Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 746/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 252
BGB § 325
Scheidet die als Zahnarzthelferin tätige Arbeitnehmerin ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis aus und können deshalb wegen fehlender Personalkapazität Prophylaxe-Behandlungen nicht im vorgesehenen Umfang durchgeführt werden, so kann für den hieraus entstandenen Einnahmeausfall kein Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns verlangt werden, weil davon auszugehen ist, dass derartige Behandlungstermine lediglich verschoben werden, nicht aber endgültig ausfallen (im Anschluss an OLG Nürnberg, VersR 1977, 63).
Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 8 Sa 746/02

Verkündet am: 19.12.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dudenbostel sowie die ehrenamtlichen Richter Schulte und Göersmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.03.2001 - 6 Ca 3518/01 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 7.583,-- € festgesetzt.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, welche in der Zahnarztpraxis des Beklagten zunächst als Auszubildende und nach Bestehen der Abschlussprüfung ab dem 07.06.2001 als Arzthelferin tätig war und ihr Arbeitsverhältnis selbst zum 31.07.2001 gekündigt hat, die Zahlung von Arbeitsvergütung für den Monat Juli 2001.

Diesem Begehren hält der Beklagte im Wesentlichen entgegen, die Klägerin habe ohne Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des Monats Juli 2001 gekündigt und am 06.07.2001 - dem Tage vor Beginn des Betriebsurlaubs - erklärt, dies sei ihr letzter Arbeitstag. Da die Klägerin trotz dringender Bitte weder Bereitschaft gezeigt habe, die Arbeit im Monat August fortzusetzen, noch nach Ende des Betriebsurlaubs am 30. und 31.07.2001 zur Arbeit erschienen sei, habe es ihr ersichtlich im Monat Juli an der erforderlichen Arbeitsbereitschaft gefehlt, so dass ein auf § 615 BGB gestützter Vergütungsanspruch für diesen Monat ausscheide. Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns und erhebt weiterhin Widerklage mit der Begründung, wegen Fehlens der Klägerin habe eine Vielzahl von Prophylaxe-Patienten abbestellt werden müssen, ohne dass der entsprechende Umsatzausfall im Laufe des Jahres habe nachgeholt werden können.

Durch Urteil vom 14.03.2002, auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme dem Klagebegehren insoweit entsprochen, als es den Vergütungsanspruch der Klägerin bis einschließlich 29.07.2001 betrifft. Wegen des Vergütungsanspruchs für den 30. und 31.07.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, ferner ist die Widerklage abgewiesen worden.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung macht der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter geltend, für die Dauer des Betriebsurlaubs habe es an der erforderlichen Arbeitsbereitschaft der Klägerin gefehlt. Weiter wendet sich der Beklagte gegen den Standpunkt des Arbeitsgerichts, der verfolgte Schadensersatzanspruch wegen Verdienstausfalls sei nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.03.2002 - 6 Ca 3518/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen, der Widerklage stattzugeben.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I

Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Arbeitsvergütung für die Zeit vom 01. bis 06.07.2001 gemäß § 611 BGB und für die Zeit vom 07.07. - 29.07.2001 (Betriebsurlaub) aus § 615 BGB zusteht. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Insbesondere kann aus der Tatsache, dass die Klägerin nach Aussage der Zeugin C1xxx am 06.07.2001 erklärt hat, dies sei ihr letzter Arbeitstag, nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin für die Dauer des anschließenden Betriebsurlaubs nicht arbeitsbereit war. Warum die Klägerin, welche zum 01.08.2001 eine Beschäftigung bei dem Zahnarzt Dr. D3xxxx antreten wollte und auch auf Drängen des Beklagten zu einer Änderung ihrer Pläne nicht bereit war, auch schon im Monat Juli 2001 zur Arbeitsleistung für den Beklagten nicht bereit sein sollte, ist in keiner Weise plausibel dargelegt. Allein die Tatsache, dass sich die Klägerin - wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht ganz zu Unrecht - einem gewissen Druck des Beklagten ausgesetzt sah und bei dem Gespräch zwischen den Parteien am 06.07.2001 in Tränen ausbrach, lässt nach Überzeugung der Kammer nicht den Schluss zu, dass die Klägerin auch ohne den Betriebsurlaub in jedem Falle der Arbeit ferngeblieben wäre und lieber den Verlust an Arbeitsvergütung hingenommen hätte, als noch einmal dem Beklagten unter die Augen zu treten. Wenn der Beklagte tatsächlich die Äußerung der Klägerin, der 06.07.2001 sei ihr letzter Arbeitstag, in dem Sinne verstanden hat, die Klägerin wolle vorzeitig - schon mit Ablauf dieses Tages - ihr Arbeitsverhältnis beenden, hätte er der Klägerin eine entsprechende vorzeitige Vertragsbeendigung anbieten können. Wenn der Beklagte hiervon Abstand nahm, etwa weil er - trotz der Weigerung der Klägerin, im August 2001 für ihn tätig zu werden - auf die Arbeitsleistung der Klägerin am 30. und 31.07.2001 Wert legte, so war dies sein gutes Recht. Dann bestand aber das Arbeitsverhältnis mit entsprechender Vergütungspflicht - auch für die Dauer des Betriebsurlaubs - fort.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann es auch nicht als beweiskräftiges Indiz für die fehlende Arbeitsbereitschaft der Klägerin während des Betriebsurlaubs angesehen werden, dass die Klägerin nach dem Betriebsurlaub - am 30. und 31.07.2001 - nicht zur Arbeit erschienen ist. Abgesehen davon, dass die Klägerin den entsprechenden Sachvortrag des Beklagten bestritten und behauptet hat, der Beklagte habe ihr erklärt, dann brauche sie nach dem Betriebsurlaub auch nicht mehr zu erscheinen, ohne dass in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der divergierenden Darstellungen geklärt worden ist und die Beweislast für die behaupteten Indiztatsachen hinsichtlich der fehlenden Arbeitsbereitschaft der Klägerin während des Betriebsurlaubs beim Beklagten liegt, folgt auch auf der Grundlage des Beklagtenvortrages aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeit am 30. und 31.07. nichts für die Frage der Arbeitsbereitschaft während des vorangehenden Betriebsurlaubs. Dass die Klägerin möglicherweise lieber hinnahm, den Vergütungsanspruch für zwei Arbeitstage wegen unentschuldigten Fehlens zu verlieren, als noch einmal dem Beklagten unter die Augen zu treten, erscheint nach der Lebenserfahrung nicht ganz fernliegend. Hieraus folgt aber nicht, dass die Klägerin ohne Durchführung des Betriebsurlaubs für die Zeit nach dem 06.07.2001 ebenfalls grundlos der Arbeit ferngeblieben wäre, um jeden Kontakt mit dem Beklagten zu vermeiden. Das gilt um so mehr, als nach dem eigenen Vortrag des Beklagten das Gespräch mit der Klägerin am 06.07. wegen deren fehlender Kompromissbereitschaft zwar erfolglos verlief, keineswegs aber sich der Konflikt so zugespitzt hatte, dass das "Handtuch zerschnitten" und jede vernünftige Zusammenarbeit ausgeschlossen war.

Die volle und zweifelsfreie Überzeugung von einer fehlenden Arbeitsbereitschaft der Klägerin kann die Kammer nach alledem nicht gewinnen.

II

Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist auch nicht durch die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der verfolgte Schadensersatzanspruch nicht schlüssig dargelegt ist. Hieraus folgt zugleich die Unbegründetheit der Widerklage.

