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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 01.08.2007
Aktenzeichen: 3 Sa 906/06
Rechtsgebiete: BAT, BGB, KSchG


Vorschriften:

BAT § 12
BAT § 53
BAT § 55
BGB § 626
KSchG § 1 Abs. 5
1. Eine Änderungskündigung, deren Ziel in gleicher Weise gestützt auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erreicht werden kann, ist unverhältnismäßig. Das gilt unabhängig davon, ob der gekündigte Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat.

2. Eine solche unwirksame Änderungskündigung kann regelmäßig nicht in eine Direktionsrechtsausübung umgedeutet werden.

3. § 1 Abs. 5 KSchG ist auf außerordentliche Kündigungen nicht anwendbar.

4. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 S. 2 BAT kann eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist ausnahmsweise zulässig sein (ständige BAG-Rechtsprechung).


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.02.2006 - 1 (7) Ca 1271/05 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 18.04.2005, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Referent in Bonn weiter zu beschäftigen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der am 03.06.1950, verheiratete, schwerbehinderte Kläger ist seit dem 01.07.1982 bei dem Beklagten als Referent in der Abteilung Trendanalayse mit einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 6.313,51 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung.

Der Beklagte hatte zunächst seinen Sitz in B . Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses aus März 1999 wurde die gesamte Geschäftsstelle mit Ausnahme der D und der Abteilung "Wissenschaftliche Dienste, Forschung und Dokumentation" nach B verlegt. Der Umzug wurde bis zum 31.12.2004 abgeschlossen. Im Zusammenhang mit dieser Arbeitsplatzverlagerung nach B vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat am 25.06.2004 einen Interessenausgleich. Bestandteil dieses Interessenausgleichs ist u. a. eine Namensliste, in der auch der Kläger aufgeführt ist. Mit Schreiben vom 25.06.2004 sprach der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Wirkung zum 31.12.2004 eine erste Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung des Klägers nach B aus. Diese Kündigung wurde wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes zurückgenommen. Das Gleiche geschah mit einer zweiten Änderungskündigung vom 26.10.2004, weil der Beklagte den Sonderkündigungsschutz des Klägers nach § 53 Abs. 3 BAT nicht beachtet hatte.

Mit Schreiben vom 18.04.2005 sprach der Beklagte schließlich die streitgegenständliche, außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2005 aus, nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 13.04.2005 die Zustimmung erteilt hatte. Der Beklagte kündigte dabei das bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und bot dem Kläger zum 01.01.2006 einen Arbeitsplatz am neuen Dienstort B unter Beibehaltung seines bisherigen Aufgabenbereichs bei im übrigen unveränderten Vertragsbedingungen an. Der Kläger hat diese Änderungskündigung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26.04.2005 unter dem Vorbehalt angenommen, dass diese nicht sozial ungerechtfertigt und auch aus sonstigen Gründen nicht unwirksam ist.

