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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 278/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 605 | |
BGB § 626 |
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.11.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 5 Ca 2088/06 - unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte vom 13.07.2006, zugegangen am 14.07.2006, rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Fortbestand ihres ruhenden Arbeitsverhältnisses.
Der ledige, 1970 geborene Kläger war vom 01.08.1991 bis zum 30.09.2003 in der Lagerverwaltung bzw. im Logistikbereich der Beklagten, die regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Sein monatliches Bruttoeinkommen bei der Beklagten betrug 2.262,75 € nebst einem jährlichen Weihnachtsgeld in Höhe von 1.850, 00 € brutto sowie einem jährlichen Urlaubsgeld von 420,00 € brutto.
Der zuvor genannte Betriebsteil der Beklagten wurde im Jahr 2003 aus dem Unternehmen der Beklagten ausgegliedert und von der Firma T Logistics in K übernommen.
Durch schriftlichen Vertrag vom 08.08.2203 regelten die Parteien das Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2003 (Kopie Bl. 9 f. d. A.). Diese zunächst bis zum 30.11.2006 befristete Vereinbarung wurde später bis zum 31.12.2007 verlängert. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien schriftlich die Gestellung eines Fahrzeugs für den Kläger für dessen Fahrten zur Arbeitsstätte in Köln (Kopie Bl. 11 d. A.). In Ziffer 4 dieser Vereinbarung wurde dem Kläger jegliche private Nutzung des überlassenen Fahrzeugs untersagt.
Der Kläger schloss mit der Firma T einen gesonderten Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.10.2003. Dieser besteht ungekündigt fort.
In der Nacht zum 01.07.2006 verursachte der Kläger bei einer privaten Fahrt mit dem ihm überlassenen Fahrzeug in stark alkoholisiertem Zustand einen Unfall, der einen Totalschaden an dem Fahrzeug zur Folge hatte. Den entstandenen Schaden in Höhe von 796,14 € glich der Kläger aus. Seitdem wurde ihm kein Dienstfahrzeug durch die Beklagte mehr gestellt.
Mit Schreiben vom 13.07.2006, dem Kläger zugegangen am 14.07.2006, kündigte die Beklagte das ruhende Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.12.2006 (Kopie Bl. 20 d. A.). Zeitgleich kündigte sie die Vereinbarung bzgl. der Überlassung des Dienst-Pkws ebenfalls fristlos (Kopie Bl. 21 d. A.).
Am 27.07.2006 hat der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Bonn erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, der von ihm unter Alkoholeinfluss verursachte Unfall sei kein ausreichender Kündigungsgrund. Insbesondere habe er sich nicht vorsätzlich über das Verbot der Privatnutzung hinweggesetzt. Zudem habe diese Pflichtverletzung keinen Bezug zu dem ruhenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Auch sei vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 13.07.2006, zugegangen am 14.07.2006, rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese arbeitgeberseitige fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, in der gravierenden Pflichtverletzung des Klägers liege ein wichtiger Grund. Jedenfalls sei die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht Bonn hat der Klage bzgl. der fristlosen Kündigung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Fehlverhalten des Klägers stelle keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlose Kündigung dar, denn es sei der Beklagten zumutbar gewesen, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.2006 abzuwarten. Maßgeblich sei insoweit, dass es sich um ein ruhendes Arbeitsverhältnis gehandelt habe, dessen Aufleben vor Ablauf dieser Frist nicht zu erwarten gewesen sei, so dass weitere Vertragsstörungen durch den Kläger nicht zu erwarten gewesen seien.
