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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.10.2006
Aktenzeichen: 2 (13) Ta 394/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 118
Hält das Gericht einen Prozesskostenhilfeantrag noch nicht für entscheidungsreif, so hat es unverzüglich darauf hinzuweisen. Wird für die Nachreichung von Unterlagen keine Frist gesetzt, darf die Partei davon ausgehen, dass bei zügiger Bearbeitung ein zwischenzeitlicher Vergleich und damit das Instanzende keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gewährung von PKH haben werden.
Tenor:

Der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bonn - 4 Ca 1703/06 - vom 25.08.2006 wird aufgehoben. Der Klägerin wird für die Klage vom 14.06.2006 mit Wirkung vom 01.07.2006 Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gewährt und ihr Rechtsanwalt P als Prozessbevollmächtigter zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten braucht, da kein einzusetzendes Einkommen vorhanden ist.

Gründe:

I. Die Klägerin erhob am 14.06.2006 unter Mithilfe der Rechtsantragsstelle Kündigungsschutzklage und stellte einen Antrag auf nachträgliche Zulassung dieser Klage. Sie begründete dies damit, dass das Kündigungsschreiben am 15.05.2006 laut Poststempel zur Post gegeben wurde, sie sich mit Kenntnis des Arbeitgebers seit dem 17.05.2006 in S befunden habe und erst am 10.06.2006 zurückgekommen sei. Deshalb habe sie erst am 10.06.2006 von der Kündigung Kenntnis nehmen können und Klage erheben können.

Am 01.07.2006 stellte die Klägerin, vertreten durch ihren derzeitigen Prozessbevollmächtigten, Prozesskostenhilfeantrag. Diesem war eine Lohnabrechnung ihres Ehemannes für den Monat Mai 2006 beigefügt sowie die eigene Lohnabrechnung für den Monat April 2006 und weitere Unterlagen zu Krediten und zur Wohnungsmiete. Die Klägerin hatte zusätzlich angegeben, es bestehe eine Lebensversicherung, deren Rückkaufswert am 01.01.2007 2.995,00 € betragen würde. Beigefügt war ein Schreiben der Lebensversicherung an den Ehemann der Klägerin, welches einen Versicherungsbeitrag von 71,90 € belegte. Am 15.08.2006 reichte der Klägerprozessbevollmächtigte weitere Lohnabrechnungen des Ehemannes für Juni und Juli 2006 ein. Das Arbeitsgericht bat mit Verfügung vom 17.08.2006 darum, zur Lebensversicherung Stellung zu nehmen.

Am 21.08.2006 wurde gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleiches festgestellt. Die Stellungnahme des Klägerprozessbevollmächtigten zur Lebensversicherung traf am 24.08.2006 beim Arbeitsgericht Bonn ein. Hierbei wurde aufgeklärt, dass der Versicherungsnehmer der Lebensversicherung der Ehemann der Klägerin war und die Versicherung erst am 01.11.2021 abläuft. Mit angegriffenem Beschluss vom 25.08.2006 gewährte das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe in vollem Umfang und ohne Ratenzahlung jedoch erst mit Wirkung ab dem 25.08.2006. Der Beschluss ging der Klägerin am 29.08.2006 zu. Mit Schreiben vom 04.09.2006 wurde der Klägerprozessbevollmächtigte darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschluss inhaltsleer ist, da nach dem 25.08.2006 keine Gebühren mehr entstanden sind und das Verfahren beendet war. Nachdem eine Überprüfung des Beschlusses durch das Arbeitsgericht erfolglos blieb, legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.09.2006 am 22.09.2006 sofortige Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung ein. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 25.08.2006 - 4 Ca 1703/06 - ist begründet.

1. Die Klägerin ist durch den Beschluss beschwert, denn ihr wurde Prozesskostenhilfe in vollem Umfange versagt, obwohl der Beschluss so gekleidet war, als wäre ihr Prozesskostenhilfe gewährt worden. Allein aus diesem Grunde war der Beschluss aufzuheben, denn er verschleiert, dass der Klägerin tatsächlich Prozesskostenhilfe versagt werden soll, weil Entscheidungsreife erstmals nach Instanzende eingetreten sein soll. Die Beschwerde war auch fristgerecht, denn die Klägerin konnte zum einen überhaupt nicht erkennen, dass sie durch diesen Beschluss beschwert war, zudem enthielt der Beschluss keine Rechtsmittelbelehrung.

