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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 68/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG
Vorschriften:
BGB § 626 | |
KSchG § 1 |
2. Hält die beim Brötchenverzehr angetroffene Arbeitnehmerin im Personalgespräch hartnäckig und uneinsichtig an ihrer Auffassung der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens mit den Worten fest, "Ich esse, wann ich will", so ist gleichwohl vor Ausspruch einer fristlosen oder fristgerechten Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine aktuelle Fortsetzung oder Wiederholung der Pflichtverletzung während der Arbeitsschicht ausscheidet, weil die Arbeitnehmerin das angegessene Brötchen in der Erregung in den Abfall geworfen hat.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 10.11.2005 - 2 Ca 2166/05 - abgeändert.
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2005 weder fristlos noch mit Ablauf des 31.07.2005 beendet worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Altenpflegerin weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin, welche seit dem 01.06.2004 als Altenpflegerin in dem von der Beklagten betriebenen Seniorenstift gegen eine monatliche Bruttovergütung von 2.387,00 € beschäftigt ist, gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose und vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 28.06.2005 und macht ferner einen Anspruch auf arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung geltend.
Die angegriffene Kündigung stützt die Beklagte im Wesentlichen auf den Vorwurf, die Klägerin habe, nachdem sie am 27.06.2005 gegen 8.15 Uhr von der Stiftsdirektorin auf dem Flur beim Verzehr eines Brötchens angetroffen und auf die Unzulässigkeit dieses Verhaltens angesprochen worden sei, sowohl bei dieser Gelegenheit als auch im sich unmittelbar anschließenden Gespräch im Büro der Stiftsdirektorin und schließlich noch einmal bei einem weiteren Gespräch gegen 11.30 Uhr unter weiterer Teilnahme von Pflegedienstleitung und Wohnbereichsleitung beharrlich und uneinsichtig ihr Verhalten mit den Worten verteidigt, "ich esse wann und wo ich will". Mit diesem Verhalten habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, sie sei nicht gewillt, Weisungen der Vorgesetzten zu befolgen und die im Betrieb maßgeblichen Hygienevorschriften zu beachten. Nachdem es bereits in der Vergangenheit wiederholt zu Problemen mit der Klägerin - auch wegen eigenmächtiger Abweichungen von Dienstanweisungen - gekommen sei und die Klägerin noch unter dem 13.05.2005 abgemahnt worden sei, belege das jetzige Verhalten der Klägerin definitiv die Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses. Demgegenüber hat die Klägerin die Berechtigung früherer Beanstandungen in Abrede gestellt, sich für ihr den Verzehr des Brötchens am 27.06.2005 auf gesundheitliche Probleme berufen und bestritten, gegen angeblich bestehende Hygienevorschriften verstoßen zu haben. Von einer Weigerung gegenüber der Stiftsdirektorin, arbeitsvertragliche Regeln und Weisungen zu beachten, könne keine Rede sein, In Wahrheit liege der Grund für die ausgesprochene Kündigung darin, dass sich die Klägerin an den Vorbereitungen zur Gründung eines Betriebsrats beteiligt habe, wovon die Beklagten offenbar unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis erhalten habe.
