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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: 5 Ta 320/07
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 5 Abs. 1 |
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 15. Mai 2007 - 1 Ca 485/07 h - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Beschwerdewert: EUR 4.500,00
Gründe:
I. Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch eine am 7. Dezember 2006 zugegangene ordentliche Kündigung beendet worden ist.
Die Klägerin ist bzw. war bei der Beklagten seit September 1994 als Angestellte zu einem monatlichen Gehalt von EUR 1.500,00 brutto beschäftigt.
Die Klägerin hat am 2. Februar 2007 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Aachen erhoben und gleichzeitig nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage begehrt.
Zur Begründung führt ihr Prozessbevollmächtigter, Herr Rechtsanwalt B , aus, nachdem er von der Klägerin über die Kündigung unterrichtet worden sei, habe er am 8. Dezember 2006 eine Notfrist zur Einreichung der Klage auf den 27. Dezember 2006 eintragen lassen. Am 22. Dezember 2006 sei die Klageschrift ausgefertigt, in den Postausgangskorb gelegt und in den Postlauf gebracht worden. Am Abend des 27. Dezember 2006 habe er sich durch Einsichtnahme in den Fristenkalender vergewissert, dass für diesen Tag keine Fristen zur Erledigung mehr offengestanden hätten. Dabei habe er festgestellt, dass die Notfrist zur Einreichung der Kündigungsschutzklage bereits durchgestrichen gewesen sei. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass der Eingang der Klageschrift bei dem Arbeitsgericht Aachen bereits kontrolliert worden sei. Als gegen Ende der 3. Kalenderwoche 2007 noch keine Terminsladung eingegangen sei, habe er durch eine Angestellte, Frau G , am 19. Januar 2007 telefonisch beim Arbeitsgericht Aachen nach dem Aktenzeichen der Klage fragen lassen. Dort sei ihr mitgeteilt worden, eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte könne nicht vorgefunden werden.
Es könne heute nicht mehr festgestellt werden, welche der beiden für die Fristenkontrolle zuständigen Angestellten die Frist bereits vor der Kontrolle am 27. Dezember 2006 als erledigt durchgestrichen habe. Beide seien ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellten und seit über 2 Jahren mit der Fristenkontrolle betraut. Sie hätten seit diesem Zeitpunkt weder Fristenvorgänge falsch eingetragen noch fälschlicherweise als erledigt markiert. Regelmäßige vierteljährliche Kontrollen hätten zu keinen Beanstandungen geführt.
Im Büro des Prozessbevollmächtigten bestehe folgende Regelung über die Ausgangskontrolle für fristgebundene Schriftstücke: Der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt verfüge, dass in dem gebundenen Termin- und Fristenkalender der Kanzlei der Tag vor Ablauf der Frist als sogenannte Notfrist und der eine Woche zuvor liegende Tag als Vorfrist notiert würden. Im vorliegenden Fall sei entsprechend dieser Anordnung der 27. Dezember 2006 als Notfrist notiert worden. Es bestehe die Anordnung, dass eine Notfrist im Fristenkalender erst gestrichen werden dürfe, wenn das fristgebundene Ereignis tatsächlich eingetreten sei, also z. B. der Eingang der Kündigungsschutzklage von dem Gericht bestätigt worden sei. Sofern eine Notfrist am Tag ihres Ablaufs im Fristenkalender noch offen sei, habe eine der beiden Angestellten den dazu gehörigen Aktenvorgang zu ziehen und sich ggf. durch Anruf bei Gericht zu vergewissern, ob das fristgebundene Schriftstück dort eingegangen sei. Werde dies bestätigt, so habe sie einen entsprechenden Telefonvermerk zu fertigen und sodann die Frist zu streichen. Befinde sich in dem Aktenvorgang noch kein die Frist wahrendes Schriftstück, so werde der Vorgang sofort dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt vorgelegt, ohne dass die Frist gestrichen werde. Es werde dann am nächsten Tag durch Anruf bei Gericht kontrolliert, ob das zwischenzeitlich gefertigte Schriftstück dort eingegangen sei. Zusätzlich kontrolliere der die Sache bearbeitende Rechtsanwalt bei Verlassen des Büros, ob eine am betreffenden Tag ablaufende Notfrist noch nicht als erledigt im Fristenkalender gestrichen sei.
Es könne allenfalls vorgeworfen werden, dass die Einhaltung einer als bereits erledigt gestrichenen Frist nicht nochmals kontrolliert werde. Dies würde die Anforderungen an einen Kanzleibetrieb überspannen.
Die Beklagte ist der Ansicht, aus dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergebe sich nicht, dass in dessen Büro eine wirksame Ausgangskontrolle bestehe. Insbesondere sei nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände der Prozessbevollmächtigte am Abend des 27. Dezember 2006 davon habe ausgehen dürfen, dass die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen sei. Durch Einsichtnahme in den Aktenvorgang hätte er damals feststellen können, dass sich in der Akte kein Nachweis über diesen Eingang befunden habe, auch kein Vermerk über eine telefonische Bestätigung des Gerichts.
Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Beschluss vom 15. Mai 2007 den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit der Begründung zurückgewiesen, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe nicht dargetan, dass eine wirksame Ausgangskontrolle in seinem Büro bestehe. Da sich die Klägerin dieses Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müsse, habe sie nicht schuldlos die Klagefrist versäumt.
Der Beschluss ist der Klägerin am 1. Oktober 2007 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 11. Oktober 2007 sofortige Beschwerde einlegen und diese am 15. November 2007 mit ergänzendem Vortrag über die im Büro ihres Prozessbevollmächtigten eingerichtete Ausgangskontrolle begründen lassen.
II. Die Entscheidung über die statthafte (§ 5 Abs. 4 S. 2 KSchG) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde kann ohne mündliche Verhandlung (§ 78 S. 1 ArbGG, §§ 572 Abs. 4,128 Abs. 4 ZPO) ergehen und wird vom Vorsitzenden allein getroffen (§ 78 S. 3 ArbGG).
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
§ 5 Abs. 1 KSchG setzt voraus, dass ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert ist, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben. Nach dem Gesetz ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dem Arbeitnehmer darf nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar sein (vgl. ErfK-Ascheid, 5. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 2; HWK-Pods/Quecke, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 4 m.w.N.). Dabei steht das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, wozu auch ein Organisationsverschulden gehört, nach § 85 Abs. 2 ZPO dem eigenen Verschulden der Partei gleich (ständige Rechtsprechung des Beschwerdegerichts, z. B. Beschluss vom 22. Dezember 1998 - 10 Ta 273/98 -, Beschluss vom 18. Februar 2005 - 9 Ta 452/04 - und Beschluss vom 16. Mai 2007 - 4 Ta 72/07 -; vgl. auch: ErfK-Ascheid, a.a.O., § 5 KSchG Rdn. 7 m.w.N.; HWK-Pods/Quecke, a.a.O., § 5 KSchG Rdn. 31). Der Antrag ist gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig und muss gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG die Angabe der Tatsachen enthalten, die die nachträgliche Zulassung begründen, sowie darüber hinaus die Mittel für deren Glaubhaftmachung benennen.
1. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 5 Abs. 3 KSchG zwischen der Beseitigung des Hindernisses und der Antragstellung ist eingehalten. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Frist ist der 19. Januar 2006. Damals erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Kenntnis darüber, dass die Klageschrift beim Arbeitsgericht Aachen nicht eingegangen war. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung mit Begründung und Glaubhaftmachung ist am 2. Februar 2006 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen.
2. Jedoch ist der Antrag nicht begründet.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht Aachen ausgeführt, dass ein ausreichender Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
a. Der mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage beauftragte Rechtsanwalt trägt die Verantwortung dafür, dass die Klageschrift rechtzeitig bei dem zuständigen Arbeitsgericht eingeht. Die Sicherung des rechtzeitigen Eingangs einer fristgebundenen Kündigungsschutzklage bei Gericht macht eine zuverlässige Fristen- und Ausgangskontrolle notwendig (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 22. Dezember 1998 - 10 Ta 273/98 -; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juni 2002 - 18 Ta 9/02 -; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. September 2005 - 5 Ta 176/05 -; LAG Sachsen, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 4 Ta 8/07 -). Eine sorgfältige Ausgangskontrolle setzt voraus, dass eine Frist erst dann gelöscht werden darf, wenn für den Absender feststeht, dass die beabsichtigte Übermittlung wirklich erfolgt ist. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört aber auch eine Anordnung des Prozessbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders von einer dazu beauftragten Bürokraft überprüft wird, sofern er nicht selbst diese Prüfung vornimmt. Die Ausgangskontrolle setzt, wie bereits dem Begriff Kontrolle zu entnehmen ist, eine nochmalige, selbständige Prüfung voraus. Sie folgt nicht aus dem Vorbringen über die Führung eines Fristenkalenders und die Streichung von Fristen nach Eingang einer schriftlichen oder telefonischen Bestätigung des zuständigen Gerichts über den Eingang fristgebundener Schriftstücke. Vielmehr bildet sie einen selbständigen Bestandteil einer wirksamen Ausgangskontrolle, der einer zusätzlichen, gesonderten Anordnung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2000 - XI ZB 9/00 -, zuletzt: BGH Beschluss vom 13. September 2007 - III ZB 26/07 -). Eine Anordnung, am Abend zu prüfen, ob die ablaufenden Fristen gestrichen oder mit Häkchen als erledigt gekennzeichnet sind, genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1996 - II ZB 19/96 -, NJW-RR 1997, S. 562).
b. Nach dieser Rechtsprechung, die vornehmlich zu Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergangen ist und insoweit auf die verwandte nachträgliche Klagezulassung übertragbar ist (vgl. LAG Sachsen, Beschluss vom 23. Februar 2007 - 4 Ta 8/07 -; ErfK-Ascheid, 5. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 1, HWK-Pods/Quecke, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 2), liegt ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor.
Er hat nicht angeordnet, dass am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird, ob das fristgebundene Schriftstück auch tatsächlich bei Gericht eingegangen ist. Auch hat er nicht selbst diese Prüfung vorgenommen. Die Prüfung durch ihn und/oder eine beauftragte Bürokraft, ob die ablaufende Notfrist bereits im Fristenkalender gestrichen ist, genügt nicht. Mit ihr wird - wie der vorliegende Fall zeigt - gerade nicht der Gefahr begegnet, dass irrtümlich eine Frist als erledigt behandelt wird. Eine wirksame Ausgangskontrolle setzt vielmehr voraus, dass die tatsächliche Erledigung der im Fristenkalender bereits als erledigt vermerkten Notfristen nochmals durch Heranziehung der Aktenvorgänge überprüft wird.
Nach alledem war der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Der Streitwert richtet sich nach dem Wert der Kündigungsschutzklage und ist daher in Höhe von 3 Monatsbezügen zu bemessen (vgl. KR-Friedrich, 6. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 177, 178).
Die Entscheidung ist unanfechtbar. Auch nach der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts ist die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfahren der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG nicht statthaft (vgl. BAG, Beschluss vom 20. August 2002 - 2 AZB 16/02 -; HWK-Quecke/Pods, Arbeitsrechtskommentar, 2. Aufl., § 5 KSchG Rdn. 19).
Ende der Entscheidung
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