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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 5 Sa 1391/01
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 4
BGB § 133
BGB § 157
Erklärt ein Arbeitnehmer im Hinblick auf ein von ihm im Laufe des Kündigungsschutzver-fahrens eingegangenes anderes Arbeitsverhältnis, er nehme die Kündigungsschutzklage zurück, verfolgt aber gleichwohl die Verzugslohnansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Beginn des anderweitigen Arbeitsverhältnisses weiter, so ist bei der gebotenen Auslegung nach §§ 133, 157 BGB diese Erklärung so zu verstehen, dass er an der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung weiter festhalten will und nur das Klageziel eines Fortbestehens des gekündigten Arbeitsverhältnisses nicht weiter verfolgen will.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 5 Sa 1391/01

Verkündet am: 28.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Rietschel als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Hudec und Hilger

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.06.2001 - 3 Ca 10584/00 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 6.000,25 Euro nebst 4 % Zinsen aus jeweils 2.685,35 Euro seit dem 01.02.2001 und 01.03.2001^ sowie weitere 4 % Zinsen aus 629,58 Euro seit dem 11.05.2001 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 6.000,28 Euro.

Tatbestand:

Die Klägerin macht, nachdem über einen Teil ihrer Ansprüche bereits rechtskräftig entschieden ist, im Berufungsverfahren noch Ansprüche auf Verzugslohn für die Monate Januar und Februar 2001 sowie Urlaubsabgeltung für fünf Tage für das Urlaubsjahr 2001 geltend.

Die Klägerin wurde am 01.04.2000 von der Beklagten als kaufmännische Angestellte eingestellt und erhielt nach Ablauf der Probezeit eine monatliche Vergütung von 5.200,00 DM brutto. Im schriftlichen Arbeitsvertrag (Blatt 4 f. GA) wird auf die jeweils gültigen tariflichen Bestimmungen für das Sanitärhandwerk Bezug genommen. Zu den Aufgabenbereichen der Klägerin gehörte die Abwicklung von Reparaturaufträgen und insbesondere die Einteilung von Monteuren und Absprache von Terminen mit den Kunden zur Durchführung der erteilten Aufträge. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb 13 Arbeitnehmer und sieben Auszubildende.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2000 und vom 01.12.2000 jeweils zum 31.12.2000. Im Kündigungsschreiben, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Blatt 8 GA) wird die Kündigung im Wesentlichen mit verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt. Die Klägerin hat seit dem 01.03.2001 eine neue Arbeitsstelle.

Mit der am 13.12.2000 beim Arbeitsgericht Köln eingereichten, am 11.01.2001 zugestellten Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten sei sozial ungerechtfertigt, weil die von der Beklagten genannten Gründe unzutreffend seien, im Übrigen sei der Vortrag der Beklagten hierzu auch unsubstantiiert. Mit Klageerweiterung vom 30.04.2001 hat die Klägerin ferner Ansprüche wegen Verzugslohns für die Monate Januar und Februar 2001 in Höhe von 10.504,00 DM sowie Urlaubsabgeltung für das Jahr 2001 in Höhe von 1.231,35 DM, ferner Überstundenvergütung 2000 und Urlaubsabgeltung 2000 in Höhe von 1.645,28 DM bzw. 3.201,54 DM geltend gemacht.

Im Kammertermin vom 20.06.2001 hat die Klägerin lediglich den Zahlungsantrag aus dem Schriftsatz vom 30.04.2001,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.582,17 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 4.846,20 DM seit dem 23.03.2001, weiteren 4 % Zinsen aus jeweils 5.252,00 DM seit dem 01.02. und 01.03.2001 sowie 4 % Zinsen aus 1.231,35 DM seit Zustellung der Klageerweiterung vom 30.04.2001 (11.05.2001) zu zahlen.

Ferner hat der Klägervertreter "den Kündigungsschutzantrag für erledigt" und erklärt, er "nehme insoweit die Klage zurück". Die Beklagte hat einen Betrag in Höhe von 1.645,28 DM (Überstundenvergütung) anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung der Kündigung hat die Beklagte im Einzelnen ausgeführt, die Klägerin habe entgegen ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Reparaturaufträge nicht bearbeitet, die Monteure nicht eingeteilt und mit den Kunden nicht die Termine für die Durchführung der Reparaturen abgestimmt.