Durch Urteil vom 10.11.2005 (Bl. 116 f. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach uneidlicher Vernehmung der Zeuginnen B1xxxxxxxx-S6xxxxx, B2xxxxxxxxxx und M3xxxx die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist müsse unter den vorliegenden Umständen als unzumutbar angesehen werden. Hierbei sei nicht darauf abzustellen, dass die Klägerin während der Arbeitszeit und im Flur auf dem Weg zu einem Pflegegang ein Brötchen gegessen habe, entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin in den weiteren Gesprächen mit der Formulierung, sie könne essen, wann sie wolle, sich vollkommen uneinsichtig gezeigt und so die berechtigte Befürchtung hervorgerufen habe, sie - die Klägerin - werde sich auch in Zukunft an Dienstanweisungen nicht halten. Eine derartige völlige Uneinsichtigkeit sei durchaus geeignet, einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Unter den vorliegenden Umständen sei auch eine Abmahnung als milderes Mittel nicht in Betracht gekommen. Erkennbar sei die Klägerin nicht gewillt gewesen, ihr vertragswidriges Verhalten zu ändern. Auch nach dem Hinweis auf Dienst- und Hygienevorschriften habe die Klägerin auf ihrem Standpunkt beharrt, weswegen die Beklagte zu Recht habe davon ausgehen können, dass auch eine Abmahnung zu keinem geänderten Verhalten führen werde. Unter Berücksichtigung der vergleichsweise kurzen Betriebszugehörigkeit der Klägerin könne unter diesen Umständen der Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht beanstandet werden. Schließlich könne die Kündigung auch nicht als unzulässige Maßregelung im Sinne des § 612 a BGB angesehen werden. Dabei könne offen bleiben, ob den kündigungsberechtigten Personen im Zeitpunkt der Kündigung überhaupt die Tatsache bekannt gewesen sei, dass die Klägerin die Gründung eines Betriebsrats initiiert habe. Da das Verhalten der Klägerin nämlich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung genüge, könne selbst bei Kenntnis der Beklagten von der Betriebsrats-Initiative der Klägerin die Berechtigung der Kündigung nicht in Zweifel gezogen werden.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Würdigung des arbeitsgerichtlichen Urteils, die Klägerin sei ersichtlich nicht bereit, berechtigten arbeitgeberseitigen Weisungen Folge zu leisten. Abgesehen davon, dass die Klägerin im vorliegenden Fall wegen aufgetretener Kreislaufbeschwerden auf den Verzehr des Brötchens gesundheitlich angewiesen sei, sei nicht ersichtlich, inwiefern hierdurch gegen irgendwelche Hygieneregeln verstoßen worden sei. Mit ihrer Äußerung, sie könne essen wann sie wolle, sei dementsprechend allein zum Ausdruck gebacht worden, dass es eine derartige Verbotsregelung gar nicht gebe. Eine beharrliche Weigerung, arbeitgeberseitige Weisungen nicht zu beachten, scheitere unter diesen Umständen schon am Fehlen einer konkreten Anweisung. Soweit die Beklagte im Übrigen anhand verschiedener Vorgänge der Vergangenheit zu belegen suche, die Klägerin neige zu eigenmächtigem Handeln, treffe dies weder in der Sache zu, noch könne die in diesem Zusammenhang erwähnte Abmahnung vom 13.05.2005 - betreffend den Vorwurf eigenmächtiger Abweichung von der dienstplanmäßigen Aufgabenverteilung - als hier einschlägig angesehen werden. Von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses könne unter diesen Umständen keine Rede sein, vielmehr müsse - abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils - von einer Maßregelung wegen der beabsichtigten Betriebsratsgründung ausgegangen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Herne - 2 Ca 2166/05 - vom 10.11.2005 abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 28.06.2005, zugegangen am 28.06.2005, nicht aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung vom 28.06.2005 zum 31.07.2005 beendet worden ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zur rechtskräftige Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Altenpflegerin