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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 1123/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
BGB § 736
HGB § 160
Es ist nicht geboten, die Grundsätze des § 613 a BGB im Wege der Auslegung auf die Nachhaftungsregelung gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB in der Weise anzuwenden, dass unter "begründeten" Forderungen im Sinne des § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB "entstandene" Forderungen im Sinne des § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB zu verstehen sind und damit eine Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters praktisch entfällt (a.A.: LAG Bremen, Urteil vom 24.01.2001 - 2 Sa 167/00 bis 170/00 - n.v.).
Tenor:

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 3) an die Klägerin 7.609,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 516,92 € seit dem 1. eines jeden Monats beginnend ab dem 01.02.2002 bis einschließlich zum 01.08.2002 und auf jeweils 570,09 € ab dem 01.09.2002 bis einschließlich 01.03.2003 zu zahlen, abzüglich am 03.05.2002 geleisteter 50,00 €, am 17.05.2002 geleisteter 175,00 €, am 23.05.2002 geleisteter 100,00 €, am 01.06.2002 geleisteter 100,00 €, am 27.07.2002 geleisteter 250,00 €, am 09.08.2002 geleisteter 831,78 €, am 21.11.2002 geleisteter 500,00 €, am 11.02.2003 geleisteter 150,00 €.

Der Beklagte zu 2) trägt die erst- und zweitinstanzlichen Kosten hinsichtlich der gegen ihn ergangenen Urteile.

Der Streitwert wird auf 5.452,29 € festgesetzt.

Tatbestand: Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner neben den Beklagten zu 1) und 3) auf Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung in Anspruch. Die Klägerin schloss unter dem Datum vom 01.06.2002 einen Berufsausbildungsvertrag mit der W3xx-E3x-S6xxxx B7. W2xxx und N2xxxxxx GbR. Der Vertrag war befristet auf den Zeitraum vom 01.08.2001 bis 31.07.2004. Zum 30.09.2001 trennten sich die Gesellschafter. Der Beklagte zu 2) meldete hinsichtlich seiner Person "wegen ... Austritt als Gesellschafter" das Gewerbe ab; als Namen des künftigen Betriebsinhabers bezog er sich auf den Beklagten zu 1), der seinerseits das Gewerbe auf seinem Namen neu anmeldete. Mit Schreiben vom 06.02.2003 meldete sich eine C1xxxxxxx K3xxxx GmbH, deren "pers. haftender Gesellschafter" eine C1xxxxxxx K3xxxx V2xxxxxxxx-L2x. sein sollte, mit der Maßgabe, sie habe den "Arbeitsbereich der Firma W3xx ... komplett" übernommen. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 28.02.2003 einen Zahlungsanspruch in Höhe von € 7.609,07 brutto abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen in Höhe von € 2.256,78 geltend gemacht. Das erstinstanzliche Verfahren gegen den Beklagten zu 1) endete durch rechtskräftiges Anerkenntnisurteil, das Verfahren gegen den Beklagten zu 3) durch rechtskräftiges Versäumnisurteil. Im Hinblick auf den Beklagten zu 2) hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1) und 3) zu verurteilen, an ihn 7.609,07 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 516,92 € seit dem ersten eines jeden Monats beginnend ab dem 01.02.2002 bis einschließlich 01.08.2002 und aus jeweils 570,09 € ab dem 01.09.2002 bis einschließlich 01.03.2002 abzüglich am 03.05.2002 geleisteter 50,00 €, am 17.05.2002 geleisteter 175,00 €, am 23.05.2002 geleisteter 100,00 €, am 07.06.2002 geleisteter 100,00 €, am 27.07.2002 geleisteter 250,00 €, am 09.08.2002 geleisteter 831,78 €, am 21.11.2002 geleisteter 500,00 €, am 11.02.2003 geleisteter 150,00 €.

