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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 14 Sa 1029/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 387
BGB § 611
Eine Entgeltforderung ist nicht schlüssig dargelegt, wenn in einer Entgeltaufstellung unzulässigerweise Brutto- und Nettoforderungen miteinander verrechnet und aufgerechnet werden (im Anschluss an BAG, Urteil vom 15.03.2005 - 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682 ff).
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.07.2007 - 4 Ca 5067/05 werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten restliche Vergütung auch für die Jahre 2002 bis 2005.

Der Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 255 ff. d. A.) als Diplomingenieur seit dem 17.01.2000 tätig. Hinsichtlich Nacht-, Sonntags-, Mehr und Überarbeit enthielt der Arbeitsvertrag in § 3 Ziffer 3 die Regelung, diese Mehrleistung durch Freizeitausgleich abgegolten und eine finanzielle Entschädigung nicht gewährt werde. Könne aus betrieblichen Gründen diese Mehrleistung nicht durch Freizeitausgleich innerhalb von 3 Monaten abgegolten werden, so könne sie finanziell entschädigt werden.

Der Arbeitsvertrag enthielt des weiteren in § 12 eine Schriftformklausel, wonach Änderungen und Ergänzungen des Vertrages erst nach schriftlicher Bestätigung wirksam werden.

Aufgrund einer Vollmacht des Klägers (Bl. 4 d. A.) erhob der Vater des Klägers am 04.11.2005 Klage vor dem Arbeitsgericht und verlangte für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 restliche Vergütung in Höhe von 259.115,02 € brutto sowie 47.701,30 € netto abzüglich erhaltener 131.919,68 € netto. In der Klageforderung waren die erhaltenen Nettogehaltszahlungen sowie die erhaltenen Spesen für jedes Kalenderjahr aufgeführt (Bl. 2 d. A.). Durch Schriftsatz des Klägers vom 08.11.2005 (Bl. 118 ff. d. A.) wurden die erhaltenen Zahlungen bestätigt und die geltend gemachten Restforderungen zunächst geringfügig verändert (Korrekturen in roter Handschrift - Bl. 120 d. A.).

Im Verlauf des Prozesses hat der Kläger seine Klageforderung mehrfach geändert.

Unter dem 18.11.2005 hat er zur Klageforderung folgendes mitgeteilt:

"... ich teile Ihnen hierdurch mit, dass Herr inzwischen eine weitere Zahlung in Höhe von 14.000,00 € geleistet hat. Demnach ermäßig sich nunmehr meine Forderung aus obiger Klage von 52.868,22 € auf 38.868,22 €."

In der Sitzung vom 07. März 2006 hat er wie folgt beantragt:

"... den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 62.450,41 € brutto zu zahlen."

Im Schriftsatz vom 15.05.2006 hat er folgenden neuen Antrag formuliert:

"... der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 92.396,62 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen."

In der Sitzung vom 14.11.2006 hat er wie folgt beantragt:

"... den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 91.907,76 € brutto und 488,86 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen."

Hinsichtlich der in diesem Antrag genannten Nettoforderung hat er erklärt, dass es sich um eine restliche Spesenforderung handele.

In der Sitzung vom 13. März 2007 hat er wie folgt beantragt:

"den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 44.233,95 € brutto und 48.162,67 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.01.2006 zu zahlen."

Er hat hierbei vorgebracht, dass es sich bei der Nettoforderung ausschließlich um rückständige Spesenansprüche handele.

Der Kläger hat zuletzt vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, auf die mit Antrag vom 13.03.2007 geforderten 48.162,67 € netto Spesen, die der Beklagte bis auf einen Betrag von 488,86 € aus dem Jahre 2003 auch anerkannt habe, habe der Beklagte entsprechend den Tilgungsbestimmungen bei seinen geleisteten Nettozahlungen insgesamt 20.879,14 € gezahlt. Um diesen Nettobetrag sei die Spesenforderung zu ermäßigen und der geforderte Bruttolohn zu erhöhen, da der Kläger diese Zahlungen fälschlicherweise bei der Berechnung der Bruttolohnforderung berücksichtigt habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 63.113,09 € brutto und 27.283,53 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er habe alle Lohn- und Spesenforderungen des Klägers erfüllt. Die Spesenforderung sei bis auf einen zu viel geforderten Betrag in Höhe von 488,86 € aus dem Jahre 2003 richtig. Diese Spesen habe er auch bezahlt. Weitere Lohnforderungen stünden dem Kläger nicht zu mit Ausnahme der Abführung weiterer Sozialversicherungsbeiträge, die der Sozialversicherungsträger mit Bescheid aus April 2007 nachgefordert habe. Diese Nachforderung akzeptiere er.