gemäß dem Arbeitsvertrag vom 27.05.2004 und dem Nachtrag vom 27.12.2004 weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens als zutreffend. Schon die Tatsache, dass die Klägerin nach wie vor auch mit ihrem Berufungsvorbringen an ihrer Auffassung festhalte, dem beanstandeten Brötchenverzehr auf dem Flur stünden weder Regeln der Hygiene noch erteilte Dienstanweisungen entgegen, belege eindeutig die Uneinsichtigkeit der Klägerin. Abgesehen davon, dass sich ein entsprechendes Verbot ohne Weiteres aus den schriftlichen Dienstanweisungen ergebe und im Übrigen den Mitarbeitern ein solches Verhalten auch ausdrücklich verboten worden sei, habe jedenfalls aufgrund der konkret erteilten Weisung der Stiftsleiterin vom 27.06.2005 für die Klägerin kein Zweifel bestehen können, dass ein derartiges Verhalten nicht als vertragsgerecht angesehen werde. Mit ihrer Äußerung, "ich kann essen wann ich will", habe die Klägerin sich dementsprechend ausdrücklich gegen die erteilte Anordnung aufgelehnt und bis zuletzt auf ihrem Standpunkt beharrt. Auch im zweiten Personalgespräch in Anwesenheit der Pflegedienstleitung habe sich die Klägerin nicht besonnen, sondern durch ihr schroffes Verhalten gezeigt, dass sie zu einer Änderung ihres Verhaltens nicht bereit sei. Unter diesen Umständen sei auch die Erteilung einer Abmahnung nicht erfolgversprechend gewesen. Ergänzend sei insoweit die Tatsache zu berücksichtigen, dass es sich nicht einen einmaligen Fall der Uneinsichtigkeit handele, vielmehr belege der abgemahnte Vorfall vom 13.05.2005, dass die Klägerin sich vorbehalte, nach eigenem Gutdünken entgegen den Weisungen der Vorgesetzten zu handeln. Nachdem sich die Klägerin in der Vergangenheit immer wieder gegenüber Weisungen ihrer Vorgesetzten resistent gezeigt habe, könne die Beklagte die Klägerin nicht mehr ruhigen Gewissens mit der Aufgabe einer Pflegekraft betrauen, vielmehr habe das Verhalten der Klägerin zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust geführt, so dass auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist ein weiterer Einsatz der Klägerin nicht mehr zu verantworten gewesen sei.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur antragsgemäßen Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung vom 28.06.2005 weder fristlos noch fristgerecht beendet worden ist. Weiter ist die Beklagte zur vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung verpflichtet.
I
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die angegriffene fristlose Kündigung vom 28.06.2005 nicht beendet worden.
1. Das Arbeitsgericht hat einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB in der Tatsache gesehen, dass die Klägerin, obgleich ihr nachdrücklich die Unzulässigkeit des Brötchenverzehrs verdeutlicht worden war, beharrlich an ihrer Auffassung festgehalten hat, sie sei zu einem derartigen Verhalten berechtigt und könne essen, wann und wo sie wolle. Nicht der (einmalige) Verzehr des Brötchens auf dem Flur, wohl aber das nachfolgende uneinsichtige Beharren auf der eingenommenen Rechtsposition und die hieraus abzuleitende Befürchtung, die Klägerin werde das beanstandete Verhalten jederzeit wiederholen, mache die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar, ohne dass es einer vorangehenden förmlichen Abmahnung bedürfe.
2. Dieser Würdigung vermag die Kammer nur insoweit zu folgen, als es die Beurteilung des Verhaltens der Klägerin im Sinne eines erheblichen Vertragsverstoßes betrifft. Demgegenüber teilt die Kammer nicht den Standpunkt des Arbeitsgerichts, unter den vorliegenden Umständen habe die Beklagte aufgrund der in der Beweisaufnahme bestätigten Äußerungen der Klägerin mit einer jederzeitigen (aktuellen) Fortsetzung oder Wiederholung der Pflichtverletzung rechnen müssen, wobei die gezeigte Uneinsichtigkeit auch die Erteilung einer Abmahnung als aussichtslos habe erscheinen lassen.
a) Soweit das Arbeitsgericht ausführt, nicht der Verzehr des Brötchens, wohl aber die in der Beweisaufnahme bestätigte "Uneinsichtigkeit" der Klägerin - also die fehlende Einsicht, sich falsch verhalten zu haben - stelle ein Verhalten dar, welches geeignet sei, einen "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 BGB abzugeben, erscheint diese Formulierung zumindest als missverständlich. Ersichtlich soll der Klägerin nicht etwa die Einsichtsfähigkeit abgesprochen und ein "wichtiger Grund" im Sinne eines Eignungsmangels begründet werden, vielmehr geht es dem Zusammenhang nach um den Vorwurf eines erheblichen Verhaltensmangels. Nicht die Tatsache, dass die Klägerin beharrlich an einem unrichtigen Rechtsstandpunkt festgehalten hat, sondern der Umstand, dass - eben aus diesem Grunde - möglicherweise ein (erneutes) pflichtwidriges Verhalten zu befürchten steht, kennzeichnet damit den maßgeblichen Kündigungsvorwurf. In dieser Unterscheidung von liegt auch nicht etwa eine bloß terminologische Klarstellung, welche unter dem Gesichtspunkt der Systematisierung der Kündigungsgründe allein von theoretischem Interesse ist. Vielmehr zeigt sich der dargestellte Unterschied schon darin, dass der Tatbestand der "Uneinsichtigkeit" bereits mit der wiederholten Äußerung vollendet (und damit einer Abmahnung gar nicht mehr zugänglich) ist, hingegen die befürchtete Wiederholung des pflichtwidrigen Handelns erst noch bevorsteht. Dementsprechend ist entscheidend, ob tatsächlich das Beharren der Klägerin auf ihrem unzutreffenden Rechtstandpunkt die - ggfls. zeitnahe - Wiederholung der Pflichtverletzung befürchten ließ und ob unter diesen Umständen der Ausspruch einer Abmahnung möglicherweise zwar nicht zur Einsicht, aber doch zu einer Verhaltensänderung geführt hätte.
b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen, nach denen bei der Prüfung des "wichtigen Grundes" hier an das Verhalten der Klägerin anzuknüpfen ist, ist hier zunächst ein Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Brötchenverzehr auf dem Flur festzustellen. Zu Unrecht hält die Klägerin noch in der Berufungsbegründung an ihrer Auffassung fest, der Brötchenverzehr auf dem Flur sei nicht unzulässig gewesen. sein.
Unabhängig davon, inwiefern schon allgemeine hygienische Standards oder konkrete diesbezügliche arbeitgeberseitige Vorgaben einem derartigen Verhalten entgegenstehen, versteht es sich nach dem Standpunkt der Kammer auch ohne besondere Anweisung in einem Dienstleistungsbetrieb von selbst, dass die in einem Altenwohnheim mit der Betreuung von Heimbewohnern befassten Kräfte ihren Pausenverzehr allein in den hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten, nicht hingegen in den für Bewohner und Besucher zugänglichen Räumlichkeiten vornehmen. Wie der Vergleich mit anderen Dienstleistungen zeigt, orientieren sich die einzuhaltenden Verhaltensanforderungen nicht allein an zwingenden Notwendigkeiten der Arbeitsgestaltung durch Sicherheits- oder Hygienevorschriften o. ä., weiterer Maßstab sind vielmehr die üblichen Erwartungen der durch Dienstleistung angesprochenen Kreise. Ebenso wenig wie aber das Verkaufspersonal in Kaufhaus oder Fachgeschäft, das Bedienpersonal im Hotel- oder Restaurantbetrieb und die Beschäftigten in Verwaltungs- oder Büroberufen mit Publikumsverkehr üblicherweise beim Kundenkontakt Speisen oder Getränke verzehren, ohne dass es entscheidend auf den Aspekt der Hygiene ankommt, gehört es auch in einem Altenheim zu den unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten der Arbeit, dass in den für Bewohner und Besucher einsehbaren Bereichen die Trennung zwischen dienstlichem Verhalten und privaten Verrichtungen beachtet wird. Auch wenn die betreuten Bewohner gelegentlich Speisen außerhalb ihres persönlichen Wohnbereichs und außerhalb des Speiseraumes zu sich nehmen und je nach den Umständen die zweckentsprechende Versorgung hilfsbedürftiger Bewohner Vorrang vor ästhetischen Gesichtspunkten beansprucht, bleibt doch für das angestellte Pflegepersonal die strikte Trennung von dienstlicher Aufgabenerledigung und privatem Bereich - wie dem Verzehr von Speisen - maßgeblich. Selbst wenn - wie die Klägerin vorträgt - diese strikte Trennung in der Vergangenheit nicht durchgängig beachtet worden und es beispielsweise vorgekommen ist, dass andere Mitarbeiter auf dem Flur etwa einen Apfel verzehrt haben, bedeutet dies weder, dass damit die vorstehend genannten Regeln von der Leitung des Hauses außer Kraft gesetzt waren, noch konnte für die Klägerin im Anschluss an die konkrete Beanstandung durch die Stiftsdirektorin zweifelhaft seien, dass die erhobene Beanstandung und die weitere Anweisung, das Essen auf dem Flur zu unterlassen, vom arbeitsvertraglichen Direktionsrecht gedeckt war und keiner näheren Begründung bedurfte.
