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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 2073/05
Rechtsgebiete: MuSchG


Vorschriften:

MuSchG § 3
MuSchG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.09.2005 - 4 Ca 2814/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Der Streitwert wird auf 7.990,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Mutterschutzlohn.

Die am 22.10.1974 geborene Klägerin ist seit dem 07.09.1998 bei der Beklagten als Bürokraft zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.700,00 EUR beschäftigt. Die Parteien schlossen einen schriftlichen Arbeitsvertrag unter dem 28.08.1998 (Blatt 3, 4 der Akte).

Unter dem Datum vom 10.01.2005 stellten die die Klägerin behandelnden Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe D2xxxx und W4xxxxxxx eine ärztliche Bescheinigung "zur Vorlage beim Arbeitgeber" aus. Darin heißt es, es bestehe eine gefährdete Schwangerschaft, weswegen ein totales Beschäftigungsverbot zunächst bis zum 07.02.2005 ausgesprochen werde. In dieser Bescheinigung ist auch eine Rubrik vorgesehen, die sich auf anzugebende Tätigkeiten bezieht, die die Klägerin nicht ausführen dürfe. Das hierfür vorgesehene Feld ist nicht ausgefüllt. Auf die Kopie Bl. 6 d.A. wird Bezug genommen. Es folgten weitere Bescheinigungen bis zum 29.05.2005 unter Verwendung eines identischen Vordrucks. Weitergehende Angaben enthielt auch die weitere Bescheinigung vom 09.05.2005 nicht (Bl. 5 d.A.).

Nachdem die Klägerin mit einer E-mail vom 03.02.2005 der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie sich viel Ruhe antun, spazieren und bummeln gehen solle sowie Sport, Stress und Aufregung zu vermeiden habe (Bl. 31 d.A.), bat die Beklagte über die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin unter dem Datum vom 01.03.2005 um Auskunft über den Umfang des Beschäftigungsverbots sowie um Darlegung, welche Arbeitsumstände - die ggf. abgestellt werden könnten - ausschlaggebend für das Beschäftigungsverbot seien. Mit Schreiben vom 09.03.2005 teilten die Bevollmächtigten der Klägerin mit, es stehe ihnen frei, direkt von dem behandelnden Arzt Auskünfte einzuholen, dass dieser sich jedoch im Urlaub befinde. Mit Telefax vom 31.03.2005 (Bl. 32, 33 d.A.) bat die Beklagte sodann die die Klägerin behandelnden Ärzte um Auskunft über den Umfang des Beschäftigungsverbots und etwaige problematische, ggf. abzustellende, Arbeitsumstände. Mit Telefax vom 20.04.2005 erhielt die Beklagte am 28.04.2005 die auf den 21.04.2005 datierte Stellungnahme der Ärzte. Hierin heißt es u.a.:

"Im Verlauf ihrer Schwangerschaft berichtete die Patientin über zunehmende Probleme und Beschwerden bei ihrer Berufsausübung, so dass nach ausführlicher Erörterung der Problematik ab dem 10.01.2005 durch unsere Praxis ein totales Beschäftigungsverbot ausgestellt wurde.

Aufgrund dieser schwierigen beruflichen Belastungssituation, die Frau H2xxxx mehrfach glaubhaft schilderte und ihrer Einschätzung, dass eine erhebliche Minderung dieser Belastung durch die Gesamtumstände der Arbeitssituation nicht durchführbar bzw. geplant sind, sahen wir die Notwendigkeit zum Schutz der Patientin und der Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot auszustellen."

Auf die Kopie Bl. 34 d.A. wird Bezug genommen.

Am 29.04.2005 wies die Beklagte die behandelnden Ärzte darauf hin, dass sie an den Gesamtumständen der Arbeitssituation nichts durchführen, bzw. planen könne, wenn die diesbezüglichen Wünsche bzw. berechtigten Forderungen der Klägerin nicht mitgeteilt würden (Bl. 35, 36 d.A.).

Für den Monat Januar 2005 zahlte die Beklagte der Klägerin ein Gehalt in Höhe von 510,00 EUR brutto. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Mit ihrer am 30.05.2005 beim Arbeitsgericht Dortmund eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung restlicher 1.190,00 EUR brutto für den Monat Januar 2005 sowie für die Monate Februar, März, April und Mai 2005 jeweils 1.700,00 EUR brutto begehrt. Ferner hat sie von der Beklagten die Zahlung des 13. Gehalts für das Jahr 2004 in Höhe von 1.700,00 EUR brutto verlangt.