Durch Urteil vom 24.07.2007 hat das Arbeitsgericht der Klage in Bezug auf die Spesenansprüche in Höhe von 27.283,53 € stattgegeben, hingegen in Bezug auf die geltend gemachten Bruttoentgeltansprüche die Klage abgewiesen. Diesbezüglich habe der Kläger den geforderten Bruttobetrag nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger habe bei der Berechnung seiner Klageforderung nicht unterschieden zwischen geforderter Bruttovergütung und hierauf geleisteten Nettozahlungen. Durch unspezifizierte Vermengung von Brutto- und Nettobeträgen sei für niemanden mehr ersichtlich, wie die Forderung im Hinblick auf Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Nettovergütung aufzuteilen sei.

Gegen dieses ihm am 15.08.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.2007 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf den 15.11.2007 am 02.11.2007 begründen lassen (Berufungsbegründung Bl. 624 bis 626 d. A.). Der Beklagte hat darauf hin Anschlussberufung einlegen lassen mit dem Ziel, die Klage insgesamt abweisen zu lassen.

Der Kläger trägt vor, es sei richtig, dass er seine Anträge mehrfach geändert habe. Dies beruhe aber darauf, dass das Arbeitsgericht entsprechende Antragsänderungen angeraten habe. Zum anderen habe es sich um lediglich redaktionelle Änderungen gehandelt. Eine weitere Änderung sei erst notwendig geworden, nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 19.04.2007 Kontoauszüge vorgelegt habe.

Der Kläger habe Brutto- und Nettoforderungen nicht unzulässig vermischt. Der Kläger verweist insoweit auf seine Forderungsaufschlüsselung im Schriftsatz vom 15.05.2006 (Bl. 234 ff. d. A.). Hierin sei eine schlüssige Darlegung der Klageforderung enthalten. Es sei nicht überzeugend, dass das Arbeitsgericht die Spesen zugesprochen habe, die Bruttoentgeltforderung aber nicht.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.07.2007 - 4 Ca 5067/05 - über den im Urteil des Arbeitsgerichts Aachen ausgeurteilten Betrag hinaus, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 63.113,09 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

2. Im Wege der Anschlussberufung die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe keine restlichen Gehaltsansprüche mehr. Der Kläger habe seine Forderung mehrfach geändert und nicht zwischen Brutto- und Nettovergütung unterschieden. Die Entgeltansprüche des Klägers seien erfüllt. Gehaltserhöhungen seien nicht vereinbart worden. Mehrarbeit sei nach der vertraglichen Regelung in Freizeit abzugelten gewesen. So sei auch verfahren worden.

Der vom Arbeitsgericht dem Kläger zugesprochene Spesenanspruch bestehe nicht. Denn dieser sei erfüllt worden. Insbesondere habe der Beklagte verschiedentlich per Sammelüberweisung bezahlt. Hierbei sei eine Tilgungsbestimmung nicht möglich.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers und Anschlussberufung der Beklagten sind nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich restlicher Entgeltansprüche abgewiesen, hingegen dem Anspruch auf restliche Spesenzahlung stattgegeben.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch fristgerecht begründet worden. Auch die Anschlussberufung ist zulässig und innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO eingelegt worden.

II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht die Bruttoentgeltforderung des Klägers abgewiesen. Hierauf wird Bezug genommen. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist Folgendes festzuhalten.

Die vom Kläger geltend gemachte restliche Entgeltforderung in Höhe von 63.113,09 € brutto ist in keiner Weise schlüssig dargelegt. Weder in der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren ist es dem Kläger gelungen, nachvollziehbar darzulegen, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe ihm noch restliche Entgeltforderungen zustehen könnten. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz keine eigenständige detaillierte Aufschlüsselung seiner Klageforderungen vorgenommen, sondern lediglich auf sein erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 15.06.2006 Bezug genommen. Hieraus ergibt sich keine schlüssige Darlegung einer Klageforderung. Vielmehr zeichnet sich diese Aufstellung im Schriftsatz vom 15.06.2006 durch eine unzulässige, systematische Vermischung von Brutto- und Nettoforderungen aus, die zu grotesken Falschberechnungen führt und keinerlei Basis für eine schlüssig darzulegende restliche Entgeltforderung enthält.

a. Brutto- und Nettoansprüche sind streng zu trennen. Während Bruttoansprüche dadurch gekennzeichnet sind, dass von ihnen noch die Steuern und die gesetzlichen Sozialversicherungsabgaben abzuziehen und abzuführen sind, stehen Nettoansprüche dem Arbeitnehmer ohne weitere Abzüge zu. Bei einem Zahlungstitel muss der Gerichtsvollzieher unterscheiden können, ob es sich um eine Bruttoforderung handelt, von der nur der nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben verbleibende Nettobetrag ausgezahlt werden darf, oder ob eine Nettoforderung vorliegt und er deshalb den titulierten Betrag abzugsfrei an den Arbeitnehmer auskehren darf. Wegen der unterschiedlichen Rechtsqualität von Bruttoforderungen und Nettoforderungen liegt keine Gleichartigkeit der Forderungen im Sinne des § 387 BGB vor. Es ist daher unzulässig, Bruttoforderungen mit Nettoforderungen zu verrechnen oder aufzurechnen (siehe BAG Urteil vom 15.03.2005 - 9 AZR 502/03 - NZA 2005, Seite 682 ff., 686; BAG 22.3.2000 - 4 AZR 120/99, zitiert nach juris; Erfurter Kommentar - Preis, 8. Auflage, § 611 BGB, Randziffer 450; Schaub, Arbeitrechts-Handbuch § 87 Rz 9; Küttner, Personalbuch 2008, Aufrechnung Rz. 5 f).

b. Entgegen dieser rechtlichen Verpflichtung, Brutto- und Nettoansprüche strikt auseinander zu halten, sind in dem Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.06.2006, auf den sich die Klägerseite stützt, systematisch Brutto- und Nettoforderungen in eine Aufstellung gestellt und miteinander verrechnet worden. Diese Verfahrensweise führt zu grotesken Falschberechnungen und macht die Klageforderung des Klägers schon im Ansatz unschlüssig. Zwei markante Beispiele aus dem Schriftsatz der Klägerseite vom 15.06.2006 illustrieren dies.

So macht der Kläger auf Seite 8 seines Schriftsatzes vom 15.06.2006 (Bl. 241 d. A.) für den Zeitraum Juli 2003 bis Dezember 2004 ausgehend von einem monatlichen Bruttolohn von 4.000,00 € eine Gesamtbruttozahlungsverpflichtung in Höhe von 72.000,00 € geltend. Hiervon zieht er die erhaltenen Nettozahlung von 66.357,02 € ab und gelangt durch Verrechnung von Bruttoforderung und Nettozahlung zu einer angeblich noch bestehenden Restforderung von 5.642,98 € , die er als Teilforderung mit der Klage geltend machen will. Tatsächlich ergibt sich angesichts der vom Kläger vorgetragenen Zahlen keine Restforderung, sondern eine erhebliche Überzahlung. Denn eine Bruttoforderung von 72.000,00 € würde angesichts eines Arbeitnehmeranteils zu Sozialversicherung von über 21 % und der Lohnsteuerklasse eins, die für den Kläger als lediger, kinderloser Arbeitnehmer gilt, zu einem Nettobetrag in der Größenordnung von unter 45.000,00 € führen, so dass in Wahrheit eine Überzahlung von mehr als 20.000,00 € vorliegen würde, nicht aber eine Restforderung von über 5.000,00 € begründet werden kann.

Ein weiteres Beispiel bildet der geltend gemachte Teilanspruch für Januar bis Dezember 2005 (Seite 9 des Schriftsatzes vom 15.06.2006 - Bl. 242 d. A.). Hier begehrt der Kläger für Januar bis Dezember 2005 48.000,00 € brutto und gesteht zu, eine Nettozahlung von 57.944,84 € erhalten zu haben. Die Differenz in Höhe von 9.994,84 € will sich der Kläger als Überzahlung anrechnen lassen. Tatsächlich ist die Überzahlung bei strikter Trennung von Brutto- und Nettoforderungen sehr viel höher.

Denn aus einer Bruttoforderung von 48.000,00 € würde angesichts der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (ca. 21 % der Bruttovergütung) und des Steuersatzes des Klägers, der ausweislich der Lohnabrechnung bei 4.000 € brutto zu einer monatlichen Lohn- und Kirchensteuersteuer von etwa 1.000 € pro Monat (siehe beispielhaft Lohnabrechnung für April 2005 - Bl. 106 d.A.) geführt hätte, eine Jahres-Nettoforderung in der Größenordnung von ca. 26.000,00 € (48.000 € abzüglich 21% = 37.920 € abzüglich ca. 12.000 € Lohn- und Kirchensteuer = 25.920 € )ergeben.

Angesichts der erhaltenen und vom Kläger zugestandenen Zahlung in Höhe von 57.944,84 € läge damit in Wahrheit nicht ein Überzahlung von knapp 10.000,00 €, sondern eine solche von über 30.000,00 € vor.

c. Auf die unzulässige Verrechnung von Brutto- und Nettoforderungen ist der Kläger auch hingewiesen worden, sowohl erstinstanzlich, zuletzt durch das Urteil des Arbeitsgerichts vom 24.07.2007, als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 07.01.2008. Auch mit den oben angeführten Beispielen der Falschberechnung ist die Klägerseite konfrontiert worden, ohne dass dies zu einer Erklärung oder Änderung geführt hätte. Dabei unterlag die Darlegungslast des Klägers im vorliegenden Fall angesichts des mehrfachen Wechsels bei der Höhe der geltend gemachten Entgeltforderungen ohnehin gesteigerten Anforderungen.

2. Aus den eigenen Darlegungen der Klägerseite ergibt sich zudem, dass der Kläger in den Jahren 2002 bis 2005 das monatliche Bruttogehalt auf jeden Fall erhalten hat. Der Kläger geht insoweit davon aus, dass ihm bis Juni 2003 ein monatliches Bruttogehalt von 3.834,69 € zustand und ab Juli 2003 ein solches von 4.000,00 €. Daraus ergibt sich ein Jahresgehalt von zuletzt 48.000,00 €, das - wie bereits ausgeführt - zu einem jährlichen Nettoanspruch angesichts der Steuerklasse des Klägers und der Belastung mit den Arbeitnehmeranteilen zu Sozialversicherung in der Größenordnung von etwa 26.000,00 € geführt haben dürfte. Tatsächlich hatte aber bereits der Vater des Klägers als Prozessbevollmächtigter des Klägers bei der Klageerhebung im Einzelnen berechnet und zugestanden, dass der Kläger neben Spesenzahlungen, die separat aufgeführt waren, allein auf die Gehaltsansprüche der Jahre 2002 bis 2005 insgesamt 131.919,86 € netto erhalten habe. Diese Nettozahlung auf die Gehaltsansprüche wurde im Schriftsatz des Vaters des Klägers, der am 08.11.2005 bei Gericht einging (Bl. 118 ff. d. A.) nochmals handschriftlich (Bl. 120 d. A. - Korrekturen in roter Handschrift) bestätigt. Damit steht aber fest, dass der Kläger als Nettogehaltszahlung in den Jahren 2002 bis 2005 durchschnittlich ca. 33.000,00 € erhalten hat, so dass ein Differenzanspruch nicht festgestellt werden kann.

Soweit der Kläger Überstunden und Mehrarbeitsvergütung geltend macht, scheitert dieser Anspruch neben der unzulässigen Vermischung von Brutto- und Nettoforderungen zusätzlich daran, dass die Voraussetzungen hierfür nicht schlüssig dargetan sind. Weder der Umfang im Einzelnen, noch die Anordnung durch den Arbeitgeber, noch die Geltendmachung, die zunächst nach dem Vertrag durch das Einfordern von Freizeitausgleich hätte erfolgen müssen, sind im Einzelnen dargetan. Der Umstand, dass möglicherweise gegenüber Auftraggebern Überstunden abgerechnet worden sind, reicht zur Darlegung in keiner Weise aus, denn weder steht die Richtigkeit dieser Abrechnungen fest, noch lässt sich daraus allein eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten ableiten, solange nicht der Kläger zunächst erfolglos Abgeltung durch Freizeitausgleich verlangt hätte. Angesichts der Schriftformklausel des Arbeitsvertrages fehlt es auch an einem Vortrag, wann und durch welche Erklärungen die behaupteten prozentualen Zuschläge vereinbart worden sein sollen.

3. Soweit der Kläger schließlich mit seiner Klage die Abführung von Arbeitnehmeranteilen zu Sozialversicherung und Steuern erreichen will, ist seine Klage auch unabhängig von der unzulässigen Vermischung von Brutto- und Nettoforderungen nicht schlüssig.

Soweit es um die Abführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung geht, ist hierfür die Sozialversicherung zur Eintreibung zuständig. Sofern ein Arbeitnehmer meint, es seien zu niedrige Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden, führt dies noch nicht zu einem eigenständigen Klageanspruch. Bezüglich der Arbeitnehmeranteile zu Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung kann regelmäßig kein Schaden eintreten, da der Anspruch auf Versicherungsleistungen nicht von der konkreten Beitragszahlung abhängig ist. Lediglich bei der Rentenversicherung kann ein Schaden eintreten. Ein Anspruch kann aber erst dann geltend gemacht werden, wenn darlegt und nachgewiesen werden kann, dass hieraus ein konkreter bezifferbarer Versorgungsschaden entstanden ist (s. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch § 71 Rz. 41 ff).