c) Hieraus ergibt sich zwar, dass der - auch noch in der Berufungsbegründung beibehaltene - Rechtsstandpunkt der Klägerin zur Zulässigkeit des Essens auf dem Flur nicht haltbar ist. Allein das Festhalten an einer unrichtigen Rechtsauffassung stellt jedoch, wie vorstehend ausgeführt worden ist, für sich genommen jedoch keine Pflichtverletzung dar. Arbeitsvertraglich war die Klägerin nicht zu einer bestimmten Einsicht und auch nicht dazu verpflichtet, vom ihrem (unrichtigen) Rechtsstandpunkt abzurücken, maßgeblich ist vielmehr, ob aufgrund der im Personalgespräch abgegebenen Erklärungen eine Fortsetzung oder Wiederholung des beanstandeten Verhaltens zu erwarten war. Auch in der ernsthaften Ankündigung einer Arbeitsverweigerung oder eines Pflichtenverstoßes kann eine schwere Pflichtverletzung liegen, insbesondere wenn dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist abzuwarten, ob der angekündigte Pflichtenverstoß tatsächlich erfolgt. Hiervon zu unterscheiden ist indessen das abstrakte (uneinsichtige) Beharren, zu einem bestimmten Verhalten berechtigt zu sein, ohne dass schon hieraus hergeleitet werden kann, der eingenommene Standpunkt werde aktuell in die Tat umgesetzt. Erfahrungsgemäß beharrt der Arbeitnehmer nicht in jedem Falle auf der Durchsetzung seines Standpunkts, wenn dies zu einer ernsthaften Belastung des Arbeitsverhältnisses oder gar zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, ohne andererseits von seiner Rechtsauffassung abzurücken. Dementsprechend ist hier entscheidend, ob die Beklagte unter den vorliegenden Umständen die Erklärung der Klägerin, sie esse, wann sie wolle, zu Recht im Sinne der Ankündigung verstanden hat, sie - die Klägerin - werde nach Beendigung des Personalgesprächs sogleich bzw. noch während der Arbeitsschicht ihr pflichtwidriges Verhalten fortsetzen oder wiederholen.
Wie unstreitig ist, hatte die Klägerin das Brötchen, mit dessen Verzehr sie auf dem Flur begonnen hatte, bereits auf dem Weg zu dem ersten Personalgespräch im Büro der Stiftsleitung "entsorgt", indem sie es - wie die Beklagte vorträgt - "wutschnaubend" in den Mülleimer geworfen hatte. Dementsprechend kann - als die Klägerin nachfolgend an ihrer Auffassung festhielt, sie könne essen, wann sie wolle - diese Äußerung nicht in dem Sinne verstanden werden, die Klägerin werde das verbotene Verhalten nunmehr fortsetzen oder wiederholen. Dass die Klägerin über ein weiteres Brötchen oder sonstige mitgebrachte Lebensmittel verfügte, deren Verzehr sie nach dem Verlassen des Büros hätte aufnehmen können, trägt die Beklagte selbst nicht vor. Insofern unterscheidet sich die Situation deutlich von einer Fallgestaltung, bei welcher den Umständen nach ein aktueller erneuter Pflichtenverstoß des Arbeitnehmers nahe liegt. So mag etwa beim Streit um ein Rauchverbot die Erklärung des Arbeitnehmers, er rauche wann und wo er wolle, im Sinne einer aktuellen Ankündigung erneuten pflichtwidrigen Handelns angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer bereits Zigarette und Feuerzeug vorzeigt oder jedenfalls typischerweise davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer weitere Rauchwaren zur Hand hat.
