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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 1434/05
Rechtsgebiete: MuSchG


Vorschriften:

MuSchG § 3 Abs. 1
MuSchG § 11 Abs. 1
MuSchG § 14 Abs. 1
Behauptet der Arbeitgeber gegenüber der schwangeren Arbeitnehmerin, er habe die Bedingungen am Arbeitsplatz, die zuvor mitursächlich für die Erteilung eines Beschäftigungsverbotes gem. § 3 Abs. 1 MuSchG waren, geändert, so ist es nicht die Pflicht der Arbeitnehmerin, sich hiervon vor Ort zu überzeugen und ihren Arzt gegebenenfalls zu unterrichten. Vielmehr muss der Arbeitgeber, der das Beschäftigungsverbot nicht länger gegen sich gelten lassen will, selbst geeignete Maßnahmen treffen, die zu einer erneuten Überprüfung führen. Eventuell anfallende Kosten muss er übernehmen.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 30.06.2005 - 2 (4) Ca 2999/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt während eines ärztlich angeordneten Beschäftigungsverbotes sowie über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Die am 26.04.1966 geborene Klägerin ist seit dem 17.08.2000 bei dem Beklagten als kaufmännische Angestellte zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 2.045,16 Euro bei einer wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt. Die regelmäßige Arbeitszeit lag von 07.00 bis 15.00 Uhr. Der Beklagte betreibt eine Feuerverzinkerei am Standort E1xxxxxxx.

Die Klägerin hatte nach der Geburt eines Kindes im Jahre 2001 Elternzeit in Anspruch genommen, die am 28.07.2004 endete. Zuvor meldete sich die Klägerin bereits mit Schreiben der sie vertretenden Gewerkschaft (Bl. 33 d.A.) vom 12.02.2004 bei dem Beklagten und zeigte ihm gegenüber das Ende der Elternzeit zum vorgenannten Datum an. Darüber hinaus ließ die Klägerin mitteilen, dass sie wegen der Betreuung des Kindes vorschlage, zumindest für einen Übergangszeitraum mit reduzierter Arbeitszeit tätig zu werden, und zwar täglich von 8.00 bis 12.00 Uhr. Der Beklagten war dieser mit einer Reduzierung und Veränderung der Lage der Arbeitszeit nicht einverstanden.

Mitte März 2004 meldete sich die Klägerin nochmals telefonisch bei dem Beklagten und teilte diesem erneut mit, sie könne nicht um 07.00 Uhr morgens nicht mit der Arbeit beginnen. In diesem Telefongespräch wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der Arbeitsplatz nur zu den alten Bedingungen (Arbeitszeiten 07.00 Uhr bis 15.00 Uhr) freigehalten werden könne. Eine schriftliche Bestätigung hierüber erteilte der Beklagte unter dem 01.04.2004 (Bl. 34 d.A.). Zum Hintergrund dieser Bestätigung trägt der Beklagte vor, die Klägerin habe darum gebeten, da sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis selbst zu beenden, weil die Einhaltung der alten Arbeitszeiten wegen der Kinderbetreuung nicht möglich sei.

Ende April 2004 legte die Klägerin gegenüber dem Beklagten eine unter dem 27.04.2004 ausgestellte ärztliche Bescheinigung vor, die eine Schwangerschaft der Klägerin und einen voraussichtlichen Geburtstermin am 22.12.2004 bescheinigt (Bl. 35 d. A.). Tatsächlich wurde das Kind am 03.12.2004 geboren.

Am Donnerstag, den 29.07.2004 erschien die Klägerin zur Arbeitsaufnahme kurz vor 07.00 Uhr an ihrer Arbeitsstelle. Ob sie hierüber noch am 06.07.2004 mit der Ehefrau des Beklagten telefonisch gesprochen hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Klägerin wurde zunächst ein kleines Büro, welches zur Produktionshalle hin ausgerichtet ist, über kein Fenster verfügt sowie mit Emissionen aus der Produktion der Verzinkerei belastet wird, zugewiesen. Es handelt sich um das ehemalige, an die Produktionsräume angrenzende Aktenzimmer der Büroräume ohne Fenster oder Licht von außen.

Am 30.07.2004 fand bei dem Beklagten eine Betriebsbesichtigung des zuständigen Amtes für Arbeitsschutz statt. Dieses beanstandete die vorstehenden Arbeitsbedingungen und setzte sich telefonisch mit dem Beklagten in Verbindung, der über das Wochenende verreist war. Das Amt für Arbeitsschutz forderte den Beklagten hierbei auf, die in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkte Toilettenanlage in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und der Klägerin ein Büro zur Verfügung zu stellen, welches nicht unmittelbar an die Produktionshalle angrenzt. Zugleich informierte das Amt in Person der Mitarbeiterin Frau von der H3x den behandelnden Gynäkologen der Klägerin, Herrn Dr. med. M4. S5xxxxx in E1xxxxxxx (Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe), über ihre Beurteilung des Arbeitsplatzes. Außerdem erläuterte sie gegenüber dem Arzt, dass sie die Klägerin nach Hause schicke und diese sich am Montag, den 02.08.2004 bei ihm in der Praxis vorstelle. Tatsächlich verließ die Klägerin den Arbeitsplatz daraufhin um 12.30 Uhr, obschon sie nach Darlegung des Beklagten an diesem Tag bis 13.00 Uhr hätte arbeiten müssen.

Am 02.08.2004 versuchte der Beklagte die Klägerin telefonisch zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass - so sein Vortrag - ein Bürotausch stattgefunden habe und im Übrigen auch eine ordnungsgemäße Toilette für die Klägerin zugänglich sei. Es gelang dem Beklagten jedoch zunächst nicht, die Klägerin zu erreichen. Daraufhin wandte sich der Beklagte an das Amt für Arbeitsschutz und informierte darüber, dass für die Klägerin ein neues Büro eingerichtet worden sei und eine ordnungsgemäße Toilettenanlage zur Verfügung stehe. Zeitlich anschließend rief die Klägerin den Beklagten an und teilte ihm mit, der behandelnde Arzt habe ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Ob der Beklagte die Klägerin in diesem Gespräch anschließend darauf hinwies, dass am zurückliegenden Wochenende ein Umbau ihres Büros stattgefunden habe und die Toilettenanlage sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 05.08.2004 erhielt der Beklagte von der Klägerin eine Bescheinigung vom 02.08.04 über ein Beschäftigungsverbot bis zum 09.11.2004 (Bl. 8 d. A.), welches wie die Bescheinigung über die bestehende Schwangerschaft der Klägerin von Herrn Dr. S5xxxxx stammt.

