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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 12.02.2003
Aktenzeichen: 7 Sa 325/02
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, EGZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 240
ZPO § 249 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 1 S. 2 a. F.
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1 n. F.
ArbGG § 66 Abs. 1
EGZPO § 26 Nr. 5
1. War die mündliche Verhandlung, auf die das mit der Berufung angegriffene Urteil ergangen ist, vor dem 31.12.2001 geschlossen, ist auf das Berufungsverfahren das Prozessrecht in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden (BAG NZA 03, 176). Dies folgt aus § 26 Nr. 5 EGZPO.

2. Wird in einem solchen Fall das Berufungsverfahren gemäß § 240 ZPO vorübergehend unterbrochen, während die Berufungsbegründungsfrist läuft, so beträgt die gemäß § 249 Abs. 1 ZPO mit dem Ende der Unterbrechungswirkung von neuem zu laufen beginnende Frist weiterhin gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG a. F. nur einen Monat.

3. Ein Irrtum des sachbearbeitenden Rechtsanwalts über diese Rechtslage ist nicht unverschuldet i. S. v. § 233 ZPO.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 Sa 325/02

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln in der Sitzung am 12.02.2003 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Czinczoll als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Dipl. Kfm. Blatzheim und Breuer

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten und Berufungsklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten in der Sache um die Rechtswirksamkeit arbeitgeberseitiger Kündigungen. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2001 verkündete das Arbeitsgericht Köln (Aktenzeichen: 5 Ca 4159/01) am gleichen Tage zu Lasten der Beklagten ein klagestattgebendes Endurteil. Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 14.12.2001 wurde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20.02.2002 zugestellt. Sie legte hiergegen fristgerecht Berufung ein.

Über das Vermögen der Beklagten wurde unter dem 13.02.2002 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Daraufhin übernahm mit Schriftsatz vom 08.05.2002 die Anwaltskanzlei der vorläufigen Insolvenzverwalterin die Prozessvertretung der Beklagten. Die Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis zum 10.06.2002 verlängert. Am 01.06.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und die bislang vorläufige Insolvenzverwalterin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Das Verfahren war nunmehr gemäß § 240 ZPO unterbrochen.

Am 14.10.2002 wurde das Insolvenzverfahren wieder aufgehoben, so dass ab diesem Zeitpunkt die Berufungsbegründungsfrist von neuem zu laufen begann. Mit am 27.11.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 26.11.2002 bestellte sich die ursprüngliche anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten erneut für diese und legte eine Berufungsbegründung vor. Mit Schreiben vom 28.11.2002, bei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach deren eigenem Bekunden eingegangen am 04.12.2002, wies das Landesarbeitsgericht die Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass die gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung einmonatige Berufungsbegründungsfrist bereits am 14.11.2002 abgelaufen und die Berufungsbegründung vom 27.11.2002 somit verspätet sei. Das Gericht gewährte eine Stellungnahmefrist von 14 Tagen und kündigte an, dass beabsichtigt sei, die Berufung am 18.12.2002 als unzulässig zu verwerfen. Dies geschah sodann auch durch Beschluss vom 18.12.2002 (Bl. 165 f. d. A.).

Mit einem ebenfalls am 18.12.2002, aber nach Erlass des vorgenannten Verwerfungsbeschlusses beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie legt hierzu eine eidesstattliche Versicherung ihrer Büroangestellten A P sowie ein Schreiben der Insolvenzverwalterin an die Prozessbevollmächtigte vom 18.10.2002 vor. Auf den Inhalt dieses Schreibens, auf die eidesstattliche Versicherung und die in dem Wiedereinsetzungsantrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgründe wird Bezug genommen.

II. Der Antrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist konnte keinen Erfolg haben.

1. Über den Wiedereinsetzungsantrag war gesondert zu entscheiden, da er im Zeitpunkt des Erlasses des Verwerfungsbeschlusses vom 18.12.2002 noch nicht vorlag (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 238 Rdnr. 1).

2. Die von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 27.11.2002 vorgelegte Berufungsbegründung war verspätet.

a. Die Berufungsbegründungsfrist war zwar während des Laufs des Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Sie begann jedoch mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens am 14.10.2002 erneut zu laufen. Dies haben auch die Insolvenzverwalterin sowie die anwaltliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten zutreffend erkannt.

b. Wie aus § 26 Nr. 5 EGZPO hervorgeht, ist auf das vorliegende Berufungsverfahren jedoch das Prozessrecht in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden; denn das mit der vorliegend streitgegenständlichen Berufung angegriffene erstinstanzliche Urteil ist aufgrund einer vor dem 31.12.2001 geschlossenen mündlichen Verhandlung ergangen und überdies auch vor dem 31.12.2001 verkündet worden. Gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, ebenfalls gemäß § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. § 519 Abs. 2 S. 2 ZPO a. F. beträgt die Berufungsbegründungsfrist damit jedoch nur einen Monat (BAG vom 30.5.2002, NZA 03,176; Vossen, in GK-ArbGG, § 66 Rdnr. 4).

3. Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden, da die Prozessbevollmächtigte der Beklagten entgegen § 233 ZPO nicht ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Vorlage der Berufungsbegründung gehindert war.

a. Entgegen der Darstellung in dem Wiedereinsetzungsgesuch kommt es dabei nicht maßgeblich auf das Verhalten der in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten mit der Fristenkontrolle beauftragten Büroangestellten P an. Es liegt kein Fall vor, in dem die Berufungsbegründungsfrist deshalb versäumt wurde, weil eine Büroangestellte eine Frist falsch notiert, einen Rechenfehler bei der Berechnung des Ablaufs einer Frist begangen oder es unterlassen hätte, trotz richtig notierter Frist die Sache der sachbearbeitenden Rechtsanwältin rechtzeitig zur Bearbeitung vorzulegen.

b. Käme es im übrigen auf das Verhalten der Büroangestellten P an, so müsste der Wiedereinsetzungsantrag seinerseits bereits gemäß § 234 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden. Die Berufungsbegründungsschrift trägt nämlich das Datum vom 26.11.2002. An diesem Tag war somit die Prozessbevollmächtigte der Beklagten persönlich mit der Sachbearbeitung der Angelegenheit befasst. Zu diesem Zeitpunkt war die Berufungsbegründungsfrist bereits knapp zwei Wochen überschritten. Hätte das Hindernis für die rechtzeitige Einreichung der Berufungsbegründungsschrift lediglich in einer falschen Notation der Frist durch die Büroangestellte bestanden, so wäre dieses Hindernis mit Vorlage der Akte an die Rechtsanwältin spätestens am 26.11.2002 behoben gewesen. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde indessen erst am 18.12.2002 gestellt.

c. Wie jedoch aus dem Ablauf der Ereignisse und dem eigenen Sachvortrag der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu entnehmen ist, beruht die verspätete Vorlage der Berufungsbegründung in Wirklichkeit auf dem Rechtsirrtum der beiden anwaltlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten darüber, dass auf das vorliegende Berufungsverfahren nicht das seit dem 01.01.2002 geltende neue Prozessrecht, sondern das bis zum 31.12.2001 geltende alte Prozessrecht anzuwenden ist.

aa. Dass die Insolvenzverwalterin diesem Irrtum unterlegen ist, ergibt sich aus deren Schreiben an die jetzige Prozessbevollmächtigte vom 18.10.2002 (Bl. 188 d. A.). Darin führt die Insolvenzverwalterin zwar zutreffend aus, dass die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO mit dem 14.10.2002 endete und die Berufungsbegründungsfrist nunmehr neu in Gang gesetzt wurde. Zugleich bezieht sie sich aber rechtsirrig auf § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO in der Neufassung und leitet daraus ausdrücklich her, dass die Berufungsbegründungsfrist zwei Monate betrage. Die gleiche Auskunft wurde telefonisch auch noch mal der Büroangestellten P gegeben, wie aus deren eidesstattlicher Versicherung hervorgeht. Dabei ist zu beachten, dass die Insolvenzverwalterin bis zur Wiederaufnahme des Mandats durch die jetzige Prozessbevollmächtigte im vorliegenden Berufungsverfahren selbst als Prozessbevollmächtigte der Beklagten fungierte.

bb. Die jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten ist augenscheinlich demselben Rechtsirrtum unterlegen wie die Insolvenzverwalterin. Zumindest wäre ihr jedoch vorzuwerfen, dass sie die von der Insolvenzverwalterin vorgegebene Fristberechnung keiner eigenen Prüfung unterzogen hat. Hierzu hätte sie jedoch nicht erst bei Anfertigung der Berufungsbegründungsschrift am 26.11.2002 allen Anlass gehabt (vgl. BGH NJW 03, 437 m.w.N.). Schon bei Erhalt des an sie gerichteten Schreibens der Insolvenzverwalterin vom 18.10.2002 hätte sie bei sorgfältiger Prüfung deren Irrtum über die für die Fristdauer maßgebliche Rechtsvorschrift bemerken müssen; denn in dem Schreiben der Insolvenzverwalterin vom 18.10.2002 kommt deren Rechtsirrtum in dem Zitat der falschen einschlägigen Rechtsvorschrift des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck.

d. Ein Rechtsirrtum der sachbearbeitenden Rechtsanwälte über das anzuwendende Prozessrecht kann nicht als unverschuldet im Sinne von § 233 ZPO gelten (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 233 Rdnr. 23 Stichwort Rechtsirrtum). Dies gilt umso mehr, als aufgrund des Inkrafttretens der großen Prozessrechtsreformen mit Beginn des Jahres 2002 jeder mit der Durchführung von Gerichtsverfahren befasste Jurist besondere Sorgfalt auf die Frage legen musste, ob im jeweiligen Einzelfall noch das alte oder schon das neue Recht anzuwenden war.

4. Bei alledem kann von einer unverschuldeten Fristversäumung nicht ausgegangen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

Ende der Entscheidung

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