d) Auf dieser Grundlage kann aber zugunsten der Beklagten als zutreffend unterstellt werden, dass die Klägerin mit der Erklärung, sie könne essen wann sie wolle, nicht lediglich abstrakt auf ihrem irrigen Rechtsstandpunkt beharrt hat oder sich allein gegen einen vermeintlich unberechtigten Vorwurf zur Wehr setzen wollte, sondern zugleich zum Ausdruck gebracht hat, sie werde ihr Recht auch künftig weiterhin wahrnehmen. Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen ist nämlich festzuhalten, dass eine unmittelbare Umsetzung dieses Verhaltens nicht zu befürchten war. Da auch nicht ersichtlich ist, dass der Dienstablauf ein sofortiges Handeln der Beklagten forderte, hätte der Klägerin durch eine förmliche Abmahnung verdeutlicht werden können und müssen, dass im Falle eines wiederholten Pflichtverstoßes der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage gestellt war.
e) Soweit demgegenüber das Arbeitgericht den Standpunkt einnimmt, in Anbetracht der Uneinsichtigkeit der Klägerin sei eine Abmahnung hier nicht erfolgversprechend und damit entbehrlich gewesen, überzeugt dies nicht. Im Gegenteil sprechen die Umstände deutlich dafür, dass sich die Klägerin hier zunächst einmal "verrannt" hat und außerstande war, in der aktuellen Gesprächssituation die möglichen Folgen ihrer Verhaltensweise zu überdenken.
Zu dieser emotionalen Zuspitzung mag schon der zum Umstand beigetragen haben, dass die Stiftsdirektorin ihre Beanstandung in die Form einer - ersichtlich so nicht gemeinten - Frage gekleidet hat "Was machen Sie da?". Die patzige Antwort der Klägerin "Ich esse" belegt zwar ein wenig angepasstes Verhalten der Klägerin, andererseits hätte zweifellos eine sachliche Ansprache die Bereitschaft der Klägerin gestärkt, sich weniger emotional auf ein Personalgespräch einzulassen. Wie der weitere Sachvortrag der Beklagten wie auch die Aussage der vom Arbeitsgericht als Zeugin vernommenen Stiftsdirektorin deutlich machen, ist es hierauf schon auf dem Flur zu einem lautstarken Konflikt gekommen. Auch wenn man davon ausgeht, dass sich die Stiftsdirektorin ihrerseits korrekt verhalten hat und dementsprechend als wahr unterstellt, dass allein die Klägerin in dieser Situation lautstark reagiert hat, war doch schon aus diesem Verhalten der Klägerin erkennbar, dass ihre nachfolgenden Äußerungen nicht in dem Sinne verstanden werden können, sie - die Klägerin - sei aufgrund geordneter Überlegungen zu der Entscheidung gelangt, sie werde - komme, was wolle - bei Bedarf weiterhin Brötchen auf dem Flur verzehren. Auch die Stiftsdirektorin hat schließlich erkannt, dass in dieser Situation ein vernünftiges Gespräch mit der Klägerin nicht möglich war, weswegen dann auch das erste Personalgespräch abgebrochen worden ist. In der Zwischenzeit bis zum weiteren Gespräch um 11.30 Uhr stand zwar der Klägerin an sich genügend zur Verfügung, um die aufgebaute Erregung zu überwinden. Andererseits deutet aber der Hergang des zweiten Personalgesprächs wiederum darauf hin, dass von vornherein auch hier eine vernünftige und besonnene Reaktion der Klägerin nicht zu erwarten war. So war die vor den weiteren Gesprächsteilnehmern ergangene Aufforderung, die Klägerin solle den Vorfall mit eigenen Worten schildern, keinesfalls geeignet, die Grundlage für ein sachliches Personalgespräch zu schaffen. Mit der betreffenden