Mit Schreiben vom 09.08.2004 unterrichteten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten Herrn Dr. S5xxxxx über die nach Darstellung des Beklagten verbesserte Situation im Betrieb. In diesem Schreiben heißt es hierzu (Bl. 23 f. d. A.):

"Unser Mandant hat zwischenzeitlich gravierende Änderungen in seinem Betrieb vorgenommen. Die Toilettenanlage ist in einen einwandfreien Zustand versetzt worden. Frau T1xxxx-D1xxxxx wurde darüber hinaus ein vollständig neu eingerichtetes Büro zugewiesen, welches nicht an die Produktionshalle angrenzt und im übrigen freien Blich nach außen hat."

Die im Schreiben erbetene Mitteilung darüber, ob gleichwohl noch ein persönliches Beschäftigungsverbot im Sinne des Mutterschutzgesetzes bestehen bleiben solle, beantwortete Dr. S5xxxxx unter Hinweis darauf, dass eine Beurteilung des Arbeitsplatzes am 30.07.2004 durch Frau v2x d6x H3x vom Amt für Arbeitsschutz erfolgt und ein eingehendes Gespräch am 02.08.2004 zwischen dem Arzt und der Klägerin erfolgt sei, woraufhin das persönliche Beschäftigungsverbot bis zum 09.11.2004 ausgestellt wurde. Im Übrigen teilte Dr. S5xxxxx dem Beklagten mit, dass er bei seiner Beurteilung im Hinblick auf das ausgesprochene Beschäftigungsverbot verbleibe (Bl. 25 d.A.).

Mit Schreiben vom 17.08.2004 (Bl. 9 f. d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er das Beschäftigungsverbot nicht anerkenne, weil der behandelnde Arzt es ausgesprochen habe, ohne den zwischenzeitlich veränderten Arbeitsplatz zu kennen. Zugleich forderte der Beklagte die Klägerin auf, die Beurteilung des Dr. S5xxxxx durch Vorlage eines weiteren, ärztlichen Zeugnisses bestätigen zu lassen. Daraufhin stellte sich die Klägerin am 24.08.2004 in der gynäkologischen Ambulanz des Allgemeinen Krankenhauses H4xxx [A3x, A4xxxxxxxxxx L1xxxxxxxxxxxxx der R2xx-U1xxxxxxxxx B1xxxx (S6xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx für Perinatologie und Geburtshilfe-Frauenklinik)] zur Erstellung eines ärztlichen Gutachtens vor und entband den dort untersuchenden Arzt gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten von seiner Schweigepflicht. Im unmittelbar vom AKH an den Beklagten übersandten ärztlichen Gutachten vom 25.08.2004 des Herrn Dr. S7xxxxxxx (Bl. 11 f. d. A.) ist ausgeführt, dass sich die Klägerin in der 23. Schwangerschaftswoche befindet und bei der Klägerin "zweifelsohne eine Risiko-Schwangerschaft" vorliegt. Eine Beurteilung des die Klägerin behandelnden Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. S5xxxxx und das von ihm ausgesprochene Beschäftigungsverbot stehe ihm nicht an; er könne lediglich bestätigen, dass es sich bei der Patientin um eine Risiko-Schwangerschaft handelt. Die näheren Umstände, die zum Aussprechen des Beschäftigungsverbotes geführt haben, seien ihm auch nicht bekannt.

Nachdem der Beklagte auch dieses ärztliche Gutachten nicht anerkannte, teilte er der Klägerin mit Schreiben vom 09.09.2004 (Bl. 13 d. A.) u.a. folgendes mit:

"(...) Aus dem nunmehr vorgelegten Gutachten geht lediglich hervor, dass es sich bei Ihnen um eine Risikoschwangerschaft handelt. Dieser Umstand lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass Sie Ihrer Beschäftigung nicht nachgehen können. Es ist vielmehr weiterhin davon auszugehen, dass Sie gegenüber Herrn Dr. S5xxxxx falsche Angaben zu den psycho-sozialen Umständen gemacht haben. Wir geben daher Gelegenheit, sich nochmals um eine aussagefähige Stellungnahme zu bemühen. Weitergehende Kosten wird unser Mandant allerdings nicht übernehmen."

Bis zur Vorlage einer solchen Stellungnahme werden Sie keine Arbeitsvergütung erhalten. (...)"

Seit August 2004 zahlte der Beklagte an die Klägerin keine Vergütung. Mit Schreiben vom 13.09.2004, 05.10.2004 und 03.11.2004 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Zahlung der jeweils bis dahin aufgelaufenen Vergütungsrückstände auf. Wegen der Einzelheiten dieser Aufforderungsschreiben wird auf die Kopien Bl. 14 - 16 d. A. Bezug genommen.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Hagen am 16.11.2004 eingegangenen Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Zahlung der Vergütung für den Zeitraum 01.08. bis 31.10.2004 in Höhe von 6.135,48 Euro brutto und für die Zeit vom 01.11. bis zum 09.11.2004 einen weiteren Betrag von 650,72 Euro brutto. Außerdem begehrt die Klägerin die Zahlung von 1.005,16 Euro netto für den Zeitraum 10.11. bis 31.12.2004 sowie in Höhe eines weiteren Betrages von 908,51 Euro netto für die Zeit 01.01. bis 16.02.2005 als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld im Hinblick auf den Entbindungstag (03.12.2004).

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie habe einen Anspruch auf Zahlung des sog. Mutterschutzlohnes, weil sie durch die fachärztliche Bescheinigung des Dr. S5xxxxx ein Beschäftigungsverbot nachgewiesen habe. Aufgrund des errechneten Entbindungstermins bestehe der Anspruch für die Zeit ab Beginn des Beschäftigungsverbotes bis zum 09.11.2004 in Höhe von 6.135,48 € brutto (01.08. - 31.10.04) und 650,72 € brutto (01.11. - 09.11.04). Die Klägerin lege ihren durchschnittlichen Arbeitsverdienst von 2.045,16 € monatlich zugrunde, woraus sich ein Tagesverdienst von 92,96 € bei durchschnittlich 22 Arbeitstagen pro Monat ergebe.

Die Angaben zu den Arbeitsbedingungen bei Erteilung des Verbotes seien zutreffend gewesen, da das Amt für Arbeitsschutz diese Bedingungen selbst festgestellt und den Arzt unterrichtet habe. Der Beklagte habe in dem Telefonat vom 02.08.2004 mit keinem Wort erwähnt, dass für sie nunmehr ein neues Büro mit anderer oder instand gesetzter Toilettenanlage zur Verfügung stehe. Da sie nach Erteilung des Beschäftigungsverbotes den Betrieb nicht mehr aufgesucht habe, müsse sie mit Nichtwissen bestreiten, dass überhaupt ein anderes Büro zur Verfügung stehe und der Beklagte jemals die Absicht gehabt habe, ihr einen neuen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, der den Anforderungen der mutterschutzrechtlichen Bestimmungen genüge.

Die Klägerin hat gerügt, der Vortrag des Beklagten sei widersprüchlich, da zunächst eingeräumt worden sei, die Toilettenanlage habe instand gesetzt werden müssen und er anschließend vorgetragen habe, für die Klägerin sei eine andere Toilette in der Nähe des neuen Büros vorgesehen gewesen. Tatsächlich sei die Klägerin am 29.07. bei Arbeitsaufnahme um 6.55 Uhr von der Ehefrau des Beklagten mit den Worten begrüßt worden, man habe ihr "ein kleines Büro eingerichtet". Sie sei durch den Beklagten noch am Morgen des 30.07. angewiesen worden, die (wohl beanstandete) Toilette bei dem Mitarbeiter N2xxxx zu benutzen, welche nur über eine steile Eisentreppe zu erreichen sei. Dort sei die Spülung defekt gewesen. Die Toilette in den eigenen Büroräumen habe sie schon deshalb nicht benutzen dürfen, weil der Beklagte ihr sinngemäß bedeutet habe, dass "sie achtkantig in den Betrieb zurück fliege, sollte sie noch einmal die Schwelle zu den anderen Büros überschreiten".

Die Klägerin hat weiter die Auffassung vertreten, der Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld stehe ihr wegen der unstreitigen Daten zur Entbindung kraft Gesetzes zu, da sie einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Mutterschaftsgeld gegenüber der Krankenkasse habe und in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten stehe. In den letzten drei abgerechneten Monaten sei ein Nettobetrag von 2.974,32 € bei 92 Arbeitstagen ermittelt worden. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Mutterschaftsgeld von 13,00 € und dem täglichen Nettoverdienst betrage also 19,33 € netto. Daraus ergebe sich für die Zeit vom 10.11.04 bis 31.12.04 ein Betrag in Höhe von 1.005,16 € netto und für die Zeit vom 01.01.05 bis 16.02.05 in Höhe von 908,51 € netto.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, 6.135,48 Euro brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, weitere 650,72 Euro brutto und 1.005,16 Euro netto jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, weitere 908,51 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Der Beklagte sei vom Arbeitsantritt der Klägerin am 29.07.2004 überrascht worden, da er davon ausgegangen sei, die Klägerin würde aufgrund der vorherigen Korrespondenz und Telefonate wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht wieder im Betrieb erscheinen. Nach Zusendung der ärztlichen Bescheinigung vom 27.04.2004 über die erneute Schwangerschaft habe der Beklagte von der Klägerin nichts mehr gehört. Aus diesem Grunde habe das ursprüngliche Büro der Klägerin am 29.07.04 nicht zur Verfügung gestanden.

Der Beklagte habe beabsichtigt, die Klägerin ab dem 02.08.04 wieder in ihrem alten Büro einzusetzen, welches über das Wochenende ordentlich habe hergerichtet werden sollen. Die Ortsabwesenheit des Beklagten und seiner Ehefrau am 30.07.04 sei von der Klägerin benutzt worden, das Amt für Arbeitsschutz einzuschalten.

Die Änderungen im Betrieb des Beklagten, die sodann tatsächlich erfolgt seinen, habe man sowohl der Klägerin als auch dem Amt für Arbeitsschutz unverzüglich mitgeteilt. Gleichwohl habe die Klägerin Herrn Dr. S5xxxxx aufgesucht und ihm gegenüber den ursprünglichen Zustand ihres Arbeitsplatzes beschrieben. Demgemäß habe Dr. S5xxxxx die veränderte Situation des Beklagten unberücksichtigt gelassen. Der Beklagte müsse daher davon ausgehen, dass das Beschäftigungsverbot aufgrund falscher Angaben der Klägerin gegenüber Dr. S5xxxxx zustande gekommen sei. Spätestens ab dem 17.08.2004/18.08.2004 habe die Klägerin wissen können, dass sie ordnungsgemäße Arbeitsbedingungen bei dem Beklagten vorfinden könne.

Damit sei der Beweiswert des ärztlichen Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 erschüttert; das Gutachten des AKH vom 25.08.2004 sei nicht aussagekräftig. Aus diesem Grunde bestehe keine Vergütungszahlungspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin.

Das Arbeitsgericht Hagen hat der Klage durch Urteil vom 30.06.2005 - 2 (4) Ca 2999/04 - im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, dass dem von Herrn Dr. S5xxxxx erteilten Beschäftigungsverbot der von der Rechtsprechung geforderte Beweiswert zukomme und es dem Beklagten nicht gelungen sei, diesen zu erschüttern. Da der Beklagte sich letztendlich gegenüber der Klägerin geweigert habe, Kosten für eine weitere Untersuchung zu tragen, sei diese allen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Aufgrund des nach wie vor beweiskräftigen Beschäftigungsverbotes seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Vergütung in Form des sog. Mutterschutzlohnes gegeben.

Auch schulde der Beklagte den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Bedenken gegen die Anwendung der gesetzlichen Regelung bestünden auch vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Fragen nicht.

Gegen dieses Urteil, seinen Prozessbevollmächtigten am 13.07.2005 zugestellt, wehrt sich der Beklagte mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht am 19.07.2005 eingegangenen und begründeten Berufung.

Er trägt vor:

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Beweiswert des Beschäftigungsverbotes des Herrn Dr. S5xxxxx sei nicht erschüttert. Der Beklagte gehe nach wie vor davon aus, dass die Klägerin schon während des Arztbesuches am 02.08.04 davon wusste, dass es sich bei dem Büro, welches ihr bei Arbeitsaufnahme am 29.07.04 zugewiesen worden sei, lediglich um ein Provisorium gehandelt habe. Selbst wenn ihr das nicht bekannt gewesen wäre, sei sie durch das anwaltliche Schreiben vom 17.08.2004 davon in Kenntnis gesetzt worden. Spätestens hierdurch sei die Pflicht ausgelöst worden, den betreuenden Arzt hiervon zu unterrichten. Hätte die Klägerin dieser Pflicht genügt, wäre das Verbot aufgehoben worden (Beweis: Zeugnis Dr. S5xxxxx). Die Klägerin handele eklatant treuwidrig, wenn sie ihren Arzt nicht von den veränderten Umständen unterrichte und sich gleichwohl auf das Beschäftigungsverbot berufe.

Der Arzt habe darauf vertrauen dürfen, welche Angaben ihm die Klägerin gemacht habe. Da diese bewusst unvollständig gewesen seien und der Arzt sich selbst kein Bild von den Arbeitsbedingungen gemacht habe, komme der Bescheinigung der an sich hohe Beweiswert keinesfalls zu.

Schließlich habe die Klägerin in einem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten am 08.09.2004 erklärt, weniger die äußeren Arbeitsbedingungen als vielmehr Mobbingattacken des Beklagten seien der Grund gewesen, den Arzt aufzusuchen.

Richtig sei, dass der Beklagte sich geweigert habe weitere Kosten für die Einholung eines dritten Attestes zu übernehmen. Es könne nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein, einem offensichtlich pflichtwidrigem Verhalten seines Arbeitnehmers auf seine Kosten entgegenzuwirken oder andernfalls offensichtlich falsche Atteste gegen sich wirken zu lassen. Das habe nicht mit Mutterschutz zu tun.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 30. Juni 2005 - 2 (4) Ca 2999/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und weist auch im Berufungsverfahren darauf hin, dass sie bis zur anwaltlichen Mitteilung vom 17.08.2004, deren Inhalt sie im Hinblick auf die mitgeteilten Tatsachen nach wie vor bestreite, keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass sie in einem anderen Büro untergebracht werden sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten (§§ 66 Abs. 1 Satz 1; 64 Abs. 6 ArbGG, 516 ff. ZPO) hat keinen Erfolg, da der Klägerin Ansprüche auf Zahlung des Durchschnittsverdienstes für die Dauer des ärztlich verordneten Beschäftigungsverbotes gem. § 11 Abs. 1 S.1 i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG in unstreitiger Höhe von 6.786,20 € brutto (6.135,48 € zzgl. 650,72 €) - s.u. I. - und Ansprüche auf Zahlung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld gem. § 14 Abs. 1 S. 1 MuSchG in ebenso unstreitiger Höhe von 1913,67 € netto (1005,16 € zzgl. 908,51 €) - s.u. II. - zustehen.

I.

Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung des Durchschnittsverdienstes der letzten dreizehn Wochen - der Höhe nach zwischen den Parteien auch im Berufungsverfahren unstreitig - gem. § 11 Abs. 1 S. 1 MuSchG liegen für die Zeit ab Erteilung des Beschäftigungsverbotes durch Herrn Dr. S5xxxxx, also ab Beginn des Monats August 2004 vor. Dabei ist es unerheblich, dass dieses Beschäftigungsverbot am 02.08.2004 und nicht am Monatsersten erteilt worden ist, da die Klägerin am 01.08.2004 wegen des Sonntages streitlos keine Arbeitsleitung zu erbringen hatte.

A.

Gemäß § 11 Abs. 1 MuSchG hat eine schwangere Frau, die gem. § 1 Ziffer 1 MuSchG Arbeitnehmerin ist, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie u.a. wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt.

Diese Voraussetzungen liegen vor:

a.

Streitlos steht die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten als kaufmännische Angestellte. Beendigungstatbestände sind weder von den Parteien vorgetragen noch sonst aus dem unstreitigen Vorbringen ersichtlich.

b.

Ebenso unstreitig ist, dass die Klägerin während des hier in Frage stehenden Zeitraumes schwanger war, wie sich aus der überreichten Kopie der Bescheinigung des Arztes Dr. S5xxxxx vom 27.04.2004 zweifelsfrei ergibt.

c.

Die Klägerin konnte Mutterschaftsgeld im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 MuSchG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht beziehen, da sich dieser Anspruch gegen die Krankenkasse auf die Dauer der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 MuSchG bzw. § 6 Abs. 1 MuSchG beschränkt, vgl. § 200 Abs. 2 und Abs. 3 RVO.

d.

Die Klägerin hat schließlich wegen Erteilung des Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 völlig mit ihrer Arbeit ausgesetzt. Nach Ansicht der Berufungskammer war das von Herrn Dr. S5xxxxx erteilte Beschäftigungsverbot kausal ("wegen") für die Nichterbringung der Arbeitsleistung der Klägerin, insbesondere ist der ihr zukommende hohe Beweiswert nicht erschüttert.

Schließlich wirkt das Beschäftigungsverbot auch fort, da es weder abgeändert noch aufgehoben worden ist.

aa.

Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kommt es für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht darauf an, ob vom Arbeitsplatz als solchen, also der spezifischen Tätigkeit, Gefahren für die Schwangere ausgehen und ob solche Gefahren auch für andere Schwangere bestehen würden. Maßgeblich ist allein der individuelle Gesundheitszustand der am konkreten Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmerin. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet. Dabei ist unerheblich, auf welcher genauen Ursache die Gefährdung beruht (BAG, Urteil vom 11.11.1998, 5 AZR 49/98, AP zu § 3 MuSchG 1968 Nr. 12 = BAGE 90, 125 m. w. N.; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 , 5 AZR 443/01, NZA 2004, 257; BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99, AP zu § 3 MuSchG 1968 Nr. 16).

Neben diesen in der Person der schwangeren Mitarbeiterin liegenden Faktoren ist darüber hinaus zu bedenken, dass den Arbeitgeber besondere Pflichten im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren Frau treffen, wie § 2 Abs. 1 - 3 MuSchG und auch § 4 Ziffer 6 ArbSchG beschreiben.

Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG nach ärztlichem Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99 aaO.; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002, 5 AZR 443/01 aaO; Schliemann/König NZA 1998, Seite 1030, 1032 m. w. N.). Ein Arzt, der ein ärztliches Beschäftigungsverbot verhängt, weil er bei der weiteren Beschäftigung der Schwangeren das Leben oder die Gesundheit der Mutter oder des Kindes gefährdet sieht, muss diese Entscheidung in eigener Verantwortung treffen. Die Erhebung der Befunde und deren Bewertung ist Aufgabe des Arztes. Das Gericht wird das nachvollziehbare Urteil eines Arztes weitgehend zu respektieren haben. Die fachliche Kompetenz entbindet den Arzt aber nicht von der Pflicht, seine Entscheidung mit großer Sorgfalt zu treffen. Er hat alle Umstände abzuwägen und verantwortlich zu entscheiden, ob die Schwangere mit der Arbeit aussetzen muss, um sie oder ihr Kind vor andernfalls zu befürchtenden Schäden zu schützen. Hierbei muss dem Arzt ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden. Er muss eine Prognose abgeben, kann also seine Entscheidung nie mit letzter Sicherheit treffen. Gleichwohl darf der Arzt nicht leichtfertig handeln. Dabei hat der Arzt zu entscheiden, ob er das Beschäftigungsverbot überhaupt erteilt, ob er es nur vorübergehend erteilt oder für die gesamte Zeit bis zur Entbindung.

Geht der Arzt so vor, so hat seine Bescheinigung, mit der er ein Beschäftigungsverbot erteilt, einen hohen Beweiswert. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und damit zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung (BAG, Urteile vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 und 5 AZR 588/00 bei juris, jeweils mit weiteren Nachweisen; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 ,5 AZR 443/01 aaO).

Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG anzweifelt, kann vom ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest verlangen, soweit diese nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt hat dem Arbeitgeber mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist. Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiv begründbarer Zweifel nicht gegen sich gelten lassen, kann er eine weitere, ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin verlangen. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der dem Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt (vgl. BAG, Urteil vom 31.07.1996, 5 AZR 474/95 aaO.; BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99 aaO; BAG, Urteil vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO).

Bestehen Zweifel an einem Beschäftigungsverbot, ist es dem Arbeitgeber unbenommen, unabhängig von einer neuerlichen Untersuchung Umstände vorzutragen, die dem Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern. Der Ausspruch des Beschäftigungsverbotes stellt keine Bedingung des Anspruchs in der Form dar, dass Einwendungen hiergegen nicht (mehr) möglich sind, sondern dient nur als Beweismittel für das Vorliegen des Beschäftigungsverbotes; als Beweismittel kann die ärztliche Bescheinigung durch anderweitige Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden. Ein erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers wäre etwa, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Ausspruch des Verbotes ausschlaggebend gewesen sein, unzutreffend beschrieben.

Der Beweiswert eines zunächst nicht eher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes ist ferner erschüttert, wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus welcher hervorgeht, von welchen Arbeitsbedingungen der Arzt beim Ausspruch des Beschäftigungsverbotes ausgegangen ist und welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen. Solche Angaben sind vor dem Hintergrund der erheblichen finanziellen Folgen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes für den Arbeitgeber erforderlich. Solche Angaben verletzen nicht das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin. Vom Arzt wird nämlich nicht die Mitteilung des medizinischen Befundes verlangt, sondern die Angabe der Verhaltensanordnung, die er der Arbeitnehmerin auf der Grundlage seiner Untersuchung erteilt hat. So muss der Arzt auf Nachfrage beispielsweise mitteilen, ob und inwieweit die Arbeitnehmerin Arbeiten sitzend oder stehend verrichten soll und ob sie körperlich belastende Arbeiten verrichten kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO). Nach Auffassung der Berufungskammer bedarf es dieses umfassenden Inhalts der ärztlichen Bescheinigung aber nicht, wenn die Umstände, die zum Beschäftigungsverbot geführt haben, ihren Schwerpunkt im betrieblichen Geschehen haben, da diese Tatsachen in den Kenntnisbereich des Arbeitgebers fallen.

In jedem Fall trägt der Arbeitgeber das Risiko dafür, das Gericht von der Unrichtigkeit des ärztlichen Beschäftigungsverbotes überzeugen zu müssen (BAG, Urteil vom 31.07.1996, 5 AZR 474/95, aaO.).

Erst wenn der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert ist, steht nicht mehr fest, dass die Arbeitnehmerin im Sinne von § 11 Abs. 1 MuSchG "wegen eines Beschäftigungsverbotes" mit der Arbeit ausgesetzt hat (BAG vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO); es fehlt dann die vom Gesetz geforderte Kausalität mit der Folge, dass die Arbeitnehmerin ihren Anspruch auf die Arbeitsvergütung verliert, da sie ihrerseits die Arbeitsleistung nicht erbracht hat; § 320 Abs. 1 S.1 BGB i.V.m. § 611 BGB. Etwas anderes gilt dann wieder, wenn die Arbeitnehmerin die diese Kausalität begründenden Tatsachen dann anderweitig darlegen und beweisen kann (BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 ,5 AZR 443/01 aaO).

bb.

Ausgehend hiervon gilt vorliegend Folgendes:

Die Erteilung des Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 durch Herrn Dr. S5xxxxx erfolgte mit der geboten Sorgfalt. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass durch den unmittelbaren Kontakt des Amtes für Arbeitsschutz mit Herrn Dr. S5xxxxx die Arbeitsbedingungen feststanden, die für die Klägerin zumindest noch am 30.07.2004 maßgeblich waren und dass diese Arbeitsbedingungen insbesondere im Hinblick auf § 2 Abs. 1 - 3 MuSchG eine Beschäftigung der Klägerin nicht erlaubten. Eine größere Sorgfalt, als den Ausführungen des Amtes für Arbeitsschutz zu folgen, konnte der behandelnde Arzt nicht anwenden, da es sich bei dieser Behörde um die für die Durchführung des Arbeitsschutzes sowohl gem. § 21 Abs. 1 ArbSchG als auch nach § 20 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits- und technischen Gefahrenschutzes (ZustVO-ArbtG) zuständige Behörde handelt. Diesen Tatsachen ist der Beklagte auch nicht entgegengetreten, sondern hat vielmehr selbst eingeräumt bzw. vorgetragen, dass der Klägerin beginnend ab dem 02.08.04 ein neues Büro sowie eine instand gesetzte (oder andere) Toilette zur Verfügung stehen würde.

Herr Dr. S5xxxxx hat an dem von ihm ausgestellten Beschäftigungsverbot unter Hinweis auf die Beurteilung des Arbeitsplatzes am 30.07.2004 durch das Amt für Arbeitsschutz sowie ein eingehendes Gespräch zwischen ihm und der Klägerin am 02.08.2004 festgehalten; und zwar auch auf das Schreiben des Beklagten vom 09.08.2004 mit den darin enthaltenen Hinweisen auf den ordnungsgemäßen hygienischen Zustand der Toilettenanlage sowie die Zuweisung eines anderen Büros. Er hat ausdrücklich seine Beurteilung und das ausgesprochene Beschäftigungsverbot trotz Nachfrage des Beklagten aufrechterhalten und dadurch seiner Informationspflicht genügt.

Im Hinblick auf die dem Beschäftigungsverbot zugrunde liegenden Tatsachen ist der Beweiswert des ärztlichen Beschäftigungsverbotes auch nicht dadurch erschüttert, dass die Klägerin - wie der Beklagte vorgetragen und die Klägerin nicht bestritten hat - in dem dem Beschäftigungsverbot zugrunde liegenden Gespräch zwischen ihr und Dr. S5xxxxx am 02.08.2004 die Arbeitsbedingungen schilderte, die sich ihr noch am 30.07.2004 dargeboten haben. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Zeitpunkt dieses Gesprächs mit Dr. S5xxxxx keinen anderen Kenntnisstand bezüglich ihres Arbeitsplatzes hatte. Schon nach eigenem Vortrag des Beklagten hat dieser die Klägerin erst im Laufe des 02.08.2004, nachdem die Klägerin bereits den Arzt aufgesucht und dieser das Beschäftigungsverbot erteilt hatte, über die - seiner Darlegung nach erfolgten - Änderung der Arbeitsbedingungen informieren können. Demgemäß hat die Klägerin in dem Gespräch mit Dr. S5xxxxx nur diejenigen Arbeitsbedingungen mitteilen können, die bis zu diesem Zeitpunkt ihrer Kenntnis nach vorlagen. Danach hat die Klägerin gegenüber dem sie behandelnden Arzt keine unzutreffenden Arbeitsbedingungen beschrieben, indem sie die Lage und Ausstattung des Büros und den Zustand der Toilettenanlage vom 30.07.2004 schilderte.

Von dieser Tatsachenlage hatte die Berufungskammer auszugehen, da der Beklagte nur andeutungsweise angesprochen, quasi unterstellt hat, der Klägerin sei bewusst gewesen, dass sie nach dem Wochenende ein anderes Büro gestellt bekommen würde. Wie bereits festgestellt, ist der erste vom Beklagten substantiiert geschilderte Zeitpunkt seiner vorgetragenen Information an die Klägerin das Telefonat am 02.08.2004, als nämlich die Klägerin den Beklagten nach dem Arztbesuch anrief und ihn über das erteilte Beschäftigungsverbot unterrichtete.

Nach alledem hat das Beschäftigungsverbot im Sinne des § 3 Abs. 1 MuSchG den hohen Beweiswert, der ihm nach der Rechtsprechung zukommt; ebenso ist dieser Beweiswert nicht erschüttert.

cc.

Das Beschäftigungsverbot wirkt auch fort, da es zu keinem Zeitpunkt abgeändert oder aufgehoben worden ist.

Einziger Anhaltspunkt hierfür ist die weitere, von der Klägerin dokumentierte ärztliche Untersuchung in Form des ärztlichen Gutachtens vom 25.08.2004 des AKH. Dieses führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis:

Der untersuchende Arzt hat festgestellt, dass bei der Klägerin eine Risikoschwangerschaft besteht. Er hat sich zu den tatsächlichen Grundlagen des von Dr. S5xxxxx erteilten Beschäftigungsverbotes nicht geäußert und darauf hingewiesen, dass die näheren Umstände, die zum Aussprechen des Beschäftigungsverbotes geführt haben, ihm auch nicht bekannt seien.

Damit ist weder ein neues, selbstständiges Beschäftigungsverbot erteilt worden, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, noch ist das ursprüngliche Beschäftigungsverbot in Zweifel gezogen worden.

Dieses ärztliche Gutachten des AKH ist auf Veranlassung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgt, nachdem die Klägerin den Gutachter gegenüber den Rechtsanwälten des Beklagten von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hatte. Wenn nunmehr das von dem beklagten Arbeitgeber veranlasste und zum Zwecke der Erschütterung des Beweiswertes des bereits erteilten ärztlichen Beschäftigungsverbotes veranlasste weitere ärztliche Gutachten im Ergebnis für die Frage der Erforderlichkeit bzw. Berechtigung eines Beschäftigungsverbotes im Sinne von § 3 Abs. 1 MuSchG unergiebig ist, so trägt nach den vorgenannten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Arbeitgeber dieses Risiko, denn ihm obliegt es, den Beweiswert des durch Vorlage einer ordnungsgemäß erlangten ärztlichen Bescheinigung nachgewiesenen Beschäftigungsverbotes durch die Arbeitnehmerin zu erschüttern (BAG, Urteil vom 13.02.2002 aaO mit zahlreichen Nachweisen).

B.

Der Klägerin ist es auch nicht verwehrt, sich auf das erteilte Beschäftigungsverbot zu berufen.

Zwar geht der Beklagte zutreffend davon aus, dass jedes Recht nur so ausgeübt werden darf, wie es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es gebieten, vgl. § 242 BGB. Insbesondere kann derjenige sich nicht auf Vertragstreue der anderen Partei berufen, der sich selbst vertragswidrig verhält. Hierauf stützt sich der Beklagte, indem er die Auffassung vertritt, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, den Arzt von den (vom Beklagten behaupteten) geänderten Arbeitsbedingungen zu unterrichten.

a.

Die Berufungskammer geht aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht davon aus, dass es in der vorliegenden Konstellation eine Mitwirkungspflicht der Klägerin gibt, nunmehr ihrerseits dem behandelnden Arzt auf neue, zum Zeitpunkt der Erteilung des Beschäftigungsverbotes nicht bekannte Tatsachen zu den äußeren Arbeitsbedingungen hinzuweisen.

Anders, als in den bislang zur Frage der Mitwirkungspflichten der schwangeren Arbeitnehmerin entschiedenen Streitfällen (BAG, Urteil vom 13.02.2002 mit zahlreichen Nachweisen aaO), geht es vorliegend nicht um Fragen im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverbot, die ausschließlich in der Person der Klägerin liegen, wie z.B. die Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit gem. § 3 Abs 1 EFZG und Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 1 MuSchG. Vielmehr lagen Ursachen für die Erteilung des Beschäftigungsverbotes zumindest auch in der betrieblichen Sphäre des Beklagten begründet, der zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin am 29.07.2004 streitlos wusste, dass sie schwanger war und daher die gesetzliche Pflicht u.a. aus § 2 MuSchG hatte, der Klägerin entsprechende Arbeitsbedingungen anzubieten. Daran ändert auch seine - bestrittene - Behauptung nichts, von der Aufnahme der Arbeit am 29.07.2004 überrascht worden zu sein, da die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt diese Arbeitsaufnahme angekündigt und jedenfalls nicht ausdrücklich davon abgerückt war. Im übrigen steht die Verpflichtung aus § 2 MuSchG nicht unter der Voraussetzung einer Ankündigung der Arbeitsaufnahme durch die schwangere Arbeitnehmerin.

Die Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmerin so weit zu fassen, wie der Beklagte es sehen will, hieße von der Klägerin zu verlangen, sich selbst ein Bild von den Änderungen ihrer maßgeblichen Arbeitsbedingungen zu machen, also den Betrieb nach entsprechendem Hinweis des Beklagten aufzusuchen. Denn allein die schriftliche Mitteilung trifft keine letzte Aussage über die vor Ort anzutreffenden Bedingungen. Hierzu war die Klägerin aber schon deswegen nicht verpflichtet, weil sie nicht die Ursache für den Abbruch der Arbeit am 30.07.2004 gesetzt hat.

Dass sich zwischenzeitlich die Arbeitsbedingungen nach dem Vortrag des Beklagten geändert haben sollen, führt auch nach Auffassung der Berufungskammer - worauf auch das Arbeitgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat - dazu, dass der Arbeitgeber die sich nach der Änderung ergebenden Arbeitsbedingungen detailliert dem das Beschäftigungsverbot ausstellenden Arzt mitteilen und ihn dazu auffordern muss, seinerseits mitzuteilen, ob er unter Zugrundelegung der geänderten Arbeitsbedingungen an dem ursprünglich ausgesprochenen Beschäftigungsverbot festhalten wolle. Hierzu hätte der Beklagte sich dann wieder der weiteren Mitwirkung des Amtes für Arbeitsschutz vergewissern können, da von dort ein erheblicher Beitrag im Rahmen der Erteilung des Beschäftigungsverbotes geleistet worden war.

Wenn auch der Beklagte unter dem 09.08.2004 Dr. S5xxxxx mitgeteilt hat, dass zwischenzeitlich Änderungen im Betrieb des Beklagten erfolgt seien (so sei die Toilettenanlage in einen einwandfreien Zustand versetzt worden; der Klägerin sei ein vollständig neu eingerichtetes Büro zugewiesen worden, welches nicht an die Produktionshalle angrenze und im Übrigen einen freien Blick nach außen habe), so bestehen jedoch erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Substantiiertheit der vom Beklagten gegenüber dem Arzt mitgeteilten geänderten Arbeitsbedingungen. Es erscheint fraglich, ob der ein Beschäftigungsverbot aussprechende und nun zur Überprüfung desselben angehaltene Arzt aufgrund derartig allgemein gehaltener Mitteilungen über die Bedingungen am Arbeitsort nunmehr in die Lage versetzt wird, das erteilte Beschäftigungsverbot einer sachgerechten, kritischen und ggf. abhelfenden Überprüfung zu unterziehen. Vielmehr hätte der Beklagte die konkreten Arbeitsbedingungen nach Raumgröße, konkreter Lage, Belüftungs- und Belichtungsbedingungen sowie den konkreten Zustand der instand gesetzten Toilettenanlage mitteilen müssen und über die von ihm behaupteten Änderungen eine Bestätigung des Amtes für Arbeitsschutz verlangen und vorlegen können. So hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.11.1998, 5 AZR 49/98 (NZA 1999, S. 763) ausdrücklich entschieden, dass in den Fällen, in denen der Arbeitgeber oder die zuständige Stelle die gebotene fachkundige Überprüfung der Unbedenklichkeit des Arbeitsplatzes einer schwangeren Arbeitnehmerin nicht vornimmt und ernstzunehmende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass vom Arbeitsplatz Gefahren für Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind ausgehen können, der Arzt bis zu einer Klärung ein vorläufiges Beschäftigungsverbot aussprechen darf. Hierzu ist dem Vortrag des Beklagten nur zu entnehmen, er habe das Amt in Kenntnis gesetzt. Eine erneute fachkundige Begutachtung des Arbeitsplatzes nach den streitlosen Beanstandungen des Amtes für Arbeitsschutz am 30.07.2004 hat der Beklagte gerade nicht behauptet.

Allerdings kann letztlich die Frage nach den Anforderungen an die von dem Beklagten geforderte Mitteilung der Arbeitsbedingungen gegenüber Dr. S5xxxxx offen gelassen werden, da dieser ausdrücklich unter Hinweis auf die seinem ärztlichen Beschäftigungsverbot zugrunde gelegten Befunde an dem seinerzeit ausgesprochenen Beschäftigungsverbot festhielt und dem Beklagten anheim stellte, gegebenenfalls durch einen anderen Arzt eine weitere ärztliche Untersuchung bei der Klägerin durchführen zu lassen, womit Dr. S8xxxxx die Änderung/Aufhebung des Beschäftigungsverbotes ablehnte.

b.

Die Klägerin war auch im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten nicht gehalten, sich nach der zweiten Untersuchung im AKH mit der hieraus resultierenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25.08.2004 einer weiteren Untersuchung zu stellen, was der Beklagte durch Schreiben vom 09.09.2004 zur Voraussetzung für die Zahlung der Arbeitsvergütung gemacht hat. In diesem Schreiben hat der Beklagte der Klägerin lediglich die Gelegenheit eingeräumt, sich nochmals um eine aussagefähige Stellungnahme zu bemühen, allerdings zugleich darauf hingewiesen, dass weitergehende Kosten von dem Beklagten nicht übernommen würden.

