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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 357/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 307 | |
BGB § 612 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.10.2007 - Az.: 8 Ca 2020/07 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien über die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Grundvergütung als Leitender Abteilungsarzt in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus.
Der Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes. Die Beklagte war während der Dauer der Tarifgemeinschaft zwischen ver.di und Marburger Bund Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist unstreitig, dass die Tarifverträge zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und nicht die von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge zur Beurteilung der richtigen Vergütungshöhe des Klägers herangezogen werden müssen. Streitig ist lediglich, ob der Kläger nach Vergütungsgruppe III als Oberarzt oder nach Entgeltgruppe IV als Leitender Oberarzt zu vergüten ist oder ob die Vergütung als Chefarztvergütung oberhalb der höchsten Tarifgruppe liegen muss.
Der Kläger ist seit dem 01.05.1990 Arbeitnehmer der Beklagten in der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin. Bis zum November 2004 wurde diese Abteilung durch einen Chefarzt geleitet. Mit dessen Ausscheiden erwog die Beklagte, die Abteilung ganz zu schließen, einen neuen Chefarzt zu ernennen oder ein anderes Führungsmodell für diese Abteilung zu entwickeln. Die Beklagte, der Kläger, und die beiden weiteren Ärzte, D . M -M und K einigten sich darauf, die Abteilung zunächst befristet auf zwei Jahre von allen drei Ärzten als Kollegialärzte leiten zu lassen. Für diese befristete Zeit erhielten die Ärzte die bisher nach dem BAT errechnete Vergütung unverändert weiter. Nach Ablauf der zwei Jahre verhandelte die Beklagte erneut mit den drei Ärzten über die Leitungsstruktur der Abteilung. Am 19.01.2007 trafen die Parteien dabei die bereits im erstinstanzlichen Urteil zitierte Vereinbarung. Eine konkrete Vergütungshöhe wurde für die drei Ärzte nicht festgelegt. Dies beruhte darauf, dass die Beteiligten mit der getroffenen Vereinbarung zunächst die hergestellten Übereinkünfte festschreiben wollten, während aufgrund der massiven Tarifforderungen des Marburger Bundes und dessen Ausscheiden aus der Tarifgemeinschaft mit ver.di die tariflichen Vergütungsstrukturen und die konkrete Vergütungshöhe nicht feststand.
Nach Inkrafttreten der Tarifverträge des Marburger Bundes gruppierte die Beklagte den Kläger sowie den weiteren Arzt K in Vergütungsgruppe III ein, während der weitere Leitende Abteilungsarzt M -M Entgelt nach Entgeltgruppe IV erhält.
Der Kläger ist mit dieser Regelung nicht einverstanden. Er ist der Ansicht, dass er mindestens ebenfalls nach Entgeltgruppe IV zu vergüten ist. Dies beruhe seiner Ansicht nach darauf, dass die Abteilung zwar keinen Chefarzt habe, deshalb aber alle drei als Leitende Abteilungsärzte beschäftigten Mitarbeiter den vakanten Posten des Chefarztes vertreten. Letztlich stelle sich die medizinische Verantwortung gleich der eines Chefarztes dar, da übergeordnete ärztliche Mitarbeiter in der Abteilung nicht vorhanden sind. Ein Verzicht auf die Überstundenvergütung und die Vergütung von Bereitschaftsdiensten, welche nach Ansicht der Beklagten bei Chefarztverträgen üblich sei, sei deshalb nicht in Betracht gekommen, weil in der Abteilung letztlich derzeit nur ein weiterer Assistenzarzt in der Facharztausbildung beschäftigt wird. Die notwendige Sicherstellung der Bereitschaftsdienste müsse deshalb auch unmittelbar durch die Leitenden Oberärzte erfolgen, während üblicherweise Chefärzte lediglich so genannte Hintergrunddienste leisten.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Entgeltgruppe IV deshalb nicht eingreife, weil im Regelfall nach der Protokollerklärung zum Tarifvertrag innerhalb einer Klinik nur eine Person den Chefarzt in der Gesamtheit der Dienstaufgaben vertreten solle. Soweit man den Kläger wegen der Tatsache, dass er keinem anderen Arzt untergeordnet sei, als Chefarzt ansehen wolle, sei nicht zwingend, dass er in diesem Falle die höchste Vergütung nach der tarifvertraglich geregelten Vergütungsordnung beziehen müsse. Wenn man die tatsächlich geleistete Vergütung und das Privatliquidationsrecht zusammenfasse, verdiene der Kläger jedenfalls immer noch deutlich mehr als ein Leitender Oberarzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zugesprochen und dem zugrunde gelegt, dass der Kläger letztlich mit seinen Kollegen die nicht besetzte Position des Chefarztes als Teammitglied vertrete.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.10.2007 - Az.: 8 Ca 2020/07 - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der geäußerten Rechtsansichten wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Dem Kläger steht die Vergütung nach § 16 Vergütungsgruppe IV des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 in Verbindung mit der Anlage A der mit dem Marburger Bund abgeschlossenen Vergütungstabelle (6.500,00 € brutto) zu.
Dabei folgt das Landesarbeitsgericht allerdings nicht der Begründung des Arbeitsgerichtes, die von einer unmittelbaren Anwendung des Tarifvertrages ausgeht. Vielmehr ist die Tätigkeit des Klägers und seiner beiden Kollegen tatsächlich als solche eines Chefarztes zu qualifizieren.
Die Position eines Chefarztes ist dadurch gekennzeichnet, dass sie regelmäßig mit der endverantwortlichen Leitung seiner Fachabteilung oder seines Fachbereichs verbunden ist. Die Stellung beinhaltet einerseits das ärztlich fachliche Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der Abteilung, andererseits die Unabhängigkeit in allen ärztlichen Entscheidungen bei Diagnostik und Therapie gegenüber dem Krankenhausträger. Der Dienstaufgabenbereich eines Chefarztes beinhaltet traditionell die Behandlung der stationären Patienten seiner Abteilung, einschließlich der konsiliarärztlichen Mitbehandlung der Patienten anderer Abteilungen. Daneben erbringen Chefärzte regelmäßig die so genannten wahlärztlichen Leistungen. Hierbei handelt es sich um stationäre und gegebenenfalls ambulante Behandlungstätigkeiten, die nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören, sondern mit denen besonderen Bedürfnissen von Patienten Rechnung getragen wird (vgl. § 17 Abs. 1 KEntgG). Die Wahlleistungen umfassen damit regelmäßig die Tätigkeiten, bei denen ein Privatliquidationsrecht besteht. Nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sind Chefärzte von der Vergütungsordnung des Tarifvertrages ausgenommen. Dies beruht darauf, dass sie regelmäßig übertariflich, also oberhalb der höchsten Vergütungssätze bezahlt werden. In vielen Chefarztverträgen findet sich deshalb entweder die Festschreibung der höchsten Vergütungsgruppe nebst zusätzlicher Vergütungsbestandteile oder ein Abstandsgebot zur höchsten Vergütungsgruppe.
Der Kläger ist tatsächlich in der Position eines Chefarztes beschäftigt, da er innerhalb seiner Abteilung in einem Kollegenteam eingesetzt wird, in dem keiner dem anderen gegenüber weisungsbefugt ist. Eine ärztliche Hierarchie ist in diesem Team nicht vereinbart. Die Aufgabenteilung beruht auf Absprache der Ärzte untereinander, diese nehmen nach der Vereinbarung vom 19.01.2007 auch einvernehmlich durch eine natürliche Person aus ihrer Gruppe die Funktion des Chefarztes bei Chefarztsitzungen des Krankenhauses der Beklagten und bei abteilungsbezogenen internen und externen Besprechungen war. Welche der drei Personen jeweils nach außen auftritt, ist der Vereinbarung innerhalb des Gremiums der Kollegialärzte vorbehalten. Damit sind die drei Kollegialärzte nicht Vertreter eines nicht vorhandenen Chefarztes, sondern nehmen unmittelbar selbst die Tätigkeit eines Chefarztes wahr, während alle in § 16 TV Ärzte festgelegten Eingruppierungsmerkmale jeweils das Vorhandensein eines hierarchisch darüber stehenden Arztes voraussetzt.
