Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 07.06.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1655/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 280
BGB § 281
BGB § 823 Abs. 2
ZPO § 138
ZPO § 149
ZPO § 286
ZPO § 287
ArbGG § 67 Abs. 4
1. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist für den Haftungsgrund, also das anspruchsbegründende Ereignis selbst, nicht möglich.

2. Werden Einwände einer Partei gegen einen Schadensersatzanspruch, die auf eigenen Parteihandlungen in der Vergangenheit beruhen, erstmals außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht, so kann die Partei einen verspäteten Sachvortrag nicht mit einer erst kürzlich erfolgten Einsichtnahme in eine Ermittlungsakte entschuldigen.


Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 30.09.2005 - 9 Ca 405/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach zwischenzeitlicher Erledigung der Kündigungsschutzklage durch rechtskräftiges erstinstanzliches klageabweisendes Teilurteil vom 08.07.2005 streiten die Parteien noch um Schadensersatzforderungen der Beklagten, die diese widerklagend geltend macht.

Die Beklagte betreibt ein Pharmaunternehmen. Die am 21.06.1945 geborene Klägerin war seit 1986 bei der Beklagten als Buchhalterin beschäftigt, wobei arbeitsvertraglich die Anrechnung der Beschäftigungszeit der Klägerin seit 1960 bei der Firma G vereinbart ist.

Arbeitsvertragliche Aufgabe der Klägerin war unter anderem die Führung der Barkasse sowie des dazu gehörenden Kassenbuches. In den vergangenen Jahren unterschlug die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Buchhalterin der Beklagten regelmäßig erhebliche Geldbeträge, um diese für sich zu verwenden. Sie ging dabei dergestalt vor, dass sie sich in erheblichem Umfang Barschecks, die angeblich zur Auffüllung der Barkasse dienen sollten, abwechselnd von den sechs zeichnungsberechtigten Personen der Beklagten gegenzeichnen ließ, diese Schecks einlöste und das hierdurch erhaltene Bargeld größtenteils für sich verwandte. Zur Verschleierung buchte sie den erlösten Betrag jeweils einem der Scheckausgangskonten der Beklagten gegen. Die Höhe des auf diese Weise von der Klägerin über mehrere Jahre unterschlagenen Betrages ist zwischen den Parteien streitig.

Seit Sommer 2004 hatte der damalige Leiter des Bereichs Finanzen bei der Beklagten, Herr K -H E , die Beklagte mehrfach auf ihm aufgefallene Unregelmäßigkeiten bezüglich der Scheckausgangskonten angesprochen und um entsprechende Überprüfung gebeten. Am 29.12.2004 räumte die Klägerin gegenüber Herrn E ein, in den vergangenen Jahren Unterschlagungen zu Lasten der Barkasse vorgenommen zu haben. Herr E informierte daraufhin die Geschäftsführung der Beklagten und am 30.12.2004 fand ein Personalgespräch mit der Klägerin statt, in welchem diese erneut einräumte, in den vergangenen Jahren erhebliche Unterschlagungen begangen zu haben. Letzteres bestätigte die Klägerin nochmals dem Grunde nach gegenüber der Haftrichterin.

Unter dem 17.01.2005 legten die von der Beklagten Anfang Januar 2005 beauftragten Wirtschaftsprüfer ihren Bericht vor, in dem sie einen Gesamtbetrag der von der Klägerin in den Jahren 1991 bis 2004 unterschlagenen Einzelbeträge in Höhe von insgesamt 2.398.503,37 € auswiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Wirtschaftsprüfer (Bl. 29 ff. d. A.) Bezug genommen. Durch die Beauftragung der Wirtschaftsprüfer entstanden der Beklagten Aufwendungen in Höhe von 45.860,00 €.

Bereits zuvor hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin am 07.01.2005 nach vorheriger Beteiligung des Betriebsrats außerordentlich gekündigt. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung erhob die Klägerin am 27.01.2005 Kündigungsschutzklage, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.02.2005 um die schadensersatzbegehrende Widerklage erweiterte. Mit Teilurteil vom 08.07.2005 hat das Arbeitsgericht die Klage rechtskräftig abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Teilurteil (Bl. 170 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der danach allein noch anhängigen Widerklage hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe in den Jahren 1991 bis 2004 insgesamt 2.444.008,35 € unterschlagen. Wegen einer Schadenssumme 2.398.503,37 € beruft sie sich zur näheren Substanziierung ihres Vortrags auf das Gutachten der Wirtschaftsprüfer, das Feststellungen für das Jahr 1991 sowie die Jahre 1993 bis 2004 enthält. Sie hat weiter behauptet, im Jahr 1992, für das die Wirtschaftsprüfer keine Feststellungen getroffen hatten, habe die Klägerin weitere 89.000,00 DM (= 45.504,98 €) unterschlagen. Im Übrigen hat die Beklagte Ersatz der unstreitig aufgewendeten Schadenermittlungskosten für das Gutachten der Wirtschaftsprüfer in Höhe von 45.860,00 € begehrt und schließlich Zinsen in Höhe des jeweiligen gesetzlichen Zinssatzes ab dem jeweiligen Unterschlagungszeitpunkt geltend gemacht.