Zwar kann ein Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot nicht gegen sich gelten lassen will, eine weitere ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin mit der Folge verlangen, dass diese diesem Begehren angesichts der den Arbeitgeber durch ein Beschäftigungsverbot treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen hat, wenn er ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt (BAG, Urteil vom 31.07.1996, 5 AZR 474/95 = BAGE 84, 1, 6; BAG, Urteil vom 21.03.2001, aaO). Allerdings ist in der Rechtsprechung, der die Berufungskammer folgt, anerkannt, dass der Arbeitgeber dann verpflichtet ist, die Kosten einer entsprechenden Untersuchung zu tragen hat (BAG, Urteil vom 05.03.1957, 1 AZR 72/55, AP zu § 10 MuSchG Nr. 1 mit Anmerkung von Bulla; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht - ErfK - Schlachter, 5. Auflage 2005, § 3 MuSchG Rn. 13; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, Mutterschutzgesetz, 8. Auflage 1999, § 3 MuSchG Rn. 16; Gröninger/Thomas MuSchG 40. Erg. 2006, § 3 Rdnr. 29 m. w. N.). Dabei ist noch zu bedenken, dass der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 05.03.1957 aaO ein Fall zugrunde lag, in welchem es auch wieder um die Abgrenzung Arbeitsunfähigkeit/Beschäftigungsverbot ging und nicht um Fragen der Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz. Nach Auffassung der Berufungskammer rechtfertigt das einen sog. 'Erst-Recht-Schluss': liegen wesentliche Ursachen des Beschäftigungsverbotes in der betrieblichen Sphäre begründet, so muss der Arbeitgeber erst recht auf seine Kosten agieren, wenn er sich am Beschäftigungsverbot nicht festhalten lassen will.

Diese Auffassung der Kammer wird auch durch die nachstehende Überlegung gestützt: Das Verlangen an die Klägerin nach einer weiteren Untersuchung ohne Kostenübernahme durch den Beklagten im Schreiben vom 09.09.2004 überträgt das Kostenrisiko für die den Arbeitgeber obliegende Erschütterung des ärztlichen Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 durch Dr. S5xxxxx auf die Klägerin. Hierdurch könnte der Arbeitgeber, der mit dem Ergebnis einer bereits zum ausgesprochenen Beschäftigungsverbot durchgeführten ärztlichen Untersuchung nicht einverstanden ist und die Zahlung der Arbeitsvergütung verweigert, mit Kostenbelastung für die Arbeitnehmerin weitere ärztliche Stellungnahmen einholen (lassen) und die Arbeitnehmerin auf diese Weise mit erheblichen Kostenfolgen zur weiteren Darlegung der Voraussetzungen eines Beschäftigungsverbotes nötigen, obwohl dieses Beschäftigungsverbot bereits durch eine erste ärztliche Bescheinigung durch die Arbeitnehmerin erbracht wurde. Parallel dazu wird durch Nichtzahlung der Vergütung die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen, zumindest aber gefährdet. Dass das nicht mit dem Schutzgedanken des MuSchG, insbesondere in § 11 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG zu vereinbaren ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.

C.

Zusammenfassend hat der Beklagte also das Vorliegen des ärztlichen Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 weder durch eine Behauptung, die Klägerin habe gegenüber dem Arzt für das zugrunde gelegte Beschäftigungsverbot falsche Angaben über ihre Arbeitsbedingungen gemacht, noch durch die weitere vom Arbeitgeber veranlasste ärztliche Untersuchung der Klägerin erschüttert, weshalb es nach den oben dargestellten Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast bei dem hohen Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung bezüglich des Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 verbleibt. Auch handelt die Klägerin nicht gem. § 242 BGB treuwidrig, wenn sie sich auf das Beschäftigungsverbot beruft mit der abschließenden Folge, dass die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wegen des Verbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG suspendiert und der Beklagte gem. § 11 Abs. 1 MuSchG zur Zahlung der durchschnittlichen Vergütung - der Höhe nach unstreitig - verpflichtet ist.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Zahlung von 1913,67 € netto (1005,16 € zzgl. eines weiteren Betrages von 908,51 €) gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG, sog. Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

A.

Dieser Anspruch der Klägerin gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen 13,00 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.06.2002 (BGBl. I, Seite 2318) ist gegeben, weil die Klägerin unstreitig einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1, 2 Satz 1 - 4 und Abs. 3 RVO hat. Die Dauer dieses Anspruchs aus § 14 Abs. 1 MuSchG erstreckt sich während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses auf die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG sowie auf den Entbindungstag. Dabei ist das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG zu berechnen:

Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis bestand (und besteht) für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 10.11. bis zum 31.12.2004 sowie vom 01.01. bis zum 16.02.2005 ungekündigt fort. Wegen der konkreten Höhe des begehrten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld wird auf die von der Klägerin vorgenommenen Berechnungen in den Schriftsätzen vom 18.01.2005 (Bl. 40 f. d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 21.02.2005 (Bl. 60 f. d. A.) Bezug genommen, deren Richtigkeit der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht bestritten hat.

B.

Das Arbeitsgericht hat die Vorschrift des § 14 Abs. 1 MuSchG zutreffend als Anspruchsgrundlage für anwendbar erachtet.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18.11.2003 (1 BvR 302/96, NZA 2004, S. 33 ff) diese Norm für unvereinbar mit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht der Berufsfreiheit und damit für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber in dieser Entscheidung unter D. der Gründe ausdrücklich ausgeführt, dass § 14 Abs. 1 S. 1 MuSchG nicht im Sinne des § 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG als nichtig erachtet wird mit der Folge, dass diese Vorschrift bis zu einer vom BVerfG geforderten gesetzlichen Neuregelung anzuwenden ist. Der Verpflichtung zur Neuregelung ist der Gesetzgeber nachgekommen: Da das Bundesverfassungsgericht seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 14 Abs. 1 S. 1 MuSchG mit der seinerzeitigen Ausgestaltung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld begründet und dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 31.12.2005 gegeben hatte, wurde das Umlageverfahren zur Finanzierung dieses Zuschusses den Vorgaben des verfassungsgerichtlichen Urteils angepasst und durch Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (AufAG) vom 22. Dezember 2005, BGBl I 2005, 3686, in Kraft seit dem 1.1.2006, neu geregelt.

In jedem Falle verbleibt es für den hier streitgegenständlichen Zeitraum bis zur Neuregelung Ende des Jahres 2005 bei dem bisherigen Recht (BAG vom 25.02.2004, 5 AZR 160/03, NZA 2004, Seite 537 zu I.1. der Gründe).

III.

Die von der Klägerin geltend gemachten Zinsansprüche - jeweils seit Rechtshängigkeit der Zahlungsansprüche - folgen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

IV.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung als unterlegene Partei zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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