Der Kläger hat damit grundsätzlich zunächst einen Anspruch auf Verhandlung und Festlegung einer angemessenen Chefarztvergütung. Dies ergibt sich auch aus § 2 Nr. 3 Satz 2 der Vereinbarung vom 19.01.2007. Die Parteien haben in dieser Vereinbarung lediglich die Grundzüge der Abteilungsleitung, über die zum damaligen Zeitpunkt bereits Einigkeit bestand, festgelegt. Sie haben die Frage der Grundvergütung ausgeklammert, da ihnen bewusst war, dass es zu Tarifvertragsnachfolgeregelungen kommen würde, die gegebenenfalls angesichts der massiven Forderungen des Marburger Bundes eine Umgestaltung des gesamten Tarifsystems zur Folge haben konnten. Die Regelung kann deshalb nur dahingehend verstanden werden, dass neben dem bereits abschließend vereinbarten Privatliquidationsrecht und der Einigung darüber, dass Überstunden und Bereitschaftsdienste vergütet werden sollten, über die richtige Grundvergütung eine gesonderte Absprache getroffen werden sollte. Demgegenüber hat die Beklagte die Grundvergütung einseitig festgelegt und weitere Verhandlungen über die richtige Vergütungshöhe abgelehnt. Dabei ist selbst die einseitige Festlegung bereits insoweit unzutreffend, als dass der Kläger selbst als Oberarzt bereits in Stufe 2 der für Oberärzte geltenden Vergütungsgruppen einzugruppieren wäre, da er bereits länger als drei Jahre in dieser Funktion tätig ist.
Die Grundvergütung des Klägers bestimmt sich, da eine Einigung zwischen den Parteien über die Vergütungshöhe nicht getroffen wurde und eine unmittelbare Anwendung des Tarifvertrages ausscheidet, aus § 612 Abs. 2 BGB. Danach ergibt sich, dass für den Kläger als Grundvergütung jedenfalls die höchste Vergütung aus dem Vergütungstarifvertrag und damit Vergütung nach Vergütungsgruppe IV zu leisten ist.
Denn die übliche Vergütung für Chefärzte setzt sich wegen der herausragenden Verantwortung und des an ihre Person gebundenen Privatliquidationsrechts mindestens aus der höchsten Vergütungsgruppe für nachgeordnete Ärzte zuzüglich weiterer Gehaltsbestandsteile zusammen. Wie die Beklagte vorgetragen hat, haben die bei ihr angestellten Chefärzte unter der Geltung des BAT in ihren Arbeitsverträgen ein Abstandsgebot von 15 % zur höchsten BAT Gruppe vereinbart. Dieses hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auch die erkennende Kammer berücksichtigt bei der Vergütungsfindung, dass die Abteilung Besonderheiten aufweist, nämlich insbesondere eine geringe Anzahl von nachgeordneten Ärzten und wegen des Kollegialarztmodells letztlich die Verpflichtung, alle drei Ärzte in gleicher Weise mindestens mit der höchsten Entgeltgruppe zu vergüten.
Die Möglichkeit des Privatliquidationsrechts rechtfertigt dabei nicht, die Absenkung der Grundvergütung unter die höchste tariflich geregelte Vergütungsgruppe. Denn die Wahlleistungen sind gerade daran gebunden, dass Privatpatienten von einem Chefarzt behandelt werden. Eine Abteilung, in der kein Chefarzt angestellt ist, könnte deshalb auch keine Chefarztleistungen gegenüber einem Privatpatienten abrechnen. Es bedarf also gerade der Funktion des Chefarztes, um überhaupt Leistungen für Privatpatienten als Wahlleistungen anbieten zu können. Zudem ist die nach der internen Verteilung auf den Kläger entfallende Quote von nur 4 % der Einnahmen aus Privatliquidationen auch nicht derartig hoch, dass der Kläger hiermit bereits eine übliche Vergütung für Chefärzte ungeachtet der Höhe der Grundvergütung erzielen würde. Auch wenn man bei der Frage der üblichen Vergütung nur neu abgeschlossene Chefarztverträge berücksichtigt, ist dieser Anteil des Privatliquidationsrechts eher gering. Da vielfach auch die Beteiligung von Oberärzten an den Privatliquidationen über einen so genannten Pool üblich ist, spricht die Höhe des eingeräumten Privatliquidationsrechts auch nur dafür, dass die Kombination von Vergütungsgruppe IV mit dem tatsächlich gewährten Liquidationsrecht erst die übliche Vergütung eines Chefarztes ausmacht.
Auch die der Vereinbarung vom 19.01.2007 geregelte Vergütung von Überstunden und Bereitschaftsdiensten ist nicht geeignet, den Vergütungsrahmen des Klägers in der Weise anzuheben, dass auch bei einer Vergütung nach Vergütungsgruppe III als Grundvergütung noch von einer üblichen Chefarztvergütung ausgegangen werden kann. Der Kläger leistet wegen der geringen personellen Ausstattung der Abteilung anders als die meisten Chefärzte nicht nur Hintergrunddienst, sondern ist in die Bereitschaftsdiensteinteilung wie ein Assistenzarzt einbezogen. Aufgrund der Abteilungsstrukturen und insbesondere der Tatsache, dass es sich um eine kleine Abteilung handelt, in der nicht wie üblich der Bereitschaftsdienst von den Assistenz- und Fachärzten abgedeckt wird, während Oberärzte bereits erheblich seltener hierzu eingeteilt werden und Chefärzte allenfalls noch zum so genannten Hintergrunddienst verpflichtet sind, ergibt sich vorliegend, dass eine 24-Stunden-Bereitschaft nur abgedeckt werden kann, wenn auch die Ärzte in der Funktion des Chefarztes gleichmäßig zu solchen Diensten herangezogen werden.
Die von der Beklagten gewünschte Regelung, diese Dienst- und etwaige Überstunden vollständig durch das Grundgehalt und die Privatliquidationsrechte abzugelten, dürfte zudem nach der Schuldrechtsreform ohnehin nicht mehr zulässig sein. Denn eine solche Klausel würde nicht hinreichend konkretisieren, für welche Arbeitsleistung tatsächlich die Vergütung geschuldet ist. Die vollständige Ausübung der Leistungsbestimmung ohne jegliches Höchstmaß durch den Arbeitgeber ist damit nach § 307 Abs. 1 BGB ohnehin auch in allen anderen Chefarztverträgen nicht durchsetzbar. Die Parteien haben damit hinsichtlich der gesonderten Vergütung der Bereitschaftsdienste in der Vereinbarung vom 19.01.2007 nichts geregelt, was üblicherweise nicht auch in einem neu abzuschließenden Chefarztvertrag so geregelt werden müsste. Damit liegt eine übertarifliche Vergütung selbst bei einer Zahlung der Grundvergütung nach Vergütungsgruppe IV TV Ärzte ausschließlich in dem eingeräumten Privatliquidationsrecht.
Weiter bei der Festsetzung der üblichen Vergütung zu berücksichtigen ist, dass aber gerade der Umfang des privaten Liquidationsrechts und die Beteiligung nachgeordneter Mitarbeiter einer Befristung bis zum 31.12.2009 unterliegt. Danach ist dieser Vergütungsbestandteil auf der Basis einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation, insbesondere aufgrund der Analyse einer Kostenüber- oder Unterdeckung im Verhandlungswege anzupassen. Hierdurch ist wegen der Kostenstruktur der Radiologischen Abteilung nicht einmal abgesichert, dass der Abstand in der Vergütung zu einem leitenden Oberarzt überhaupt erhalten bleibt. Die vom Kläger begehrte Gesamtvergütung einschließlich der eingeklagten Absicherung der Grundvergütung nach Vergütungsgruppe IV TV Ärzte überschreitet deshalb nicht das Maß der üblichen Vergütung eines Chefarztes.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung auf der Einzelfallbeurteilung einer angemessenen üblichen Vergütung für die konkrete Tätigkeit als Kollegialarzt in einer mit drei Kollegialärzten und einem Assistenzarzt besetzten Abteilung beruht.
Ende der Entscheidung
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