Sie hat vorgetragen:

Sie habe einen Anspruch auf Zahlung des Mutterschutzlohnes, da sie durch die ärztlichen Bescheinigungen ein Beschäftigungsverbot nachgewiesen habe. Bei ihrer Tätigkeit habe sie den gesamten Telefondienst zu leisten und auch für die Außendienstmitarbeiter bzw. die Zweigstellen in Bayern und Glauchau auf Zuruf zu arbeiten. Dies führe dann dazu, dass sie ihre regelmäßigen Essenszeiten nicht einhalten könne, denn von der Betriebsleitung sei ihr das Essen am Arbeitsplatz verboten worden. Aufgrund ihrer physischen und psychischen Verfassung während der Schwangerschaft habe jegliche Tätigkeit im Betrieb der Beklagten zu Stresserscheinungen und Aufregungen geführt. Darauf beruhe das Beschäftigungsverbot.

Ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachts- und Urlaubsgeldes in Höhe eines je halben Bruttogehaltes ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin 9.690,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach folgender Staffel zu zahlen:

auf 850,00 EUR vom 01.07.2004 bis 30.11.2004

auf 1.700,00 EUR vom 01.12.2004 bis 31.12.2004

auf 2.890,00 EUR vom 01.01.2005 bis 31.01.2005

auf 4.590,00 EUR vom 01.02.2005 bis 28.02.2005

auf 6.290,00 EUR vom 01.03.2005 bis 31.03.2005

auf 7.990,00 EUR vom 01.04.2005 bis 30.04.2005

auf 9.690,00 EUR ab 01.05.2005

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Es sei zweifelhaft, ob bei der Klägerin tatsächlich die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot vorgelegen haben. Bei der Tätigkeit der Klägerin handele es sich um eine völlig ruhige und geregelte Bürotätigkeit, die nicht mit Stress verbunden sei. Ohne Weiteres wäre es möglich gewesen, den Arbeitsplatz der Klägerin den Bedürfnissen ihrer Schwangerschaft anzupassen, so etwa ihr z. B. eine Tätigkeit zuzuteilen, die ausschließlich im Sitzen bewältigt werden könne, sie vom Telefondienst zu entbinden und ihr zusätzliche Ruhepausen sowie regelmäßige Essenszeiten zu gewähren. Im ärztlichen Beschäftigungsverbot würden trotz Nachfrage der Beklagten jegliche Angaben zu den Arbeitsumständen fehlen, die aus Sicht der Ärzte der auszuübenden Tätigkeit der Klägerin zugrunde zu legen waren. Außerdem habe die Klägerin schon Anfang Januar 2005, also noch vor der Ausstellung des ärztlichen Beschäftigungsverbots alle ihre persönlichen Sachen, wie z. B. Radio, Ventilator etc. mit nach Hause genommen. Dieses Verhalten mache auf die Beklagte den Eindruck, dass die Klägerin den Entschluss gefasst hätte, während der Schwangerschaft, unabhängig von ihrem Gesundheitszustand, nicht weiter für sie zu arbeiten.

Durch Urteil vom 15.09.2005 hat das Arbeitsgericht Dortmund - 4 Ca 2814/05 - der Klage insoweit stattgegeben, als dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld zuerkannt wurde; im übrigen wurde die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung zum Beschäftigungsverbot erschüttert sei und es an einer substantiierten Darlegung der Klägerin zu den Anspruchsvoraussetzungen für den geltend gemachten Mutterschutzlohn fehle.

Gegen dieses Urteil, ihren damaligen Prozessbevollmächtigten am 06.10.2005 zugestellt, wehrt sich die Klägerin mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht am 03.11.2005 eingegangenen und am 05.12.2005 begründeten Berufung.