Gegenstand des zur Aufrechnung gestellten und widerklagend verfolgten Schadensersatzanspruchs ist nicht etwa der finanzielle Aufwand, welcher auf die Bemühungen entfällt, Patienten umzubestellen. Ebenso wenig macht der Beklagte geltend, den aufgewandten Praxiskosten stehe für die Dauer des vertragswidrigen Fehlens der Klägerin keine bzw. nur eine geminderte Einnahme entgegen, vielmehr verlangt der Beklagte Ersatz entgangenen Gewinns mit der Begründung, die an sich im Zeitraum August vorgesehenen Prophylaxe-Behandlungen seien ausgefallen und hätten auch bis zum Jahresende nicht nachgeholt werden können.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass sich auf dieser Grundlage ein entgangener Gewinn nicht feststellen lässt. Dass tatsächlich bei den für August 2001 bestellten Patienten Prophylaxe-Behandlungen endgültig ausgefallen und nicht nur zeitlich verlegt worden sind, trägt der Beklagte selbst nicht vor, sondern macht allein geltend, dass infolge der Verlegung der Behandlungstermine andere Patienten nicht bzw. nicht zu diesem Zeitpunkt behandelt werden konnten. Ein entgangener Gewinn läge unter diesen Umständen jedoch nur vor, wenn die so auf einen späteren Termin vertrösteten Patienten definitiv von der beabsichtigten Prophylaxe-Behandlung beim Beklagten Abstand genommen hätten. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch naheliegend. Anders als etwa bei der Behandlung von Akutkrankheiten oder bei der Reparatur eines beschädigten Kraftfahrzeuges, bei welchen sich die Patienten bzw. Kunden in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum vertrösten lassen, sondern anderweitige Hilfe in Anspruch nehmen, ist - wie schon der Name sagt - die Prophylaxe-Behandlung nicht an einen akuten Krankheitsfall gebunden. Dementsprechend wird zwar die Terminsverschiebung vom Patienten u. U. als Ärgernis empfunden werden, ohne das andererseits allein deshalb ein Arztwechsel erfolgt.

In der Berücksichtigung der Tatsache, dass die Prophylaxe-Termine letztlich nur verschoben, nicht aber ersatzlos ausgefallen sind, liegt keineswegs - wie der Beklagte meint - eine Besonderheit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung im Sinne einer Haftungsbegrenzung des Arbeitnehmers. Vielmehr ist der Gesichtspunkt der bloßen Verschiebung von Honorareinnahmen aus ärztlicher Behandlung ganz allgemein für die zivilrechtliche Schadensberechnung von Belang (vgl. OLG Nürnberg, VersR 1977, 63 f). In der genannten Entscheidung ist überzeugend ausgeführt worden, dass typischerweise nur in dringend behandlungsbedürftigen Fällen - insbesondere bei akuten Schmerzen - dem behandelnden Arzt ein bleibender Einnahmeverlust verbleibt, weil der Patient hier nicht zuwartet, sondern sich anderweit von seinen Schmerzen befreien und meist auch weiterbehandeln lässt. Hiervon abgesehen vertraut sich hingegen der Patient nur ungern einem ihm bis dahin fremden Zahnarzt an und wird vor allem, wenn nur eine vorübergehende Unterbrechung der Praxistätigkeit absehbar ist, lieber die Behandlung zunächst zurückstellen, als den Zahnarzt zu wechseln (OLG Nürnberg a. a. O.).

Allein in Bezug auf das laufende Wirtschaftsjahr kann danach durch die Verschiebung von Behandlungen und Honorareinnahmen eine Minderung des Gewinns entstanden sein. Eine solche Begrenzung auf das Wirtschaftsjahr ist jedoch für die Schadensberechnung nicht maßgeblich.

Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, infolge der Verschiebung der Prophylaxe-Terminen ergebe sich ein Schaden jedenfalls daraus, dass der Beklagte bei Beendigung seiner Berufstätigkeit - etwa mit dem 65. Lebensjahr - die ausgefallenen bzw. verschobenen Behandlungen nicht mehr nachholen könne und insofern am Ende seiner Berufstätigkeit letztlich doch ein Verdienstausfall verbleibe. Diese Betrachtung wäre indessen nur richtig, wenn bereits jetzt feststünde bzw. mit Sicherheit zu erwarten wäre, dass die Praxis bis zum Eintritt des Beklagten in den Ruhestand durchgängig voll ausgelastet wäre. Eine solche Zukunftsprognose ist indessen vollkommen ungewiss und kann nicht zur Grundlage einer konkreten Schadensfeststellung genommen werden.

III

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Beklagte zu tragen.

IV

Unter Berücksichtigung des Hilfsaufrechnung und unter Einbeziehung der Widerklage ergibt sich ein Streitwert von 7.583,-- €.

V

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück