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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 15.02.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 923/07
Rechtsgebiete: AGG, ArbGG, SGB IX, BGG


Vorschriften:

AGG § 3
AGG § 15
ArbGG § 61 b Abs. 1
SGB IX § 2 Abs. 1 Satz 1
BGG § 3
Es stellt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung von schwerbehinderten Arbeitnehmern dar, wenn der Arbeitgeber bei einer Maßnahme zwischen Arbeitnehmern, die hohe Fehlzeiten aufweisen, und solchen, die keine hohen Fehlzeiten aufweisen, differenziert.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31. Mai 2007 - 22 Ca 8421/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Entschädigung aufgrund einer von ihm angenommenen Benachteiligung wegen seiner Behinderung geltend.

Der 39jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Mai 1997 beschäftigt. Er war zunächst als Busfahrer tätig. Seit August 2001 wird er als Bahnfahrer eingesetzt. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert. Er leidet unter einer dauerhaften, unheilbaren Krankheit.

Der Kläger war in den letzten Jahren im folgenden Umfang arbeitsunfähig erkrankt:

2002 56 Tage

2003 78 Tage

2004 157 Tage

2005 87 Tage

2006 116 Tage (bis 15. Oktober 2006).

Die Beklagte informierte das Fahrpersonal am 16. August 2006, dass sie beabsichtige, vom 6. November bis zum 8. Dezember 2006 eine "zusätzliche EBO-Ausbildung" durchzuführen. Die Einweisung sollte vom 11. bis zum 15. Dezember 2006 in B stattfinden. Nach Beendigung der Ausbildung sollten die Mitarbeiter zum Betriebshof W und/oder gegebenenfalls auf eigenen Wunsch zum Betriebshof W versetzt werden.

Der Bahnhof W ist der Ausgangs- und Schlusspunkt für die zwischen B und K verkehrenden Straßenbahnen. Der erfolgreiche Abschluss einer EBO-Ausbildung ist zwingende Voraussetzung für den Einsatz auf diesen Strecken. Mit dem Abschluss der EBO-Ausbildung ist weder eine höhere Vergütung noch eine höherrangige Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb verbunden.

Die Bewerbung des Klägers wies die Beklagte unter dem 28. August 2006 mit folgender Begründung ab:

"Heute habe ich ihre Bewerbung für die nächste EBO-Ausbildung erhalten.

Ich freue mich für ihr Interesse zur EBO-Ausbildung. Zu ihren Fragen kann ich wie folgt Stellung nehmen:

1) Es werden immer noch Freiwillige für W gesucht.

2) Es sind noch Plätze frei und die EBO-Ausbildung findet auf dem Btf.-West statt.

3) Da auf dem Btf.-W der Flexplan besteht, können Sie die Wünsche Mitteldienste/Spätdienste äußern. Aber wie gesagt es sind Wünsche, die wir versuchen umzusetzen.

Da ich in Wesseling Personal benötige, dessen Fehlzeiten so niedrig wie möglich sein müssen, bedingt dadurch, dass der Bahnhof personell sehr klein ist, kann ich keinen Mitarbeiter der über Jahre kontinuierlich hohe Fehlzeiten durch Krankheit hat, nach W versetzen. Wenn sie ihre Fehlzeiten auf das übliche Maß reduzieren könnten wäre eine Versetzung nach W problemlos. Wir suchen ja Mitarbeiter für W damit die ständige Kommandierung aufhört. Wenn dann Personal mit hohen Fehlzeiten nach Wesseling versetzt wird, muss ich wieder Personal vom Btf.-West zum Btf.-W kommandieren. Bitte haben sie Verständnis dafür, wenn ich Ihrer Bitte um die EBO-Ausbildung und späteren Versetzung zum Btf.-Wesseling nicht nachkommen kann."

Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 22. September 2006 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm die Teilnahme an der Ausbildung zu ermöglichen. Die ablehnende Entscheidung sei in hohem Maße diskriminierend.

Mit seiner am 17. Oktober 2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 6. November bis zum 8. Dezember 2006 die Teilnahme an der EBO-Ausbildung zu gewähren.

In der Güteverhandlung vom 13. November 2006 haben die Parteien keine Einigung erzielt. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2006 hat der Klägervertreter von der Beklagten "Schadenersatz" wegen Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verlangt. Der auf Entschädigung nach dem AGG gerichtete Klageantrag ist am 9. Januar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Entschädigung nach dem AGG zu, weil er von der Beklagten wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Er habe sich für den Betriebshof W und nicht für den Betriebshof W beworben. Eine Versetzung wäre für ihn mit einer dramatischen Verkürzung der Wege zur Arbeit verbunden gewesen. Der einzige Grund für die Nichtberücksichtigung sei seine Schwerbehinderung. Mit ihr sei die Möglichkeit höherer Ausfallzeiten als sie andere Mitarbeiter aufwiesen verbunden. Es treffe nicht zu, dass seine Fehlzeiten außerordentlich hoch seien. Es könne auch nicht angenommen werden, dass schwerbehinderte Menschen eher erkrankten als nicht schwerbehinderte Menschen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung gemäß § 15 AGG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (287 ZPO), deren Untergrenze jedoch nicht weniger als zwei Bruttomonatsentgelte sein soll, zuzüglich 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu bezahlen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.600,00 € brutto zuzüglich 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Entscheidung, den Kläger nicht an der Ausbildung teilhaben zu lassen, beruhe nicht auf seiner Schwerbehinderung. Sie sei vielmehr in den hohen Krankheitszeiten des Klägers begründet. Die krankheitsbedingten Ausfallzeiten aller Mitarbeiter hätten im Schnitt nur 17,14 Tage im Jahre 2006 betragen. Es liege keine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung des Klägers vor, weil die Ablehnung der Bewerbung nicht an der Behinderung des Klägers angeknüpft habe. Auch stelle der erfolgreiche Abschluss der EBO-Ausbildung keine Höherqualifizierung dar. Eine mittelbare Benachteiligung sei nicht gegeben, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass schwerbehinderte Menschen zwingend höhere Fehlzeiten aufwiesen als nicht schwer behinderte Menschen. Jedenfalls sei die Heranziehung der Fehlzeiten gerechtfertigt. Zu berücksichtigen sei, dass der Betriebshof W wegen seiner relativ schlechten Erreichbarkeit als Einsatzort wenig begehrt sei. Sie verfolge das Ziel, dort auf lange Sicht einen stabilen Personalstamm vorzuhalten. Dies sei in der Vergangenheit nicht erreicht worden. Daher sei es in Folge von krankheits- und urlaubsbedingtem Personalausfall zu ständigen außerplanmäßigen Abordnungen nach W gekommen. Dies habe zu großer Unzufriedenheit und Unruhe unter dem betroffenen Fahrpersonal geführt und sich auf die Qualität der Arbeit niedergeschlagen. Sie strebe daher an, in W einen Personalstamm mit einer hohen Einsatzverfügbarkeit aufzubauen.

Mit Urteil vom 31. Mai 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei weder unmittelbar noch mittelbar wegen einer der in § 1 AGG genannten Gründe benachteiligt worden.

Gegen das ihm am 4. Juli 2007 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger mit am 3. August 2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt und diese mit am 2. September 2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, er sei wegen seiner Behinderung benachteiligt worden. Ein Entschädigungsanspruch ergebe sich nicht nur aus dem AGG, sondern auch aus § 81 Abs. 2 SGB IX. Die hohen Fehlzeiten, die infolge seiner Erkrankung eingetreten seien, seien die einzige Begründung, die die Beklagte liefere, um ihn von der Ausbildung und Versetzung auszuschließen. Dies sei der klassische Fall, den der Gesetzgeber im Auge gehabt habe. Die Beklagte müsse beweisen, dass er die angestrebte Tätigkeit wegen häufiger Erkrankungen nicht erbringen könne. Er habe auch die Fristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b ArbGG eingehalten. Das Schreiben vom 22. September 2006 sei als ausreichende Geltendmachung anzusehen. Bei dem Verstoß der Beklagten handele es sich zudem um einen Dauertatbestand, der mindestens bis zur Beendigung der Ausbildung am 8. Dezember 2006 angehalten habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln - 22 Ca 8421/06 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung gemäß § 15 AGG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (§ 284 ZPO), deren Untergrenze jedoch nicht weniger als zwei Bruttomonatsentgelte sein soll, zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu bezahlen;

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln - 22 Ca 8421/06 - vom 31.05.2007 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.600,00 € brutto zzgl. 5 %-Punkte Zinsen über den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. § 81 Abs. 2 SGB IX enthalte keine Anspruchsgrundlage. Der Anspruch könne auch nicht auf § 15 AGG gestützt werden. Der Kläger bleibe nach wie vor des Vortrags schuldig, welchen Verfahrensverstoß sie begangen haben solle. Ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung des Klägers seien seine hohen Fehlzeiten, nicht seine Schwerbehinderung gewesen. Der Kläger habe den Anspruch zudem nicht fristgerecht geltend gemacht. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG habe mit dem Zugang ihres Ablehnungsschreibens vom 28. August 2006 begonnen. Der Kläger habe mit Schreiben vom 22. September 2006 zunächst lediglich verlangt, doch an der Ausbildung teilnehmen zu können. Darin liege nicht das Verlangen nach Zahlung einer Entschädigung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG. Er wurde von der Beklagten weder unmittelbar noch mittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Darüber hinaus hat er den Anspruch nicht fristgerecht geltend gemacht (§§ 15 Abs. 4 Satz 1 AGG, 61 b Abs. 1 ArbGG).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG, weil er von der Beklagten nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist.

a) Der Kläger ist durch die Beklagte wegen seiner Behinderung nicht unmittelbar benachteiligt worden.

aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, erfahren hat oder erfahren würde als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Zu den in § 1 genannten Gründen zählt die Behinderung eines Menschen.

Erforderlich ist, dass die den Arbeitnehmer benachteiligende Maßnahme an dem verbotenen Differenzierungsmerkmal anknüpft (ErfK-Schlachter § 3 AGG Rz 2; Meinel/Heyn/Herms § 3 AGG Rz 3). Das Vorliegen eines Nachteils an sich ist allerdings nicht ausreichend. Es muss gerade eine Benachteiligung im Vergleich zu einer anderen Person oder Personengruppe bestehen (Meinel/Heyn/Herms § 3 AGG Rz 3). Wie die Verwendung des Begriffs "wegen" verdeutlicht, ist weiterhin eine Kausalitätsprüfung vorzunehmen. Die Schlechterstellung des Arbeitnehmers muss durch das unzulässige Merkmal verursacht sein. Einer Benachteiligungsabsicht bedarf es allerdings nicht (Schleusener/Suckow/Voigt § 3 AGG Rz 11 f.; Däubler/Bertzbach - Schrader/Schubert § 3 AGG Rz 37 f.). Eine Benachteiligung ist nicht gegeben, wenn der Beschäftigte nicht wegen seiner Behinderung, sondern wegen fehlender Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil des Arbeitgebers abgelehnt wird (LAG Hamm 4. Juni 2004 - 15 Sa 2047/03 - juris; Schleusener/Suckow/Voigt § 8 AGG Rz 31).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt gemäß § 22 AGG diejenige Partei, die sich auf eine solche Benachteiligung beruft. § 22 AGG sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Auf der ersten Stufe steht der Nachweis einer Diskriminierungsvermutung durch den Arbeitnehmer. Gelingt dieser Nachweis, so trifft auf der zweiten Stufe den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Benachteiligung gerechtfertigt ist. § 22 AGG enthält keine vollständige Beweislastumkehr i.S. von § 292 ZPO. Vielmehr gewährt die Norm dem Arbeitnehmer "nur" eine Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität zwischen Arbeitgeberverhalten und Benachteiligung bzw. spezifischer Benachteiligungstendenz (§ 3 Abs. 2 AGG) in Form einer Absenkung des Beweismaßes (vgl. LAG Hamburg 9. November 2007 - 3 Sa 102/07 - juris; Grobys NZA 2006, 898, 900).

Der Begriff der Behinderung ist im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht definiert. Er entspricht der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG (Schleusener/Suckow/Voigt § 1 AGG Rz 53; Düwell BB 2006, 1741).

Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Damit hat der nationale Gesetzgeber den Begriff der Behinderung europarechtskonform definiert. Der EuGH legt den Begriff der Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG dahingehend aus, dass er eine Einschränkung erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betroffenen am Berufsleben bildet (EuGH 11. Juli 2006 - Rs. C- 13/05 - Chacon Navas - NZA 2006, 839; vgl. hierzu Domröse NZA 2006, 1320, 1323). Eine andere Definition haben die Begriffe Krankheit und Arbeitsunfähigkeit erfahren. In der genannten Entscheidung hebt der EuGH ausdrücklich hervor, dass die Begriffe "Behinderung" und "Krankheit" nicht schlicht und einfach gleichzusetzen seien. Mit der Verwendung des Begriffs "Behinderung" in Artikel 1 der Richtlinie 2000/78/EG habe der Gesetzgeber bewusst ein Wort gewählt, das sich von dem der "Krankheit" unterscheide. Eine Person, die von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden sei, werde nicht von dem durch die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

Unter einer Krankheit wird jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand verstanden (BAG 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - EzA § 1 LohnFG Nr. 120; 26. Juli 1989 - 5 AZR 301/88 - EzA § 1 LohnFG Nr. 112). Arbeitsunfähig infolge Krankheit ist der Arbeitnehmer dann, wenn ein Krankheitsgeschehen ihn außerstande setzt, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbarer Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - EzA § 74 Abs. 5 SGB Nr. 1; 7. August 1991 - 5 AZR 410/90 - EzA § 1 LohnFG Nr. 120).

bb) Danach ist eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung nicht gegeben.

Die Beklagte hat die Bewerbung des Klägers nicht wegen seiner Behinderung zurückgewiesen. Sie hat bei ihrer Ablehnungsentscheidung nicht an dem unzulässigen Merkmal der Behinderung angeknüpft. Die ablehnende Entscheidung beruht vielmehr auf den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Damit hat die Beklagte zwischen Arbeitnehmern, die hohe Fehlzeiten aufweisen, und solchen, die keine hohen Fehlzeiten aufweisen, unterschieden. Der Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung ist somit auch nicht die Erkrankung des Klägers, sondern die auf seine Erkrankung zurückgehenden hohen Fehlzeiten.

Aufgrund der hohen Fehlzeiten hat der Kläger das Anforderungsprofil der Beklagten nicht erfüllt. Dieses besteht darin, dass nur solche Arbeitnehmer an der Schulung teilnehmen sollen, die keine hohen Fehlzeiten aufweisen. Die Anknüpfung an dem Unterscheidungsmerkmal "Fehlzeiten der Arbeitnehmer" durch die Beklagte fällt nicht in den Schutzbereich des AGG.

Es kommt daher nicht darauf an, ob die von der Beklagten gewählte Differenzierung zu rechtfertigen wäre. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass sie auch nicht als sachwidrig angesehen werden kann. Denn die gesetzlichen Bestimmungen erlauben es dem Arbeitgeber, auf Fehlzeiten auch eines schwerbehinderten Menschen zu reagieren. Das KSchG ermöglicht es dem Arbeitgeber, unter bestimmten Voraussetzungen einem schwerbehinderten Menschen eine personenbedingte Kündigung wegen hoher Ausfallzeiten auszusprechen. Vor diesem Hintergrund ist es auch zulässig, wenn der Arbeitgeber bei weniger einschneidendenden Maßnahmen wie der Entscheidung über die Teilnahme an einer Ausbildung krankheitsbedingte Ausfallzeiten des Arbeitnehmers berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte das von ihr angestrebte Ziel nur erreichen kann, wenn sie leistungsstarke Mitarbeiter nach Wesseling versetzt.

b) Es liegt auch keine mittelbare Benachteiligung des Klägers vor.

aa) Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

Voraussetzung einer mittelbaren Benachteiligung ist somit zunächst eine neutrale Vorschrift, die nicht an dem unzulässigen Merkmal anknüpft. Die Prüfung, ob Personen in besonderer Weise benachteiligt sein können, erfordert des Weiteren eine Vergleichsgruppenbildung. Die Feststellung einer mittelbaren Benachteiligung setzte nach früherer Rechtslage einen statistischen Vergleich zwischen den gebildeten Gruppen voraus. So war der Tatbestand einer mittelbaren Frauendiskriminierung nur erfüllt, wenn von einer Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen waren. In der Literatur ist streitig, ob nach § 3 Abs. 2 AGG geringere Anforderungen gelten. Es wird die Auffassung vertreten, dass es auf eine statistische Betrachtungsweise nicht mehr ankomme, sondern vielmehr ausreichend sei, dass eine Maßnahme besonders nachteilig für eine Gruppe sei (vgl. Schleusener/Suckow/Voigt § 3 AGG Rz 53 ff.; Schieck NZA 2004, 873, 875; a.A. Meinel/Heyn/Herms § 3 AGG Rz 21).

bb) Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung sei schon erfüllt, wenn eine Maßnahme besonders nachteilig für eine Gruppe sei, ist eine mittelbare Benachteiligung wegen seiner Behinderung nicht gegeben.

Das zunächst erforderliche neutrale Unterscheidungskriterium besteht in der Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die keine hohen Fehlzeiten aufweisen, und solchen, die hohe Fehlzeiten aufweisen.

Die weitere Voraussetzung, dass sich die von der Beklagten getroffene Maßnahme, Mitarbeiter mit hohen Fehlzeiten nicht zu der EBO-Ausbildung zuzulassen, besonders nachteilig auf die Gruppe der schwerbehinderten Menschen auswirkt, ist indes nicht gegeben. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch für die Frage, ob eine mittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung des Arbeitnehmers gegeben ist, ist zu berücksichtigen, dass Behinderung und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die zu Ausfallzeiten führt, nicht gleichgesetzt werden können. Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, dass schwerbehinderte Menschen besonders hohe Fehlzeiten aufweisen. Ohne nähere tatsächliche Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass schwerbehinderte Menschen höhere Fehlzeiten aufwiesen als nicht schwerbehinderte Menschen. Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sich Behinderungen eines Arbeitnehmers nicht zwingend auf seine krankheitsbedingten Fehlzeiten auswirken.

2. Die Klage ist auch deswegen unbegründet, weil der Kläger die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nicht gewahrt hat.

a) Nach dieser Vorschrift muss der Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG sieht vor, dass die Frist im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den anderen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt, beginnt.

Bei Dauertatbeständen wie etwa fortlaufenden Mobbing - Handlungen beginnt die Ausschlussfrist erst mit der zeitlich letzten Handlung (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - AP § 611 BGB Mobbing Nr. 5; Schleusener/Suckow/Voigt § 15 AGG Rz 68).

b) Danach begann die Ausschlussfrist mit dem Zugang des Schreibens der Beklagten vom 28. August 2006. Ab diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass er zu der EBO-Ausbildung nicht hinzugezogen werden sollte. Ein Dauertatbestand ist nicht gegeben, weil die Beklagte dem Kläger später keine erneute Absage erteilt, sondern die bereits erteilte Ablehnung lediglich bestätigt hat.

Der Kläger hat erstmals mit Schreiben vom 29. Dezember 2006 Schadenersatz (bzw. Entschädigung) wegen der Nichtberücksichtigung bei der Ausbildung geltend gemacht. Die zweimonatige Ausschlussfrist war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.

Das Schreiben des Klägers vom 22. September 2006 kann nicht als ausreichende Geltendmachung angesehen werden, weil er in ihm nicht die Zahlung einer Entschädigung, sondern die Teilnahme an dem Kurs verlangt hat. Im Übrigen ergäbe sich kein anderes Ergebnis, wenn das Schreiben des Klägers vom 22. September 2006 als ausreichende Geltendmachung anzusehen wäre. In diesem Fall wäre die dreimonatige Klagefrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten. Der auf Entschädigung nach dem AGG gerichtete Klageantrag ist erst am 9. Januar 2007 beim Arbeitsgericht eingegangen.

3. Eine andere Anspruchsgrundlage als § 15 Abs. 2 AGG kommt nicht in Betracht. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX verweist auf die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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