An solchen Anhaltspunkten für einen konkreten Versorgungsschaden mangelt es im vorliegenden Fall. Im Gegenteil folgt aus dem von beiden Parteien vorgetragenen Umstand, dass der Sozialversicherungsträger bereits Nachforderungsansprüche gegen den Beklagten gestellt hat, dass alle erforderlichen Schritte zur korrekten Beitragsabführung eingeleitet sind. Ein konkreter bezifferbarer Versorgungsschaden ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Steuern hatte der Kläger bereits durch sein am 16.01.2006 bei Gericht eingegangenes Schreiben (Bl. 185 ff. d. A.) unstreitig gestellt, dass der Beklagte jedenfalls die auf den Gehaltsabrechungen und in den von ihm ausgefüllten Lohnsteuerkarten aufgeführten Steuerbeträge abgeführt hat. Eine Anspruchsgrundlage für eine weitergehende Haftung des Arbeitgebers für Steuern, die über die vom Arbeitgeber bescheinigten und abgeführten Steuerbeträge hinaus gehen, ist nicht ersichtlich (siehe BAG Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 521/03 -, NZA 2004, Seite 1274).

Insbesondere kann der Kläger den Beklagten nicht dafür in Haftung nehmen, dass er als Kläger die vom Beklagten zur Verfügung gestellten Steuerkarten nachträglich eigenmächtig mit anderen Bruttoentgelten und Steuerabzugsbeträgen versehen hat (beispielhaft Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2002, Bl. 136 d. A. und Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2003, Bl. 137 d. A.) und diese möglicherweise beim Finanzamt eingereicht hat und jetzt vom Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen wird. Denn Steuerschuldner ist grundsätzlich der Arbeitnehmer (siehe BAG Urteil vom 16.06.2004 - 7 AZR 521/03 -, NZA 2004, Seite 1274).

Eine Anspruchsgrundlage, für vom Arbeitnehmer vorgenommene eigenmächtige Abänderungen der Lohnsteuerkarten den Arbeitgeber in Anspruch nehmen zu wollen, besteht nicht.

Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.

III. Die Anschlussberufung des Beklagten war ebenfalls nicht erfolgreich. Der geltend gemachte Spesenanspruch in Höhe von 27.283,53 € steht dem Kläger zu.

1. Der Beklagte hatte einen Gesamtspesenanspruch des Klägers in Höhe von 47.653,81 € explizit in seinem Schriftsatz vom 10.08.2006 (Seite 8 dieses Schriftsatzes - Bl. 425 d. A.) zugestanden. Auch hinsichtlich des weiteren Restbetrages in Höhe von 488,68 € hat der Beklagte keine relevanten Einwendungen vorgetragen. Insbesondere greift die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede angesichts der Tatsache, dass die Klage bereits am 04.11.2005 anhängig gemacht wurde, nicht ein.

2. Unstreitig sind hierauf mit Tilgungsbestimmung des Beklagten 20.879,14 € geleistet worden. Weitere Zahlungen auf diese Forderung sind nicht feststellbar und vom Beklagten auch nicht dezidiert vorgetragen. Nicht durchzudringen vermag der Beklagte mit seiner Argumentation, er habe weitere Überweisungen an den Kläger per Sammelüberweisung vorgenommen und bei diesen seien Tilgungsbestimmungen nicht möglich. Es kann dahin stehen, ob dies zutrifft. Jedenfalls führt die Tatsache, dass tatsächlich vom Beklagten keine Tilgungsbestimmung vorgenommen wurde, nicht dazu, dass die Tilgungswünsche des Beklagten gleichwohl zu berücksichtigen wären. Vielmehr führt das Ausbleiben einer Tilgungsbestimmung durch den Schuldner gemäß § 366 Abs. 2 BG zur gesetzlichen Tilgungsreihenfolge. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Arbeitsgericht von der vorrangigen Tilgung der Gehaltsforderungen ausgegangen ist.

IV. Aus den dargestellten Gründen hatten weder Berufung noch Anschlussberufung Erfolg. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da kein Fall von Divergenz vorlag und auch kein Fall grundsätzlicher Bedeutung, da die Rechtssache auf der Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze beruhte.

Ende der Entscheidung

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