Mit seiner am 29.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit dieser Änderungskündigung. Dabei hat er zunächst die Auffassung vertreten, der Interessenausgleich vom 25.06.2004 sei im vorliegenden Fall für die Kündigung ohne rechtliche Relevanz, da § 1 Abs. 5 KSchG auf die streitgegenständliche Kündigung nicht anwendbar sei. Diese Vorschrift erfasse nur ordentliche arbeitgeberseitige Kündigungen und finde auf eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist keine Anwendung. Darüber hinaus hat er gemeint, eine außerordentliche Änderungskündigung mit dem Ziel der Versetzung scheitere an dem besonderen Kündigungsschutz des § 55 BAT. Dieser schließe in § 55 Abs. 2 BAT dringende betriebliche Erfordernisse als Kündigungsgründe grundsätzlich aus und ermögliche eine außerordentliche Änderungskündigung allein zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe. Im Übrigen hat der Kläger behauptet, dass weitere Abteilungen des Beklagten zumindest teilweise in B verblieben seien und dass man seine Tätigkeit auch einer anderen Gruppe als der Trendanalyse habe zuordnen können. Auf diese Weise wäre seine Versetzung nach Berlin nicht erforderlich geworden. Schließlich hat er die fehlerhaft vorgenommene Sozialauswahl gerügt und vergleichbare, weniger schutzwürdige Arbeitnehmer benannt. In diesem Zusammenhang hat er auf eine ab Oktober 2005 in B gebildete und aus drei Referenten bestehende sogenannte Personalreserve verwiesen und gemeint, wenn die Beklagte eine solche neue Abteilung schaffen könne, dann müsse auch für ihn eine Beschäftigungsmöglichkeit in B bestehen. Diese Referenten seien keine Spezialisten, wie von Beklagtenseite behauptet, sondern könnten mit entsprechenden Einarbeitungszeiten auch in anderen Aufgaben eingesetzt werden. Letztlich hat er im Hinblick auf die beiden untauglichen Kündigungsversuche aus dem Jahr 2004 die Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt und den besonderen Schwerbehindertenschutz bei der Beurteilung der Zumutbarkeit möglicher geänderter Arbeitsbedingungen in den Vordergrund gestellt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 18.04.2005, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Referent in B weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich zur Kündigungsbegründung zunächst auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen und das Fehlen anderweitiger freier Arbeitsplätze in B sowie die ordnungsgemäße Sozialauswahl im Hinblick auf die fehlende Vergleichbarkeit des Klägers mit anderen Referenten der S sowie der wissenschaftlichen Dienste behauptet. Er hat weiter gemeint, § 55 Abs. 2 BAT stelle kein Wirksamkeitshindernis für die Kündigung dar, da diese Vorschrift jedenfalls insoweit unwirksam sei, als sie die Befugnis des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB ausschließe. Der Kläger könne auch keine Zuordnung zu einer anderen Gruppe verlangen, da dem das unternehmerische Verlagerungskonzept entgegenstehe. Diese unternehmerische Entscheidung sei für den Kläger nicht angreifbar. Im Übrigen lasse der Kläger unberücksichtigt, dass es nicht um eine Beendigungskündigung gehe, sondern der Arbeitsplatz des Klägers gerade durch die Verlagerung nach B erhalten bleiben solle. Die tarifliche Unkündbarkeit sichere aber nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht einen bestimmten Inhalt zu. Dementsprechend könne bei einer Versetzung auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz § 55 Abs. 2 BAT nicht betroffen sein. Schließlich scheitere die Wirksamkeit der Kündigung auch nicht an der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, da es vorliegend um einen Dauertatbestand gehe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.02.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Arbeitsplatz des Klägers in B sei aufgrund einer unternehmerischen organisatorischen Entscheidung des Beklagten weggefallen und nach B verlagert worden. Der dazu abgeschlossene Interessenausgleich sei eindeutig. Der in der Namensliste aufgeführte Kläger habe im Prozess die Vermutungswirkung des auf die streitgegenständliche Kündigung anwendbaren § 1 Abs. 5 KSchG nicht entkräften können. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf Blatt 124 ff. d. A. Bezug genommen. Gegen dieses ihm am 17.07.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.08.2006 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 16.10.2006 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrag. Er ist weiterhin der Auffassung, § 1 Abs. 5 KSchG sei auf die streitgegenständliche Kündigung wegen des unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs von ordentlicher und außerordentlicher Kündigung nicht anwendbar. Es kämen insofern allein die §§ 53, 55 BAT zum Tragen. Darüber hinaus lasse § 55 Abs. 2 BAT eine Änderungskündigung nur zum Zweck der Herabgruppierung zu. Versetzungen seien auf diese Weise nicht durchführbar. Jedenfalls seien aber extrem hohe Anforderungen an den Kündigungsgrund zu stellen, die hier in keinem Fall erfüllt seien. Der Beklagte müsse besetzte Arbeitsplätze freikündigen, um dem besonderen Kündigungsschutz des Klägers Rechnung zu tragen. Davon unabhängig sei für die vorliegende Unternehmerentscheidung, den Arbeitsplatz des Klägers nach B zu verlagern, kein zwingender Grund ersichtlich. Vielmehr könne der Arbeitsplatz in B verbleiben und an andere Abteilungen angebunden werden. Der Kläger rügt weiter die im Oktober 2005 neu gebildete Personalreserve und die insoweit fehlende Berücksichtigung seiner Person. Auch beruft er sich weiterhin auf die fehlerhaft durchgeführte Sozialauswahl im Hinblick auf seine deutlich höhere Schutzwürdigkeit gegenüber anderen Arbeitnehmern und trägt vor, er könne andere Aufgabengebiete mit einer unter 6 Monaten liegenden Einarbeitungszeit ausüben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 16.02.2006 - 1 (7) Ca 1271/05 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 18.04.2005, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Referent in B weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der erstinstanzlichen Entscheidung bei und wiederholt und vertieft seinerseits den erstinstanzlichen Vortrag. Er meint weiterhin, § 1 Abs. 5 KSchG gelte auch für außerordentliche Änderungskündigungen und § 55 Abs. 2 BAT betreffe lediglich den vollständigen Wegfall eines Arbeitsplatzes, nicht aber dessen Verlagerung. Auch der strenge Prüfungsmaßstab des Bundesarbeitsgerichts zur außerordentlichen Beendigungskündigung ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer könne im Streitfall nicht eingreifen, da es hier nicht um die Beendigung, sondern lediglich um die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses gehe. Zu der zwischenzeitlich gebildeten Personalreserve in B trägt er vor, diese diene einem dreijährigen befristeten Personalbbau und setze das Ausscheiden der teilnehmenden Mitarbeiter voraus. Die Tätigkeit des Klägers passe nicht in diese Personalreserve. Schließlich weist der Beklagte darauf hin, dass der seinerzeitige Vorgesetzte des Klägers, Abteilungsleiter Dr. K , mittlerweile mit Erreichen der Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und der Kläger zum 01.10.2006 in die Abteilung Kostenmanagement versetzt worden sei. Hierbei handele es sich um eine Abteilung, in der der Projektarbeit besondere Bedeutung zukomme und die von hoher strategischer Bedeutung für die gesamte S sei. Voraussetzung für die notwendige Integration in diese Abteilung sei dabei die Zusammenarbeit mit den anderen Referenten und Sachbearbeitern sowie dem Abteilungsleiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist begründet, denn die streitgegenständliche außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ist rechtsunwirksam und hat nicht zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers geführt.

1. Mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG greift im vorliegenden Fall nicht ein. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 1 Abs. 5 KSchG auch auf betriebsbedingte Änderungskündigungen anwendbar ist (vgl. APS/Kiel, 3. Auflage, § 1 KSchG Rz. 800; Küttner/Eisemann, Personalbuch, 14. Auflage, Interessenausgleich Rz. 7 einerseits sowie KR/Griebeling, 8. Auflage, § 1 KSchG Rz. 703; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Auflage, Rz. 1166 b andererseits jeweils m. w. N.). Denn die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG betrifft nur eine ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung. Ausweislich des eindeutigen Normwortlauts in § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG wird bei einem Interessenausgleich mit Namensliste gesetzlich vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um einen außerordentliche betriebsbedingte Kündigung. Prüfungsmaßstab ist hier nicht § 1 Abs. 2 KSchG, sondern § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 Abs. 1 BAT. Auf diesen schärferen Prüfungsmaßstab nimmt § 1 Abs. 5 KSchG gerade keinen Bezug. Vielmehr bleibt es insoweit beim Grundsatz des § 13 Abs. 1 S. 1 KSchG, wonach die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung durch das Kündigungsschutzgesetz nicht berührt werden (im Ergebnis ebenso APS/Kiel, 3. Auflage, § 1 KSchG Rz. 806; HaKo/Gallner, KSchG, 2. Auflage, § 1 KSchG Teil F Rz. 646).

2. Die streitgegenständliche Änderungskündigung vom 18.04.2005 ist rechtsunwirksam, denn sie ist unverhältnismäßig.

a) Mit dem gesamten Kündigungsschutzrecht unterliegt auch die Änderungskündigung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. etwa BAG, Urteil vom 29.03.2007 - 2 AZR 31/06, NZA 2007, 855; BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 617/02, AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969; BAG, Urteil vom 23.11.2000 - 2 AZR 617/99, AP Nr. 63 zu § KSchG 1969). Dementsprechend kommt eine Änderungskündigung erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber das erstrebte Ziel nicht auf einfachere Weise erreichen kann. Stellt die Rechtsordnung dem Arbeitgeber ein solches einfacheres, milderes Mittel zur Verfügung, mit dem das bezweckte Ziel erreicht werden kann, ohne dass das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand gefährdet wird, so ist eine dennoch ausgesprochene Änderungskündigung nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Dies entspricht der früheren Rechtsprechung des BAG sowie der überwiegenden Meinung im aktuellen Schrifttum (vgl. BAG, Urteil vom 28.04.1982, AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969; APS/Künzl 3. Auflage, § 2 KSchG Rz. 116, 118 f. ; KR/Rost, 8. Auflage, § 2 KSchG, Rz. 106 b; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Auflage, Rz. 484; von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Auflage, § 2 Rz. 54, 56; HaKo/Pfeiffer, KSchG, 2. Auflage, § 2 Rz. 14 KSchR/Zwanziger, 6. Auflage, § 2 KSchG Rz. 204 Benecke, NZA 2005, 1092, 1094).

In seiner späteren Rechtsprechung hat das BAG die Unverhältnismäßigkeit auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht angenommen hat. Es begründet dies damit, dass nur hier eine Bestandsgefährdung eintreten und eine Beendigungskündigung zum Tragen kommen könne. Sobald der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt annimmt, sieht das BAG lediglich die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als streitbefangen an und meint, unverhältnismäßig könne dementsprechend allenfalls das Element der Kündigung sein, nicht dagegen das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot (BAG, Urteil vom 26.01.1995 - 2 AZR 371/94 - , NZA 1995, 626, 627; BAG, Urteil vom 09.07.1997 - 4 AZR 635/95 - , NZA 1998, 494, 496; BAG, Urteil vom 24.06.2004 - 8 AZR 22/03 - , NZA 2005, 656 ebenso wohl auch BAG, Urteil vom 24.08.2004 - 1 AZR 419/03 - , NZA 2005, 51, 52 f. ). Dem ist das Schrifttum teilweise gefolgt (vgl. BBDW/Bram, KSchG, § 2 Rz. 6). Nach anderer Auffassung ist zwar eine solche Änderungskündigung unwirksam, kann jedoch in die Ausübung des Direktionsrechts umgedeutet werden (Stahlhacke/Preis/Vossen, a. a. O., Rz. 484 unter Bezugnahme auf LAG Berlin, Urteil vom 29.11.1999, NZA - RR 2000, 131).

b) Die erkennende Kammer schließt sich der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum an und erachtet eine jede Änderungskündigung, deren Ziel in gleicher Weise gestützt auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erreicht werden könnte, für unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam. Das gilt unabhängig davon, ob der gekündigte Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht.

Das wesentliche Argument der Gegenmeinung, es müsse zwischen Bestands- und Inhaltsschutz unterschieden werden, da das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand nach Abgabe der Vorbehaltserklärung nicht mehr gefährdet sei, vermag nicht zu überzeugen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Kündigung und das Änderungsangebot eine Einheit bilden, die nicht künstlich getrennt werden kann. Mit Annahme der Änderung wird der "Kündigungsteil" nicht gegenstandslos. Richtig ist nur, dass die Änderungskündigung dann nicht mehr zur Beendigung führen kann. Diese durch die Vorbehaltserklärung bedingte Rechtsfolge ist jedoch erst nachträglich eingetreten. Die Änderungskündigung entbehrte nicht von vornherein jeglicher Bestandsgefährdung, sondern die Beschränkung auf die inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses fand erst nach Ausspruch der Kündigung durch den Zugang der arbeitnehmerseitigen Vorbehaltserklärung beim Arbeitgeber statt.

Die gegenteilige Rechtsauffassung von Loewisch/Spinner (KSchG, 9. Auflage, § 2 Rz. 122), dass mit einer Änderungskündigung in Anbetracht der §§ 2, 4, 8 KSchG ohnehin keine ins Gewicht fallende Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses mehr verbunden sei, vermag nicht zu überzeugen. Die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten können allenfalls die Gefahr für den Bestand des Arbeitsverhältnisses verringern, keinesfalls aber ausschließen (so zutreffend auch APS/Künzl, a. a. O., Rz. 118). Kommt es aber für die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung immer auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.2006 - 8 AZR 317/05, AP Nr 152 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, BAG, Urteil vom 04.05.2006 - 8 AZR 299/05, AP Nr. 304 zu § 613a BGB), so muss der Zugangszeitpunkt auch hier maßgeblich sein, wenn die Änderungskündigung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemessen wird. Nach allem bleibt es daher dabei, dass eine Änderungskündigung, die mit demselben Ziel ausgesprochen wird, dass der Arbeitgeber auch mit einer auf sein Direktionsrecht gestützten einseitigen Weisung erreichen könnte, nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig ist (statt aller: KR/Rost a. a. O., Rz. 106 c; APS/Künzl, a. a. O., Rz. 118 f. ; HaKo/Pfeiffer, a. a. O., Rz. 14 jeweils m. w. N.).

Auch eine Umdeutung der unwirksamen Änderungskündigung in eine Direktionsrechtsausübung kommt nicht in Betracht. Anderenfalls würde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die Unwirksamkeit unverhältnismäßiger kündigungsrechtlicher Maßnahmen des Arbeitgebers zum Gegenstand hat, wirkungslos. Der Arbeitgeber könnte immer zum insgesamt einschneidendsten Mittel greifen, ohne Gefahr zu laufen, eine einseitige Maßnahme auf diese Weise nicht durchsetzen zu können, da er im Wege der Umdeutung immer auf das mildeste Mittel zurückgeführt würde. Das Verhältnis von Änderungskündigung zu Direktionsrecht ist vor diesem Hintergrund gerade nicht mit dem von außerordentlicher zur ordentlichen Kündigung vergleichbar. Während es hier um das Verhältnis zweier Kündigungen zueinander geht, die beide die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirken, unterscheiden sich Änderungskündigung und Direktionsrechtsausübung - wie oben bereits dargestellt in ganz erheblicher Weise dadurch, dass es einmal um den Bestand und im anderen Fall lediglich um eine inhaltliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses geht.

c) Wendet man die vorgenannten Grundsätze auf die streitgegenständliche Änderungskündigung an, so ist diese unwirksam, da der Beklagte den Kläger gestützt auf sein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht unter Beibehaltung der Arbeitsbedingungen im übrigen von B nach B versetzen durfte.

Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Dieser enthält in § 12 BAT eine weit reichende Versetzungsregelung. Danach kann der Angestellte aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt oder abgeordnet werden. Diese Bestimmung umfasst gerade auch die Versetzung an einen anderen Dienstort. Anders ist dies nur dann, wenn ein bestimmter Dienstort arbeitsvertraglich ausdrücklich festgeschrieben wird (vgl. BAG, Beschluss vom 26.06.2002 - 6 AZR 50/00 - ). Dabei wird der Grundsatz des § 12 BAT weit ausgelegt und von einem eingeschränkten Umfang des tariflichen Direktionsrechts des öffentlichen Arbeitgebers nur dann ausgegangen, wenn die Parteien hierzu eindeutige Absprachen getroffen haben (vgl. BAG, Urteil vom 21.01.2004 - 6 AZR 583/02, AP Nr. 1 zu § 12 MTA-O). § 12 Abs. 1 BAT erweitert das Direktionsrechts des Arbeitgebers und macht einen allgemeinen vertraglichen Versetzungsvorbehalt entbehrlich (LAG Berlin, Urteil vom 14.12.1998 - 9 Sa 95/98, ZTR 1999, 223). Letztlich bildet die Vorschrift in Verbindung mit dem Sonderkündigungsschutz aus § 55 BAT ein in sich stimmiges System und kompensiert die sehr weit reichenden Kündigungsbeschränkungen durch ein erweitertes Direktionsrecht. So ist der Beschäftigte im öffentlichen Dienst zwar in hohem Maß vor Kündigungen geschützt. Dieser Bestandsschutz kann aber letztlich nur gewährt werden, weil der Arbeitgeber andererseits eine ausgedehnte Flexibilität bezogen auf den Inhalt und die Ausgestaltung der Arbeitsleistung nutzen kann.

§ 12 BAT berechtigt somit den Beklagten im Streitfall, den Kläger einseitig von Bonn nach Berlin zu versetzen. Die Änderungskündigung ist daher unverhältnismäßig.

3. Selbst wenn man entgegen der von der Kammer vertretenen Rechtsauffassung zum Verhältnis von Direktionsrechtsausübung und Änderungskündigung die streitgegenständliche Änderungskündigung nicht bereits als unverhältnismäßig ansieht, ist sie jedenfalls mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam.

a) Gemäß §§ 626 Abs. 1 BGB, 54 Abs. 1 BAT kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund außerordentlich kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

b) Dabei ist die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung vorliegend nicht bereits § 55 Abs. 2 BAT ausgeschlossen.

