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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 03.07.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 99/06
Rechtsgebiete: NachweisG
Vorschriften:
NachweisG § 2 Abs. 1 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.11.2005 - 4 Ca 8222/05 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch darum, ob die rechnerisch und sachlich nicht angegriffene Ansprüche der Klägerin verfallen sind.
Die Klägerin unterzeichnete am 05.10.2001 einen Arbeitsvertrag für Reinigungskräfte. Danach sollte das Arbeitsverhältnis vom 01.10.2001 bis 30.11.2001 befristet sein. Es war ein Stundenlohn von 15,15 DM vereinbart. Einsatzort war das M . Die Beklagte hat hierzu eine Kopie des Vertrages zur Akte gereicht, auf deren Rückseite Allgemeine Geschäftsbedingungen aufgedruckt sind. Der Klägerin wurde unstreitig nur die Vorderseite des Vertrages ausgehändigt. Das Original des Arbeitsvertrages konnte von den beklagten Prozessbevollmächtigten nicht vorgelegt werden, obwohl ein entsprechender Beweis angeboten worden war. Die Beklagte behauptet hierzu, sämtliche Arbeitsverträge sähen so aus, wie die zur Akte gereichte Kopie des Arbeitsvertrages der Klägerin.
In Ziffer 15 der eng bedruckten Rückseite heißt es:
Im Übrigen gelten die Vorschriften der Tarifverträge für das Gebäudereinigungshandwerk und soweit gegeben die Betriebsvereinbarungen.
Bereits ab dem 15.11.2001 wurde die Klägerin als kaufmännische Angestellte im Büro der Beklagten beschäftigt. Diese Tätigkeiten wurden im Monat November 2001 mit einem erhöhten Stundensatz von 16,80 DM pro Stunde vergütet. Ab Dezember 2001 erhielt die Klägerin ein Festgehalt, welches bis März 2003 1.280,00 € brutto betrug. Zusätzlich zu diesen kaufmännischen Tätigkeiten war die Klägerin im Einzelfall auch noch als Reinigungskraft in der M eingesetzt. Der letzte Einsatz für diese Tätigkeiten erfolgte im Oktober 2002.
Unter dem 21.10.2002 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Bescheinigung, nach der sie ab dem 01.10.2001 als kaufmännische Angestellte beschäftigt ist, das Angestelltenverhältnis unbefristet und zur Zeit ungekündigt ist.
Im März 2003 erkrankte die Klägerin. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis einschließlich 07.07.2003 an. Am 08.07.2003 bot die Klägerin ihre Tätigkeit im Büro der Beklagten an. Diese forderte die Klägerin jedoch auf, als Reinigerin in der M anzutreten und verwies sie der Büroräume.
In einem am 08.12.2004 vor dem Landesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit wurde der Klägerin Annahmeverzugslohn bis einschließlich November 2003 zugesprochen. Die Anwendbarkeit von Verfallfristen oder eines Tarifvertrages spielte dabei keine Rolle. Im vorliegenden Verfahren, welches die Klägerin am 02.09.2005 beim Arbeitsgericht einreichte, verlangt die Klägerin weiteren Annahmeverzugslohn für die Monate Dezember 2003 bis März 2004 sowie Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB in Höhe von einer Bruttomonatsvergütung.
Der Tarifvertrag für die Angestellten im Gebäudereinigungshandwerk N vom 08.02.1996 regelt zu Ausschlussfristen unter § 16 Folgendes:
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Lehnt eine Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Die Klägerin hält diese Ausschlussfristen nicht für anwendbar, da die Geltung des Tarifvertrages nicht wirksam vereinbart worden sei. Sie habe keine Kenntnis von der Anwendbarkeit irgendwelcher Tarifverträge gehabt. Die Versäumung der Verfallfristen sei jedenfalls dadurch kausal veranlasst, dass die Beklagte ihren Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz nicht nachgekommen ist.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte unter Berufung auf die Verfallfrist. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrages sei der Klägerin deshalb bekannt gewesen, weil sie auf der Vorderseite des Arbeitsvertrages unterzeichnet hat, dass sie die umseitigen Vertragsbedingungen in allen Punkten gelesen, verstanden und anerkannt habe. Auch bei Änderung der Tätigkeit sollten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weiter Geltung haben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige und fristgerechte Berufung ist nicht begründet. Dabei kann zunächst dahinstehen, ob das von der Klägerin unterzeichnete Arbeitsvertragsexemplar überhaupt auf der Rückseite die nunmehr vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthielt, oder ob, was auch denkbar ist, die Klägerin auf der Kopie eines Formulars unterzeichnete, welches nur die Vorderseite des Vertrages enthielt. Hierfür könnte sprechen, dass der Klägerin selbst auch nur diese Vorderseite in weiterer Kopie ausgehändigt wurde. Die insoweit beweisbelastete Beklagte hat das Original nicht vorlegen können, obwohl der dementsprechende Beweis bereits erstinstanzlich angeboten worden war und die Klägerin noch im Berufungsverfahren die Existenz eines Arbeitsvertrages einschließlich bedruckter Rückseite bestritten hat. Eine Vertagung zur Beischaffung der Originalurkunde war jedoch nicht erforderlich, da letztlich ohne Änderung im Ergebnis unterstellt werden kann, die Klägerin habe bei der Unterzeichnung ein mit Vorder- und Rückseite bedrucktes Vertragsmuster unterschrieben.