Im November 2000 sei nach einer Erkrankung der Klägerin festgestellt worden, dass sich in den Schubladen des Schreibtisches der Klägerin stapelweise unerledigte Reparaturaufträge befunden hätten, obwohl die Klägerin stets auf Anfrage der Geschäftsleitung erklärt habe, alle laufenden Aufträge seien entweder erledigt und abgerechnet oder aber in der Bearbeitung und Gegenstand der wöchentlichen Besprechungen. Des Weiteren sei bezüglich eines Servicefahrzeuges der Beklagten mit der Reparaturfirma, der Firma K , abgesprochen gewesen, dass die zu erwartenden Kosten vor Inangriffnahme der Reparatur der Geschäftsleitung der Beklagten mitgeteilt werden sollte, damit diese über die Durchführung der Reparatur entscheiden könne. Die Klägerin habe demgegenüber dieser Firma mündlich den Reparaturauftrag erteilt, wodurch Kosten in Höhe von 1.733,90 DM entstanden seien. Die Klägerin habe ferner gegenüber Mitarbeitern der Beklagten den Geschäftsführer der Beklagten als inkompetent dargestellt, als dieser sie mehrfach auf die Bedeutsamkeit einer zügigen Auftragsbearbeitung hingewiesen habe. Schließlich habe die Klägerin wichtige betriebsinterne Informationen an Dritte, insbesondere an die Mitbewerberfirma R weitergegeben, insbesondere Angaben über Preise und Kunden der Beklagten. Ferner habe die Klägerin gegenüber Mitarbeitern der Beklagten mehrfach angekündigt, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Ohne Absprache mit der Geschäftsleitung der Beklagten habe die Klägerin die Zahlung einer Geldentschädigung einem Kunden versprochen, weil ein Montagetermin wegen falscher Einteilung durch die Klägerin ausgefallen war.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 20.06.2001 verkündetes Schlussurteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.201,54 DM brutto nebst 4 % Zinsen von 4.846,82 DM seit dem 29.02.2001 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten zu 2/7 und der Klägerin zu 5/7 auferlegt. Hinsichtlich der abweisenden Entscheidung hat das Arbeitsgericht in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG sei infolge der Rücknahme der Klage durch die Klägerin von einer Rechtswirksamkeit der Kündigung der Beklagten auszugehen, die Ansprüche

der Klägerin auf Verzugslohn und Urlaubsabgeltung für das Jahr 2001 seien damit nicht begründet.

Gegen das der Klägerin am 17.12.2001 zugestellte Urteil hat diese schriftlich beim Landesarbeitsgericht am 19.12.2001 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet:

Das Arbeitsgericht sei irrtümlich von einer Klagerücknahme mit der Wirkung des § 7 KSchG ausgegangen, die Klägerin habe lediglich eine Erledigungserklärung abgegeben bzw. abgeben wollen. Selbst wenn sie die Klagerücknahme in der vom Arbeitsgericht protokollierten Form erklärt hätte, hätte für das Arbeitsgericht auf Grund des gesamten schriftsätzlichen Vorbringens der Klägerin dringend Veranlassung bestanden, durch Rückfrage aufzuklären, welche prozessuale Erklärung von der Klägerin tatsächlich gemeint sei, da sich Erledigungserklärung und Klagerücknahme gravierend unterscheiden würden. Die Klägerin verfolgt dementsprechend die Ansprüche auf Verzugslohn für die Monate Januar und Februar 2001 in Höhe von 10.504,00 DM brutto sowie auf Urlaubsabgeltung für fünf Urlaubstage im Urlaubsjahr 2001 in Höhe von 1.231,35 DM brutto mit der Berufung weiter und beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über zuerkannte 4.846,82 DM hinaus weitere 11.735,35 DM nebst 4 % Zinsen aus jeweils 5.252,00 DM seit dem 01.02.2001 und 01.03.2001 sowie weitere 4 % Zinsen aus 1.231,35 DM seit Zustellung des Klageerhöhungsschriftsatzes vom 30.04.2001 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin habe ausweislich des Protokolls die Kündigungsschutzklage bedingungslos zurückgenommen, damit sei eine etwa vorliegende Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 7 KSchG geheilt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den wechselseitigen Schriftsatzvortrag der Parteien nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte Berufung ist in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet worden, sie ist damit zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Verzugslohnansprüche der Klägerin in Höhe von monatlich 5.200,00 DM sowie auf Zahlung der Arbeitgeberanteile an Vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 52,00 DM gemäß § 2 Nr. 3 des Tarifvertrags über Vermögenswirksame Leistungen für das Sanitärhandwerk in Nordrhein-Westfalen vom 01.01.1997 sind für die Monate Januar und Februar 2001 in der Gesamthöhe von 10.504,00 DM (= 6000,28 Euro) begründet. Der Antrag auf Abgeltung des Urlaubsanspruchs in Höhe von - rechnerisch unstreitig - 1.231,35 DM (= 629,58 Euro) ist für das Jahr 2001 ebenfalls begründet aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

Die Beklagte befand sich auf Grund der von ihr ausgesprochenen Kündigungen vom 30.11.2000 und 01.12.2000 in den Monaten Januar und Februar 2001 in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 296 BGB, weil sie die Klägerin nicht beschäftigt hat, obwohl die zum 31.12.2000 ausgesprochene Kündigungen sozial ungerechtfertigt und unwirksam waren. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung und des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses für die Zeit bis zum 29.02.2001 stand der Klägerin auch ein anteiliger Urlaubsanspruch von fünf Tagen nach § 5 Abs. 1 c BUrlG zu, welcher nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist.

Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung ist die Klägerin nicht gehindert, die Unwirksamkeit der Kündigung im Hinblick auf ihren weiter verfolgten Verzugslohnanspruch geltend zu machen, obwohl die Klägerin im Kammertermin 20.06.2001 erklärt hat, der Kündigungsschutzantrag sei erledigt und werde insoweit zurückgenommen. Denn auch bei prozessualen Erklärungen ist gemäß §§ 133, 157 ZPO zu ermitteln, welches der wirkliche Wille der Partei mit Rücksicht auf die Verkehrssitte und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gewesen ist. Dabei hilft es der Klägerin allerdings wenig, wenn - entsprechend ihrer Auffassung in der Berufungsbegründung - die vom Arbeitsgericht protokollierte Erklärung nicht als Klagerücknahme, sondern lediglich als Erledigungserklärung im technischen Sinne angesehen wird, weil in diesem Fall der von der Beklagten im Kammertermin vom 20.06.2001 gestellte Klageabweisungsantrag jedenfalls konkludent als Einwilligung in die (teilweise) Erledigungserklärung angesehen werden könnte mit der Folge, dass der Kündigungsschutzantrag wie durch eine Klagerücknahme erledigt und gegenstandslos geworden wäre, so dass insoweit vom Arbeitsgericht lediglich noch über die Kosten nach § 91a ZPO zu entscheiden gewesen wäre. Tatsächlich ist jedoch die von der Klägerin im Hinblick auf die ursprünglich erhobene Kündigungsschutzklage abgegebene Erklärung weder als Erledigungserklärung noch als Klagerücknahme zu werten, sie ist vielmehr als in sich perplexe Erklärung, die im Widerspruch zu den von der Wirksamkeit der Kündigung abhängigen, weiterverfolgten Zahlungsanträgen steht, als prozessual unbeachtlich anzusehen. In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass auch im Prozessrecht eine nicht am Wortlaut haftende sachgemäße Auslegung der gestellten Anträge erforderlich ist. Dabei ist im Hinblick auf die Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu beachten, dass diese gesetzlich Fiktion einer auf die Unwirksamkeit der Kündigung gestützten Lohnzahlungsklage die rechtliche Grundlage entzieht, soweit nicht ein nach dem Gesetz erforderlicher Feststellungsantrag gestellt ist (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 5 KSchG). Dieser Feststellungsantrag ist gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben, er soll eindeutige Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung schaffen und bildet das rechtliche "Fundament" für die auf die Unwirksamkeit der Kündigung gestützte Lohnklage (BAG a.a.O.). Darauf, dass der Kläger - und möglicherweise auch das Arbeitsgericht - diese rechtliche Bedeutung einer Kündigungsschutzklage und deren Rücknahme nicht erkannt haben, kann es vorliegend nicht ankommen. Denn der Kläger hat dadurch, dass er die "Rücknahme" der Kündigungsschutzklage ausschließlich mit der Aufnahme einer neuen Beschäftigung ab dem 01.03.2001 begründet hat, eindeutig zu erkennen gegeben, dass er an dem Ziel, die Kündigung für unwirksam zu erklären, weiter festhalten will. Er hat insoweit eindeutig seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass er (lediglich) für die Zukunft kein Interesse mehr an einer Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses hat, ohne jedoch das Klageziel der Feststellung einer Unwirksamkeit der Kündigung aufzugeben, weil er gleichzeitig seine Lohnansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Aufnahme der neuen Beschäftigung weiterverfolgt hat. Damit ist die Klagerücknahmeerklärung der Klägerin (einschränkend) dahingehend auszulegen, dass damit lediglich das in der ursprünglichen Klage enthaltene Klageziel des Fortbestandes ("sondern ungekündigt fortbesteht...") nicht mehr verfolgt werden sollte, an der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 4 KSchG jedoch weiterhin festgehalten werden sollte.

Die Kündigung der Beklagten ist nicht aus verhaltensbedingten Gründen, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten entgegensteht, sozial gerechtfertigt und damit unwirksam.