Unstreitig ist der Kläger nach §§ 53 Abs. 3, 55 Abs. 1 BAT ordentlich unkündbar. Für diese Beschäftigten besteht grundsätzlich nur die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung aus in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Gründen. Andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse berechtigen den Arbeitgeber nach § 55 Abs. 2 S. 1 BAT nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweislich nicht möglich ist, zum Zweck der Herabgruppierung eine Vergütungsgruppe kündigen (§ 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 S. 2 BAT). Eine derartige Änderungskündigung ist unstreitig nicht erfolgt.

Aber auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 S. 2 BAT kann nach der ständigen Rechtsprechung des BAG eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist nach § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT ausnahmsweise zulässig sein. Denn § 55 Abs. 2 BAT vermag die außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen nicht für jeden denkbaren Fall auszuschließen. Extreme Ausnahmefälle bleiben denkbar, sodass bspw. bei einem Arbeitsverhältnis, das als Austauschverhältnis auf Dauer sinnentleert ist, weil eine Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann und deshalb auf unzumutbar lange Zeit Vergütung ohne Gegenleistung gezahlt werden müsste, eine derartige außerordentliche Kündigung möglich bleiben muss. Anderenfalls würde vom Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares verlangt (BAG, Urteil vom 24.06.2004 - 2 AZR 215/03 - , AP Nr. 278 zu § 613 a BGB; BAG, Urteil vom 05.02.1998 - 2 AZR 227/97 - , BAGE 88, 10; zuletzt BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - ). Dabei betont das BAG mehrfach die außerordentlich hohen Anforderungen, die an eine derartige außerordentliche Änderungskündigung zu stellen sind. Denn der Arbeitgeber geht mit dem Ausschluss der außerordentlichen Kündbarkeit gegenüber dem Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestandes, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein. Dementsprechend müssen bei der außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung ähnliche Maßstäbe gelten wie bei den in Extremfällen nach § 55 BAT zulässigen betriebsbedingten, außerordentlichen Beendigungskündigungen (so ausdrücklich zuletzt BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - ).

Diese besonders hohen, nur in extremen Ausnahmefällen vorliegenden Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Ist nach der Rechtsprechung des BAG bereits zweifelhaft, ob die Schließung einer Teileinrichtung mit einem Wegfall von Arbeitsplätzen eine solche außerordentliche Kündigung zu begründen vermag (vgl. BAG, a. a. O.), so scheitert die streitgegenständliche Kündigung hier jedenfalls an der unstreitig beklagtenseits ab Oktober 2005 in B eingerichteten Personalreserve im Umfang von drei Referentenstellen. Diese während der noch laufenden Kündigungsfrist des Klägers eingerichteten Stellen stellen jedenfalls eine vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger in B dar. Dass hiermit lediglich über einen Zeitraum von drei Jahren der Personalabbau in B weiter durchgeführt werden sollte, ändert daran nichts. Vor dem Hintergrund der im Vorstehenden dargestellten, extrem hohen Anforderungen, die an eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung des Klägers zu stellen sind, muss jede nur mögliche, ggfs. auch nur befristet über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bestehende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger diesem vorrangig zur Verfügung gestellt werden.

Auch das seitens der Beklagten in diesem und in anderem Zusammenhang mehrfach vorgetragene "Spezialisten" - Argument führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Gerade vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich in B vorgenommenen Versetzung des Klägers in eine andere Abteilung und den gleichzeitig geltenden extremen Anforderungen an eine Kündigung hätte es weitergehenden substantiierten Sachvortrags der Beklagten bedurft, um nachvollziehbar darzulegen, warum eine solche Versetzung des Klägers - erst recht in eine nur vorübergehend agierende Personalreserve - in B nicht möglich gewesen sein sollte.

4. Aus der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Änderungskündigung folgt nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Großen Senats (BAG GS, Beschluss vom 27.02.1985, NZA 1985, 702) die Verpflichtung des Beklagten den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen in B weiterzubeschäftigen. Dies gilt vor dem Hintergrund des oben dargestellten Versetzungsrechts nach § 12 BAT jedoch nur solange, wie der Beklagte von seinem diesbezüglichen Weisungsrecht keinen Gebrauch macht.

III. Insgesamt war daher auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil entsprechend abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG, da die Kammer bezüglich des Verhältnisses von Direktionsrechtsausübung und Änderungskündigung von der Rechtsprechung des BAG abweicht und diese Entscheidung auch auf dieser Abweichung beruht.

Ende der Entscheidung

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