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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.10.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 758/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 275
BGB § 323
Beweislast des Arbeitgebers für Nichterbringung der vereinbarten regulären Arbeitsleistung

Bestreitet der Arbeitgeber im Vergütungsrechtsstreit, dass der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum gearbeitet hat, so trifft ihn - den Arbeitgeber - die Beweislast. Der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" gilt nur bei unstreitiger Nichtleistung der Arbeit, ohne die gesetzlichen Regelungen des Leistungsstörungsrechts und deren Beweislastverteilung zu verdrängen.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 8 Sa 758/02

Verkündet am: 31.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dudenbostel sowie die ehrenamtlichen Richter Schulte und Rüffer

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.04.2002 - 5 Ca 1234/01 - teilweise abgeändert und unter Berücksichtigung der Neufassung der Klageanträge und der teilweisen Klagerücknahme wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

a) als Arbeitsvergütung für den Monat September 2000 2.503,98 € netto,

b) als Arbeitsvergütung für die Monate Januar und Februar 2001 8.078,41 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05. 2002

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen beide Parteien je die Hälfte, von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage macht die Klägerin, welche im Dachdeckerbetrieb ihres Ehemannes als kaufmännische Angestellte tätig war, restliche Vergütungsansprüche geltend.

Im ersten Rechtszuge hat die Klägerin insoweit folgende Positionen eingeklagt:

 1. Gehalt Juli 20004.895,05 DM
2. Gehalt September 20004.897,35 DM
3. Vergütungsdifferenz November 2000 wegen Weihnachtsgeld4.753,01 DM
4. Vergütungsdifferenz Dezember 2000 wegen Gehaltserhöhung und Überstunden2.016,43 DM
5. Gehalt Januar 2001 einschließlich Gehaltserhöhung6.098,83 DM
6. Gehalt Februar 2001 einschließlich Gehaltserhöhung5.585,53 DM
Summe28.249,33 DM

Dementsprechend hat die Klägerin im ersten Rechtszuges beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.443,65 € netto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Abs. 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 04.05.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 02.04.2002 (Bl. 76 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren hinsichtlich der Positionen zu Ziffer 1) und 2) (Nettogehalt Juli und September 2000) entsprochen und den Beklagten dementsprechend zur Zahlung eines Betrages von 5.008,31 € netto nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Positionen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 31.10.2002 hat die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten die Klage wegen der Position zu Ziffer 1) (Nettovergütung Juli 2000), wegen derer der Beklagte Anschlussberufung eingelegt hatte, zurückgenommen und auf gerichtlichen Hinweis die übrigen weiterverfolgten Positionen auf Bruttobeträge umgestellt. In Höhe der erstinstanzlich ausgeurteilten Nettovergütung für den Monat September 2000 ist das arbeitsgerichtliche Urteil nicht angegriffen worden. Dementsprechend stehen im Berufungsrechtszug noch folgende Positionen im Streit:

 1. Weihnachtsgeld laut Abrechnung November 20008.663,62 DM brutto
2. Überstunden gemäß Gehaltsabrechnung Dezember 20001.645,63 DM brutto
3. Gehaltserhöhung Dezember 20001.000,00 DM brutto
4. Vergütung Januar 20018.900,00 DM brutto
5. Vergütung Februar 20018.900,00 DM brutto

Dementsprechend beantragt die Klägerin zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.04.2002 - 5 Ca 1234/01 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 29.109,25 DM brutto entsprechend 14.883,32 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz seit dem 04.05.2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Entscheidungsgründe:

A

Nachdem die Klägerin mit Zustimmung des Beklagten ihr Klagebegehren hinsichtlich der Vergütung für den Monat Juli 2000 zurückgenommen hat, ist die zunächst eingelegte Anschlussberufung des Beklagten gegenstandslos, so dass allein über die Berufung der Klägerin zu entscheiden ist.

