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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 13.09.2004
Aktenzeichen: 8 Sa 391/04
Rechtsgebiete: BAT, SGB IX, BGB


Vorschriften:

BAT § 59
BAT § 59 Abs. 1
BAT § 59 Abs. 1 Satz 1
SGB IX § 81 Abs. 4 Ziff. 1
SGB IX § 81 Abs. 5
SGB IX § 81 Abs. 5 Satz 3
SGB IX § 92
BGB § 620
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 13.01.2004 - 3 Ca 2514/03 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand: Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1944 geborene, schwerbehinderte Kläger, welcher seit dem Jahre 1979 als angestellter Lehrer in den Diensten des beklagten L4xxxx steht und zuletzt mit den Fächern Mathematik und Physik im P2xxxxxxxx-Gymnasium H4xxx mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden tätig war, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 59 Abs. 1 BAT. Mit Rentenbescheid vom 14.01.2003, zugestellt im Januar 2003, ist dem Kläger eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden. Nachdem der Kläger im vorangehenden Verfahren ArbG Herne 3 Ca 3225/02 = LAG Hamm 5 Sa 1564/03 erfolglos seine Weiterbeschäftigung als Lehrer für die Fächer Mathematik und Physik am P2xxxxxxxx-Gymnasium verlangt hat, macht er im vorliegenden Verfahren geltend, entgegen der tariflichen Regelung des § 59 Abs. 1 BAT bestehe das Arbeitsverhältnis fort. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er könne sowohl Unterrichtstätigkeiten in den Fächern Mathematik und Physik in der Unterstufe, ferner Unterricht in Form von Stützkursen im Fach Mathematik für die Klassen 5 bis 12 erteilen als auch außerhalb des P2xxxxxxxx-Gymnasiums im Rahmen der Lehrerfortbildung tätig werden und in diesem Rahmen Vorträge halten, Lehraufsätze verfassen und Diskussionsveranstaltungen leiten. Durch Urteil vom 13.01.2004 (Bl. 35 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit dem 31.01.2003 geendet hat, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht, abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, unstreitig seien die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT erfüllt, da dem Kläger unbefristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt worden sei. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichend von der tariflichen Regelung des § 59 BAT eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht eintrete, sofern der Arbeitnehmer bei Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente noch auf seinem bisherigen oder einem anderen freien Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden könne, so sei dies auf den vorliegenden Fall der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht übertragbar. Entgegen dem Standpunkt des Klägers habe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht der Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 92 SGB IX bedurft, da dem Kläger keine Zeit-, sondern eine Dauerrente zuerkannt worden sei. Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages weiter und führt aus, trotz Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung sei der Kläger weiter in der Lage, in der dargestellten Weise eine seinem eingeschränkten Leistungsvermögen entsprechende Tätigkeit auszuüben. Dementsprechend müsse auch im vorliegenden Fall die Vorschrift des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT im Rahmen einer teleologischen Reduktion eingeschränkt ausgelegt werden. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 13.01.2004 - 3 Ca 2514/03 - abzuändern und nach dem Schlussantrag des Klägers erster Instanz zu erkennen. Das beklagte L3xx beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das beklagte L3xx verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens als zutreffend und führt aus, die vom Bundesarbeitsgericht angenommene einschränkende Auslegung des § 59 Abs. 1 BAT gelte allein für den Fall, dass der Arbeitnehmer auf seinem bisherigen oder einem anderen ihm zumutbaren freien Arbeitsplatz beschäftigt werden könne. Wegen der Zubilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe beim Kläger indessen weder ein entsprechendes Restleistungsvermögen, wobei mit Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens LAG Hamm 5 Sa 1564/03 die vom Kläger genannten Unterrichtstätigkeiten ohnehin nicht mehr zu berücksichtigen seien; im Übrigen sei ein freier Arbeitsplatz für Tätigkeiten, wie der Kläger sie als geeignet benenne, ohnehin nicht vorhanden. Im Gegenteil werde sich aufgrund der Ausbringung von kw-Vermerken die bestehende Stellenplatzsituation noch weiter verschlechtern. Auch aus Gründen des Schwerbehindertenrechts ergebe sich für den Kläger keine weitere Einschränkung der tariflichen Regelung des § 59 Abs. 1 BAT. Soweit das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 14.10.2003 - 9 AZR 100/03 - einen Vorrang des schwerbehindertenrechtlichen Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung gem. § 81 Abs. 5 SGB IX vor der tariflichen Regelung des § 59 BAT angenommen habe, sei dies auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Insbesondere könne auch aus Gründen des Schwerbehindertenrechts der Kläger nicht die Schaffung eines Arbeitsplatzes mit den von ihm genannten Tätigkeiten verlangen. Auf der Grundlage des § 59 Abs. 1 BAT sei damit das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats Januar 2003 beendet. Entscheidungsgründe: Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. I Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 59 Abs. 1 BAT mit Ablauf des 31.01.2003 beendet worden ist. 1. Unstreitig liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT vor. Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 25.05.2004 - 5 Sa 1564/03 - Bezug genommen. 2. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der vorstehend zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestehen auch gegen die Wirksamkeit der genannten Tarifvorschrift keine Bedenken. 3. Entgegen dem Standpunkt des Klägers führt die teleologische Reduktion des § 59 Abs. 1 BAT, wie sie vom Bundesarbeitsgericht u.a. in der Entscheidung vom 31.07.2002 - 7 AZR 118/01 - AP Nr. 19 zu § 620 BGB Altersgrenze und den dort zitierten vorangehenden Entscheidungen näher begründet worden ist, für die hier vorliegende Fallgestaltung nicht zu dem vom Kläger angestrebten Ergebnis. Nach der genannten Rechtsprechung endet das Arbeitsverhältnis abweichend von der Regelung des § 59 Abs. 1 BAT nicht, wenn der Angestellte nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen noch in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen oder auf einem anderen freien Arbeitsplatz beschäftigt werden kann; weiter wird gefordert, dass der Arbeitnehmer noch vor Zustellung des Rentenbescheids vom Arbeitgeber eine entsprechende Weiterbeschäftigung verlangt hat (BAG vom 31.07.2002, a.a.O.; BAG, Urteil vom 14.10.2003 - 9 AZR 100/03 - AP Nr. 3 zu § 81 SGB IX). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. a) Soweit es die Frage der Beschäftigungsmöglichkeit mit Unterrichtstätigkeit am P3xxx-l5xxx-Gymnasium betrifft, steht aufgrund der Entscheidung des Berufungsgerichts im Verfahren 5 Sa 1564/03 rechtskräftig fest, dass dem Kläger ein diesbezüglicher Beschäftigungsanspruch nicht zusteht. Dies gilt nach Tenor und Gründen der Entscheidung auch für eine Teilzeitbeschäftigung. Steht aber rechtskräftig fest, dass dem Kläger ein entsprechender Beschäftigungsanspruch nicht zusteht, so kann auch nicht mit der gegenteiligen Behauptung, es bestehe gleichwohl ein diesbezügliches Restleistungsvermögen, eine Abweichung von der Regelung des § 59 Abs. 1 BAT begründet werden. b) Entsprechendes gilt auch für die vom Kläger genannten Stützkurse. Da es sich auch insoweit um Unterrichtstätigkeiten handelt, ist auch diese Form der Beschäftigung von der rechtskräftigen Klageabweisung im Verfahren 5 Sa 1564/03 umfasst. c) Soweit es die vom Kläger genannte Tätigkeit im Zusammenhang mit der Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen betrifft, kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass er hierzu - ggfls. in zeitlich beschränktem Rahmen - gesundheitlich in der Lage wäre. Es fehlt indessen an einer entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz. Allein die Tatsache, dass die Durchführung zusätzlicher Fortbildungsveranstaltungen sinnvoll und der Kläger hierfür gesundheitlich geeignet wäre, vermag nichts daran zu ändern, dass unstreitig ein freier Arbeitsplatz insoweit nicht vorhanden ist. Die Schaffung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes kann vom Arbeitgeber zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 59 Abs. 1 BAT nicht verlangt werden. Vielmehr verbleibt es für diesen Fall bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung gem. § 59 Abs. 1 BAT. 4. Auch aus Gründen des Schwerbehindertenrechts folgt unter den vorliegenden Umständen keine weitere Einschränkung der tariflichen Regelung. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 14.10.2003 - 9 AZR 100/03 - AP Nr. 3 zu § 81 SGB IX) geht der auf das Vorliegen einer Schwerbehinderung gestützte Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung einer tariflichen Regelung vor, welche für den Fall der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente das Ruhen oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anordnet. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer trotz Zubilligung voller Erwerbsminderung seine bisherige Tätigkeit - bzw. eine leidensgerechte Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, vgl. BAG vom 31.07.2002, a.a.O. - im Rahmen einer behinderungsbedingten Kürzung der Arbeitszeit verrichten, so geht das Recht des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf behinderungsgerechte Beschäftigung mit verkürzter Arbeitszeit gem. § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX der tariflichen Ruhens- oder Beendigungsregelung vor. b) Auch wenn man diese Grundsätze nicht auf die behinderungsbedingte Verkürzung der Arbeitszeit gem. § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX (am bisherigen Arbeitsplatz mit der vertraglich vereinbarten Beschäftigung) beschränkt, sondern umfassend auf die Verpflichtung zur behindertengerechten Beschäftigung im Sinne des § 81 Abs. 4 Ziff. 1 SGB IX (ggfls. auch zu geänderten Arbeitsbedingungen) überträgt mit der Folge, dass gegenüber einem schwerbehinderten und in vollem Umfang erwerbsgeminderten Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 59 Abs. 1 BAT nur zum Tragen kommt, wenn eine der Schwerbehinderung angepasste Beschäftigung überhaupt nicht - also auch nicht im Umfang von bis zu drei Stunden täglich - erbracht werden kann, verhilft dies dem Klagebegehren nicht zum Erfolg. Dabei kann zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass die von ihm angestrebte Beschäftigung im Rahmen der Lehrerfortbildung als solche als behindertengerecht anzusehen ist und dass ferner die Zuweisung einer derartigen Tätigkeit - in Form der Teilzeitarbeit - als behinderungsbedingte Änderung der Beschäftigung gem. § 81 Abs. 4 Ziff. 1 i.V.m. § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX verlangt werden könnte. Auch gegenüber dem Anspruch des Schwerbehinderten auf behinderungsgerechte Beschäftigung und Anpassung seiner Arbeitsbedingungen greift jedoch die bereits vorstehend genannte Einschränkung durch, dass eine solche nur bei Vorhandensein eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes verlangt werden kann. Die Einrichtung eines zusätzlichen Arbeitsplatzes - trotz Fehlens einer Planstelle - kann demgegenüber vom Arbeitgeber auch aus Gründen des Schwerbehindertenrechts grundsätzlich nicht verlangt werden. Das "Freikündigen" eines Arbeitsplatzes kommt nur in Betracht, sofern die Entlassung des anderen Arbeitnehmers für diesen keine Härte darstellen würde (BAG AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG 1986). Derartige Voraussetzungen trägt der Kläger selbst nicht vor. Schon wegen Fehlens eines freien Arbeitsplatzes kann danach auch die Tatsache der Schwerbehinderung des Klägers keine Ausnahme von der tariflichen Regelung des § 59 Abs. 1 BAT begründen. Darüber hinaus fordert die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Fällen der vorliegenden Art, dass der Arbeitnehmer, der trotz Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente auf einer leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeit am bisherigen oder auf einem anderen freien Arbeitsplatz besteht, dass ein entsprechendes Beschäftigungsverlangen noch vor Zustellung des Rentenbescheides gestellt wird (BAG Urteil vom 31.07.2002, a.a.O.; Urteil vom 14.10.2003, a.a.O.). Hinsichtlich der hier allein noch zu prüfenden Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der eigentlichen Unterrichtstätigkeit fehlt es aber an einem solchen eindeutigen Verlangen. Auch wenn der Kläger - wie er in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - im Rahmen der Begutachtung seiner gesundheitlichen Einsatzfähigkeit etwa mit dem Amtsarzt oder mit Fachpsychologen die Frage von Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Unterrichtstätigkeit erörtert hat, ist doch nicht erkennbar, inwiefern der Kläger ein entsprechendes "Verlangen" an das beklagte L3xx als Arbeitgeber gerichtet hat, konkret mit derartigen - seiner Auffassung nach behinderungsgerechten - Tätigkeiten beschäftigt zu werden. Einer weiteren Aufklärung in dieser Hinsicht bedarf es aber letztlich nicht, da selbst bei einem ausdrücklichen "Verlangen" das Begehren des Klägers jedenfalls am Fehlen eines freien Arbeitsplatzes gescheitert wäre. 5. Nach alledem endet das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 BAT mit Ablauf des Monats, in welchem dem Kläger der Rentenbescheid zugestellt worden ist. Dies ist unstreitig der Zeitpunkt Januar 2003. II Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen. III Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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