Die von der Beklagten in erster Instanz hierzu vorgetragenen Gründe sind entweder nicht hinreichend substantiiert oder rechtfertigen jedenfalls nicht eine verhaltensbedingte Kündigung. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung scheitert schon daran, dass die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung nicht entsprechend abgemahnt worden ist. Aus dem in § 1 Abs. 2 KSchG verankerten ultima-ratio-Prinzip ergibt sich für verhaltensbedingte Kündigungen der Grundsatz, dass diese nur dann sozial gerechtfertigt sind, wenn zuvor eine Abmahnung des Arbeitnehmers erfolgt ist. Durch die Abmahnung muss der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 30). Die Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, ob und wie sie die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt hat.

Zwar ist eine verhaltensbedingte Kündigung ausnahmsweise auch dann sozial gerechtfertigt, wenn eine Abmahnung entbehrlich war, etwa weil dem Arbeitnehmer die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres erkennbar war und er mit der Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen konnte (u. a. BAG NZA 1999, Seite 818, 822). Die von der Beklagten vorgetragenen Leistungsstörungen sind indessen weder so schwerwiegend gewesen, dass das Vertrauen der Beklagten in der Fähigkeit der Klägerin, ordentlich zu arbeiten, erschüttert sein musste, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Abmahnung von Vornherein ausgeschlossen und erfolglos gewesen wäre. Im Wesentlichen besteht der Beklagtenvortrag aus der Aufzählung einer Vielzahl von unterschiedlichen Einzelstörungen ohne besonders schwerwiegende Intensität.

So ist etwa der Vortrag, die Klägerin habe stapelweise unerledigte Aufträge an ihrem Arbeitsplatz zurückgelassen, als solcher unpräzise, da weder hinreichend dargetan ist, um welche Aufträge es sich im Einzelnen gehandelt hat noch was genau bei der Abwicklung dieser Aufträge unerledigt geblieben ist. Auch bei weiterer Substantiierung dieser Leistungsstörungen wäre indessen eine Abmahnung insoweit nicht entbehrlich gewesen.

Auch der Vortrag der Beklagten, durch die Klägerin sei die Geschäftsführung gegenüber den Mitarbeitern als inkompetent dargestellt worden, berechtigte allenfalls zu einer Abmahnung; insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht zu sachlicher Kritik an Missständen im Betrieb zusteht. Nur wenn die Kritik auch gegenüber betriebsfremden Dritten geäußert wird oder in unsachlicher Form erfolgt, was vorliegend von der Beklagten nicht substantiiert dargetan worden ist, läge auch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor, der nach entsprechender Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen könnte. Auch ist der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe Angaben über Preise und Kunden der Beklagten gegenüber einer Wettbewerberin bekannt gegeben, nicht substantiiert genug, insoweit fehlt es an näherem Vortrag der von der Klägerin offenbarten Angaben und deren Erheblichkeit für die betrieblichen Belange der Beklagten.

Soweit die Beklagte der Klägerin vorwirft, sie habe eigenmächtig die Reparatur eines Servicefahrzeuges in Auftrag gegeben, lag dies Verhalten der Klägerin im (vermeintlichen) Interesse der Beklagten, es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin aus eigennützigen Motiven den Reparaturauftrag erteilt hat. Daher lag in diesem behaupteten Verhalten auch kein Vertrauensmissbrauch, der einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund ggf. ohne Abmahnung hätte darstellen können. Entsprechendes gilt für das behauptete Versprechen von Geldentschädigungen an Kunden, wobei anzumerken ist, dass aus dem unsubstantiierten Vortrag der Beklagten nicht einmal hervorgeht, wie hoch die jeweils versprochene Entschädigung gewesen ist.

Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe angekündigt, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen, stellt als solcher noch nicht einmal einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar. Aus der bloßen Ankündigung des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen, ergibt sich noch kein berechtigtes vertragliches Interesse des Arbeitgebers, seinerseits das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Hierzu müssten weitere Umstände kommen, etwa dass der Arbeitnehmer bereits jetzt Interessen verfolgt, die gegen die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gerichtet sind und etwa plant, die Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen aufzunehmen (BAG EzA § 626 BGB n. F. Nr. 155). Gleiches würde dann gelten, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer bereits frühzeitig eine Ersatzkraft einstellen müsste (BAG EzA § 1 KSchG Nr. 2). Für solche besonderen Umstände hat jedoch die Beklagte, die für die Darlegung der Kündigungsgründe darlegungs- und beweispflichtig ist, nichts vorgetragen.

Den Zahlungsanträgen war somit wie erkannt stattzugeben, wobei der Klägerin die Zinsen als Prozesszinsen gemäß §§ 288, 291 BGB in der geforderten Höhe zustehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, da die Beklagte letztlich in vollem Umfang unterlegen ist, hat sie auch die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz in vollem Umfang zu tragen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, mangels ausdrücklicher Zulassung ist die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim

Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1 99084 Erfurt Fax: (0361) 2636 - 2000

Anzufechten, wird auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.

Ende der Entscheidung

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