Die Beklagte hat zuletzt widerklagend beantragt,

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 2.489.868,35 € (i. W. zweimillionenvierhundertneunundachtzigtausend-achthundertachtundsechzig Euro, Cent wie nebenstehend) nebst 4 % Zinsen aus 1.229.145,69 € (i. W. einemillionzweihundertneunundzwanzigtausendeinhundertfünfundvierzig Euro, Cent wie nebenstehend) seit dem 19.02.2005 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus weiteren 1.260.722,66 € (i. W. einemillionzweihundertsechzigtausendsiebenhundertzweiundzwanzig Euro, Cent wie nebenstehend) seit dem 19.02.2005 sowie 583.103,63 € (i. W. fünfhundertdreiundachtzigtausendeinhundertdrei Euro, Cent wie nebenstehend) unverzinslich zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten allen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Beklagten aus den von der Klägerin in den Jahren 1991 bis 2004 gelegentlich ihrer Tätigkeit als Buchhalterin im Unternehmen der Beklagten ausgeführten veruntreuenden Unterschlagungen noch entstehen wird;

3. festzustellen, dass die zu 1.) und 2.) geltend gemachten Forderungen der Beklagten auf einem Anspruch aus unerlaubter Handlung beruhen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, sie könne die von ihr unterschlagenen Beträge nicht mehr exakt nachvollziehen. Insgesamt gehe sie aber davon aus, dass der Gesamtbetrag allenfalls bei rund 400.000,00 € liegen dürfe. Sie hat die Richtigkeit des von der Beklagten vorgelegten Wirtschaftsprüferberichtes gerügt und eingewandt, in dem Prüfbericht seien Summen enthalten, die sie nicht unterschlagen habe, sondern die möglicherweise andere Personen entnommen hätten bzw. die von der Beklagten ohne entsprechende Belege an Ärzte ausgezahlt worden seien. Die Beklagte habe hier Werbegeschenke, die sie Ärzten gegeben habe "versteckt". Weiter hat sie behauptet, Unterschlagungen ohnehin erst im Zeitraum von 2001 bis 2004 vorgenommen zu haben.

Mit Urteil vom 30.09.2005 hat das Arbeitsgericht der Widerklage in ganz überwiegendem Umfang stattgegeben und die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 2.367.667,93 € nebst seit dem 19.02.2005 angefallener Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte weitere 553.984,45 € bezifferter Zinsen aus der Vergangenheit zu zahlen und hat festgestellt, dass die titulierten Forderungen der Beklagten auf einer unerlaubten Handlung der Klägerin beruhen. Die weitergehende Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Der von ihm zugesprochene Betrag setzt sich aus einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 95 % der beklagtenseits geltend gemachten Schadenssumme sowie den Gutachterkosten in Höhe von 45.860,00 € zusammen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe unter zulässiger Bezugnahme auf das Gutachten der beauftragten Wirtschaftsprüfer eine Schadenssumme in Höhe von 2.444.008,35 € im Wesentlichen nachvollziehbar dargelegt. Diesem Sachvortrag der Beklagten sei die Klägerin im Rahmen der sie sodann treffenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend substanziiert entgegengetreten. Die gleichwohl vorgenommene fünfprozentige Kürzung der Klageforderung hat das Gericht mit einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO begründet. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe in geringfügigem Umfang einzelne von der Beklagten geltend gemachte Schadenspositionen substanziiert bestritten und damit bei der Kammer jedenfalls den Zweifel an ihrer Berechtigung entstehen lassen. Unter Berücksichtigung des aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit eingeräumten Ermessens hat das Arbeitsgericht sodann den der Beklagten entstandenen Schaden mit 95 % der vorgetragenen Unterschlagungssumme angesetzt, da weitere durchgreifende Ungereimtheiten in der Schadensberechnung der Beklagten nicht feststellbar gewesen seien. Ungekürzt hat das Arbeitsgericht im Übrigen die zur Schadensermittlung aufgewandten Gutachterkosten zugesprochen. Den ebenfalls stattgegebenen Feststellungsantrag zu 3) hat das Arbeitsgericht mit dem sich aus § 850f Abs. 2 ZPO ergebenen besonderen Feststellungsinteresse für zulässig und in der Sache aufgrund der begangenen Unterschlagungen für begründet erachtet. Als unbegründet abgewiesen hat das erstinstanzliche Gericht demgegenüber den zu 2) geltend gemachten, die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten bezüglich sämtlicher möglicher zukünftiger Schäden umfassenden Feststellungsantrag. Es hat insoweit das Fehlen des nach § 256 ZPO erforderlichen besonderen Feststellungsinteresses gerügt und den Antrag darüber hinaus als zu unbestimmt angesehen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 244 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 06.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.12.2005 Berufung eingelegt und diese am 06.02.2006 begründet.

Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe eine fehlerhafte Beweiswürdigung bezüglich der Schadenshöhe vorgenommen. Zwar sei unstreitig, dass die Klägerin Geld ihres ehemaligen Arbeitgebers unterschlagen habe, die vom Arbeitsgericht titulierte Höhe des Anspruches entspreche aber nicht den Tatsachen. Hierzu rügt sie zunächst, dass in den Entscheidungsgründen des Urteils jegliche Ausführungen zu der in Ziffer 2) des Tenors vorgenommenen Titulierung einer Zahlungspflicht der Klägerin in Höhe von 553.948,45 € fehlten. Darüber hinaus hält die Klägerin auch die weitergehenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Schadenshöhe von 2.367.667,93 € für nicht überzeugend. Zwar ginge aus dem Gutachten der Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer S -M die angebliche Höhe der Unterschlagungen hervor, jedoch könne dieses Gutachten keinen Beweis darüber erbringen, dass die Klägerin Beträge in dieser Höhe auch tatsächlich unterschlagen habe. Das Arbeitsgericht habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Buchungen vom Computerarbeitsplatz der Klägerin aus auch von jeder anderen Person hätten vorgenommen werden können. Weiter rügt die Klägerin, dass das von der Beklagten vorgelegte Gutachten lediglich reines Zahlenwerk beinhalte. Aus ihm gehe nicht hervor, dass die Klägerin die Schecks jedes Mal selbst unterschrieben und erst recht nicht, dass sie die Schecks auf sich selber gezogen habe. Schließlich sei auch noch kein Beweis darüber erbracht, dass die Buchungen tatsächlich von der Klägerin vorgenommen worden seien. Es sei ohne weiteres möglich, dass andere Mitarbeiter unter dem Namen der Klägerin Buchungen durchgeführt hätten. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin sie belastende Umstände eingeräumt habe, könne nicht der Schluss und schon gar nicht der Beweis gezogen werden, dass sämtliche Vermögensverschiebungen, welche unter ihrem Namen im Computer gespeichert seien, auch von ihr durchgeführt worden seien.