Die Beschwerdekammer hat davon abgesehen, den Beschluss lediglich aufzuheben und zur Neuentscheidung und richtigen Formulierung an das Arbeitsgerichts zurückzuverweisen, da aufgrund der gegebenen Tatsachenlage eine Entscheidung ohne weiteres durch das Landesarbeitsgericht getroffen werden konnte. Die Kläger hat bereits vor Instanzende am 01.07.2006 einen bescheidungsfähigen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Deshalb war die Prozesskostenhilfe rückwirkend auf das Datum des Eingangs des Prozesskostenhilfeantrags beim Arbeitsgericht zu bewilligen. Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin alle entscheidungserheblichen Sachverhalte mitgeteilt. Sie hat den Mietvertrag vorgelegt, ihre Ratenzahlungsverpflichtungen belegt sowie das eigene Einkommen und das Einkommen des Ehemannes durch zeitnahe Vergütungsabrechnungen belegt. Zudem hatte sie mitgeteilt, dass bei der Volksfürsorge eine Lebensversicherung besteht, deren Rückkaufswert am 01.01.2007 2.995,00 € betragen würde. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin diesen Betrag zur Tilgung der Prozesskosten hätte einsetzen müssen, hätte deshalb sofort am 01.07.2006 entschieden werden können, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt wird und sie derzeit keinen eigenen Beitrag zu den Prozesskosten leisten muss. Denn selbst wenn ein Rückkaufswert am 01.01.2007 einzusetzen wäre, so wie er im Formular angegeben war, hätte erst zu diesem Zeitpunkt eine solche Zahlungsverpflichtung der Klägerin bestanden. Hätte das Gericht somit zeitnah entschieden und eine Rückzahlungsverpflichtung der Prozesskostenhilfe ab 01.01.2007 festgesetzt, hätte die Klägerin ausreichend Zeit gehabt, mit der Beschwerde die erforderlichen Nachweise dafür zu erbringen, dass zum einen am 01.01.2007 und auch zu einem späteren Zeitpunkt der Rückkaufswert überhaupt nicht an die Klägerin, sondern allenfalls an ihren Ehemann fließt. Im Übrigen hätte sie Gelegenheit gehabt darzustellen, dass nicht die Fälligkeit der Versicherung gegeben ist, sondern nur ein hypothetischer Rückkaufswert für den Fall, dass die Versicherung vorzeitig gekündigt wird.

Zudem kann es nicht zum Nachteil der Klägerin gereichen, dass das Gericht sich selber in der Zeit vom Eingang des Prozesskostenhilfeantrags bis zum 17.08.2006, also mehr als 1 1/2 Monate lang Zeit gelassen hat, um die Klägerin darauf hinzuweisen, dass es den Prozesskostenhilfeantrag nicht für entscheidungsreif hält. Hätte das Gericht, wie es richtig gewesen wäre, die Klägerin unverzüglich darauf hingewiesen, dass es den Antrag nicht für entscheidungsreif hält, hätte diese zeitiger reagieren können und insbesondere noch vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens die gewünschte Klarstellung herbeiführen können.

Zudem ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Klägerin, die ohne jede Fristsetzung aufgefordert war zur Lebensversicherung Stellung zu nehmen, in diesem Fall davon ausgehen durfte, dass eine zügige und zeitnahe Beantwortung dieser Frage nicht zum Verlust des Prozesskostenhilfeanspruchs wegen Beendigung der Instanz führen würde. Denn das Gericht hat mit seiner Anfrage zum Ausdruck gebracht, dass es bei zeitnaher Beantwortung dieser Anfragen ohne ausdrückliche Fristsetzung diese Erklärungen noch auf den Antragsstellungszeitpunkt zurückwirken lassen wird. Eine Partei, die davon ausgehen darf, einen vollständigen und entscheidungsfähigen Prozesskostenhilfeantrag zur Akte gereicht zu haben und auf Anfragen des Gerichts zeitnah Aufklärung leistet, soll nicht durch ein vorzeitiges Prozessende von den Vergünstigungen der Prozesskostenhilfe ausgeschlossen bleiben. Insbesondere, da das Gericht sich mit der Nachfrage selbst Zeit gelassen hatte, hätte der Klägerin eine Nachfrist gesetzt werden müssen, bei deren Einhaltung die Prozesskostenhilfe rückwirkend zu gewähren war.

Ende der Entscheidung

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