Aufforderung ging es nämlich nicht darum, dass die Klägerin im Zuge einer kontroversen Auseinandersetzung Gelegenheit haben sollte, den eigenen Standpunkt vor den hinzugezognen Gesprächsteilnehmern darzulegen, vielmehr sollte die Klägerin unter Hinweis auf sonst drohende Folgen den ohnehin bekannten Sachverhalt mit eigenen Worten schildern, was unter diesen Umständen aus Sicht der Klägerin im Sinne einer "Unterwerfungsgeste" verstanden werden konnte. Nach Auffassung der Kammer entspricht eine solches Vorgehen nicht den Grundsätzen kompetenter Personalführung, vielmehr erklärt die gewählte Vorgehensweise die auf Seiten der Klägerin entstandene und verfestigte "Trotzhaltung", ohne dass damit freilich das vorangehende Verhalten der Klägerin wie auch ihr patziges Auftreten als berechtigt angesehen werden sollen. Für die Frage, inwiefern die Klägerin durch eine förmliche Abmahnung zur Besinnung bzw. zu einem vertragsgerechten Verhalten hätte gebracht werden können, sind die dargestellten Umstände des Personalgesprächs jedenfalls nicht ohne Belang. Da nicht zu erwarten stand, dass die Klägerin noch am selben Tage das beanstandete Fehlverhalten wiederholen würde, hätte der Klägerin ohne Weiteres zum Ende ihrer Arbeitsschicht eine förmliche (schriftliche) Abmahnung übergeben werden können. Dies hätte der Klägerin, nachdem sie die Angelegenheit überschlafen hätte, immerhin Gelegenheit zur Besinnung gegeben.
f) Auch die Tatsache, dass die Klägerin noch im Prozess ihre Rechtsauffassung verteidigt hat, folgt nicht die Sinnlosigkeit und Aussichtslosigkeit einer Abmahnung. Ersichtlich geht es bei dem Prozessvorbringen der Klägerin um die Abwehr der ausgesprochenen Kündigung und die Verteidigung gegen den Kündigungsvorwurf "beharrlicher Uneinsichtigkeit", nicht hingegen ist das Klageziel darauf gerichtet, das Recht, Brötchen auf dem Flur zu verzehren, gerichtlich klären zu lassen und sich künftig entsprechend zu verhalten.
Insofern unterscheidet sich der vorliegende Tatbestand entscheidend vom Sachverhalt der vom Arbeitsgericht zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 18.05.1994 (2 AZR 626/93 - AP Nr. 3 zu § 108 BPersVG = EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 31). In jenem Fall hatte der Arbeitnehmer die Übernahme bestimmter Tätigkeiten verweigert und gegen die Zuweisung dieser Tätigkeiten Klage beim Arbeitsgericht erhoben. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und der Kläger zunächst seine Bereitschaft erklärt hatte, die bislang abgelehnte Tätigkeit nunmehr auszuüben und sich einarbeiten zu lassen, lehnte er anschließend gleichwohl eine entsprechende Einarbeitung ab. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts kann ohne Weiteres die rechtliche Wertung der zitierten Entscheidung nachvollzogen werden, der dortige Kläger habe hier mit seiner erneuten Weigerung trotz des vorangehenden klageabweisenden Urteils ein derart hartnäckiges und uneinsichtliches Verhalten an den Tag gelegt, dass er nicht habe ernsthaft damit rechnen können, der Arbeitgeber werde ein solches Verhalten hinnehmen und nicht ohne vorherige Abmahnung kündigen. Vielmehr ergebe sich deutlich, dass der dortige Kläger nicht willens gewesen sei, der Anweisung seiner Vorgesetzten nachzukommen, weswegen zu Recht von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen worden sein.
