine kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen nicht vorgesehen ist, vielmehr die genannte "Auffangregelung" eingreift (für den Vorrang der Regeln des § 613 a BGB vor den "zweifelhaften Bestimmungen über die Beendigung von Betriebsvereinbarungen bei Untergang des Betriebes" auch GK-Kreutz, 6. Aufl., § 77 BetrVG Rz. 330). Das Gesetz enthält in § 613 a BGB neben dem nicht ausdrücklich geregelten Fall der Betriebsveräußerung unter Wahrung der Betriebsidentität (mit der Folge kollektivrechtlicher Fortgeltung bestehender Regelungen) sowohl eine Regelung für den Fall, dass der Erwerber den übernommenen Betriebsteil in einen bestehenden Betrieb integriert, als auch für den Fall, dass der übernommene Betriebsteil nunmehr eigenständig geführt wird. In beiden Fällen tritt an die Stelle der früheren normativ geltenden Betriebsvereinbarung deren Transformation in eine arbeitsvertragliche Regelung; allein die Sperrwirkung gegenüber nachfolgenden Änderungen gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ist in Satz 3 für den Fall der Integration des übernommenen Betriebsteils in eine bestehende Betriebsorganisation ausgeschlossen. Mit dieser differenzierten gesetzlichen Regelung ist die Auffassung nicht vereinbar, schon aufgrund des bestehenden Übergangsmandats wirkten im Falle des Betriebsübergangs die im Veräußererbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen kollektivrechtlich nach (I.E ebenso Däubler/Kittner/Klebe, 8. Aufl., § 77 BetrVG Rz 51).

d) Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Jubiläumsgeldzahlung bei der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH nicht auf betrieblicher Ebene in Form einer Betriebsvereinbarung, sondern durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt war. Mit dem Ausscheiden der Filiale H3xxxxx aus dem Unternehmen entfiel damit ohnehin die Grundlage für die unveränderte kollektivrechtliche Fortgeltung. Selbst im Falle der Wahrung der Betriebsidentität - also bei Abspaltung und Übertragung einer bereits vor Übergang als Betrieb organisierten Einheit - führt das Ausscheiden des Betriebs aus dem Unternehmen in Form des Betriebsübergangs nicht etwa dazu, dass die Regeln der Gesamtbetriebsvereinbarung nunmehr im abgespaltenen Betrieb als Betriebsvereinbarung fortwirken. Für eine solche Verwandlung des Rechtscharakters besteht keine Grundlage (zutr. Gussen/Dauck, Die Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen bei Betriebsübergang und Umwandlung, 2. Aufl., Rz. 86, 183). Vielmehr kommt insoweit allein eine Transformation der Gesamtbetriebsvereinbarungs-Regelung gemäß § 613 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht.

3. Die somit zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gewordene Regelung der Gesamtbetriebsvereinbarung ist auch durch die gegenüber dem Betriebsrat erklärte Kündigung vom 18.05.1999 nicht beseitigt worden.

a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Beseitigung oder Änderung des individualrechtlich wirkenden Jubiläumsgeldanspruchs durch Kündigung nur auf individualrechtlicher Grundlage, also im Wege der Änderungskündigung gegenüber der Klägerin in Betracht kam. Die gegenüber dem Betriebsrat ausgesprochene Kündigung der (Gesamt)-Betriebsvereinbarung geht dementsprechend ins Leere (vgl. auch LAG Hamburg, Urteil vom 27.04.1999 - 3 Sa 29/97 - n.v. - S. 9).

b) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesarbeits-gerichts vom 14.08.2001 (1 AZR 619/00 - AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972) zur "teleologischen Reduktion" des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB unter Berücksichtigung der Tatsache herleiten, dass die individualrechtlich fortwirkende Gesamtbetriebsvereinbarung ursprünglich kollektivrechtliche Grundlagen besaß. In der genannten Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die auf die Arbeitsvertrags-ebene transformierten Regeln einer Betriebsvereinbarung seien - unter Durchbrechung des Günstigkeitsprinzips - durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung abänderbar. Die Auffangregelung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB solle allein den Verlust betriebsverfassungsrechtlicher Ansprüche verhindern, jedoch keine Besserstellung der Arbeitnehmer gegenüber einer kollektivrechtlichen Fortgeltung der früheren Betriebsvereinbarung bewirken. Dementsprechend sei mit Hilfe einer "teleologischen Reduktion" des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB dem Ablösungsprinzip Vorrang vor dem Günstigkeitsprinzip einzuräumen (zur Ablösung transformierter tariflicher Regelungen infolge Tarifgeltung kraft nachträglicher beiderseitiger Tarifgebundenheit wegen Vorrangs des Prinzips der "Tarifeinheit" und mangelnder Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers siehe bereits BAG vom 19.03.1986 - 4 AZR 640/84 - AP Nr. 49 zu § 613 a BGB).

Nicht anders als die Rechtsanalogie setzt auch die Figur der teleologischen Reduktion das Vorhandensein einer Regelungslücke, d.h. eine "planwidrige Unvollständigkeit" der gesetzlichen Regelung, voraus. Allein die Tatsache, dass eine andere - weniger systemfremde - Regelung den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen ebenso gut oder besser gerecht würde, reicht für eine Korrektur der gesetzlichen Regelung durch die Gerichte nicht aus.

Ob tatsächlich die unterschiedliche Abänderbarkeit kollektivrechtlich wirkender und (transformierter) individualrechtlich wirkender Ansprüche eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes begründet, erscheint nicht unzweifelhaft. Dem Gesetz-geber kann kaum unterstellt werden, die unterschiedlichen Wirkungsmechanismen kollektiv- und individualrechtlich begründeter Ansprüche übersehen zu haben. Die historische Kontroverse zur TarifVO (vgl. die Darstellung von Wank in Wiedemann, 6. Aufl., § 4 TVG Rz 302, 321) um die Frage, inwiefern Tarifverträge in den Arbeitsvertrag "inkorporiert" werden und nach Beendigung des Tarifvertrages als arbeitsvertragliche Regeln mit der Möglichkeit der Abänderbarkeit weitergelten oder auf das Arbeitsverhältnis beherrschend einwirken, darf als dem Gesetzgeber bekannt vorausgesetzt werden. Für das gegenwärtige Tarifrecht hat sich der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 TVG für eine normative Fortgeltung beendeter Tarifverträge unter gleichzeitigem Verzicht auf deren zwingende Wirkung entschieden. Wenn demgegenüber die Vorschrift des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB im Falle des Betriebsübergangs die Konstruktion einer Transformation kollektivrechtlicher Regelungen in Arbeitsvertragsregeln vorsieht, so bedürfte es jedenfalls einer näheren Begründung, inwiefern in der - für die dogmatische Beurteilung einzig relevanten - Frage nach der Abänderbarkeit der transformierten Regelung eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Unvollständigkeit des Gesetzes angenommen werden kann. Das gilt um so mehr, als der Text der EWG-Richtlinie 77/187, welche zur Einfügung der hier maßgeblichen Regelung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Anlass gab, in Art. 3 Abs. 2 nicht etwa eine entsprechende Transformationslösung vorgab (welche womöglich "unbedacht" in das nationale Recht übernommen worden sein könnte), sondern eine "Aufrechterhaltung" der bestehenden kollektivrechtlichen Ansprüche durch den Betriebserwerber forderte. Für die Umsetzung der Richtlinie standen damit verschiedene dogmatische Modelle zur Verfügung. Dann erscheint aber die Annahme wenig plausibel, trotz bewusster Entscheidung für eine individualrechtlich wirkende Umformung kollektivrechtlich begründeter Ansprüche seien die sich hieraus ergebenden Folgen - insbesondere hinsichtlich der rechtlich maßgeblichen Modalitäten einer beabsichtigten (in § 613 a Abs. 1 Satz 4 BGB ausdrücklich angesprochenen) späteren Änderung - übersehen worden.