Der Beklagte zu 2) hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte zu 2) hat vorgetragen: Die GbR sei mit dem 30.09.2001 beendet worden. Der Betrieb sei nahtlos auf den Beklagten zu 1) übergegangen; deshalb hafte er gemäß § 613 a Abs. 2 BGB nur für Ansprüche, die bis zum 30.09.2001 entstanden seien. Überdies sei die Klägerin - wie auch alle anderen Mitarbeiter - damit einverstanden gewesen, dass nicht er, sondern ausschließlich der Beklagte zu 1) für diese Forderungen aufkomme. Mit Urteil vom 26.08.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu 2) aufgrund eines Betriebsübergangs nicht mehr Arbeitgeber gewesen sei. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe und des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Prozessakten Bezug genommen. Gegen das am 28.05.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Das Arbeitsgericht hätte § 613 a BGB unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Gesichtspunkte falsch ausgelegt. Die Vorschrift gehe davon aus, dass der Arbeitnehmer einen neuen Schuldner erhalte, wenn dieser vielleicht auch dem alten Arbeitgeber unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gleichwertig sei. Im konkreten Fall finde jedoch kein Austausch in der Person des Arbeitgebers statt. Vielmehr verliere sie nur einen Schuldner. Die Auslegung des Arbeitsgerichts verstoße deshalb gegen Art. 3 und Art. 14 GG. Dass der Gesetzgeber derartige Folgen gewollt hätte, sei ausgeschlossen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters einer GbR aus der Gesellschaft führe auch nicht bei einer zweigliederigen Gesellschaft zu einem Betriebsübergang. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Herford vom 30.04.2004 - Aktenzeichen 4 (1) Ca 807/03 - nach den Schlussanträgen I. Instanz zu entscheiden. Der Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte zu 2) verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend. Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte zu 2) haftet für die gegen die GbR vor dem 01.10.2001 begründete Forderung (1.). Das Berufungsgericht kann der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht folgen, der Betrieb der GbR sei gemäß § 613 a BGB auf den Beklagten zu 1) übergegangen (2.). 1. Der Beklagte zu 2) haftet für die Vergütungsansprüche der Klägerin (§ 10 BBiG) gemäß § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Verbindlichkeit der GbR gegenüber der Klägerin war mit dem Abschluss des Ausbildungsvertrags am 01.06.2001 begründet worden. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche waren vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Beklagten zu 2) aus der GbR fällig. Dass Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis eine derartige Verbindlichkeit im Sinne des § 160 HGB darstellen, ist h.M. (vgl. BAG, Urteil vom 27.01.1977 - 3 AZR 189/76 - AP Nr. 1 zu § 128 HGB; zu II 1. d.Gr.; Urteil vom 19.05.2004 - 5 AZR 405/03 - AP 3 zu § 160 HGB; zu I d. Gr.). Ebenso wenig ist zweifelhaft, dass es sich beim Ausbildungsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis im weiteren Sinn handelt (§ 5 Abs. 1 ArbGG). Soweit das LAG Bremen die Ansicht vertritt, § 160 HGB sei unter Anwendung der Grundsätze des § 613 a Abs. 2 BGB für Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis einschränkend auszulegen (Urteil vom 24.01.2001 - 2 Sa 167/00 bis 170/00 - n.v. zu II 2 d. Gr.), überzeugt dies nicht. Gibt es keinen Betriebserwerber (s.u. 2), entfällt jede Grundlage, § 160 HGB im Sinne des § 613 a Abs. 2 BGB restriktiv auszulegen. Dies gilt umso mehr, als § 613 a BGB in erster Linie den Schutz des Arbeitnehmers bezweckt (vgl. ErfK, a.a.O., § 613 a Rn. 2). Es wäre eine unstimmige Rechsfolge, wenn diese Schutznorm zu Gunsten des Arbeitnehmers im Ergebnis dazu führte, dass Arbeitnehmer gegenüber anderen Gläubigern der beendeten GbR, die keinen besonderen gesetzlichen Schutz in Anspruch nehmen können, ganz erheblich benachteiligt würde. 2. Die Haftung des Beklagten zu 2) ist nicht gemäß § 613 a Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Der von den Beklagten zu 1) und 2) unterhaltene Betrieb ist nicht durch Rechtsgeschäft auf den Beklagten zu 1) übergegangen; das gesamte mit dem Betrieb verbundene Gesellschaftsvermögen ist vielmehr ohne jeden Übertragungsakt im Sinne gesellschafts-rechtlicher Gesamtrechtsnachfolge dem Beklagten zu 1) "angewachsen" (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mit der Anwachsung ist für eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Gegenstände des Gesellschaftsvermögens kein Raum, Grundbücher sind gegebenenfalls lediglich zu berichtigen; dies gilt insbesondere auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters von insgesamt zwei Gesellschaftern einer GbR, wenn einer von ihnen das Gesellschaftsvermögen übernimmt (vgl. MK//Ulmer, 4. Aufl. 2004, § 736 Rn. 9, 11); Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl. 2005, § 736 Rn. 4, § 738 Rn. 1; KR/Pfeiffer, 7. Aufl. 2004, § 613 a BGB Rn. 70; APS/Steffan, 2. Aufl. 2004, § 613 a BGB Rn. 50; jeweils m.w.N.). Ein Wechsel des Betriebsinhabers kommt erst dann in Betracht, wenn nach Auflösung der Gesellschaft ein von der Gesellschaft unterhaltener Betrieb auf einen Dritten übertragen wird (vgl. ErfK/Preis, a.a.O., § 613 a Rn. 43). Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Urteil des BGH vom 29.01.2001 - II ZR 331/00 - BGHZ 146, 341. Schon im ersten Absatz der Entscheidungsgründe (zu A Abs. 1) stellt der BGH klar, dass nur die "(Außen-) GbR" Gegenstand der Urteilsfindung ist. Dies wird im nachfolgenden Absatz (A I) bestätigt; in ihm wird ausdrücklich auf den Rechtsverkehr Bezug genommen. Auch die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich, soweit es für diesen Rechtsstreit erheblich ist, nur auf die im folgenden bejahte Fähigkeit der GbR, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, im konkreten Fall auf die Parteifähigkeit im Zivilprozess (zu A II. d.G.). Über das Innenverhältnis der Gesellschafter verhält sich das Urteil des BGH dementsprechend nicht. Die ältere Rechtsprechung, die zum Problem des Ausscheidens von Gesellschaftern einer GbR ergangen ist, hat ihre tragenden Grundlagen keineswegs eingebüßt (vgl. ErfK/Preis, a.a.O., § 613 a Rn. 43). 3. Soweit sich der Beklagte zu 2) erstinstanzlich darauf bezogen hat, die Klägerin sei mit den übrigen Mitarbeitern der ursprünglichen GbR damit einverstanden gewesen, dass nach dem 30.09.2001 nunmehr der Beklagte zu 1) für die Ansprüche der Mitarbeiter einzustehen hätte, ist dies unerheblich. Im Ergebnis hätte eine derartige Erklärung der Klägerin einen Verzicht gegenüber dem Beklagten zu 2) auf ihren Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung dargestellt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG § 397 Abs. 1 BGB). Insoweit handelt es sich um ein Schutzrecht des Auszubildenden, auf das dieser gemäß § 18 Berufsbildungsgesetz nicht wirksam verzichten kann (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.03.1997 - 3 Sa 540/96 - EzB Berufsbildungsgesetz, § 10 Abs. 1 BBiG a.F. Nr. 65; zu Absatz 4 d.Gr.). II. Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens ganz und die Kosten der ersten Instanz insoweit zu tragen, als sie durch die gegen ihn gerichtete Klage angefallen sind, § 91 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Der Streitwert bemisst sich gemäß §§ 3 ff. ZPO. Maßgeblich ist die Höhe der umstrittenen Klageforderung.

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