In Abgrenzung hierzu bietet der vorliegende Sachverhalt keine Grundlage für die Annahme, die Klägerin sei auch durch eine förmliche Abmahnung nicht davon abzubringen gewesen, bei Bedarf trotz entgegenstehender Weisung auf dem Flur der Pflegestation Lebensmittel zu verzehren, selbst wenn damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses aufs Spiel gesetzt werde. Allein die Tatsache, dass die Klägerin auf der Grundlage eingeholten Rechtsrats an ihrer Rechtsauffassung festhielt, an sich zu einem solchen Verhalten berechtigt zu sein, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Klägerin auch auf eine förmliche Abmahnung hin ihren Standpunkt auch in die Tat umgesetzt und es hätte darauf ankommen lassen, ob die Beklagte tatsächlich zum Mittel der Kündigung greift.
g) Soweit die Beklagte als Beleg für die beharrliche Uneinsichtigkeit der Klägerin und die Entbehrlichkeit einer Abmahnung auf frühere Vorfälle und insbesondere die Abmahnung vom 13.05.2005 verweist, sind diese nach Art und Umständen weder mit der hier maßgeblichen Pflichtverletzung vergleichbar, noch lässt sich mit den früheren Vorgängen belegen, die Klägerin sei konkret im Hinblick auf die aktuelle Vertragsverletzung auch durch eine Abmahnung nicht zur Vernunft zu bringen. Im Gegenteil belegt die Tatsache, dass die Klägerin auf das Abmahnungsschreiben vom 13.05.2005 zwar mit einer Gegendarstellung reagiert, gleichwohl aber das beanstandete Verhalten nicht wiederholt und davon abgesehen hat, ihre Auffassung von der sachgerechten Dienstplangestaltung gegen den Willen der Beklagten umzusetzen, dass die Klägerin - trotz gewisser Neigung zur Eigensinnigkeit - bereit und in der Lage ist, die mit einer Abmahnung verbundene Kündigungsandrohung ernst zu nehmen und ihr Verhalten daran auszurichten.
3. Auch der von der Beklagten angeführte Gesichtspunkt des "Vertrauensverlustes" führt nicht zur Annahme der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Richtig ist zwar, dass die Beklagte sich darauf verlassen können muss, dass ihre Beschäftigen den Dienstanweisungen Folge leisten und nicht etwa eigenmächtig oder gar uneinsichtig den Dienst nach eigenen Vorstellungen versehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das aktuelle vertragswidrige Verhalten der Klägerin (Brötchenverzehr auf dem Flur nebst unangemessener Reaktion auf den diesbezüglichen Vorhalt) unter Einbeziehung früherer behaupteter Pflichtverletzungen und "Eigenmächtigkeiten", welche sich nach dem Standpunkt der Beklagten "wie ein roter Faden" durch das Arbeitsverhältnis ziehen, unter dem Gesichtspunkt der "völligen Uneinsichtigkeit" als Eignungsmangel und damit als personenbedingter Kündigungsgrund angesehen werden kann, welcher ohne Abmahnung den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigt.
Ein solcher personenbedingter Kündigungsgrund kommt allein bei unbehebbaren Eignungsmängeln in Betracht (vgl. die Nachweise bei KR-Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 304). Allein die Tatsache, dass durch Störungen im Leistungsbereich auch die arbeitsvertragliche Vertrauensbeziehung ernstlich gestört ist, macht eine Abmahnung nicht entbehrlich, da insoweit ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. Dass die Klägerin aufgrund charakterlicher Unzulänglichkeiten gar nicht in der Lage sei, auf Beanstandungen zu reagieren und ihr Verhalten zu steuern, kann auch auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens keinesfalls angenommen werden. Auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziff I 2 g) wird insoweit Bezug genommen.
II
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden. Auch insoweit wirkt sich zu Lasten der Beklagten die Tatsache aus, dass es an der erforderlichen Abmahnung fehlt .Geht man davon aus, dass die Klägerin nach entsprechender Warnung ihren Standpunkt überdacht und zumindest von einer Realisierung ihrer vermeintlichen Rechte Abstand genommen hätte, stünden der dauerhaften Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses keine Bedenken entgegen. Dementsprechend stellt auch die ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht das "mildeste Mittel" dar, um der aufgetretenen Störung des Arbeitsverhältnisses zu begegnen. .
III
Aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt sich die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Altenpflegerin weiterzubeschäftigen.
IV
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.
V
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 72 ArbGG liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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