Sie rügt weiter, dass es das Arbeitsgericht verabsäumt habe, sich mit ihren letzten schriftsätzlichen Ausführungen sowie ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung auseinander zu setzen. Dies gelte sowohl für den von ihr gerügten fehlenden Nachweis SK 84 als auch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 07.07.2003 bezüglich der SK Nummern 248 bis 259 wegen der geltend gemachten Forderung in Höhe von 41.000,00 DM. Ebenfalls nicht ausgeräumt habe die Beklagte den Einwand der Klägerin, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege in Anlage B 37 und B 38 nicht zu dem unter Ziffer 3) aufgeführten Text im Schreiben vom 26.08.2005 passten. Auch seien die Anlagen D 39 bis D 41 weiterhin bezüglich Erstellungs- und Buchungsdaten widersprüchlich.

Die Klägerin ist im Übrigen - wie bereits erstinstanzlich - der Auffassung, dass der Rechtsstreit bis zum Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 149 ZPO auszusetzen sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass das Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft betragsmäßig von der im Gutachten der Wirtschaftsprüfer enthaltenen Schadenssumme abweiche. So habe die Staatsanwaltschaft für den Zeitraum von 2001 bis 2004 einen unterschlagenen Betrag in Höhe von 1.032.389,00 € ermittelt, wohingegen das Gutachten für den gleichen Zeitraum einen Betrag in Höhe von 1.055.850,80 € ausweise.

Schließlich erhebt die Klägerin die Einrede der Verjährung und meint wegen der hier eingreifenden dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F. seien sämtliche möglichen Ansprüche bezüglich des Zeitraums von 1991 bis 2001 verjährt. In der Abteilung der Klägerin seien monatliche und jährliche Abschlussberichte gefertigt worden. Dementsprechend hätte den verantwortlichen Personen bei der Beklagten zum Ende eines jeden Monats auffallen müssen, dass die Buchungen fehlerhaft waren.

Mit Schriftsatz vom 06.06.2006, der am gleichen Tag, also am letzten Tag vor der mündlichen Verhandlung um 17:29 Uhr beim Landesarbeitsgericht per Telefax eingegangen ist, rügt die Klägerin erneut die Unbrauchbarkeit und Fehlerhaftigkeit der beklagtenseitigen Schadensberechnung. Sie führt nunmehr aus, sie habe durch eine am 02.06.2006 erfolgte Einsichtnahme in die Ermittlungsakte eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin weitere Einzelheiten erfahren. Danach bestätige sich der von ihr bereits früher geäußerte Verdacht, dass die Beklagte angeblich wissenschaftliche Vortragsreihen als Tarnung für tatsächliche Vergnügungsreisen von Ärzten benutzt habe. Genau dies sei nun in einem Fall von einer niedergelassenen Ärztin bezüglich eines Symposiums in D , welches die Beklagte ausgerichtet habe, bestätigt worden. Weiter habe sich herausgestellt, dass der Wirtschaftsprüfer sein Gutachten erstattet habe, ohne dass ihm die Scheckkopien und Auszahlungsbelege vorgelegen hätten. Es seien überhaupt nur Scheckkopien für das Jahr 1997 und das Jahr 2004 vorhanden gewesen. Insgesamt komme das Finanzamt für Steuerstrafsachen aufgrund seiner Auswertung der Schecks gerade zu den Ergebnissen, die die Klägerin selbst immer vehement behauptet habe. So lasse sich für die Jahre 1991 bis 1996 und 1998 bis 2003 nicht nachweisen, dass die Klägerin überhaupt die Barschecks ausgestellt habe, weil entsprechende Kopien fehlten. Von den im Jahr 1997 auf das Konto der D Bank ausgestellten Schecks habe die Klägerin schließlich nur 13 Exemplare mitunterschrieben. Die anderen seien von zwei anderen Mitarbeitern der Beklagten gezeichnet worden. Insgesamt ergebe sich damit für das Jahr 2004 nur ein Betrag in Höhe von 31.000,00 €, der nachweislich von der Klägerin eingelöst und quittiert worden sei.

Schließlich wendet die Klägerin ein, dass die Beklagte entgegen der Vorgabe des Prüfungsberichts vom 17.01.2005 noch keine geänderten und neu testierten Bilanzen erstellt habe. Da mithin auch bis heute der vermeintlich unterschlagene Betrag noch nicht in die Bilanzen einstellt worden sei, lasse dies nur vermuten, dass die Beklagte auch tatsächlich nicht entsprechend geschädigt worden sei. Vielmehr sei zu befürchten oder zu vermuten, dass der überwiegende Teil der von der Beklagten behaupteten Schäden gar keine Schäden darstellten, sondern schlicht und ergreifend in Zuwendungen an die Ärzteschaft bestünden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 30.09.2005 - 9 Ca 405/05 - abzuändern und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit Rechtsausführungen. Sie ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe weder dem Bericht des Wirtschaftsprüfers einen falschen Beweiswert beigemessen, noch habe es eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Vielmehr sei das Gutachten nicht als Beweismittel, sondern als urkundlich belegter ergänzender Parteivortrag gewertet worden. Mit diesem Parteivortrag habe die Beklagte auch die geltend gemachte Schadensersatzforderung - wie vom Arbeitsgericht zutreffend erkannt - schlüssig dargelegt. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht zutreffend davon abgesehen, sich mit den Ausführungen der Klägerin im letzten Schriftsatz vom 29.09.2005 zu beschäftigen, da dieser Schriftsatz einen Tag vor dem Kammertermin und mithin verspätet beim Arbeitsgericht eingegangen sei. Bereits im erstinstanzlichen Kammertermin habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Beleg SK Nr. 259 (Anlage B 39) eine Sammelbuchung betroffen habe, die nachträglich erfolgt sei. Über den SK-Beleg Nr. 85 habe die Klägerin eine Scheckbelastung gebucht, die sie auf dem Kontoauszug Nr. 37 versehentlich mit der Kennzeichnung "SK 84" notiert habe. Der SK-Beleg Nr. 84 weise eine solche Scheckbelastung nicht aus. Schließlich sei auch der Kontoauszug der A Bank vom 19.06.2001 (Anlage B 38) entgegen der Behauptung der Klägerin dem SK-Beleg Nr. 284 (Anlage B 37) zuzuordnen. Auch hierbei handele es sich um eine Nachbuchung, die die Klägerin vorgenommen habe, weil der Banksaldo am Ende des Monats nicht gestimmt habe.

Die Beklagte ist weiter der Auffassung, das Arbeitsgericht habe sich zu Recht gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens entschieden. Zum einen sei der Ausgang des Strafverfahrens für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht vorgreiflich im Sinne von § 148 ZPO. Zum anderen seien auch die Voraussetzungen des § 149 ZPO nicht erfüllt, denn hinsichtlich der Buchungen der Klägerin hätten zum einen der Staatsanwaltschaft keine besseren Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Zum anderen sei von Bedeutung, dass das Strafverfahren für einen wesentlichen Teil des Rechtsstreits aufgrund der dort vorgenommenen Beschränkung auf den Zeitraum 2001 bis 2004 überhaupt keine Klärung habe leisten können. Schließlich habe sich das Arbeitsgericht Aachen in seinem Urteil auch rechtsfehlerfrei nicht mit der Frage der Verjährung beschäftigt, denn die Klägerin habe in erster Instanz eine Verjährungseinrede nicht erhoben. Ihr jetziges Vorbringen zur angeblichen Verjährung der Ansprüche aus den Jahren 1991 bis 2001 sei neu und nach § 67 ArbGG nicht zuzulassen. Unabhängig davon seien aber auch die Schadensersatzansprüche der Beklagten, die auf Unterschlagungen der Klägerin aus den Jahren 1991 bis 2001 beruhten, nicht nach § 852 BGB a. F. verjährt, da es insoweit allein auf die positive Kenntnis und nicht auf eine möglicherweise fahrlässige Unkenntnis des Verletzten ankomme.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Berufung der Klägerin vermag eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nicht zu begründen.

1. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von jedenfalls 2.367.667,93 €.

a) Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, beruht der Schadensersatzanspruch auf den von der Klägerin in der Vergangenheit im Arbeitsverhältnis zu Lasten der Beklagten vorgenommenen Unterschlagungen. Der Anspruch ist sowohl vertraglicher als auch deliktischer Natur und folgt für die Zeit bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 aus einer positiven Vertragsverletzung des Arbeitsvertrages (pVV) und danach aus §§ 280, 281 BGB sowie insgesamt aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 StGB. Diese dem Grunde nach bestehende Schadensersatzpflicht der Klägerin ist zwischen den Parteien unstreitig.

b) Streit besteht allein hinsichtlich der Anspruchshöhe. Mangels hinreichend substanziierter Einwände der Klägerin bleibt es nach Auffassung des Berufungsgerichts insoweit jedenfalls bei einem Anspruch der Beklagten im erstinstanzlich titulierten Umfang. Im einzelnen gilt Folgendes:

aa) Mit dem Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht zunächst von einem schlüssig vorgetragenen Schadensersatzanspruch in der beklagtenseits geltend gemachten Höhe aus. Die Beklagte ist nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen für die anspruchsbegründenden Tatsachen des von ihr widerklagend geltend gemachten Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweispflichtig. Schlüssig ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs immer dann, wenn das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers in der Lage ist, zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen (vgl. BGH, Urt. vom 20.09.2002, NJW-RR 2003, 69; BAG, Urt. vom 20.11.2003, NZA 2004, 489, 491 jeweils m. w. Nachw.).

Die Beklagte hat nach den vorgenannten Grundsätzen die Widerklageforderung für den Zeitraum von 1991 bis 2004 mit Ausnahme des Jahres 1992 mit dem von ihr vorgelegten Gutachten des Wirtschaftsprüfers Olbertz schlüssig begründet. Sie hat unter konkreter jeweiliger Angabe von Betrag, Auszugs-Nr, Buchungsdatum und SK-Nr. im einzelnen dargelegt, welche Abhebungen von der Klägerin zulasten der beiden Scheckausgangs-Konten gebucht wurden, ohne die vereinnahmten Beträge der Barkasse zuzuführen. Dies ergibt für den vorgenannten Zeitraum (ohne 1992) in der Addition eine Schadenssumme von 2.398.503,37 €.

bb) Dem ist die Klägerin in der Berufungsbegründung - ebenso wie bereits erstinstanzlich - nur in sehr geringem Maße hinreichend substanziiert entgegen getreten.