Auch kann dahin gestellt bleiben, ob durch die Aushändigung nur einer Kopie der Vorderseite des Vertrages das Verhalten der Beklagten als konkludente Willenserklärung dahingehend aufgefasst werden kann, dass von der Einbeziehung der rückseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgesehen werden sollte. Bei der Auslegung des Verhaltens der Beklagten ist ausgehend vom Empfängerhorizont der Arbeitnehmerin zu berücksichtigen, dass bei Aushändigung eines Vertragsexemplars an den Arbeitnehmer grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass dieser vollständig über alle zwischen den Parteien gültigen Vereinbarungen informiert werden soll. Wird ein Teil des Vertragstextes nicht überreicht, so kann dies auch den Eindruck hervorrufen, der Arbeitgeber wolle den Vertrag nur mit den in dem überreichten Vertragsteil enthaltenen Vereinbarungen in Kraft setzen. Auch hier kann eine Entscheidung jedoch dahinstehen.
Es kann auch dahinstehen, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren anfängliche Geltung einmal unterstellt, nach der Änderung der Tätigkeitsinhalte und nach dem Ablauf der Befristung noch fortgelten sollten. Gegen eine solche Fortgeltung könnte sprechen, dass der befristete Vertrag in erheblichem Maße umgestaltet wurde. Sowohl die Inhalte der Tätigkeit änderten sich erheblich als auch die Vergütungshöhe und die Zahlungsweise der Vergütung. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die inhaltliche Änderung bereits während der Geltung des befristeten Vertrages durchgeführt wurde, ohne dass Erklärungen über den Fortbestand der Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgegeben wurden. Die weiteren Inhalte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie beispielsweise die Regelungen zur Urlaubsgewährung und zum Verhalten bei Erkrankung behielten auch trotz der Änderung der Arbeitsinhalte ihre Bedeutung. Da zu dem der für Reinigungstätigkeiten allgemein verbindliche Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des Reinigungshandwerks durch die Änderungen der Tätigkeit der Klägerin nicht mehr anwendbar war, wäre das Arbeitsverhältnis ohne Inbezugnahme der übrigen Tarifverträge und ohne Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in wesentlichen Punkten ungeregelt gewesen. Letzteres spricht dafür, dass grundsätzlich die Parteien bei Änderung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten von Reinigungstätigkeiten auf kaufmännische Tätigkeit die restlichen vertraglichen Abmachungen beibehalten wollten.
Es kann auch dahinstehen, ob die der Klägerin am 21.10.2002 erteilte Bescheinigung als Angebot auf Änderung und Aufhebung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Arbeitsvertrag angesehen werden kann. Denn auch wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Schriftstück keine Willenserklärung, sondern lediglich eine erneute partielle Bestätigung des Ist-Zustandes darstellt, war die vorliegende Klage nicht wegen Versäumung der Ausschlussfristen aus § 16 des Rahmentarifvertrages für Angestellte im Gebäudereinigungshandwerk N vom 08.02.1996 abzuweisen.
Denn der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe der zugesprochenen Beträge wegen Verletzung der Nachweispflicht aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nachweisgesetz zu. Die Beklagte war nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nachweisgesetz verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und der Klägerin auszuhändigen. Die Nachweispflicht bestand dabei unabhängig von der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses aus § 5 Abs. 4 TVG wegen der Allgemeinverbindlichkeit des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer bestehenden Tarifgeltung kraft Allgemeinverbindlichkeit. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Verfahren war die Beklagte immer noch im Verzug mit der Erteilung des Nachweises.
Gemäß §§ 280, 286, 249 BGB muss die Beklagte die Klägerin so stellen, als wären die Vergütungsansprüche und der weitere Anspruch aus § 628 BGB nicht aufgrund der Verfallfristen untergegangen.
Ein solcher Schadensersatzanspruch ist vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 05.11.2003 - 5 AZR 676/02 - bereits anerkannt worden. Er ist dann begründet, wenn ein Arbeitsentgeltanspruch wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre. Dabei wird zu Gunsten des Arbeitnehmers vermutet, dass er sich bei ordnungsgemäßen Nachweis der Arbeitsvertragsbedingungen rechtzeitig um die Geltendmachung und die Anhängigmachung seiner Ansprüche bemüht hätte. Für eine abweichende Beurteilung ist der Schädiger, das ist hier die Beklagte, darlegungs- und beweispflichtig. Sie wurde auf diese Bundesarbeitsgerichtsentscheidung rechtzeitig hingewiesen. Gleichwohl konnte sie nicht darlegen, dass der Klägerin die Geltung des Tarifvertrages bekannt war, bevor die Beklagte dieses in das vorliegende Verfahren eingeführt hat. Insbesondere war auch die Geltung eines Tarifvertrages und das mögliche Eingreifen von Ausschlussfristen in dem vorherigen Prozess um die Annahmeverzugsansprüche zwischen den Parteien nicht thematisiert worden.
Damit verbleibt es dabei, dass die Klägerin allein wegen des fehlenden Nachweises und der damit fehlenden Möglichkeit, im Zeitpunkt des Ablaufes der Verfallfristen deren Anwendbarkeit auf das Vertragsverhältnis festzustellen, gehindert war, ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen. Der fehlende Nachweis der Arbeitsvertragsbedingungen war kausal für den Verfall der Forderung und führt damit gleichzeitig zum Entstehen des zugesprochenen Schadensersatzanspruches.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.
Ende der Entscheidung
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