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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 943/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Die Nichtanzeige offenkundiger Überzahlungen über einen längeren Zeitraum mit anschließendem Hinweis auf den Wegfall der Bereicherung kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung sozial rechtfertigen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 943/04

Verkündet am 09. Dezember 2004

In Sachen

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 09.12.2004 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Kalb als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Jung und Rosenbach

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 8 Ca 5669/03 d - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 26.09.2003 zum 31.03.2004. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 01.04.2004 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses komme nicht in Betracht, weil die Klägerin durch ihr vorsätzliches pflichtwidriges Verhalten, die offensichtlich fehlerhaften Geldzahlungen durch den Beklagten nicht anzuzeigen und für sich zu verwenden, das Vertrauensverhältnis zerstört habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.07.2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 09.08.2004 Berufung eingelegt und diese am 23.09.2004 begründet.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.04.2004 - 8 Ca 5669/03 d - aufzuheben und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht auf Grund der Kündigung vom 26.09.2003 zum 31.03.2004 sein Ende gefunden hat.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 26.09.2003 ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtswirksam, weil sie durch Gründe, die in dem Verhalten der Klägerin liegen, bedingt und damit sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung, auf die in vollem Umfang verwiesen wird, erkannt. Die Angriffe der Berufung vermögen daran nichts zu ändern. Ergänzend ist lediglich auszuführen:

Das Berufungsgericht hat bereits in dem die Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 01.10.2004 dargelegt, dass die Klägerin gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die schutzwürdigen Interessen des Beklagten durch die Nichtanzeige der offenkundigen Überzahlungen nachhaltig verstoßen hat. Auch wenn der Grund für die fehlerhaften Überweisungen im Organisationsbereich des Beklagten lag, so durfte die Klägerin die ihr nicht zustehenden Zahlungen in Höhe von insgesamt 8.475,88 € nicht einfach vereinnahmen und für sich verwenden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht eine besondere Verwerflichkeit darin gesehen, dass die Klägerin ihr Fehlverhalten über ein halbes Jahr sechsmal wiederholte und keine Skrupel hatte, das ihr nicht zustehende Geld für sich zu verwenden, um sich anschließend dreist auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. Auch ihr weiteres Verhalten, mit dem sie die Bemühungen des Beklagten, die zu Unrecht gezahlten Beträge in angemessener Zeit wieder zurückzuerhalten, durchkreuzt hat, macht deutlich, dass die für jedes Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauensgrundlage weggefallen ist. Selbstverständlich bestand auch für die Klägerin eine mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers korrespondierende Treuepflicht, aus der sich eine Anzeigeobliegenheit ergab, gegen die die Klägerin nachhaltig verstoßen hat. Bei alledem kommt es auf die strafrechtliche Bewertung ihres Verhaltens nicht an.

Entgegen der Auffassung der Berufung war auch keine vorherige Abmahnung notwendig. Eine Abmahnung ist nämlich entbehrlich, wenn sie kein geeignetes milderes Mittel zur Beseitigung der Vertragsstörung darstellt oder zur Begründung einer Negativprognose für die weitere Vertragsbeziehung nicht erforderlich ist (vgl. nur Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage, Rz. 1178 m. w. N.). Hier war es so, dass die Klägerin die Unrechtmäßigkeit ihres Verhaltens klar erkennen musste und mit einer Billigung durch den Arbeitgeber nicht rechnen konnte. Gerade die Dauer ihres Fehlverhaltens und die dabei zum Ausdruck kommende Rücksichtslosigkeit offenbaren eine Einstellung, die eine vertrauensvolle weitere Zusammenarbeit unmöglich macht. Dies hat auch das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Unerheblich ist schließlich die späte Einsicht der Klägerin, die zu dem anwaltlichen Vergleichsangebot vom 15.11.2004 (!) geführt hat. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 26.09.2003. Wenn die Klägerin sich "nunmehr reumütig" zeigt und zum Schadensausgleich durch Verrechnung mit Gehaltszahlungen bei einer Weiterarbeit bereit ist, so kommt dies zu spät, um auf die Wirksamkeit der Kündigung Einfluss haben zu können. Der Beklagte hat sich vor Ausspruch der Kündigung lange bemüht, mit der Klägerin zu einer interessengerechten Lösung zu kommen. Die Klägerin hat diese Chance nicht genutzt.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 12 Abs. 7 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Ende der Entscheidung

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