(1) Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Dies bedeutet nicht, dass die eine Partei dem jeweiligen Gegner Material für seinen Prozesssieg verschaffen müsste, über das er nicht schon von sich aus verfügt (BGH, Urt. vom 11.06.1990, NJW 1990, 3151). Daher genügt bei einem pauschalen Klagevortrag regelmäßig ein einfaches Bestreiten (vgl. BGH, Urt. vom 12.07.1999, NJW 1999, 3120). Begründet jedoch die klagende Partei den von ihr geltend gemachten Anspruch mit substanziiertem, ins einzelne gehenden Tatsachenvortrag, so muss die beklagte Partei zu den einzelnen Behauptungen gezielt Stellung nehmen. Ein pauschales Betreiten genügt dann nicht, sondern hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge (BAG, Urt. vom 20.11.2003, NZA 2004, 489, 491f.; MünchKomm-Peters, ZPO, § 138 Rz. 19).

Bei den der Klägerin vorgeworfenen Unterschlagungen handelt es sich um eigene Handlungen der Klägerin. Selbst wenn man berücksichtigt, dass dabei ein Zeitraum von 13 Jahren betroffen ist, ist von der Klägerin gleichwohl eine substanziierte Einlassung zu den konkret vorgeworfenen Falschbuchungen zu verlangen. Ebenso wie die Klägerin zu einzelnen Buchungen aus dem Jahr 2001 Stellung genommen hat, ist ihr dies auch zu anderen Jahren zuzumuten. Dabei mag der Zeitablauf bei der Intensität der erforderlichen Einlassung Berücksichtigung finden und mögen die Anforderungen an die Substanziierung des Vortrags entsprechend angepasst werden. Gleichwohl bleibt es aber bei dem Erfordernis einer substanziierten Einlassung. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin unstreitig über einen Zeitraum von mehreren Jahren Gelder in einer erheblichen, mindestens sechsstelligen Größenordnung unterschlagen hat. Wären die Behauptungen der Beklagten für bestimmte frühere Zeiträume insgesamt unzutreffend, so hätte die Klägerin beispielsweise darstellen können, wie es zu den Unterschlagungen durch sie gekommen ist und wann und aufgrund welcher Umstände sie hiermit begonnen haben will. Jedenfalls die näheren Umstände der Anfänge im Tathergang sollten der Klägerin noch erinnerlich sein. Das Gleiche gilt für die weitere fortgesetzte Unterschlagung. Die Klägerin wendet ständig ein, der ihr vorgeworfene Schadensbetrag sei deutlich überhöht. In diesem Fall müsste sich die Klägerin jedoch entweder dazu einlassen können, in welchem deutlich kürzeren Zeitraum sie die Beklagte geschädigt haben will oder aufgrund der ansonsten zwingend bestehenden deutlich geringeren Anzahl einzelner Unterschlagungshandlungen pro Jahr bzw. Monat wäre insoweit konkreter Sachvortrag der Klägerin erforderlich. Schließlich ist bei allem zu berücksichtigen, dass der Klägerin - wie im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt und von ihr nicht weiter bestritten - im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens sämtliche von ihr erbetenen Unterlagen, nämlich das vollständige handschriftlich geführte Kassenbuch ab 1991 sowie die Buchungen der Konten 1214 und 1130, zur Verfügung gestellt worden sind.

(2) Substanziiert im vorgenannten Sinn lässt sich die Klägerin danach auch zweitinstanzlich nur im Umfang der bereits erstinstanzlich von ihr mit Schriftsatz vom 29.09.2005 erhobenen Einwände auf den Sachvortrag der Beklagten zur Schadenshöhe ein. Einer näheren Untersuchung bedürfen jedoch auch diese, von der Beklagten gleichermaßen substanziiert bestrittenen Behauptungen der Klägerin nicht, denn selbst bei unterstellter Richtigkeit des klägerischen Sachvortrags erreichen diese Einwände in der Summe noch nicht den vom Arbeitsgericht vorgenommenen und nach Rücknahme der Anschlussberufung von der Beklagten nicht mehr angegriffenen Abschlag in Höhe von 5% der Schadenssumme. Im einzelnen handelt es sich um folgende Beträge:

- SK 84/85: 6.000,- DM

- SK 248 - 259: 41.000,- DM

- SK 82: 6.000,- DM

gesamt: 53.000,- DM

Hinzu kommt ein weiterer Betrag in Höhe von 5.000,- DM für eine Buchung vom 25.02.1997, für die ausweislich des Gutachtens kein Beleg vorhanden war. Insgesamt sind somit seitens der Klägerin substanziiert Einwände in Höhe von 58.000,- DM = 29.654,93 € vorgebracht worden. Zieht man diese nun von der nach dem Gutachten schlüssigen Schadenssumme von 2.398.503,37 € ab, verbleibt eine Restschuld der Klägerin in Höhe von 2.368.848,44 € und damit ein Betrag, der die erstinstanzlich titulierte Schadensersatzforderung noch um 1.180,51 € übersteigt.

(3) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin führt auch selbst eine im Sinne des klägerischen Sachvortrags unterstellte Unrichtigkeit des Gutachtens in diesen Punkten nicht zur Unschlüssigkeit des Sachvortrags der Beklagten insgesamt. Ist eine umfangreiche Schadensaufstellung wie im vorliegenden Fall zunächst für sich betrachtet schlüssig und folgerichtig, so ändern einzelne fehlerhafte Schadensposten an diesem schlüssigen Gesamtbild nichts. Hierfür bedürfte es vielmehr eines konkret nachvollziehbaren, mit tatsächlichen Angaben belegten strukturellen Einwands gegen die vorgenommene Schadensberechnung. Solche konkreten Einwände sind dem Sachvortrag der Klägerin jedoch nicht zu entnehmen. Es bleibt lediglich bei dem wiederholten pauschalen Bestreiten dem Grunde und der Höhe nach.