Soweit demgegenüber das Bundesarbeitsgericht darauf verweist, die Vorschrift des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB solle allein als "Auffangtatbestand" dienen, ist dies zwar insoweit richtig, als damit die kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen nicht ausgeschlossen sein soll (siehe oben unter Ziffer 1 der Gründe). Aus dem Auffangcharakter der Vorschrift folgt hingegen nicht, dass sich die zur Erhaltung kollektivvertraglich begründeter Rechte gewählte Transformation in individualvertragliche Ansprüche ihrem Sinn und Zweck nach allein darauf beschränkt, den Arbeitnehmer so zu stellen, als ob eine kollektivrechtliche Fortgeltung bestünde. Eine solche gesetzliche "Gleichstellungsregelung" oder Parallele zur Nachwirkung von Tarifnormen gem. § 4 Abs. 5 TVG wäre zwar denkbar und womöglich sachgerechter als die vom Gesetzgeber gewählte Transformationslösung. Zwingend ist ein solches Verständnis jedoch nicht. Nicht minder plausibel lässt sich in der Regelung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB auch eine Form vertraglicher Besitzstandswahrung sehen, welche an die Stelle der vormaligen normativen und zwingenden Wirkung immerhin einen Änderungsschutz nach den Regeln des Vertragsrechts treten lässt, der sich nach allgemeinen Regeln auch gegenüber den vormals möglichen kollektivrechtlichen Verschlechterungen durchsetzt. Der Verlust kollektivrechtlicher Änderungsmöglichkeiten entspricht dem betriebsübergangs-bedingten Fortfall der kollektivrechtlichen Schutz- und Gestaltungsfaktoren. Die spätere Wahl eines eigenen Betriebsrats im abgespaltenen Betriebsteil vermag hieran nichts zu ändern.

Von diesem Standpunkt aus bestehen gegen eine Rechtsfolgenanpassung bei der nachträglichen Ablösung transformierter individualrechtlicher Ansprüche durch Maßnahmen kollektiven Rechts ernsthafte Bedenken. Erst recht scheidet aber eine Übertragung der zitierten BAG-Rechtsprechung auf die nachträgliche Abänderung transformierter Betriebsvereinbarungen durch arbeitgeberseitige Kündigung gegenüber dem Betriebsrat aus. Lässt man die besonderen Aspekte der Gesamtbetriebsvereinbarung außer Acht, ist zwar richtig, dass die Beklagte bei kollektivrechtlicher Fortgeltung der Regelung diese gegenüber dem Betriebsrat hätte beseitigen können. Hieraus folgt aber nicht, dass dieses Gestaltungsmittel unverändert auch gegenüber einer individualrechtlich fortgeltenden Regelung durchgreift und die systemgerechten Regeln der Änderungskündigung verdrängt (zutr. LAG Hamburg, a.a.O.). Ob der kollektivrechtliche Ursprung der Regelung es rechtfertigt, an die Abänderbarkeit der transformierten Regelung durch Änderungskündigung einen von § 2 KSchG abweichenden Maßstab anzulegen oder gar - so Bauer/v. Steinau-Steinrück (NZA 2000, 508) - eine Teilkündigung erlaubt, ist hierfür ohne Belang. Unabhängig von der Frage der Kündigungsfreiheit bzw. des maßgeblichen Prüfungsmaßstabes ist aber jedenfalls festzuhalten, dass als Instrument zur Beseitigung der auf die arbeitsvertragliche Ebene transformierten Ansprüche allein eine gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklärende Gestaltungserklärung (richtigerweise durch Änderungskündigung) in Betracht kommt. Durch eine Erklärung gegenüber dem Betriebsrat der Filiale H3xxxxx, der die hier maßgebliche Vereinbarung gar nicht abgeschlossen hat und der auch nicht Rechtsnachfolger des - von der Abspaltung des Betriebsteils H3xxxxx in seiner Existenz nicht berührten - Gesamtbetriebsrats der Firma E1xxx V3xxxxxxxxxxxxxxx GmbH geworden ist, konnte jedenfalls die Rechtsgrundlage für den verfolgten Jubiläumsgeldanspruch nicht beseitigt werden.

II

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Beklagte zu tragen.

III

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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