B

Die Berufung der Klägerin hat jedoch nur hinsichtlich der Vergütungsansprüche für die Monate Januar und Februar 2001 Erfolg, im Übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

I

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Weihnachtsgeld - entsprechend der von ihr selbst erstellten Gehaltsabrechnung für den Monat November 2000 - nicht zu. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Klägerin nach dem Arbeitsvertrag ein Anspruch auf Weihnachtsgeld nicht zusteht. Ebenso wenig hat die Klägerin die Voraussetzungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgetragen. Auch aus den Grundsätzen der Betriebsübung kann die Klägerin den verfolgten Anspruch nicht herleiten. Vielmehr ergibt sich aus den vorgelegten Gehaltsabrechnungen der Jahre 1997, 1998 und 1999, dass in der Vergangenheit stets ein Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt worden ist. Dies schließt das Entstehen einer Betriebsübung aus. Schließlich kann die Klägerin den verfolgten Anspruch auch nicht darauf stützen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 28.06.2001 erklärt hat, in der Vergangenheit sei Weihnachtsgeld mit entsprechendem Widerrufsvorbehalt gezahlt worden. Abgesehen davon, dass insoweit eine sprachliche Verwechslung zwischen Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt nahe liegt, liegt in der Erklärung des Prozessbevollmächtigten jedenfalls kein eigenständiger Verpflichtungsgrund, sondern eine bloße Wissenserklärung. Insbesondere liegt die Auslegung fern, in der genannten Erklärung liege ein konstitutives Schuldanerkenntnis.

II

Soweit die Klägerin gemäß der Abrechnung für den Monat Dezember 2000 die Zahlung von Überstundenvergütung für 25 Stunden verlangt, kann offen bleiben, inwiefern der Vortrag der Klägerin zum zeitlichen Umfang der geleisteten Überstunden als substantiierter Tatsachenvortrag genügt; auch im zweiten Rechtszug hat die Klägerin Beginn und Ende der Arbeitszeit an den betreffenden Tagen nicht darzustellen vermocht. Zumindest fehlt es aber an einem schlüssigen Vortrag zur Anordnung oder Duldung von Überstunden. Jedenfalls nachdem der Beklagte eine entsprechende Duldung bestritten hat, kann in der Verwendung des Begriffs "Duldung" kein substantiierter Tatsachenvortrag gesehen werden. Auch die Tatsache, dass die von der Klägerin erstellten Gehaltsabrechnungen - also auch die Abrechnung Dezember 2000 - mit der ausgewiesenen Überstundenvergütung im Einverständnis des Beklagten vom Steuerberater verwertet wurde, macht einen näheren Sachvortrag der Klägerin nicht entbehrlich. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass die von der Klägerin erstellten Gehaltsabrechnungen mit Einverständnis des Beklagten dem Steuerberater vorgelegt wurden, damit dieser die steuerliche Abwicklung vornehme. In dem allgemeinen Einverständnis des Beklagten mit dieser Handhabung kann eine Billigung des Abrechnungsinhalts nicht gesehen werden. Dass der Beklagte konkret die Aufnahme der Überstundenvergütung in die Abrechnung 12/00 im Sinne eines Anerkenntnisses gebilligt habe, trägt die Klägerin selbst nicht vor.

III

Zutreffend hat das Arbeitsgericht weiter entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die geltend gemachte Gehaltserhöhung von 1.000,-- DM brutto besitzt. Auch im zweiten Rechtszug hat die Klägerin keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag geleistet. Allein der Vortrag, die Klägerin habe sich im November 2000 die mündliche Zustimmung des Beklagten zur Gehaltserhöhung eingeholt, kann in Anbetracht der Tatsache, dass der Beklagte eine entsprechende Zustimmung bestreitet, als substantiierter Tatsachenvortrag nicht genügen. Insbesondere weil zwischen den Parteien bereits im damaligen Zeitpunkt erhebliche Konflikte bestanden, erscheint es ausgeschlossen, dass die von der Klägerin behauptete "Zustimmung" ohne vorangehendes Gespräch erteilt wurde. Dann gehört aber im Bestreitensfall zumindest eine Darstellung des Gesprächsverlaufs in groben Zügen zum erforderlichen substantiierten Sachvortrag, damit nachvollzogen werden kann, inwiefern die Schlussfolgerung der Klägerin, der Beklagte habe der begehrten Gehaltserhöhung "zugestimmt", als schlüssig angesehen werden kann. Ohne entsprechenden Sachvortrag ist für die Durchführung der beantragten Parteivernehmung kein Raum. Soweit es die Verwendung der erstellten Gehaltsabrechnung durch den Steuerberater im Einverständnis des Beklagten betrifft, kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

IV

Soweit es den Vergütungsanspruch der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 betrifft, erweist sich die Berufung der Klägerin als begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, nach dem Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn", könne die Klägerin keine Vergütung verlangen, da trotz entsprechenden Bestreitens des Beklagten die Klägerin keine näheren Angaben zur behaupteten Arbeitsleistung gemacht habe.