(4) Auch die sonstigen von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände sind insgesamt unbeachtlich.

Unerheblich ist zunächst ihr Einwand, das von der Beklagten zum Zweck der Schadensermittlung eingeholte und in das Verfahren eingeführte Gutachten des Wirtschaftsprüfers Olbertz stelle ein untaugliches Beweismittel dar und das Arbeitsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung übersehen, dass die Buchungen am Arbeitsplatz der Klägerin auch von anderen Mitarbeitern hätten vorgenommen worden sein können. Die Klägerin vermischt insoweit zu Unrecht Darlegung und Beweiswürdigung. Richtigerweise hat das Arbeitsgericht das beklagtenseits vorgelegte und ausdrücklich in Bezug genommene Gutachten des Wirtschaftsprüfers als das angesehen was es ist, nämlich Parteivortrag der Beklagten. Gestützt auf die Darstellungen und Berechnungen im vorgenannten Gutachten hat die Beklagte den ohnehin zwischen den Parteien unstreitigen Tathergang nochmals erläutert und den Schaden in seiner gesamten Höhe konkret berechnet. Mit einer vermeintlich fehlerhaften Beweiswürdigung hat das nichts zu tun.

Soweit die Klägerin darüber hinaus einwendet, die Buchungen hätten auch von anderen Mitarbeitern an ihrem Arbeitsplatz vorgenommen worden sein können, hat das Arbeitsgericht auch dies zu Recht unberücksichtigt gelassen. Dieser Vortrag erfolgt offensichtlich ins Blaue. Es fehlen jegliche konkreten Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch des Arbeitsplatzes der Klägerin durch ihre Kollegen. Die Klägerin benennt nicht einen einzigen diesbezüglichen Vorfall, sondern zeigt bewusst lediglich die theoretische Möglichkeit einer Fremdbeteiligung auf.

Gleichermaßen unerheblich ist der Einwand, aus dem Gutachten - mithin also dem Sachvortrag der Beklagten - gehe weder hervor, dass die veruntreuten Schecks sämtlich von der Klägerin unterzeichnet noch, dass sie sämtlich von ihr bei der Bank vorgelegt worden seien. Beides hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt behauptet. Bereits im erstinstanzlichen Widerklageschriftsatz vom 17.02.2005 hat die Beklagte vielmehr ausgeführt, dass insbesondere in den länger zurück liegenden Jahren die Abhebungen bei der Deutschen Bank meist nicht durch die Klägerin persönlich, sondern durch Auszubildende oder andere Mitarbeiter getätigt worden seien, die den abgehobenen Betrag sodann der Klägerin ausgehändigt hätten. Vorgetragen hat die Beklagte allerdings, dass sämtliche Buchungen von der Klägerin vorgenommen worden sind. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten, sondern hat dies als Aussage des Gutachtens sogar in der Berufungsbegründung bestätigt.

cc) Anders als die erste Instanz sieht das Berufungsgericht keine Veranlassung für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht bei einem Streit der Parteien über die Schadenshöhe unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Danach ist eine Schadensschätzung grundsätzlich bei Schadensersatzansprüchen möglich, deren Aufklärung unverhältnismäßig schwierig ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 287 Rz. 2). Nicht anwendbar ist diese Bestimmung jedoch für den Haftungsgrund, also das anspruchsbegründende Ereignis selbst. Hierfür ist Beweis im Sinne von § 286 ZPO erforderlich (so bereits BGH, Urt. vom 28.04.1982, NJW 1983, 998; Urt. vom 04.11.2003, NJW 2004, 777, 778f.; Zöller/Greger, a.a.O., § 287 Rz. 3; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 287 Rz. 4). So liegt der Fall hier. Zwar streiten die Parteien lediglich über die Höhe des Schadensersatzanspruchs der Beklagten. Dabei ist jedoch nicht die Beurteilung eines durch ein bestimmtes schadenstiftendes Ereignis entstandenen Schadens unklar, sondern das beklagtenseits behauptete Fehlverhalten, also die einzelnen Vertragsverstöße der Klägerin werden von dieser bestritten und sind daher beweisbedürftig.

dd) Begründet ist die Widerklage auch bezüglich der geltend gemachten Gutachterkosten in Höhe von 45.860 €. Derartige durch die Pflichtverletzung der Klägerin verursachte Schadensermittlungskosten sind von ihr ebenfalls zu erstatten (vgl. BAG, Urteil vom 17.09.1998, NZA 1998, 1334, 1335). Gegenteiliges wird mit der Berufung auch nicht geltend gemacht.

2. Ferner hat die Beklagte gegen die Klägerin gem. §§ 286, 288 BGB auch einen Zinsanspruch bezüglich der vorgenannten Hauptforderung in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes. Hieraus resultiert auf der Grundlage der beklagtenseits vorgelegten und von der Klägerin nicht näher bestrittenen Zinsberechnung für den Zeitraum bis zum 19.02.2005 mindestens ein Anspruch in Höhe des erstinstanzlich titulierten Betrages von 553.948,45 €. Hier gilt das oben zur Hauptforderung Gesagte entsprechend. Die auf die klägerseits substanziiert bestrittenen Beträge entfallenden Zinsen bleiben insgesamt deutlich unter dem vom Arbeitsgericht auch insoweit nach § 287 ZPO vorgenommenen Abschlag von 5% (=29.155,18 €). Fehl geht der Einwand der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung, das erstinstanzliche Urteil könne bereits deshalb keinen Bestand haben, weil die Entscheidungsgründe bezüglich dieses Teils der tenorierten Widerklageforderung keine Begründung enthielten. Das ist offensichtlich unzutreffend, wie die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. der Urteilsbegründung zeigen.