Sie trägt vor:

Der Beweiswert der Bescheinigungen sei nicht erschüttert, da es nicht zu Lasten der Klägerin gehen könne, wenn durch die behandelnden Ärzte eine weitere Konkretisierung des Beschäftigungsverbotes nicht erfolgt sei. Die Beklagte wäre gehalten gewesen, das Beschäftigungsverbot umfassend anzugreifen; dann hätten die behandelnden Ärzte als Zeugen zu der Frage vernommen werden müssen, ob ggf. noch leichte Schreibarbeiten in Frage gekommen wären.

Eine fehlerhafte Bewertung der Ärzte hätte aber nicht zur Erschütterung des Beweiswertes der Bescheinigung, sondern ggf. zu Regressansprüchen der beklagten gegenüber dem Arzt geführt.

Eine Änderung der Arbeitsumstände hätten eine Lebens- und Gesundheitsgefährdung sowohl der Klägerin als auch des Kindes nicht ausgeschlossen, da bei der Klägerin seit Bestehen der Schwangerschaft im November 2004 zunehmende gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit der Berufsausübung der Klägerin aufgetreten seien. Zuvor habe die Klägerin im Dezember 2003 eine Fehlgeburt gehabt, was eine weitere medizinische Behandlung notwendig gemacht habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15.09.2005 - 4 Ca 2814/05 - abzuändern und die Beklagte entsprechend den Schlussanträgen erster Instanz zu verurteilen, soweit ihren Anträgen nicht entsprochen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil - soweit angegriffen - als zutreffend und weist auch im Berufungsverfahren darauf hin, dass sie nach wie vor von der Erschütterung des Beweiswertes der ärztlichen Bescheinigung ausgehe und es der Klägerin nicht gelungen sei, die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung des Mutterschutzlohnes darzulegen. Mit Nichtwissen bestreite sie die Angaben der Klägerin zur medizinischen Vorgeschichte.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 66 Abs. 1 Satz 1; 64 Abs. 6 ArbGG, 516 ff. ZPO) hat keinen Erfolg, da der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung des Durchschnittsverdienstes für die Dauer des ärztlich verordneten Beschäftigungsverbotes (Differenz für Januar 2005 zzgl. Bruttolöhne von 02 - 05. 2005) gem. § 11 Abs. 1 S.1 i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG in unstreitiger Höhe von 7.990,00 € brutto nicht zusteht.

I.

Gemäß § 11 Abs. 1 MuSchG hat eine schwangere Frau, die gem. § 1 Ziffer 1 MuSchG Arbeitnehmerin ist, soweit sie nicht Mutterschaftsgeld nach der RVO beziehen kann, Anspruch auf Weitergewährung ihres bisherigen Durchschnittsverdienstes, wenn sie u.a. wegen eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG mit der Arbeit aussetzt.

Zwar liegen grundlegende Voraussetzungen vor:

- Streitlos steht die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten als Bürofachkraft. Beendigungstatbestände sind weder von den Parteien vorgetragen noch sonst aus dem unstreitigen Vorbringen ersichtlich.

- Ebenso unstreitig ist, dass die Klägerin während des hier in Frage stehenden Zeitraumes schwanger war, wie sich aus der überreichten Kopie der Bescheinigungen der Ärzte D2xxxx und W4xxxxxxx zweifelsfrei ergibt.

- Die Klägerin konnte Mutterschaftsgeld im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 MuSchG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht beziehen, da sich dieser Anspruch gegen die Krankenkasse auf die Schutzfristen des § 3 Abs. 2 MuSchG bzw. § 6 Abs. 1 MuSchG beschränkt, vgl. § 200 Abs. 2 und Abs. 3 RVO.

Allerdings hat die Klägerin nicht wegen Erteilung des Beschäftigungsverbotes vom 02.08.2004 völlig mit ihrer Arbeit ausgesetzt. Nach Ansicht der Berufungskammer war das von den Ärzten D2xxxx und W4xxxxxxx erteilte Beschäftigungsverbot nicht kausal ("wegen") für die Nichterbringung der Arbeitsleistung der Klägerin, insbesondere ist der den Bescheinigungen zukommende hohe Beweiswert erschüttert.

A.

Gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, kommt es für ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht darauf an, ob vom Arbeitsplatz als solchen, also der spezifischen Tätigkeit, Gefahren für die Schwangere ausgehen und ob solche Gefahren auch für andere Schwangere bestehen würden. Maßgeblich ist allein der individuelle Gesundheitszustand der am konkreten Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmerin. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit die Gesundheit von Mutter und Kind gefährdet. Dabei ist unerheblich, auf welcher genauen Ursache die Gefährdung beruht (BAG, Urteil vom 11.11.1998, 5 AZR 49/98, AP zu § 3 MuSchG 1968 Nr. 12 = BAGE 90, 125 m. w. N.; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 , 5 AZR 443/01, NZA 2004, 257; BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99, AP zu § 3 MuSchG 1968 Nr. 16). Neben diesen in der Person der schwangeren Mitarbeiterin liegenden Faktoren ist darüber hinaus zu bedenken, dass den Arbeitgeber besondere Pflichten im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einer schwangeren Frau treffen, wie § 2 Abs. 1 - 3 MuSchG und auch § 4 Ziffer 6 ArbSchG beschreiben.

Das individuelle Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 1 MuSchG nach ärztlichem Zeugnis ist für das Beschäftigungsverbot konstitutiv (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99 aaO.; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002, 5 AZR 443/01 aaO; Schliemann/König NZA 1998, Seite 1030, 1032 m. w. N.). Ein Arzt, der ein ärztliches Beschäftigungsverbot verhängt, weil er bei der weiteren Beschäftigung der Schwangeren das Leben oder die Gesundheit der Mutter oder des Kindes gefährdet sieht, muss diese Entscheidung in eigener Verantwortung treffen. Die Erhebung der Befunde und deren Bewertung ist Aufgabe des Arztes. Das Gericht wird das nachvollziehbare Urteil eines Arztes weitgehend zu respektieren haben. Die fachliche Kompetenz entbindet den Arzt aber nicht von der Pflicht, seine Entscheidung mit großer Sorgfalt zu treffen. Er hat alle Umstände abzuwägen und verantwortlich zu entscheiden, ob die Schwangere mit der Arbeit aussetzen muss, um sie oder ihr Kind vor andernfalls zu befürchtenden Schäden zu schützen. Hierbei muss dem Arzt ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden. Er muss eine Prognose abgeben, kann also seine Entscheidung nie mit letzter Sicherheit treffen. Gleichwohl darf der Arzt nicht leichtfertig handeln. Dabei hat der Arzt zu entscheiden, ob er das Beschäftigungsverbot überhaupt erteilt, ob er es nur vorübergehend erteilt oder für die gesamte Zeit bis zur Entbindung.

Geht der Arzt so vor, so hat seine Bescheinigung, mit der er ein Beschäftigungsverbot erteilt, hohe Beweiskraft. Die Arbeitnehmerin genügt ihrer Darlegungslast zur Suspendierung der Arbeitspflicht und damit zur Begründung eines Anspruchs aus § 11 Abs. 1 MuSchG zunächst durch Vorlage der ärztlichen Bescheinigung (BAG, Urteile vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 und 5 AZR 588/00 bei juris und NZA 2002, 738, jeweils mit weiteren Nachweisen; BAG, Urteil vom 9. Oktober 2002 ,5 AZR 443/01 aaO).

Der Arbeitgeber, der ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG anzweifelt, kann allerdings vom ausstellenden Arzt Auskünfte über die Gründe für das Attest verlangen, soweit diese nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Arzt hat dem Arbeitgeber mitzuteilen, von welchen tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmerin er bei Erteilung seines Zeugnisses ausgegangen ist. Will der Arbeitgeber das Beschäftigungsverbot wegen objektiv begründbarer Zweifel nicht gegen sich gelten lassen, kann er eine weitere, ärztliche Untersuchung der Arbeitnehmerin verlangen. Die Arbeitnehmerin hat diesem Verlangen angesichts der dem Arbeitgeber treffenden Belastungen regelmäßig nachzukommen, wenn der Arbeitgeber ihr die ihn dazu bewegenden Gründe mitteilt (vgl. BAG, Urteil vom 31.07.1996, 5 AZR 474/95 aaO.; BAG, Urteil vom 21.03.2001, 5 AZR 352/99 aaO; BAG, Urteil vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO).

Bestehen Zweifel an einem Beschäftigungsverbot, ist es dem Arbeitgeber aber auch unbenommen, unabhängig von einer neuerlichen Untersuchung Umstände vorzutragen, die dem Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttern. Der Ausspruch des Beschäftigungsverbotes stellt nämlich keine hinreichende Bedingung des Anspruchs dar, sondern dient nur als Beweismittel für das Vorliegen des Beschäftigungsverbotes; als Beweismittel kann die ärztliche Bescheinigung durch anderweitige Tatsachen mehr oder weniger entwertet werden. Ein erhebliches Vorbringen des Arbeitgebers wäre etwa, die Arbeitnehmerin habe dem Arzt ihre Arbeitsbedingungen, die für den Ausspruch des Verbotes ausschlaggebend gewesen sein, unzutreffend beschrieben.

Der Beweiswert eines zunächst nicht eher begründeten ärztlichen Beschäftigungsverbotes ist ferner erschüttert, wenn die Arbeitnehmerin trotz Aufforderung des Arbeitgebers keine ärztliche Bescheinigung vorlegt, aus welcher hervorgeht, von welchen Arbeitsbedingungen der Arzt beim Ausspruch des Beschäftigungsverbotes ausgegangen ist und welche Einschränkungen für die Arbeitnehmerin bestehen. Solche Angaben sind vor dem Hintergrund der erheblichen finanziellen Folgen eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes für den Arbeitgeber erforderlich. Solche Angaben verletzen nicht das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin. Vom Arzt wird nämlich nicht die Mitteilung des medizinischen Befundes verlangt, sondern die Angabe der Verhaltensanordnung, die er der Arbeitnehmerin auf der Grundlage seiner Untersuchung erteilt hat. So muss der Arzt auf Nachfrage beispielsweise mitteilen, ob und inwieweit die Arbeitnehmerin Arbeiten sitzend oder stehend verrichten soll und ob sie körperlich belastende Arbeiten verrichten kann (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO). Allerdings trägt der Arbeitgeber das Risiko dafür, das Gericht von der Unrichtigkeit des ärztlichen Beschäftigungsverbotes überzeugen zu müssen (BAG, Urteil vom 31.07.1996, 5 AZR 474/95, aaO.).

Wenn aber der Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erschüttert ist, steht nicht mehr fest, dass die Arbeitnehmerin im Sinne von § 11 Abs. 1 MuSchG "wegen eines Beschäftigungsverbotes" mit der Arbeit ausgesetzt hat (BAG vom 13.02.2002, 5 AZR 753/00 aaO); es fehlt dann die vom Gesetz geforderte Kausalität mit der Folge, dass die Arbeitnehmerin ihren Anspruch auf die Arbeitsvergütung verliert, da sie ihrerseits die Arbeitsleistung nicht erbracht hat; § 320 Abs. 1 S.1 BGB i.V.m. § 611 BGB.

B.

Ausgehend von diesen Grundsätzen - die auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat - gilt vorliegend Folgendes:

1.

Der Beweiswert der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ist erschüttert.

Die Bescheinigungen der Ärzte D2xxxx und W4xxxxxxx lassen nicht erkennen, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen sie als behandelnde Ärzte bei Ausspruch des Beschäftigungsverbots ausgegangen sind. Die Bescheinigungen vom 10.01.2005 und 09.05.2005 enthalten lediglich den Verweis auf die gesetzliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 MuSchG sowie den pauschalen Hinweis, bei der Klägerin bestehe eine gefährdete Schwangerschaft. Auch die Auskunft der Ärzte vom 21.04.2005 als Reaktion auf die Anfrage der Prozessbevollmächtigten der Beklagten enthält keine näheren Angaben, auf welche Tatsachen konkret das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG gestützt wird. Eine konkrete Beschreibung der dem Beschäftigungsverbot zugrunde liegenden Umstände ist nicht erfolgt.

Es ergibt sich daher auch nicht, warum nach Einschätzung der die Klägerin behandelnden Ärzte eine Minderung der Belastung der Klägerin durch die (welche?) Arbeitsumstände nicht möglich gewesen sein soll. Eine insoweit erschöpfende Auskunft wäre aber geboten gewesen, da die Beklagte ihre Anfrage an die behandelnden Ärzte gerichtet hatte um zu erfahren, welche Umstände es gebe, die abgestellt werden könnten, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, ihrer Bürotätigkeit ohne Gefährdung von Leben und Gesundheit der Klägerin oder ihres Kindes nachzugehen.

Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 29.04.2005 die behandelnden Ärzte darauf hinwies, dass sie nichts durchführen bzw. planen könne, wenn ihr nicht mitgeteilt werde, welche diesbezüglichen Wünsche bzw. berechtigten Forderungen die Klägerin habe, erfolgte keine Reaktion.

Es muss daher mit der angefochtenen Entscheidung dabei verbleiben, dass der Beweiswert der ärztlichen Bescheinungen zum Beschäftigungsverbot erschüttert ist mit der Folge, dass nicht mit der gebotenen Zuverlässigkeit feststeht, dass die Klägerin im Sinne von § 11 Abs. 1 MuSchG "wegen eines Beschäftigungsverbots" mit der Arbeit ausgesetzt hat.

2.

Die Klägerin hat die Tatsachen, die ein Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 1 MuSchG gleichwohl begründen könnten, nicht dargelegt, was aber nach Erschütterung des Beweiswertes der Bescheinigungen erforderlich gewesen wäre (BAG, Urteile vom 13.02.2002 aaO). Dementsprechend konnte auch der von ihr als sachverständige Zeuge benannte Arzt W4xxxxxxx nicht vernommen werden.

Die Klägerin hat zwar dargelegt, sie habe den gesamten Telefondienst bei der Beklagten zu leisten und zudem auf Zuruf auch für die Außendienstmitarbeiter bzw. die Zweigstellen in Bayern und Glauchau arbeiten müssen. Dies habe dazu geführt, dass sie ihre regelmäßigen Essenszeiten nicht habe einhalten können, da ihr von der Betriebsleitung das Essen am Arbeitsplatz verboten worden sei. Wegen ihrer physischen und psychischen Verfassung während der Schwangerschaft habe jegliche Tätigkeit im Betrieb der Beklagten zu Stresserscheinungen und Aufregung geführt.

Diese von der Klägerin behaupteten Umstände lassen indessen nicht erkennen, dass ab dem 10.01.2005 die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 1 MuSchG vorgelegen haben:

Zum einen ist der Schluss, Stresserscheinungen und Aufregungen würden zu einer Gefährdung der Klägerin oder des Kindes im Sinne des § 3 Abs. 1 MuSchG führen, ohne weitere Erläuterung nicht zwingend. Zum andern ist auch nicht ersichtlich, warum bei einer detaillierten Auskunft der Klägerin selbst oder aber der behandelnden Ärzte (die bis heute nicht vorliegt, s.o.) die Arbeitsumstände der Klägerin, die für die Beklagte als Bürokraft tätig ist, nicht tatsächlich hätten dahingehend geändert werden können, dass die Klägerin gänzlich vom Telefondienst hätte entbunden werden können und/oder zu gewährleisten, dass die Klägerin ihre regelmäßigen Essenszeiten hätte einhalten können, letzteren - bestrittenen - Sachvortrag zur Essenseinnahme als zutreffend unterstellt.

Auch der weitere Vortrag der Klägerin zur medizinischen Vorgeschichte im Hinblick auf eine frühere Schwangerschaft und der Hinweis auf zunehmende gesundheitliche Probleme und Beschwerden während der Beschäftigung sind nicht geeignet, die Voraussetzungen der §§ 11 Abs.1; 3 Abs. 1 MuSchG zu erfüllen, da sie nicht näher erläutert wurden. Hier stellt sich für die Berufungskammer im übrigen auch die Frage der Abgrenzungsproblematik zwischen einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne des EFZG und dem Beschäftigungsverbot gem. § 3 Abs. 1 MuSchG als alleinige Ursache für die Nichterbringung der Arbeitsleistung. Auf die o.g. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird insoweit Bezug genommen.

Nach alledem verbleibt es dabei, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung des Durchschnittsverdienstes für den streitgegenständlichen Zeitraum gem. § 11 Abs. 1 S.1 i.V.m. § 3 Abs. 1 MuSchG nicht zusteht. Da weitere Anspruchsgrundlagen für das Begehren der Klägerin nicht ersichtlich sind, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin als unterlegene Partei zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert war neu festzusetzen, da er sich im Berufungsverfahren geändert hat; seine Höhe folgt dem Betrag der Klageforderung, vgl. § 6 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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