2. Gegen diese Begründung bestehen Bedenken. Der genannte Grundsatz trifft allein im Falle unstreitiger Nichtleistung der Arbeit zu, kann jedoch nicht als Beweislastregel herangezogen werden.

a) Anders als bei der Geltendmachung von Vergütungsansprüchen für Überstunden, bei welchen den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast nicht nur für die tatsächlich geleistete Arbeit, sondern auch für die Vereinbarung der Mehrarbeit aufgrund arbeitgeberseitiger Anordnung oder Duldung trifft - auch § 612 BGB betrifft allein die Vergütungspflicht für vereinbarte Arbeit (LAG Hamm, MDR 2000, 220) -, steht beim Streit über die Frage, ob der Arbeitnehmer die reguläre Arbeitsleistung vollständig erbracht hat, der Umfang der Arbeitspflicht auf der Grundlage des Arbeitsvertrages fest. Die Frage der Beweislast betrifft sodann den Gesichtspunkt der Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Arbeitspflicht oder genauer deren Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers.

b) Nach den Regeln des Leistungsstörungsrechts des BGB - maßgeblich sind hier noch die Vorschriften alten Rechts; auch nach neuem Recht ergibt sich aber gemäß § 326 BGB n.F. nichts anderes - ist zu beachten, dass bei einem gegenseitigen Vertrag die wechselseitigen Leistungsverpflichtungen zwar synallagmatisch miteinander verknüpft sind mit der Folge, dass das Ausbleiben der einen Leistung Auswirkungen auch auf die Verpflichtung zur Gegenleistung hat; keineswegs erlischt jedoch schon mit dem Ausbleiben der geschuldeten Leistung der Anspruch auf die Gegenleistung. Vielmehr ergibt sich aus der Vorschrift des § 323 Abs. 1 BGB, dass der Anspruch des Gläubigers (Arbeitnehmers) auf die Gegenleistung (Arbeitsvergütung) erlischt, wenn die ihm obliegende Leistung (Arbeit) unmöglich wird. Steht fest, dass die Arbeitsleistung nicht erbracht ist, so folgt hieraus gemäß § 323 Abs. 1 BGB, dass auch der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers erlischt. Da es sich bei der Arbeitsleistung um eine absolute Fixschuld handelt, welche nicht nachgeholt werden kann, erlöschen dementsprechend zeitabschnittsweise gleichzeitig Arbeitspflicht infolge Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB einerseits und Vergütungsanspruch gemäß § 323 Abs. 1 BGB andererseits.

c) Ist unter den Parteien streitig, ob die Arbeitsleistung erbracht worden ist, so ist zu beachten, dass nach allgemeinen Regeln die Beweislast für rechtsvernichtende Einwendungen bei demjenigen liegt, der sich hierauf beruft. Dementsprechend muss den Eintritt der Unmöglichkeit die Partei beweisen, die hieraus eine ihr günstige Rechtsfolge herleiten will (Palandt/Heinrichs, § 282 BGB Rz. 1). Bestreitet also der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbracht habe, weswegen die Arbeitspflicht nicht durch Erfüllung, sondern infolge Zeitablaufs erloschen und damit auch der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers untergegangen sei, so trifft ihn die Beweislast für diese rechtsvernichtende Einwendung.

Für Leistungsstörungen im Recht der gegenseitigen Verträge entspricht diese Beweislastverteilung allgemeiner Auffassung (vgl. Strieder in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 323 BGB Rz. 2, 3); MünchKomm-Emmerich, 3. Aufl., § 323 BGB Rz. 56). Für den Arbeitsvertrag als gegenseitigen Vertrag kann nichts anderes gelten. Dementsprechend liegt auch hier die Beweislast für die Nichtleistung der Arbeit beim Arbeitgeber. Leugnet also der Arbeitgeber gegenüber der Vergütungsforderung die Vertragserfüllung, so ist er hierfür beweispflichtig (LAG Köln, Urteil vom 07.04.1995 - 13 (10) Sa 1244/94 - = MDR 1996, 79 = BB 1995, 2276; Ziemann in Düwell/Lipke, ArbGV, § 58 Rz. 98). Kann der Arbeitgeber den Nachweis der Nichtleistung der Arbeit nicht führen, so muss er gleichwohl die vereinbarte Vergütung zahlen.

d) Sieht man von den Sonderfällen der absoluten Fixschuld einer Vertragspartei ab (dazu nachfolgend unter e), so werden allerdings die Folgen der genannten Beweislastverteilung durch die Regeln des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 320 BGB relativiert. Verlangt etwa der Verkäufer Bezahlung des Kaufpreises und wendet der Käufer ein, seine Zahlungspflicht sei gemäß § 323 I BGB wegen nach Vertragsschluss eingetretener Unmöglichkeit der Lieferung erloschen, gelingt ihm - dem Käufer - jedoch nicht der ihm obliegende Nachweis der Unmöglichkeit, so kann er doch durch Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 320 BGB erreichen, dass er zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Lieferung verurteilt wird. Zur Durchsetzung der Kaufpreisforderung im Wege der Zwangsvollstreckung muss dann aber der V1x-käufer die Erfüllung seiner Lieferungsverpflichtung nachweisen. Gelingt ihm dies nicht, wird letztlich mit Hilfe des Zurückbehaltungsrechts dasselbe Ergebnis wie bei einer Klageabweisung aufgrund bewiesener Unmöglichkeit erreicht (Strieder in Baumgärtel, a.a.O., Rz. 3; MünchKomm-Emmerich, 3. Aufl., § 323 BGB Rz. 56).

e) Dieser Weg über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 320 BGB versagt indessen beim Vorliegen einer absoluten Fixschuld, wie dies für die Verpflichtung zur Arbeit zutrifft. Spätestens mit Ablauf der vorgesehenen Arbeitszeit - also stündlich oder arbeitstäglich - erlischt die Arbeitspflicht infolge Unmöglichkeit. Dann scheidet aber die Zurückbehaltung der Vergütung bis zur Erbringung der Arbeit und eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung aus. § 320 BGB ist unanwendbar, wenn die Gegenforderung des Schuldners (Anspruch des Arbeitgebers auf Arbeitsleistung) infolge Unmöglichkeit erloschen ist (MünchKomm-Emmerich, § 320 BGB, Rz. 47). Vielmehr muss der Schuldner dann vielmehr nach § 323 BGB vorgehen, um eine endgültige Klärung herbeizuführen, d.h. den Nachweis führen, dass der Gegner die seinerseits geschuldete Leistung nicht erbracht hat.

f) Auch die Tatsache, dass die Vergütung des Arbeitnehmers nach § 614 BGB erst nach Leistung der Dienste zu entrichten, der Arbeitnehmer also vorleistungspflichtig ist, ändert nichts an der dargestellten Beweislastverteilung. Die genannte Regelung bewirkt allein, dass nicht der Arbeitnehmer die Aufnahme der Arbeit mit Hilfe des § 320 BGB davon abhängig machen kann, dass der Arbeitgeber Zug um Zug Vergütung leistet. Vielmehr kann der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht nur gemäß § 273 BGB wegen Lohnrückständen ausüben. Der Arbeitgeber seinerseits kann die Lohnzahlung nicht mit der Begründung zurückhalten, erst einmal müsse die Arbeit geleistet werden. Da die Arbeitsleistung nicht nachholbar ist, ist für eine Zug-um-Zug-Verurteilung kein Raum.

Hierin liegt keine Besonderheit des Arbeitsrechts. Auch für sonstige absolute Fixschulden gilt nichts anderes. Verlangt der Konditor, welcher die pünktliche Lieferung einer Geburtstagstagstorte versprochen hat, vom Kunden Bezahlung und verweigert dieser die Zahlung mit der Begründung, die Torte sei nicht oder nicht am Geburtstag geliefert worden, so scheitern Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Kunden und Zug-um-Zug-Verurteilung daran, dass die Lieferverpflichtung aufgrund Zeitablaufs erloschen ist. Damit verbleibt dem Kunden allein der Weg, das Erlöschen der Zahlungsverpflichtung mit Hilfe des § 323 BGB zu begründen und dessen Voraussetzungen nachzuweisen.

g) Die aus dem Wegfall des Zurückbehaltungsrechts folgende Schlechterstellung des Arbeitgebers in der Frage der Beweislast führt jedoch nicht dazu, dass der Arbeitnehmer im Prozess ohne weitere Begründung Lohn zugesprochen erhält, ohne seinerseits konkret zur Frage der Arbeitsleistung vorzutragen. Abgesehen vom Fall der Säumnis des Arbeitgebers, welche nach den vorstehenden Ausführungen zum Erlass eines Versäumnisurteils auch dann führt, wenn der Arbeitnehmer zur Rechtfertigung seines Lohnanspruchs allein auf den Arbeitsvertrag verweist, ohne zur Frage tatsächlicher Arbeitsleistung vorzutragen, muss im Bestreitensfall der nicht beweispflichtige Arbeitnehmer im Rahmen seiner sekundären Behauptungslast gemäß § 138 Abs 3 ZPO (Stein/Jonas/Leipold, § 138 ZPO Rz. 28 a) konkreten Tatsachenvortrag zur Arbeitsleistung liefern, welchen alsdann der Arbeitgeber zu widerlegen hat.

Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, seit Dezember 2000 sei sie mit der Bilanzvorbereitung für das Jahr 1999 beschäftigt gewesen, habe während dieser Zeit intensiven Kontakt mit dem Steuerberater gehalten und für sämtliche Mitarbeiter die Lohnabrechnungen bis einschließlich Februar 2001 vorbereitet, ferner habe sie Korrekturmeldungen für die Krankenkasse erstellt und während der Monate Januar und Februar 2001 für den Beklagten eine betriebsbezogene Korrespondenz geführt, welche diverse Rechtsstreitigkeiten des Betriebes betroffen habe. Davon, dass die Klägerin in den Monaten Januar und Februar 2001 überhaupt nicht gearbeitet bzw. am Arbeitsplatz erschienen sei, kann danach keine Rede sein. Dann wäre es aber wiederum Sache des Beklagten, im Einzelnen darzulegen und den Nachweis zu führen, dass die Klägerin abweichend vom Arbeitsvertrag ihre Arbeitspflicht nicht vollständig erfüllt habe.

Überdies sind im fraglichen Zeitraum die zur Abwicklung des Betriebs erforderlichen kaufmännischen Tätigkeiten offenbar auch tatsächlich erledigt worden. Jedenfalls trägt der Beklagte selbst nicht vor, die von der Klägerin zu erledigenden Arbeiten seien liegen geblieben oder anderweitig erledigt worden. Dann kann aber das allgemeine Bestreiten des Beklagten, die Klägerin habe Tätigkeiten allein im begrenzten Umfang erledigt, hingegen nicht nachgewiesen, dass sie vollzeitig tätig gewesen sei, nicht als substantiierter Sachvortrag angesehen werden. Allein die Tatsache, dass der Beklagte während der Arbeitszeit der Klägerin nicht durchgängig im Betrieb anwesend war, vermag hieran nichts zu ändern. Vielmehr handelt es sich um eine vom Arbeitgeber zu regelnde organisatorische Frage, wie er sicherstellt, dass er ausreichende Informationen über den Betriebsablauf erhält (BAG, Urteil vom 17.04.2002 - 5 AZR 644/00 -, DB 02, 1455).

Selbst wenn man also - entgegen dem vorstehend begründeten Standpunkt - mit dem Beklagten davon ausgeht, dass letztlich die Beweislast hier bei der Klägerin liegt, fehlt es jedenfalls an einem ausreichenden substantiierten Bestreiten des Beklagten.

3. Damit kann die Klägerin für die Monate Januar und Februar 2001 Arbeitsvergütung, allerdings ohne die behauptete Verdiensterhöhung, verlangen. Dementsprechend steht ihr jeweils ein Betrag von 7.900,-- DM brutto, entsprechend einem Gesamtbetrag von 8.078,41 € brutto, zu.

V

Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.

C

Mit Rücksicht auf die erfolgte Antragsänderung war der Urteilsausspruch insgesamt - unter Einbeziehung der nicht angegriffenen Verurteilung des Beklagen wegen der Nettovergütung für den Monat September 2000 - neu zu fassen und hierbei die Kostenentscheidung des ersten Rechtszuges unter Berücksichtigung der teilweisen Abänderung des Urteils zu korrigieren. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt die Klägerin unter Berücksichtigung des anteiligen Obsiegens und Unterliegens 2/3, der Beklagte 1/3.

D

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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