3. Begründet ist die Widerklage schließlich aus denselben Gründen auch hinsichtlich der aktuellen Zinsforderung ab dem 19.02.2005, wie sie in Ziffer 1) des erstinstanzlichen Urteilstenors zum Ausdruck kommt.

4. Die Forderung der Beklagten ist auch nicht verjährt. Der Einwand der Klägerin, für den Zeitraum von 1991 bis 2001 sei ein möglicher Schadensersatzanspruch aus pVV bei Anwendung alten Verjährungsrechts wegen der Anwendbarkeit des § 852 BGB a.F. verjährt, greift nicht. Zwar legt die Klägerin für den Zeitraum vor 2002 zutreffend altes Verjährungsrecht zugrunde. Selbst bei einer unterstellten Anwendung der kürzeren deliktischen Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F. auch auf den vertraglichen Schadensersatzanspruch aus pVV, für den regelmäßig eine 30-jährige Verjährungsfrist galt (vgl. BAG, Urt. vom 27.03.1990, NZA 1990, 776), ist eine Verjährung nicht eingetreten. Nach § 852 Abs. 1 BGB a.F. ist für den Beginn der Verjährung der Zeitpunkt maßgeblich, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat. Danach verlangt das Gesetz ausdrücklich positive Kenntnis, bloßes Kennenmüssen oder lediglich fahrlässige Unkenntnis genügen nicht (vgl. BGH, Urt. vom 20.09.1994, NJW 1994, 3092; Urt. vom 17.10.1995, NJW 1996, 117). Dass kündigungsberechtigte Personen der Beklagten bereits vor Dezember 2004 positive Kenntnis von den Unterschlagungen der Klägerin gehabt hätten, trägt diese selbst nicht vor. Sie beruft sich lediglich auf die monatlichen und jährlichen Abschlussberichte, anläßlich derer die Unregelmäßigkeiten hätten auffallen können und müssen. Dies reicht aber - wie oben dargestellt - für einen Verjährungsbeginn nach § 852 BGB a.F. gerade nicht aus.

5. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Verhandlung nicht gemäß § 149 ZPO bis zur Erledigung des Strafverfahrens ausgesetzt. Auch zweitinstanzlich besteht für eine derartige Aussetzung keine Veranlassung.

Gemäß § 149 ZPO kann das Gericht die Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens aussetzen, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss. ist. Dabei liegt die Aussetzungsentscheidung im Ermessen des Gerichts. Abzuwägen sind die Interessen der Prozessparteien und die Notwendigkeit von Prozessökonomie, also insbesondere der Vorteil einer gründlicheren Klärung im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz im Strafprozess gegen den Nachteil der Verzögerung einer Entscheidung im Zivilprozess. Entscheidend gegen eine Aussetzung spricht hier - wie auch vom Arbeitsgericht ausgeführt - bereits die fehlende zeitliche Kongruenz. Während im Strafprozess aus verjährungsrechtlichen Gründen allein der Zeitraum von 2001 bis 2004 untersucht wird, macht die Beklagte im vorliegenden Verfahren Schadensersatzansprüche aus deutlich weiter, nämlich bis zum Jahr 1991 zurückliegenden Unterschlagungen der Klägerin geltend. Dies spiegelt sich auch in der angeklagten Unterschlagungssumme von lediglich etwas über 1.000.000,- €, also weniger als der Hälfte der Schadensersatzforderung der Beklagten wider. Eine möglicherweise gründliche Aufklärung dieses Teils der Klageforderung überwiegt offensichtlich nicht die hierdurch eintretende Verzögerung in der danach zwingend noch erforderlichen weiteren zivilrechtlichen Aufklärung der restlichen überwiegenden Klageforderung. Die geringfügige Differenz der auf den Zeitraum 2001 bis 2004 entfallenden Schadensberechungen zwischen dem Arbeitsgerichts- und dem Strafprozess in Höhe von 23.461,80 € (= 2% der Schadenssumme) ist insofern ohne Relevanz.

6. An diesem Ergebnis vermag auch der am letzten Tag vor der mündlichen Berufungsverhandlung um 17:29 Uhr per Telefax eingereichte Schriftsatz der Klägerin nichts zu ändern.

a) Das dortige Vorbringen der Klägerin ist - wie der bisherige Sachvortrag - unerheblich. Das gilt zunächst für das behauptete steuerrechtliche Fehlverhalten der Beklagten in Bezug auf die Finanzierung von angeblichen Vortragsveranstaltungen für Ärzte. Für den Umfang des klägerischen Vertragsverstoßes ist dieser Einwand insgesamt unergiebig. Mit dem Unterschlagungsvorwurf gegen die Klägerin hat dies nichts zu tun. Doch auch soweit die Klägerin hierauf eingeht, ist ihre Einlassung gegenüber dem schlüssigen Sachvortrag der Beklagten nicht erheblich. Die Klägerin meint, aus den Schreiben des Finanzamts ergebe sich, dass dem Gutachter Olbertz bis auf wenige Exemplare weder Scheckkopien noch Auszahlungsquittungen vorgelegen hätten. Hierbei handelt es sich zum einen lediglich um eine Folgerung der Klägerin aus der im Schreiben des Finanzamts wiedergegebenen Stellungnahme der Beklagte gegenüber der Finanzbehörde. Zum anderen kommt es nach dem Widerklagevortrag der Beklagten von vornherein nicht auf die Einlösung der Schecks, sondern auf deren fehlerhafte Verbuchung und die damit verbundene Unterschlagung der Geldbeträge an. So hatte die Beklagte denn auch bereits in der ersten Begründung der Widerklage vorgetragen, dass insbesondere in den weiter zurückliegenden Jahren, die Klägerin die Schecks nicht selbst eingelöst habe. Schließlich ist auch der weitere Einwand der Klägerin, die Beklagte habe unter Berücksichtigung der behaupteten Unterschlagungen noch keine neue, geänderte Bilanz erstellt, für die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildenden Schadensersatzansprüche unerheblich. Das Fehlen einer berichtigten Bilanz ändert am Vorliegen einer vorherigen Unterschlagung nichts.

