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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.12.2002
Aktenzeichen: 11 (13) Sa 593/02
Rechtsgebiete: BGB, Richtlinie 98/50/EG vom 29.06.1998
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 613 a Abs. 1 S. 1 | |
Richtlinie 98/50/EG vom 29.06.1998 Art. 4 a I |
2. Der Fortsetzungsanspruch existiert in zwei Formen: als nationaler kündigungsrechtlicher Anspruch aufgrund vertraglicher Treuepflichten nach § 242 BGB und als gemeinschaftsrechtlicher Anspruch aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 613 a BGB.
3. Durch einen Betriebsübergang gehen Nebenpflichten des Veräußerers (z. B. Wiedereinstellungspflichten) aus einem im Zeitpunkt des Betriebsüberganges bereits wirksam beendeten Arbeitsverhältnis (e contractu finito) nicht auf den Betriebserwerber über.
4. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 613 a BGB führt nicht zu einem Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem Betriebserwerber nach einer Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren (wie BAG vom 10.12.1998 - 8 AZR 324/97 -).
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Geschäftsnummer: 11 (13) Sa 593/02
Verkündet am: 20.12.2002
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Susewind und Usdowski
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.02.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg - 1 Ca 2819/00 - abgeändert:
Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um einen Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2). Die frühere Arbeitgeberin des Klägers, die später insolvent gewordene Fa. D, fertigte Türen und Fenster für den Großhandel; außerdem fertigte sie auf Bestellung und baute die Fenster und Türen in die jeweiligen Bauvorhaben ein. Den am 11. 10. 1954 geborenen Kläger beschäftigte sie seit Mai 1979 als Produktionsarbeiter in der Sonderfertigung. Nachdem sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, plante sie einen Personalabbau zur Kosteneinsparung. Ihrem Betriebsrat übersandte sie unter dem 15. 06. 2000 eine Liste mit zu entlassenden und zu haltenden Mitarbeitern (Bl. 168 ff); der Kläger befand sich unter den letzteren. Zugleich interessierten sich die Mitarbeiter B und S für eine Übernahme des Betriebes und schlossen unter dem 19. 06. 2000 einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Beklagten zu 2), deren Gesellschafter und Geschäftsführer sie heute sind. Am 01. 07. 2000 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin (Fa. D), die zu diesem Zeitpunkt 100 Arbeitnehmer beschäftigte, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 06. 09. 2000 beschloß die Gläubigerversammlung die Stillegung des Betriebes. Daraufhin vereinbarte der beklagte Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1) mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 37 f.), der von einer Betriebsstillegung zum 31. 12. 2000 ausging und kündigte sämtlichen Arbeitnehmern - darunter dem Kläger unter dem 27. 09. 2000 zum 31. 12. 2000. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 17. 10. 2000 Kündigungsschutzklage gegen den Insolvenzverwalter, die Ursprung des vorliegenden Verfahrens ist. Nach Klageerhebung meldeten sich die Mitarbeiter B und S beim Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1) und teilten mit, die zunächst gescheiterte Finanzierung für den Erwerb des Betriebes sei sichergestellt, worauf bereits beendete Kaufvertragsverhandlungen wieder aufgenommen wurden. Auf einer Weihnachtsfeier am 24. 11. 2000 teilte der Mitarbeiter B der Belegschaft mit, die Firma der Arbeitgeberin werde übernommen und die Produktion über den 31. 12. 2000 hinaus fortgesetzt. Am 14. 12. 2000 schloß die von dem Mitarbeiter B vertretene Beklagte zu 2) einen Unternehmenskaufvertrag mit dem Beklagten zu 1 (Insolvenzverwalter), der eine Betriebsübernahme zum 04. 01. 2001 vorsieht und unter Zf. 17. die Klausel enthält, daß der Insolvenzverwalter der Beklagten zu 2) zur Freistellung verpflichtet ist, falls gegen sie wider Erwarten berechtigte Wiedereinstellungsansprüche erhoben würden. Nach Angaben beider Beklagten wurde der Betrieb am 22. 12. 2000 endgültig geschlossen, während der Kläger darauf verweist, Angestellte hätten zur Aufrechterhaltung von Kundenkontakten weitergearbeitet und schon am 29. 12. 2000 hätten im Betrieb Anweisungen an die - mindestens 35 - Arbeitnehmer ausgehangen, die die Beklagte zu 2) zur Weiterarbeit ausgesucht habe. Nachdem der vom Kaufvertrag auf den 04. 01. 2001 datierte Betriebsübergang vollzogen war, berief sich der Kläger im vorliegenden Verfahren schriftsätzlich erstmals unter dem 17. 04. 2001 (Bl. 16 ff.) auf § 613a BGB und erhob gleichzeitig Klage auch gegen die Beklagte zu 2) (Bl. 6l ff.) mit dem Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis nunmehr mit dieser fortbestehe, verbunden mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung; die Anträge ergänzte er im Termin vom 27. 09. 2001 um den Hilfsantrag, die Beklagte zu 2) zum Abschluß eines Arbeitsvertrages zu verurteilen. Er hat u.a. auf die Mitarbeiter F, S, Sch und K verwiesen, die als ehemalige Mitarbeiter der Fa. D von der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt, vom Kläger aber für vergleichbar und sozial weniger schutzwürdig gehalten werden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Beklagten zu 1) durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 27. 09. 2000 nicht beendet wird;
2. festzustellen, daß das am 21. 05. 1979 zwischen ihm und der Firma D Vereinigte Fensterfabriken K & W GmbH & Co. KG begründete Arbeitsverhältnis nunmehr mit der Beklagten zu 2) fortbesteht;
3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen,
hilfsweise die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluß eines Arbeitsvertrags zum 04. 01. 2001 zu den Bedingungen des mit der Firma D Vereinigte Fensterfabriken K & W GmbH & Co. KG geschlossenen Arbeitsvertrages anzunehmen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und einen Wiedereinstellungsanspruch im Insolvenzverfahren aus Rechtsgründen geleugnet; jedenfalls sei ein solcher verwirkt.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu 2) auf den Hilfsantrag hin zum Abschluß eines Arbeitsvertrages mit Wirkung für die Zukunft verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte zu 2) ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter und meint, es liege kein Betriebsübergang vor, da sie zwar die materiellen aber keine immateriellen Betriebsmittel übernommen habe. Von den 100 Mitarbeitern habe sie nur 35 übernommen. Nur 40 - 45% ihres Umsatzes tätige sie mit ehemaligen Kunden der Fa. D die aber alle neu hätten gewonnen werden müssen. Sie fertige nur für den Großhandel und nicht mehr auf Bestellung; eine Montageabteilung unterhalte sie überhaupt nicht mehr. Ein Wiedereinstellungsanspruch des Klägers existiere aus Rechtsgründen nicht; jedenfalls seien die Grundsätze der Sozialauswahl nicht verletzt, da der Kläger mit den von ihm benannten Mitarbeitern nicht vergleichbar sei: Sie benötige nur Allround-Kräfte, die sie als Springer einsetze, während der Kläger bei der Fa. D ausschließlich Profile zugeschnitten habe; damit könne sie ihn nicht ganztägig beschäftigen. Eine Wiedereinstellung des Klägers sei ihr zudem unzumutbar, weil das Fehlen von Wiedereinstellungsansprüchen Geschäftsgrundlage des Unternehmenskaufvertrages gewesen sei; ohne diesen Kaufvertrag sei es zu der schon geplanten Stillegung gekommen. Durch einen Wiedereinstellungsanspruch würden die Vermutungen der §§ 125 Abs.1 Nr.1, 123 Abs.2 InsO vereitelt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils gänzlich abzuweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt die Annahme des Arbeitsgerichts, es liege ein Betriebsübergang vor. Er sei auch mit den von ihm genannten Arbeitnehmern (F u.a.) vergleichbar.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Die noch anhängige Klage gegen die Beklagte zu 2) auf Abschluß eines Arbeitsvertrages ist abzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) keinen "Fortsetzungsanspruch", wie der Wiedereinstellungsanspruch dann zu nennen ist, wenn er gegen den Betriebserwerber gerichtet wird (zur Terminologie vgl. KR/Pfeiffer, 6. Aufl., § 613a BGB Rn. 194).
Der Fortsetzungsanspruch existiert in zwei Formen: als nationaler kündigungsrechtlicher Anspruch aufgrund vertraglicher Treuepflichten nach § 242 BGB oder als gemeinschaftsrechtlicher Anspruch aufgrund richtlinienkonformer Auslegung des § 613a BGB (KR/Pfeiffer a.a.O.). Keinen dieser Ansprüche kann der Kläger geltend machen:
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) keinen Fortsetzungsanspruch aufgrund von § 242 BGB. Denn die Beklagte zu 2) hat keine vertraglichen Nebenpflichten erworben, weil sie das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht übernommen hat. Das steht aufgrund des insoweit rechtskräftig gewordenen Urteils des Arbeitsgerichts fest: Es hat den Kündigungsschutz- und den Klageantrag zu 2. abgewiesen, ohne daß der Kläger hiergegen Berufung eingelegt hätte. Damit steht fest, daß sein Arbeitsverhältnis mit dem 31. 12. 2000 beendet war und es folglich von der Beklagten zu 2) nicht übernommen werden konnte. Das folgt auch aus dem unstreitigen Umstand, daß eine Betriebsübernahme nicht vor dem 04. 01. 2001 - und damit erst einige Tage nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses - stattgefunden hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Beklagte zu 2) schon am 29. 12. 2000 Anweisungen an die von ihr eingestellte Belegschaft per Aushang erteilt haben mag: Unstreitig räumte der Unternehmenskaufvertrag ihr die Verfügungsgewalt über die materiellen Betriebsmittel erst ab dem 04. 01. 2001 ein. Bei dieser Rechtslage kann ein Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruch nicht gegen den Erwerber, sondern allenfalls gegen den Veräußerer geltend gemacht werden, da losgelöst vom Arbeitsverhältnis keine Nebenpflichten e contractu finito übergehen können (vgl. zu dem auf die allgemeine Treuepflicht gestützten Wiedereinstellungsanspruch: KR/Pfeiffer, 6. Aufl., § 613a BGB Rn. 196).
Der Kläger hat auch keinen auf richtlinienkonforme Auslegung des § 613a BGB gestützten Fortsetzungsanspruch, der originär gegenüber dem Betriebserwerber entstehen mag. Die richtlinienkonforme Auslegung führt nicht zu einem Fortsetzungs-/Wiedereinstellungsanspruch nach Betriebsveräußerung im Insolvenzverfahren (BAG, Urteil vom 10. 12. 1998 - 8 AZR 324/97 in AP Nr.185 zu § 613a BGB unter B III 1 der Gründe). Gem. Art. 4a I der Richtlinie 98/50/EG vom 29. 06. 1998 findet die Richtlinie im Insolvenzverfahren nur Anwendung, wenn die Mitgliedsstaaten dies vorsehen. Eine solche Regelung zum Fortsetzungsanspruch des wirksam entlassenen Arbeitnehmers hat weder der deutsche Gesetzgeber noch die Rechtsprechung geschaffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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