Die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 31.12.2006 sei jedoch aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Zum einen habe der Kläger entgegen der Gestellungsvereinbarung den Dienst-Pkw zu privaten Zwecken genutzt; darin liege ein gravierend schuldhaftes Verhalten. Zum anderen habe er Vermögensinteressen der Beklagten bzgl. des Pkws durch die Fahrt unter Alkoholeinfluss akut gefährdet. Eine vorherige einschlägige Abmahnung sei vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung nicht erforderlich gewesen, da es sich um ein gravierendes Fehlverhalten des Klägers handele. Da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien geruht habe, habe sich die Pflichtenstellung des Klägers alleine auf die ordnungsgemäße Verwendung des Dienst-Pkws konzentriert. Gegen diese Vereinbarung habe er in grober Weise verstoßen, so dass das Vertrauen der Beklagten in die Wahrung ihrer Vermögensinteressen - insbesondere bei einem Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses - als maßgeblich gestört anzusehen sei.
Gegen das ihm am 07.03.2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Bonn hat der Kläger am 07.03.2007 Berufung eingelegt, die er am 07.05.2007 begründet hat. Er trägt vor, weitere Vertragsstörungen gegenüber der Beklagten seinen keinesfalls absehbar, da er weder den Wunsch geäußert habe, vor Ablauf der vereinbarten Ruhensphase wieder bei der Beklagten zu arbeiten, noch drohe eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma T . Es handele sich lediglich um ein außerdienstliches Fehlverhalten ohne konkreten Bezug zu dem ruhenden Arbeitsverhältnis. Auch liege kein schuldhafter Pflichtenverstoß vor. Aufgrund der Reduzierung der Pflichtenstellung gegenüber der Beklagten auf die ordnungsgemäße Verwendung des Dienst-Pkw sei lediglich die Kündigung der Überlassungsvereinbarung gerechtfertigt gewesen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.11.2006 - 5 Ca 2088/06 - aufzuheben,
2. nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage unter Zurückweisung des gegnerischen Berufungsantrags insgesamt abzuweisen.
Gegen das ihr am 09.03.2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Bonn hat die Beklagte am 05.04.2007 Berufung eingelegt, die sie am 08.05.2007 begründet hat. Sie trägt vor, zum Kündigungszeitpunkt habe sie mit dem Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses rechnen müssen und damit mit Vertragsstörungen von Seiten des Klägers vor Ablauf der Kündigungsfrist, da dieser jederzeit auf eigenen Wunsch wieder bei ihr hätte arbeiten können. Der Kläger habe seine Pflicht, vereinbarungsgemäß mit dem Dienst-Pkw umzugehen, vorsätzlich so grob verletzt, dass ihr Vertrauen in die Wahrung ihrer Vermögensinteressen als gestört anzusehen sei. Das ruhende Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit den weiterhin bestehenden Pflichten fortzuführen, sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil sie dann dem Kläger weiterhin vereinbarungsgemäß ein Fahrzeug hätte zur Verfügung stellen müssen. Die Ruhensvereinbarung bzgl. des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien führe nicht zu einer anderen Bewertung der Qualität der Pflichtverletzung durch den Kläger, da alle Treue- und Rücksichtnahmepflichten fortbestünden. Eine Kündigung nur der Gestellungsvereinbarung sei als Teilkündigung unzulässig.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufungen der Parteien gegen das arbeitsgerichtliche Urteil sind zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 520 ZPO).
II. In der Sache hat jedoch nur das Rechtmittel des Klägers Erfolg. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Berufung der Beklagten
Das Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung vom 13.07.2006 zu Recht für unwirksam gehalten und der Klage insoweit stattgegeben.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund von jedem Vertragsteil auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung ist somit zweistufig zu prüfen. Zunächst müssen Tatsachen vorliegen, die geeignet sind, einen wichtigen Grund bilden. Bejahendenfalls ist zu prüfen, ob im Rahmen der Zumutbarkeit alle Umstände des Einzelfalles bei der Interessenabwägung berücksichtigt und widerspruchsfrei gewürdigt worden sind.
Zwar kann die verbotswidrige Benutzung eines Dienst-Pkw an sich eine fristlose Kündigung rechtfertigen (vgl. LAG Stuttgart 19.12.1969 - 4 Sa 77/69, BB 1970, 534). Der Kläger hat sich hier auch vertragswidrig verhalten, indem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille eine Privatfahrt mit dem ihm von der Beklagten überlassenen Pkw unternahm. Die Pflicht aus der Gestellungsvereinbarung vom 08.08.2003, den Pkw nicht zu Privatfahrten zu nutzen, hat der Kläger auch schuldhaft verletzt, da er aufgrund seiner erheblichen Alkoholisierung zumindest fahrlässig gehandelt hat.
Allerdings fällt die stets vorzunehmende umfassende Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers aus. Zum einen hat er den entstandenen Schaden in vollem Umfang ersetzt. Zum anderen drohten der Beklagten auch keine weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen durch den Kläger. Da er die gleichzeitig am 13.07.2006 mit der fristlosen Kündigung ausgesprochene, ebenfalls fristlose Kündigung der Gestellungsvereinbarung nicht angegriffen hat und diese als wirksam anzusehen ist, musste die Beklagte ihm nicht erneut einen Dienst-Pkw zur Verfügung stellen. Die Kündigung der Gestellungsvereinbarung war keine unzulässige Teilkündigung, weil es sich bei dieser Vereinbarung nicht um einen Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien von Juli 1991 handelte, sondern um eine selbstständige Regelung nur für den Zeitraum der Ruhensvereinbarung. Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung der Gestellungsvereinbarung lagen in zumindest analoger Anwendung des § 605 Nr. 2 BGB vor. Denn die Pflichtverletzung des Klägers durch die Privatfahrt stellt einen vertragswidrigen Gebrauch des unentgeltlich überlassenen Pkw dar.
Selbst wenn man die Gestellungsvereinbarung als unselbständigen Teil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ansehen würde, wovon die Beklagte - wenn auch nicht konsequent, wie die separate fristlose Kündigung zeigt - ausgeht, so wäre in diesem Sonderfall auch eine Teilkündigung aus wichtigem Grund zulässig gewesen. Die Teilkündigung betraf den Randbereich des Arbeitsverhältnisses, ohne in das Ordnungs- und Äquivalenzgefüge mit seinen Hauptleistungspflichten einzugreifen. Als milderes Mittel genießt sie den Vorrang vor der Änderungs- und der Beendigungskündigung (vgl. Kalb, Festschrift für Küttner, 2006, S. 309, 325 f.).
2. Berufung des Klägers
Das Arbeitsgericht hat die Klage im Übrigen zu Unrecht abgewiesen, da die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 13.07.2006 gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ebenfalls unwirksam, weil sozial ungerechtfertigt, ist. Denn in dem Fehlverhalten des Klägers liegt kein ausreichender verhaltensbedingter Kündigungsgrund. Es fehlt an einer für eine verhaltensbedingte Kündigung erforderliche Negativprognose zu Lasten des Klägers. Eine solche ist jedoch zur Begründung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung regelmäßig erforderlich, weil eine solche Kündigung keine Sanktion für ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit ist. Das sog. Prognoseprinzip verlangt vielmehr eine Prüfung, ob eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich gleichartiger Pflichtverletzungen besteht oder ob sich das belastende Ereignis - selbst ohne Wiederholung - weiter belastend auswirkt (vgl. APS/Dörner, 2. Aufl. 2004, § 1 KSchG, Rn 272 m.w.N.).
Durch die wirksame Kündigung der Gestellungsvereinbarung wird die Wiederholung einer gleichartigen Pflichtverletzung durch den Kläger ausgeschlossen, so dass diese ausreichend ist, um die von der Beklagten befürchteten Vertragsstörungen in Form der Nichtwahrung ihrer Vermögensinteressen bei der Überlassung eines Dienstwagens zu vermeiden. Insoweit kommt es auch nicht mehr auf den Vorrang einer Abmahnung an, weil eine Privatnutzung in Zukunft ohnehin nicht mehr stattfinden kann. Auch eine fortwirkende Belastung des - ruhenden - Arbeitsverhältnisses durch das einmalige Fehlverhalten des Klägers kann nicht angenommen werden, zumal er den Schaden in vollem Umfang ersetzt hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.
Ende der Entscheidung
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