b) Doch selbst wenn man den Sachvortrag der Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz für erheblich halten würde, könnte er wegen Verspätung gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG nicht zugelassen werden.

aa) Nach dieser Vorschrift muss neuer Sachvortrag, soweit er in der Berufungsinstanz nicht ohnehin von § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG präkludiert ist, vom Berufungskläger in der Berufungsbegründungsschrift vorgebracht werden. Die Fristen des § 66 ArbGG sind gesetzliche Ausschlussfristen. Werden sie nicht eingehalten, muss das Gericht den neuen Sachvortrag zurückweisen, es sei denn das neue Vorbringen ist nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG ausnahmsweise zuzulassen (BAG, Urt. vom 05.04.2001, AP Nr. 171 zu § 626 BGB ; LAG Niedersachsen, Urt. vom 12.12.2003, NZA-RR 2005, 524). Dies setzt voraus, dass sie erst nach der Berufungsbegründung entstanden sind, das verspätete Vorbringen die Erledigung des Rechtstreits nicht verzögern würde oder es nicht auf dem Verschulden der Partei beruht. Dabei geht § 67 ArbGG § 531 ZPO als Spezialregelung vor (vgl. BAG, Beschl. vom 15.02.2005 - 9 AZN 892/04; Urt. vom 25.01.2005 - 9 AZR 620/03).

bb) Keiner der gesetzlichen Ausnahmefälle des § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG liegt vor.

(1) Kenntnis von dem Umstand, dass eine Vielzahl der Schecks von der Klägerin nicht persönlich eingereicht und teilweise Schecks von ihr auch nicht mitunterzeichnet worden sind, hatte die Klägerin bereits lange Zeit vor Einreichung des letzten Schriftsatzes. Insoweit kommt es allein auf die Entstehung der Tatsachen an (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 67 Rz 28). Es gilt der Grundsatz, dass der Berufungsführer in der Berufungsbegründungsschrift alles vortragen muss, was er zu diesem Zeitpunkt weiß oder wissen muss (Düwell/Breinlinger, ArbGG, 2. Aufl., § 67 Rz 22). Der Einwand der Klägerin betrifft ihre eigenen Handlungen. Diese kannte sie unabhängig von den nunmehr vorgetragenen Ermittlungsergebnissen des Finanzamts auch schon vorher.

(2) Eine Berücksichtigung des Sachvortrags im letzten Schriftsatz der Klägerin hätte offensichtlich eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits zur Folge gehabt. Die unmittelbare zeitliche Nähe zum mündlichen Verhandlungstermin am darauffolgenden Vormittag hat zum einen jegliche gerichtlichen Vorbereitungsmaßnahmen unmöglich gemacht und zum anderen der Beklagten die Gewährung rechtlichen Gehörs abgeschnitten (vgl. GK-Vossen, ArbGG, § 67 Rz 72ff. m. w. Nachw.).

(3) Schließlich ist der verspätete Sachvortrag der Klägerin auch nicht entschuldigt. Nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG genügt für ein schuldhaftes Verhalten jegliche, auch leichteste Fahrlässigkeit, wobei der Partei ist das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist (vgl. BAG, Urt. vom 23.06.2005, EzA § 102 BetrVG 2001 Nr. 12; Schwab/Weth, ArbGG, § 67 Rz 52; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, a.a.O., § 67 Rz 30). Die Klägerin beruft sich zur Entschuldigung ihres späten Vortrags darauf, dass sie von den neuen Tatsachen erst durch Einsicht in eine Ermittlungsakte am 02.06.2006 Kenntnis erlangt habe. Dies allein vermag die Verspätung nicht zu entschuldigen. Einerseits handelte es sich ohnehin um Umstände, die der Klägerin - wie oben dargestellt - als eigene Handlungen seit langem bekannt sein mussten. Andererseits fehlt auch jeglicher konkreter Vortrag dazu, um welche Ermittlungsakten es sich dabei handelt, seit wann dieses Ermittlungsverfahren läuft und warum eine Akteneinsicht erst derart kurzfristig vor dem mündlichen Verhandlungstermin erfolgt ist. Das Gericht hat der Klägerin auch hinreichendes rechtliches Gehör zur Erläuterung der Verspätung in der mündlichen Verhandlung gegeben. Die Verspätung ist in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen und auch zum Gegenstand der mündlich kurz begründeten Zurückweisung des Prozesskostenhilfeantrags gemacht worden. Nähere Ausführungen sind seitens des klägerischen Prozessbevollmächtigten hierzu nicht erfolgt.

7. Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich festgestellt, dass die Forderungen der Beklagten auf einer unerlaubten Handlung der Klägerin beruhen. Den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter III. der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe ist nichts hinzuzufügen. Sie werden mit der Berufung auch nicht angegriffen.

III. Nach allem war somit die Berufung der Klägerin in vollem Umfang zurückzuweisen. Da die Klägerin das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, ist sie gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da die Entscheidung auf den Umständen des Einzelfalls beruht.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück